Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei und dem Nebenintervenienten die jeweils mit S 4.871,04 (darin S 811,84 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die beklagte Partei hatte von der klagenden Partei eine Fernsprechnebenstellenanlage gemietet. In der Folge wurde über das Vermögen der beklagten Partei mit Beschluß vom 30.10.1995 der Konkurs eröffnet und der nunmehrige Nebenintervenient zum Masseverwalter bestellt. Die klagende Partei löste den Mietvertrag auf und begehrte die Herausgabe der Fernsprechnebenstellenanlage, die in ihrem Eigentum steht. Mit Schreiben vom 23.1.1996/13.2.1996 schlossen die klagende Partei und der Masseverwalter eine neue Benützungsvereinbarung über dieselbe Fernsprechnebenstellanlage gegen eine vereinbarte monatliche Benützungsgebühr in Höhe von S 9.099,21 zuzüglich 20 % USt. Unter dieser Voraussetzung verblieb die Anlage am Anlagestandort und wurde von der beklagten Partei weiter benützt.
Nachdem vom Rekursgericht mit Beschluß vom 20.6.1996 dem Rekurs der Gemeinschuldnerin gegen die Eröffnung des Konkurses stattgegeben worden war, hob das Erstgericht mit Beschluß vom 10.9.1996 den Konkurs über die beklagte Partei auf.
Die Masseforderung der klagenden Partei betreffend die Fernsprechnebenstellenanlage für die Zeit vom 1.3.1996 bis 30.9.1996 blieb gemäß § 47 Abs 2 KO unbefriedigt.
Nach Konkursaufhebung wurde der beklagten Partei wieder ihre Büroeinrichtung im Wert von S 10.000,-- übergeben. Weiters besitzt die beklagte Partei ein Superädifikat, auf dem Pfandrechte in Höhe von S 4,600.000,-- aushaften, welche den Wert des Superädifikats übersteigen.
Die klagende Partei begehrte mit der vorliegenden Klage nach Klagsausdehnung schließlich die Bezahlung der offenen Mietgebühren in Höhe von S 76.866,65 sA und zwar vorerst vom Masseverwalter und nach Konkursaufhebung von der beklagten Partei als ehemalige Gemeinschuldnerin.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens.
Das Erstgericht sprach der klagenden Partei S 10.000,-- zu und wies das Mehrbegehren von S 66.866,65 sA ab.
Infolge Berufung der klagenden Partei gegen den klagsabweisenden Teil des Ersturteils bestätigte das Berufungsgericht diese Entscheidung unter eingehender Auseinandersetzung mit der Lehre und der spärlichen Judikatur zu den streiterheblichen Fragen. Die ordentliche Revision ließ es nicht zu. In rechtlicher Hinsicht stützte es sich auf die herrschende Ansicht, daß der ehemalige Gemeinschuldner, soweit es sich um Forderungen handelt, die auf einen Vertrag zurückgehen, der erst im Konkursverfahren geschlossen wurde, nur beschränkt in Höhe des Wertes der ausgefolgten Gegenstände hafte (pro viribus-Haftung des ehemaligen Gemeinschuldners).
Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der klagenden Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im vollklagsstattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
Die beklagte Partei und der Nebenintervenient beantragen in den ihnen freigestellten Revisionsbeantwortungen, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zwar zulässig, aber nicht berechtigt.
Zu Recht verweist die klagende Partei darauf, daß zum vorliegenden Fragenkomplex nur eine einzige - schon siebzig Jahre alte - OGH-Entscheidung existiere, die nach ihrer Meinung auch "nicht zwingend" sei; nähere Ausführungen fehlen allerdings. Eine höchstrichterliche Rechtsprechung, die auf den konkreten Fall anwendbar sei, fehle überhaupt: Im vorliegenden Fall habe nämlich der Masseverwalter einen identen Vertrag geschlossen, wie er schon vorher mit der Gemeinschuldnerin bestanden habe. Eine unterschiedliche Behandlung eines solchen neuen identen Vertrages und eines Vertrages, der ununterbrochen fortgelaufen wäre, sei nicht gerechtfertigt. Die von der Lehre getroffene Unterscheidung in Masseforderungen aus Verträgen, die vor Konkurseröffnung geschlossen wurden, hinsichtlich derer eine unbeschränkte Haftung des früheren Gemeinschuldners nach Konkursaufhebung bestehen solle, und in solche aus erst danach geschlossenen Verträgen, für die nur eine beschränkte pro viribus-Haftung des früheren Gemeinschuldners bestehe, sei jedenfalls bei einem identen neuen Vertrag nicht gerechtfertigt.
Da zum vorliegenden Fragenkomplex nur eine einzige, noch dazu bereits aus der Zwischenkriegszeit stammende oberstgerichtliche Entscheidung (SZ 9/223) existiert, ist die Revision schon aus diesem Grund zulässig. Hinzu kommt, daß weder sie, noch die Lehrmeinungen, auf die sich die angefochtene Entscheidung ebenfalls stützt, auf den hier zu beurteilenden Vertragstyp Bezug nehmen und die allgemeinen Ausführungen der Lehre zu Mißverständnissen Anlaß geben könnten, die auszuräumen sind.
Die vorliegende Berufungsentscheidung orientiert sich an der herrschenden Ansicht (SZ 9/223; Bartsch in Bartsch/Pollak KO, AO I3 274; Petschek/Reimer/Schiemer Insolvenzrecht 704; Bettelheim, RZ 1926, 65; ebenso ohne Begründung Holzhammer, Insolvenzrecht5 163; in diesem Sinn auch König, Anfechtung Rz 462 f und neuerdings Bachmann, Befriedigung der Masseforderungen ((1993)) 174), daß die Haftung des ehemaligen Gemeinschuldners für nichtbeglichene Masseforderungen, jedenfalls soweit es sich um erst nach Konkurseröffnung vom Masseverwalter geschlossene Verträge handelt, auf die Höhe des Wertes der ausgefolgten Gegenstände beschränkt ist. Diese Autoren gehen, wie insb Bartsch (aaO) ausführlich darlegt, davon aus, daß Masseschulden aus Verträgen, die bei Konkurseröffnung bereits bestanden haben, auch nach Konkurseröffnung persönliche Schulden des Gemeinschuldners bleiben, weil er ohne Konkurseröffnung persönlich für sie gehaftet hafte. Im Konkurs hafte er daher für sie nicht nur mit der Masse, sondern auch mit dem konkursfreien Vermögen; nach Aufhebung des Konkurses hafte er für sie wie vor dem Konkurs in seinem gesamten Vermögen. Handle es sich aber um Masseforderungen, die während des Konkurses entstehen, gelte die Beschränkung der Haftung auf die Masse, woraus folge, daß die Haftung des früheren Gemeinschuldners nach Konkursaufhebung auf die Höhe der ihm ausgefolgten Massebestandteile beschränkt sei (pro viribus-Haftung).
Die insbesondere von Bartsch geforderte unbeschränkte Haftung des Gemeinschuldners für die Erfüllung zweiseitiger Verträge, in die der Masseverwalter eingetreten ist, findet ihre Rechtfertigung vor allem darin, daß dann, wenn sich der Masseverwalter gemäß § 21 Abs 2 KO für den Eintritt in den vom Gemeinschuldner vor Konkurseröffnung geschlossenen und nicht oder nicht vollständig erfüllten Vertrag entscheidet, die Bindung des anderen Vertragsteiles an den mit dem Gemeinschuldner abgeschlossenen Vertrag aufrecht bleibt, da ihm kein Rücktrittsrecht, sondern lediglich unter den Voraussetzungen des § 21 Abs 3 KO die Unsicherheitseinrede eingeräumt wird. Aus der Sicht des anderen Vertragsteiles, der an den mit dem Gemeinschuldner geschlossenen Vertrag gebunden bleibt, wäre daher eine Einschränkung der Haftung des Gemeinschuldners auf die Masse nicht sachgerecht. § 21 KO gilt allerdings im Hinblick auf die Sonderbestimmung des § 23 KO nicht für - in Vollzug gesetzte - Bestandverträge (siehe JBl 1995, 727 mwH); in diesen Fällen kommt nicht das Wahlrecht des Masseverwalters nach § 21 KO und damit ein ausdrücklicher "Eintritt" in Frage, sondern nur eine Kündigung unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist, wie dies der erkennende Senat in 8 Ob 310/97i ausgesprochen hat. Die Ausführungen von Bartsch über die Erfüllung von Verträgen, in die der Masseverwalter eingetreten ist, betreffen derartige Verträge daher nicht. Auch aus der Sicht des anderen Vertragsteiles besteht bei derartigen - im "Leistungs-Gegenleistungstakt" zu erfüllenden - Verträgen kein Grund, dem Gemeinschuldner die unbeschränkte Haftung für Masseforderungen des Bestandgebers aufzuerlegen, die nach dem Zeitpunkt entstanden sind, zu dem der Bestandgeber nach Konkurseröffnung das Bestandverhältnis hätte durch Kündigung beenden können (vgl zur ähnlichen Problematik bei der Haftung des ausgeschiedenen Gesellschafters nach den §§ 128 und 159 HGB ZAS 1989/1 ((Rummel)) = DRdA 1990/13 ((E.Bydlinski)) mwH, insbesondere BGHZ 70, 132 und Fenyves ((Erbenhaftung und Dauerschuldverhältnis 107)). Derartige Forderungen sind daher im Sinne der Ausführungen von Bartsch als während des Konkurses entstandene Masseforderungen zu qualifizieren, für die die Beschränkung der Haftung des Gemeinschuldners zum Tragen kommt.
Die klagende Partei, die von ihrem Kündigungsrecht Gebrauch gemacht hatte und mit dem Masseverwalter eine neue Benützungsvereinbarung zu den bisherigen Bedingungen abschloß, kann daher für ihre aus dieser Benützungsvereinbarung resultierenden Masseforderungen den Gemeinschuldner nur mit der Beschränkung auf die Masse in Anspruch nehmen.
Soweit die Revisionswerberin höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vermißt, wie die rückübertragene Masse zu bewerten sei, ist sie auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes zu verweisen. Im vorliegenden Fall hat man sich nicht an der Haftung nach § 1409 ABGB, die nur bei rechtsgeschäftlicher Vermögens- oder Unternehmensübernahme zum Tragen kommt (Ertl in Rummel ABGB II2 Rz 3 zu § 1409; Honsell/Heidinger in Schwimann ABGB2 Rz 6 zu § 1409; SZ 41/112; SZ 44/170 ua) und nach der nach überwiegender Ansicht pfandrechtliche Belastungen nicht zu berücksichtigen sind (JBl 1966, 523), zu orientieren, sondern an der Haftung nach § 802 ABGB (unzureichende Verlassenschaft), nach der pfandrechtliche Belastungen zu berücksichtigen sind (vgl NZ 1986, 107), sodaß das pfandrechtlich überbelastete Superädifikat, dessen Verwertung zugunsten der Masse - und Konkursgläubiger auszuschließen ist, bei der Bewertung des rückübertragenden Vermögens nicht zu berücksichtigen ist. Dies ist sachgerecht, weil die klagende Partei nicht besser gestellt sein kann, als wenn es noch vor Konkursaufhebung zu einer Verwertung des Superädifikates gekommen wäre. In einem solchen Fall hätten nämlich die Masse- und Konkursgläubiger wegen der den Wert des Superädifikates übersteigenden Pfandrechte aus dem Superädifikat keinerlei Befriedigung erlangt, weil die Absonderungsgläubiger (§ 48 KO) vorrangig befriedigt worden wären.
Die berufungsgerichtliche Entscheidung ist daher zu bestätigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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