OGH 5Ob163/98a

OGH5Ob163/98a23.6.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Baumann und Dr.Hradil als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache der Antragstellerin W***** Gemeinnützige WohnbauGmbH, ***** vertreten durch Dr.Wolfram Themmer, Dr.Martin Prunbauer, Dr.Josef Toth, Rechtsanwälte in Wien, wider die Antragsgegner 1) Michel und Traude P*****, Wohnung [in der Folge: W] (W 1), 2) Sylvia S*****, (W 2), 3) Tsen-Lan G***** (W 3), 4) Brigitte S***** (W 4), 5) Luis Ramiro Ramos A***** (W 5), 6) Erwin R***** (W 6), 7) Josef und Hildegard K***** (W 7), 8) Dr.Franci und Mag.Eva Z***** (W 8), 9) Chioulin C***** (W 9),

  1. 10) Dr.Bruno und Veronika K***** (W 10), 11) Richard K***** (W 11),
  2. 12) Dipl.Ing.Roland B***** (W 12) und 13) Brigitta P***** (W 14), alle in *****, wegen § 22 Abs 1 Z 2a WGG iVm § 15c WGG, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 13. Jänner 1998, GZ 41 R 508/97b-9, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 9.5.1997, GZ 30 Msch 71/96h-4, abgeändert wurde, folgenden

Sachbeschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

In dem von der Antragstellerin eingeleiteten Preisfestsetzungsverfahren nach § 15c, § 22 Abs 1 Z 2a WGG ist nach weitgehend unbekämpft gebliebenen Sachbeschlüssen der Vorinstanzen nur mehr die Frage strittig, ob die Verkehrswerte der für eine Übertragung ins Wohnungseigentum vorgesehenen Wohnungen (zu entnehmen der Spalte 2 des Spruchs der erstinstanzlichen Entscheidung) um jene Beträge zu vermindern sind, die sich für den Mieter oder sonstigen Nutzungsberechtigten aus der anteiligen Übernahme aller Verpflichtungen der Bauvereinigung, insbesondere der zur Finanzierung der Herstellung der Baulichkeit oder deren Erhaltung und Verbesserung gewährten Darlehen, ergeben. Die Antragstellerin vertritt dazu im wesentlichen den Standpunkt, daß eine derartige Minderung der für die nachträgliche Übertragung von Genossenschaftswohnungen ins Wohnungseigentum festzusetzenden Preise durch § 15c WGG nicht geboten sei und im konkreten Fall schon durch die Unmöglichkeit einer Übernahme der auf der Wohnanlage haftenden Darlehen seitens der Mieter ausscheide.

Beide Vorinstanzen hielten den Einwand der Antragstellerin für unberechtigt und stellten entsprechende Abzüge für die anteilige Übernahme der im Antragszeitpunkt aushaftenden Darlehen fest (Spalte 4 der erstinstanzlichen Entscheidung), sodaß sich entsprechende Differenzen in den Preisvarianten ergaben. Das Rekursgericht begründete dabei seinen Rechtsstandpunkt wie folgt:

Gemäß § 15c Abs 2 WGG habe das Gericht über Antrag der Bauvereinigung den Preis für die nachträgliche Übertragung in das Wohnungseigentum festzusetzen, und zwar, wie sich aus § 15c Abs 3 WGG ergebe, unter Anwendung des § 15b Abs 3 bis 7 WGG. § 15b Abs 4 WGG ordne an, daß der nach Abs 3 ermittelte Verkehrswert um jene Beträge zu vermindern ist, die sich für den Mieter oder sonstigen Nutzungsberechtigten (idF Nutzer) aus der anteiligen Übernahme aller Verpflichtungen der Bauvereinigung (Abs 2) ergeben. Danach müsse das Gericht bei der Preisfestsetzung vom Verkehrswert einen Abschlag für die Übernahme von Verpflichtungen der Bauvereinigung, wie zB von Darlehensverpflichtungen, vorzunehmen, und zwar in Höhe der aushaftenden anteiligen Darlehensschuld im Zeitpunkt der Antragstellung.

Für diese Auslegung spreche auch § 15b Abs 2 WGG, weil der Nutzer nach Rechtskraft der gerichtlichen Preisfestsetzung Wohnungseigentum dadurch erwerbe, daß er rechtzeitig schriftlich bekanntgibt, "die Wohnung oder den Geschäftsraum zum festgesetzten Preis unter anteiliger Übernahme aller Verpflichtungen der Bauvereinigung, wie insbesondere von zur Finanzierung der Herstellung der Baulichkeit oder deren Erhaltung und Verbesserung gewährten Darlehen, erwerben zu wollen, .....". Nach dem Bericht des Bautenausschusses (AB) zum 3. WÄG (1268 BlgNR 18. GP) zu § 15b WGG verdeutliche die Konstruktion des § 15b Abs 2 WGG "im Interesse der Rechtssicherheit, daß der Wohnungsinhaber als Voraussetzung für den Eigentumserwerb jedenfalls die Darlehensverpflichtungen des Bauträgers zu übernehmen hat. Grundlage für die Preisermittlung ist der Verkehrswert .... unter Berücksichtigung der Sonderregelung des Abs 3 und der Zu- und Abschläge gemäß Abs 4."

Während im Fall des § 15b WGG (bei Neubauten; Gewährung öffentlicher Förderung nach dem 31.12.1993) der Nutzer grundsätzlich einen Rechtsanspruch zur Begründung von Wohnungseigentum hat, stehe es im Fall des § 15c WGG im Ermessen der Bauvereinigung, ob Wohnungseigentum begründet werden soll. Es stehe ihr frei, nach Rechtskraft der Preisfestsetzung durch das Gericht einem Nutzer ein Anbot (eine "Zusage") auf Einräumung des Wohnungseigentumsrechtes an seiner Wohnung (an seinem Geschäftsraum) zu machen. Erst mit fristgerechter Annahme des Anbotes erwerbe der Nutzer Wohnungseigentum.

Da § 15c WGG weder auf § 15b Abs 2 WGG verweise noch eine vergleichbare Regelung enthalte, lasse der Gesetzeswortlaut die Auslegung zu, daß es der Bauvereinigung freisteht, in ihrem Anbot die Bedingungen (ausgenommen den Preis) für die Einräumung des Wohnungseigentums festzulegen. Sie könnte nach dieser Gesetzesauslegung zB vorsehen, daß auf die Berücksichtigung des Vorliegens eines aufrechten Miet- oder sonstigen Nutzungsverhältnisses als wertbildenden Umstand verzichtet wird (siehe die §§ 15b Abs 3 und 15c Abs 3 WGG) oder die anteilige Übernahme von Darlehensverpflichtung - in Anrechnung auf den Kaufpreis - ausschließen.

Gegen letztere Wahlmöglichkeit, die Übernahme von Darlehensverpflichtungen der Bauvereinigung nicht zuzulassen, spreche allerdings, daß sie - anders als bei der Berücksichtigung aufrechter Miet- oder sonstiger Nutzungsverhältnisse als wertmindernder Umstand (§§ 15b Abs 3 und 15c Abs 3 WGG) - im Gesetz nicht vorgesehen sei. Hiezu komme, daß nach dem AB zu § 15b WGG der Nutzer jedenfalls die Darlehensverpflichtungen zu übernehmen habe, während im AB zu § 15c die Frage der Darlehensverpflichtungen überhaupt nicht angesprochen werde. Das sei ein Indiz dafür, daß diese Frage so zu behandeln ist wie im Fall des § 15b WGG.

Außerdem bestehe eine gewisse Gefahr, wenn der Preis gemäß § 15c WGG ohne Berücksichtigung bestehender Verpflichtungen der Bauvereinigung festgestellt wird, diese Verpflichtungen aber grundbücherlich sichergestellt sind: Im Gesetz sei für diesen Fall keine Sicherung dafür vorgesehen (zB durch Einschaltung eines Treuhänders), daß der bezahlte Kaufpreis auch tatsächlich zur Rückzahlung der Darlehen verwendet wird, um zu vermeiden, daß den späteren Wohnungseigentümer trotz Zahlung des vollen Kaufpreises eine Sachhaftung mit seinem Liegenschaftsanteil trifft. Zum Unterschied von einem gewöhnlichen Kaufvertrag könnte es sein, daß der einzelne Nutzer sich nicht um die Übertragung eines lastenfreien Liegenschaftsanteils sorgt und dies deshalb nicht für notwendig erachtet, weil Kaufverträge für mehrere Wohnungsnutzer ausgearbeitet wurden und der Preis ohnehin vom Gericht festgesetzt wurde.

Demnach könne bei bestehenden Verpflichtungen der Bauvereinigung nach der derzeitigen Gesetzeslage auch im Fall des § 15c WGG Wohnungseigentum nur begründet werden, wenn der Nutzer die Verpflichtungen der Bauvereinigung anteilig übernimmt. Bei Unmöglichkeit einer solchen Übernahme scheide eine Übertragung ins Wohnungseigentum aus.

Bestanden also in dem (für die Preisfestsetzung relevanten) Zeitpunkt der Antragstellung Verpflichtungen der Bauvereinigung, so seien diese bei der Ermittlung des Preises wertmindernd zu berücksichtigen.

Aus den §§ 15b Abs 3 und 4, 15c Abs 3 WGG ergebe sich, daß der festzustellende "Preis" nicht der (Gesamt)Kaufpreis sein muß, wenn zB Verpflichtungen anteilig zu übernehmen sind. In diesem Fall sei der gerichtlich festgesetzte Preis bloß ein Teil des Gesamtkaufpreises, nämlich das in bar zu entrichtende Entgelt.

Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Begründet wurde dies damit, daß oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Festsetzung des Preises für die nachträgliche Übertragung in das Wohnungseigentum gemäß den §§ 15b und 15c WGG fehle.

Im jetzt vorliegenden Revisionsrekurs beharrt die Antragstellerin auf ihrem Rechtsstandpunkt, die Übernahme ihrer Darlehensverpflichtungen durch die Mieter (Nutzer) ausschließen und dementsprechend Einfluß auf die Festsetzung der Übergabepreise nehmen zu können. Andernfalls stünde sie, da eine privative Schuldübernahme die Zustimmung des jeweiligen Gläubigers voraussetzt, bei einer sie nach § 15b WGG treffenden Verkaufsverpflichtung vor dem unlösbaren Problem, bestehende Hypothekardarlehen nicht kündigen zu können, gleichzeitig aber auch nicht aus der Haftung entlassen zu werden, weil der Hypothekargläubiger nur einen Schuldbeitritt des Wohnungskäufers akzeptieren wird. Die fragliche Gesetzesbestimmung könne daher nur so verstanden werden, daß der Bauvereinigung die Möglichkeit offengelassen wird, sich aus ihrer Haftung für bestehende Darlehensverpflichtungen zu befreien. Die Reduzierung des Übergabepreises um die vom Mieter zu übernehmenden Darlehensverpflichtungen bei gleichzeitiger Weiterhaftung der Bauvereinigung wäre mit der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie nicht vereinbar. Der Bauvereinigung müsse, falls der Hypothekargläubiger mit einer privativen Schuldübernahme nicht einverstanden ist, wenigstens die Möglichkeit einer anteiligen Darlehenskündigung offenstehen. Jener Teil des Gesamtkaufpreises, der zur Lastenfreistellung aufgewendet werden muß, sei dann Zug um Zug mit der Einverleibung des Eigentumsrechtes an den Hypothekargläubiger zu zahlen. Das wiederum setze voraus, als Übergabepreis die Summe aller vom Wohnungskäufer zu erbringenden Gegenleistungen festzusetzen, gleichgültig, ob diese durch Barzahlung oder in Form einer anteiligen Übernahme von Darlehensverpflichtungen erbracht werden. Im gegenständlichen Fall habe die Antragstellerin das aushaftende Wohnbauförderungsdarlehen in Vorbereitung des geplanten Verkaufs der Wohnungen getilgt, um einer für den Fall der Wohnungseigentumsbegründung vorgesehenen Kündigung des Hypothekargläubigers vorzubeugen. Die anteilige Übernahme der übrigen Hypothekardarlehen durch die Mieter scheide aus. Wenn daran der Verkauf der Wohnungen scheitern sollte, sei niemandem gedient. Die Bauvereinigung daran zu hindern, Wohnungen zu verkaufen, weil eine anteilige Darlehensübernahme unter gleichzeitiger Entlassung der Bauvereinigung aus ihrer persönlichen Haftung nicht erreichbar ist, wäre eine sachlich nicht zu rechtfertigende Verkehrsbeschränkung. Der Gefahr, daß der vom Wohnungskäufer bezahlte volle Kaufpreis von der Bauvereinigung nicht zur anteiligen Darlehenstilgung verwendet wird, lasse sich ohnehin durch eine Treuhandabwicklung begegnen. Der Gesetzgeber könne nicht für jede Eventualität vorsorgen.

Der Revisionsrekursantrag geht dahin, die Preise für die Übertragung der derzeit den Antragsgegnern zur Nutzung überlassenen Wohnungen unter Außerachtlassung der bestehenden anteiligen Darlehensverpflichtungen entsprechend den Verkehrswerten samt Zuschlägen für anteilige nicht rückzahlbare Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge (so wie in Spalte 7 des Spruchs der erstinstanzlichen Entscheidung) festzusetzen.

Die Antragsgegner haben sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.

Zutreffend hat schon das Rekursgericht darauf hingewiesen, daß die gerichtliche (verwaltungsbehördliche) Preisfestsetzung für die in § 15c WGG behandelte "sonstige" nachträgliche Übertragung von Genossenschaftswohnungen in das Eigentum der Mieter den Regeln des § 15b Abs 3 bis 5 WGG zu folgen hat. Das ergibt sich aus § 15c Abs 3 WGG, wonach die angesprochenen Bestimmungen ohne jede Einschränkung "gelten", und wird von der Rechtsmittelwerberin auch gar nicht in Frage gestellt. Es ist daher zu untersuchen, ob die Anordnung des § 15b Abs 4 WGG, bei der Festsetzung des Übergabepreises so vorzugehen, daß der Verkehrswert einer für den Verkauf an den Mieter vorgesehenen Wohnung um die der anteiligen Übernahme aller Verpflichtungen der Bauvereinigung seitens des Mieters entsprechenden Beträge vermindert wird, die von der Rechtsmittelwerberin in Anspruch genommene Ausnahme (praktisch die Einforderung des vollen Verkehrswertes samt Zuschlägen nach § 15b Abs 5 WGG gegen das Versprechen der Lastenfreistellung aus dem Verkaufserlös) erlaubt.

Der Wortlaut des § 15b Abs 4 WGG, wonach der Abzug vorzunehmen "ist", spricht, wie ebenfalls schon das Rekursgericht darlegte, gegen die Zulassung jeglicher Ausnahmen, die den Mieter belasten könnten. Die Regelung ist nämlich zugunsten des Mieters zwingend (§ 21 Abs 1 Z 1 WGG) und steht im Kontext zu den Anordnungen des Gesetzgebers, daß bei der gerichtlichen (verwaltungsbehördlichen) Preisfestsetzung auf die im Zeitpunkt der Antragstellung bestehenden Darlehensverpflichtungen der Bauvereinigung abzustellen ist (§ 15b Abs 3 Satz 1 WGG), die der Mieter ausnahmslos zu übernehmen hat (arg "alle" in § 15b Abs 2 letzter Satz sowie § 15b Abs 4 WGG; siehe dazu auch den vom Rekursgericht erwähnten AB, abgedruckt bei Würth/Zingher, Wohnrecht 94, 197 f). Folglich haben alle im Zeitpunkt der Antragstellung auf gerichtliche (verwaltungsbehördliche) Preisfestsetzung bestehenden Darlehensverpflichtungen der Bauvereinigung zu einem Abzug vom Verkehrswert zu führen. Die von der Antragstellerin angestrebte Ausnahme wäre nur über eine teleologische Reduktion des Gesetzeswortlauts zu erreichen.

Eine solche den Gesetzeswortlaut berichtigende Auslegung setzt den Nachweis einer vom Gesetzgeber übersehenen, also ungewollten Regelungslücke voraus. Fügt sich daher die Nichtzulassung von Ausnahmen in ein erkennbares Konzept des Gesetzgebers, scheidet die Möglichkeit einer teleologischen Reduktion seiner Anordnung aus (vgl Bydlinski in Rummel2, Rz 2 und 7 zu § 7 ABGB). Im konkreten Fall spricht für die Ausnahmefeindlichkeit der Anordnung, alle im Zeitpunkt der Antragstellung auf Preisfestsetzung bestehenden Darlehensverpflichtungen der Bauvereinigung in Form eines Abschlages vom Verkehrswert zu berücksichtigen, daß der Gesetzgeber in § 15b Abs 5 WGG eine preismindernde Berücksichtigung der vom Mieter bis zum Erwerb des Wohnungseigentums zu leistenden Entgeltzahlungen nach § 14 Abs 1 Z 1 bis 3 und 5 WGG verboten hat. Bei Übernahme aller im Zeitpunkt der Antragstellung auf gerichtliche (verwaltungsbehördliche) Preisfestsetzung bestehenden Darlehensverpflichtungen der Bauvereinigung durch den Mieter ist dies auch durchaus konsequent, weil der Mieter seine während des Preisfestsetzungsverfahrens und auch noch nachher vielleicht Monate oder Jahre bis zur Verbücherung des Wohnungseigentums zu leistenden Entgeltzahlungen durch eine Verminderung der übernommenen Darlehensverpflichtungen abgegolten erhält. Die Regelung würde andererseits zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Bauvereinigung führen, ließe man bei der auf den Beginn des Verfahrens nach § 22 Abs 1 Z 2a WGG abzustellenden Preisfestsetzung die Wertminderung durch bestehende Darlehensverpflichtungen unberücksichtigt, die erst wesentlich später - aus dem Verkaufserlös - getilgt werden sollen. Für die Folgen einer Minderung der Darlehensverpflichtungen durch die bis zur Begründung des Wohnungseigentums fortlaufenden Entgeltzahlungen des Mieters (die sich in einer Kaufpreisminderung auswirken müßten, wegen der Bindung an den festgesetzten Übergabepreis aber nicht auswirken können) wäre diesfalls keine Vorsorge getroffen. Damit macht die Anordnung der preismindernden Berücksichtigung "aller" im Bemessungszeitpunkt bestehenden Darlehensverpflichtungen - unter Ausschaltung jeglicher Ausnahmen - durchaus Sinn. Sie ist Bestandteil eines durchdachten Konzepts, was gegen die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke spricht. Unabhängig davon ist dem Gesetzgeber zu unterstellen, daß er den Erwerb von Wohnungseigentum durch die Mieter von Genossenschaftswohnungen auch dadurch fördern wollte, daß er Finanzierungserleichterungen durch die Übernahme der von Bauvereinigungen im Regelfall günstig aufgenommenen Darlehen bietet. Auch das fügt sich in den Plan, dem Mieter die Übernahme aller bei Beginn des Preisfestsetzungsverfahrens bestehenden Darlehensverpflichtungen der Bauvereinigung zu ermöglichen und es ihm zu überlassen, welche er vorzeitig tilgt.

Gegen dieses bereits vom Rekursgericht erzielte Auslegungsergebnis lassen sich auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken ins Treffen führen.

Von Verkehrsbeschränkungen für Genossenschaftswohnungen, die die Rechtsmittelwerberin bei einem Festhalten am Wortlaut der Preisfestsetzungsbestimmungen des § 15b WGG zu erkennen glaubt, kann keine Rede sein, weil es der Bauvereinigung, die ihre Wohnungen nach Maßgabe der §§ 15b und 15c WGG verkaufen will, freisteht, den Mietern günstigere Bedingungen einzuräumen. Der allfälligen Unmöglichkeit der Übernahme bestimmter Darlehensverpflichtungen seitens der Mieter kann also durch ein Angebot der Bauvereinigung ausgewichen werden, das die Mieter im Ergebnis besser stellt.

Gewichtiger erscheint bei erstem Hinsehen das Argument der Rechtsmittelwerberin, durch die in § 15b Abs 4 WGG apodiktisch angeordnete Übernahme aller bestehenden Darlehensverpflichtungen durch den kaufwilligen Mieter werde ihr verfassungsrechtlich gewährleistetes Eigentumsrecht verletzt, doch trifft auch das nicht zu. Es ist zwar richtig, daß die in § 15b Abs 2 und Abs 4 WGG vorgesehene "Übernahme" von Darlehensverpflichtungen durch den Mieter mangels Zustimmung des Gläubigers nur eine Erfüllungsübernahme iSd §§ 1404, 1405 Satz 2, 1408 ABGB sein kann, die die persönliche Haftung der Bauvereinigung unberührt läßt, doch ist mit dieser vom Mieter unter den Voraussetzungen des § 15b Abs 1 WGG erzwingbaren Rechtsfolge kein enteignungsgleicher Eingriff in ein vermögenswertes Privatrecht der Bauvereinigung verbunden. Für den Fall, daß der Gläubiger seine Einwilligung zur befreienden Schuldübernahme verweigert (§ 1408 ABGB) und die Bauvereinigung aufgrund ihrer fortdauernden persönlichen Haftung in Anspruch nimmt, ist nämlich durch die Rückgriffsregelung des § 1358 ABGB, die sich auf jede Zahlung einer aus der Sicht des Hauptschuldners formell eigenen, materiell aber fremden Schuld anwenden läßt (Gamerith in Rummel2, Rz 1 zu § 1358 ABGB; JBl 1997, 100), insbesondere auch auf die Inanspruchnahme der persönlichen Haftung des Verkäufers einer Liegenschaft, wenn die Übernahme der Hypothekarschuld unter Anrechnung auf den Kaufpreis vereinbart war (E 20 zu § 1358 ABGB MGA34; weitere Nachweise bei Mader in Schwimann2, Rz 4 zu § 1358 ABGB), für den Regelfall (und damit ausreichend) Vorsorge getroffen, daß die Bauvereinigung keinen bleibenden Schaden an ihrem Vermögen nimmt.

Aus diesen Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.

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