OGH 7Ob44/98s

OGH7Ob44/98s9.6.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** Versicherungs-AG, nunmehr A***** Versicherungs-AG, ***** vertreten durch Dr.Werner Masser ua Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei B***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Christine Seltmann, Rechtsanwältin in Wien, wegen S 676.000,-- sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 27.November 1997, GZ 1 R 232/97p-53, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 29.Mai 1997, GZ 16 Cg 55/95b-47, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 21.861,-- (darin S 3.643,50 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte übernahm den Auftrag der Firma C***** & Co GesmbH (im folgenden Firma C*****) Schokolade von Wien nach Moskau als Fixkostenspediteur zu transportieren. Sie hat sich für die Beförderung der Ware eines slowakischen Frächters bedient. Die LKW-Ladung kam aus nicht festgestellten Gründen in Moskau beim vorgesehenen Empfänger nicht an. Die Firma C***** hat (auch) für den gegenständlichen Transport bei der klagenden Partei eine Transportversicherung abgeschlossen. Dem Auftrag der Firma C***** an die beklagte Partei wurden die AÖSp zugrundegelegt, deren Artikel 37 lit d lautet:

"Versichert der Auftraggeber selbst, so ist jeder Schadenersatzanspruch aus den durch diese Versicherung gedeckten Gefahren gegen den Spediteur ausgeschlossen, geht also nicht auf den Versicherer über".

Dem klagenden Versicherer war der Wortlaut dieser Bestimmung (ganz allgemein und nicht allein aufgrund des vorliegenden Versicherungsvertrages) bekannt, ein Verzicht auf seine Regreßansprüche nach § 67 VersVG wurde nicht festgestellt.

Die klagende Versicherung hat der Firma C***** unter Vorbehalt des Regresses gegen den verantwortlichen Frächter den Schaden ersetzt. Gemäß Art 3 CMR ist die beklagte Partei auch für den von ihr eingesetzten slowakischen Frächter verantwortlich.

Die klagende Versicherung begehrt vom beklagten Fixkostenspediteur die von ihr bezahlte Versicherungsentschädigung unter Berufung auf § 67 Abs 1 VersVG im Regreßweg.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung des Klagebegehrens und wendete neben anderen nicht mehr revisionsgegenständlichen Behauptungen ein, daß dem Frachtvertrag zwischen der Firma C***** und ihr die AÖSp verbindlich zugrundegelegt worden seien und daß diese damit auch gegenüber dem Transportversicherer wirksam geworden seien. Die Regreßbefreiung des § 37 lit d AÖSp stehe zwingenden Bestimmungen der CMR nicht entgegen, sodaß von einer Regreßbefreiung des Frachtführers gegenüber dem Versicherer auszugehen sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es beurteilte die Bestimmung des Art 37 lit d AÖSp nicht als der CMR widersprechend, kam aber zum Ergebnis, daß der zwischen dem Versicherungsnehmer als Auftraggeber und der beklagten Partei als Auftragnehmer vereinbarte Verzicht auf das Regreßrecht des Versicherers nach § 67 Abs 1 VersVG gegenüber der nach der Lage der Dinge schadenersatzpflichtigen Beklagten unwirksam sei, weil es sich um einen Vertrag zu Lasten eines Dritten, der mit den AÖSp nicht in das Vertragsverhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer eingebunden worden sei, handle.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts und sprach aus, daß die ordentliche Revision unzulässig sei. Auf den gegenständlichen Beförderungsvertrag sei die CMR anzuwenden. Die Spedition zu festen Kosten bedinge anstelle des Speditionsrechts die Anwendung des Frachtrechtes, auch wenn der Fixkostenspediteur das Gut nicht mit eigenen Fahrzeugen befördere (§ 413 HGB). Der im Frachtvertrag zwischen der Firma C***** und der beklagten Partei vereinbarte § 37 lit d AÖSp verstoße sowohl gegen Art 41 Abs 1, als auch gegen Art 41 Abs 2 CMR, wonach jede Abmachung nichtig sei, durch die sich der Frachtführer die Ansprüche aus der Versicherung des Gutes abtreten lasse. Diese Bestimmung solle verhindern, daß sich der Frachtführer, wirtschaftlich gesehen, dadurch freizeichne, daß er sich die Versicherungsansprüche, die der Geschädigte auf eigene Rechnung erworben habe, abtreten lasse. Aus dem gleichen Grund dürfe sich der Frachtführer aber auch nicht auf eine unter seiner Beteiligung oder auf seine Anregung hin geschlossene Vereinbarung zwischen dem Transportversicherer und dem Absender bzw Empfänger berufen, die einen Regreß des Transportversicherers gegen den Frachtführer ausschließe. Wohl könne der Transportversicherer gegenüber seinem Versicherungsnehmer auf einen Regreß gegenüber dem Frachtführer verzichten, dies berechtige aber letzteren nur dann, wenn er am Abschluß einer solchen Vereinbarung nicht beteiligt gewesen sei, was aber, da dieser den Abschluß des Frachtvertrages nach den AÖSp begehrt habe, zu verneinen sei. Darüberhinaus greife der Haftungsausschluß nach § 37 lit d AÖSp nur dann, wenn dem Frachtführer kein grobes Verschulden anzulasten sei. Nach dem hier anzuwendenden Frachtrecht treffe die Entlastungspflicht für mangelndes Verschulden den Frachtführer. Diese Regelung über die Umkehr der Beweislast erfasse zwar nur das leichte Verschulden, Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit müßten auch hier grundsätzlich vom Geschädigten behauptet und bewiesen werden. Da der Geschädigte bei einer derartigen Beweispflicht in Schwierigkeiten geraten könne, weil er Beweise aus der Sphäre des Frachtführers führen müsse, treffe letzteren eine Darlegungspflicht über die Organisation seines Unternehmens und die zur Sicherung des übernommenen Gutes und über die im konkreten Fall getroffenen Maßnahmen. Der Frachtführer werde von seiner Haftung für den Verlust des Frachtgutes aber nur dann befreit, wenn dessen Verlust auf einem unabwendbaren Ereignis beruhe, es also dem Frachtführer auch durch Anwendung äußerster nach den Umständen des Falles möglicher und vernünftigerweise zumutbarer Sorgfalt nicht möglich gewesen ist, den Schadenseintritt zu verhindern. Daß diese Voraussetzungen erfüllt worden wären, habe die beklagte Partei aber nicht nachgewiesen.

Die gegen diese Entscheidung von der beklagten Partei erhobene außerordentliche Revision ist zwar zulässig, weil zur Frage, ob § 37 lit d AÖSp mit seinem Verzicht auf den Regreß nach § 67 Abs 1 VersVG den Versicherer bindet, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes besteht, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Eine generelle Unvereinbarkeit des CMR-Abkommens mit § 37 lit d AÖSp besteht nicht. Die CMR regelt insbesondere die Beförderungsbedingungen, die Haftung und das hiefür geltende Verfahren. Ziel des Art 41 CMR ist die Vereinheitlichung dieses Regelungsbereiches innerhalb der Vertragsstaaten. Eine Ausdehnung dieses Anwendungsbereiches über diese Zielrichtung hinaus ist nur dann gerechtfertigt, wenn sich dies aus den Bestimmungen der CMR ableiten läßt (vgl Schütz in Straube, HGB2 Art 41 CMR bei § 452 Anh II Rz 2). Die CMR regelt die Rechtsbeziehungen zwischen Absender und Frachtführer im gewissen Sinn auch zwischen Frachtführer und Empfänger sowie zwischen den Frachtführern untereinander, nicht aber die Rechtsbeziehungen zwischen dem Absender und seinem Transportversicherer. Art 41 Abs 2 CMR erklärt nur Vereinbarungen zwischen dem Absender und dem Frachtführer, mit denen letzterem die Versicherungsentschädigung des ersteren abgetreten wird, für nichtig. Im vorliegenden Fall wurde eine solche aber nicht abgetreten, sondern wurde vom Absender (gegenüber dem Frachtführer) auf das Regreßrecht des Versicherers ohne dessen Einbindung in den (Fracht-)Vertrag verzichtet. Die Lösung der Frage, ob die von den Vorinstanzen bejahte Unvereinbarkeit des dem Transportversicherer mit § 37 lit d AÖSp "überbundenen" Regreßverzichtes mit Art 41 Abs 1 und2 CMR vorliegt, kann auf sich beruhen, weil es sich bei § 37 lit d AÖSp, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, um einen den Versicherer nicht bindenden Vertrag zwischen seinem Versicherungsnehmer und dem Frachtführer zu seinen Lasten handelt. Die Tatsache, daß der klagende Versicherer (aus sonstigen Gründen) ganz generell Kenntnis vom Wortlaut dieser Bestimmung hat, bedeutet noch nicht, wie die Revisionswerberin vermeint, bereits eine Einbeziehung in das Vertragsverhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Frächter.

Privatautonome Rechtsgestaltung setzt die Zustimmung der Beteiligten bzw Betroffenen voraus. Selbst wenn ein Vertrag anderer einem Dritten Rechte einräumt, liegt es an ihm, die Ansprüche zu akzeptieren oder zurückzuweisen. Verträge zu Lasten Dritter sind, soweit dieser nicht Vertragspartei wurde, zumindest diesem gegenüber unwirksam, soweit nicht gesetzliche Ausnahmsregelungen wie zB bei Kollektivverträgen, Betriebsvereinbarungen und ähnlichen vorgesehen sind. Prinzipiell nimmt aber die Rechtsordnung gegen Benachteiligungen Dritter durch Vertragsparteien stets Stellung. Soweit sich keine ausdrücklichen Regelungen finden, behilft man sich mit der Sittenwidrigkeit nach § 879 Abs 1 ABGB. Verpflichtungen Dritter sind nur im Wege der Stellvertretung möglich. § 880a ABGB deutet daher das Versprechen der Leistung eines Dritten primär als Verwendungszusage und nur unter Umständen als Erfolgsgarantie (vgl Krejci in Rummel ABGB2 § 879 Rz 128 und § 880a Rz 1 mwN sowie Apathy in Schwimann ABGB2 § 880a Rz 1).

In der Transportversicherung sind Frachtführer und Unterfrachtführer regelmäßig im Sinne des § 67 Abs 1 VersVG (vgl VersR 1993, 1303 = VR 1994, 23) regreßpflichtig. Wie in dieser Entscheidung, in der kein Bezug zu § 39 lit d AÖSp zur Debatte stand, ausgesprochen worden ist, wird in der Transportversicherung eben nicht das Versicherungsinteresse des Frächters, sondern nur das des jeweiligen Eigentümers an der beförderten Ware versichert. Es ist nach der Rechtsprechung zwar durchaus möglich, daß der Versicherer auf sein Regreßrecht nach § 67 Abs 1 VersVG verzichtet und daß ein solcher Verzicht zugunsten des Schädigers nichts anderes als eine Form einer auch nur teilweisen Mitversicherung des Sachersatzinteresses des Schädigers darstellt (vgl VR 1990, 313 = VersR 1991, 87 = SZ 63/38 sowie zuletzt SZ 66/19). Eine solche Mitversicherung im Rahmen eines Regreßverzichtes ist aber nur in dem hier nicht zur Anwendung kommenden § 12 SVS (mit Ausnahmen im § 10 Z 3 und § 15 SVS) vorgesehen (vgl Schauer, Einführung in das österreichische Versicherungsvertragsrecht3, 376). Im vorliegenden Fall hat aber der Transportversicherer keinen derartigen Regreßverzicht erklärt.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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