Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur Verhandlung und Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Mit Bescheid vom 25.9.1995 wies die beklagte Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten den Antrag des Klägers vom 8.6.1995 auf Gewährung einer Gleitpension gemäß § 270 ASVG iVm § 253c ASVG ab. Zur Begründung wurde darauf hingwiesen, daß eine der Voraussetzungen für den Anspruch darin bestehe, daß mit dem künftigen Arbeitgeber eine Teilzeitarbeitvereinbarung im Ausmaß von höchstens 28 Wochenstunden ohne Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Mehrarbeit geschlossen werde. Diese Voraussetzung sei beim Kläger nicht erfüllt, weil er ab dem Stichtag der Gleitpension eine versicherungspflichtige Erwerbstätigkeit ausübe, für die keine gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Arbeitszeitnormen gelten.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger fristgerecht die auf Gewährung der abgelehnten Leistung ab 1.7.1995 gerichtete Klage. Er brachte darin unter anderem vor, daß er vor Antragstellung handels- und gewerberechtlicher Geschäftsführer (einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung) im Angestelltenverhältnis gewesen sei und nach dem Stichtag der Gleitpension vertragsmäßig seine wöchentliche Arbeitszeit auf 27 Wochenstunden herabgesetzt worden sei. Er sei mit lediglich 6 % an der Gesellschaft beteiligt und stehe als Dienstnehmer weisungsgebunden in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit zum Dienstgeber. Er unterliege den Schutzbestimmungen des Angestelltengesetzes und des Kollektivvertrages für Handelsangestellte, wobei die kollektivvertraglichen Normen auch für angestellte Geschäftsführer gelten würden, ebenso das Arbeitszeitgesetz und eine Normalarbeitszeit von 38,5 Stunden.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger sei als Gesellschafter und Geschäftsführer mit maßgeblichem Einfluß an der Führung des Betriebes betraut und somit als leitender Angestellter, jedoch nicht als Arbeitnehmer zu qualifizieren. Damit sei er vom Regelungsbereich des Arbeitszeitgesetzes ausgenommen und im übrigen mit ziemlicher Sicherheit mit mehr als 28 Stunden Wochenarbeitszeit beschäftigt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und stellte folgenden Sachverhalt fest:
Der am 30.4.1933 geborene Kläger ist seit 1.9.1976 Geschäftsführer im technischen und kaufmännischen Bereich der Firma H***** GmbH. Seit Gehalt betrug zuletzt S 120.000,-- brutto 14 mal jährlich. Aus dem Angestelltendienstvertrag vom 1.9.1976 ergibt sich eine Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche. Mit Umlaufbeschluß vom 11.5.1994 wurde der Kläger als selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der Gesellschaft bis 30.6.1996 bestätigt, wobei er ab 1.7.1995 nicht mehr zur vollen Dienstleistung verpflichtet war. Nachdem er am 8.6.1995 bei der beklagten Partei den Antrag auf Gleitpension gestellt hatte, wurde dieser mit Schreiben vom 18.9.1995 mitgeteilt, daß die Arbeitszeit des Klägers aufgrund des Ausscheidens eines Mitarbeiters (Geschäftsführers) auf 28 Wochenstunden angehoben worden sei. Am 15.12.1995 wurde der Angestelltendienstvertrag des Klägers geändert, wobei seine Tätigkeit im Bereich der Schulung, Vorbereitung von Besprechungen, Kontakten zu Lieferanten, Entwicklung bestehender und neuer Produktlinien, Personalberatung und ähnliches neu bestimmt wurde. Die Arbeitszeit wurde mit 19,25 Wochenstunden festgesetzt, wobei im Falle der Notwendigkeit eine Ausdehnung auf 27 Wochenstunden möglich war. Dieser Vertrag sollte ab 1.1.1996 zu laufen beginnen. Mit Umlaufbeschluß der Gesellschafter vom 30.1.1996 wurde der Kläger von der handelsrechtlichen Geschäftsführung rückwirkend mit 31.10.1995 abberufen. Der Kläger hat in der Zeit nach Antragstellung sowohl als handelsrechtlicher wie auch als gewerberechtlicher Geschäftsführer zur Führung der GmbH maßgeblich beigetragen und ab 1.10.1995 die Funktion eines ausscheidenden Geschäftsführers ersetzt.
In rechtlicher Hinsicht teilte das Erstgericht den Rechtsstandpunkt der beklagten Partei, daß der Kläger zum Zeitpunkt der Antragstellung eine Erwerbstätigkeit ausgeübt habe, für die keine kollektivvertraglichen oder gesetzlichen Arbeitszeitnormen bestünden. Geschäftsführer würden im Sinne des § 36 Abs 2 Z 1 ArbVG nicht als Arbeitnehmer gelten, weshalb der Kläger keinen Einspruch auf Gleitpension habe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und einer unbedenklichen Beweiswürdigung. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, daß der Kläger aufgrund seiner Stellung als handels- und gewerberechtlicher Geschäftsführer von einer Verpflichtung zur Mehrarbeit nicht ausgeschlossen gewesen sei. Eine solche Mehrarbeit sei auch deshalb anzunehmen, weil die GmbH bis 30.6.1996 ausschließlich aufgrund der beiden Gewerbescheine des Klägers betrieben worden sei und seine rückwirkende Abberufung mit Umlaufbeschluß der Gesellschafter vom 30.1.1996 insoweit unbeachtlich sei, als er bis Jänner 1996 tatsächlich als handelsrechtlicher Geschäftsführer tätig gewesen sei. Im übrigen sei die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes zutreffend.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Er beantragt die Abänderung dahin, daß ihm ab 1.7.1995 die Gleitpension im gesetzlichen Ausmaß zugesprochen werde. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.
Die beklagte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Die Revision ist im Sinne ihres Aufhebungsantrages berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Gleitpension (§ 253c ASVG) wurde durch die 51. ASVG-Novelle BGBl 1993/335 (Sozialrechtsänderungsgesetz-SRÄG 1993) eingeführt. Nach den Gesetzesmaterialien sollte bei Erreichen der Altersgrenze und Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen für die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer (§ 253b ASVG) in Hinkunft eine Wahlmöglichkeit geschaffen werden, anstelle der "Frühpension", neben der keine Erwerbstätigkeit (ausgenommen eine geringfügige) ausgeübt werden darf (Wegfallbestimmungen), eine Teilpension in Anspruch zu nehmen, neben der eine weitere Erwerbstätigkeit möglich ist. Diese Teilpension kann nach freier Wahl in der Höhe von 70 vH oder 50 vH einer zu diesem Zeitpunkt gebührenden Vollpension bei gleichzeitiger Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit in Anspruch genommen werden (RV 932 BlgNR 18. GP, 47; vgl dazu auch Rudda, Die Gleitpension, ecolex 1993, 333). Dies wurde noch dahin verdeutlicht, daß die Gleitpension von jenen Versicherten in Anspruch genommen können werden soll, die die Voraussetzungen für die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer gemäß § 253b ASVG - mit Ausnahme der Stichtagsregelung - erfüllen (AB 968 BlgNR 18. GP, 4). Nach dem Wortlaut des § 253c Abs 1 ASVG hat demnach der Versicherte nach Vollendung des 60. Lebensjahres Anspruch auf Gleitpension, wenn
1. die Voraussetzungen der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungdauer - mit Ausnahme der Voraussetzung des Fehlens einer versicherungspflichtigen unselbständigen Erwerbstätigkeit am Stichtag - erfüllt sind; 2. der Antrag auf Zuerkennung einer Gleitpension vor Erreichung des für die Alterspension gemäß § 253 maßgeblichen Lebensalters gestellt wird und bei der Antragstellung a) im Falle einer im letzten Jahr vor der Antragstellung ausgeübten unselbständigen Erwerbstätigkeit durch den Antragsteller erklärt wird, welches Ausmaß der wöchentlichen Arbeitszeit in diesem Zeitraum zu leisten war, und b) eine Vereinbarung zwischen dem Antragsteller und einem künftigen Arbeitgeber nachgewiesen wird, durch die eine Teilzeitvereinbarung im Ausmaß von höchstens 28 Wochenstunden oder - im Fall einer Teilzeitbeschäftigung im letzten Jahr vor der Antragstellung - von höchstens 70 vH der zuletzt geleisteten Arbeitszeit (lit a) während des Bezuges der Gleitpension ohne Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Mehrarbeit über die jeweiligen Höchstgrenzen gemäß Abs 2 hinaus festgelegt wird. Nach § 253c Abs 2 ASVG gebührt die Gleitpension als Teilpension im Ausmaß von 1. 70 vH der nach § 261 ermittelten Pension, wenn das Ausmaß der wöchentlichen Arbeitszeit nach unselbständiger Erwerbstätigkeit mit gesetzlicher oder kollektivvertraglicher Normalarbeitszeit oder nach selbständiger Erwerbstätigkeit höchstens 20 Stunden, nach Teilarbeitszeit höchstens 50 vH dieses Ausmaßes der Teilzeitarbeit beträgt; 2. 50 vH der nach § 261 ermittelten Pension, wenn das Ausmaß der wöchentlichen Arbeitszeit ..... höchstens 28 Stunden, nach Teilzeitarbeit höchstens 70 vH dieses Ausmaßes der Teilzeitarbeit beträgt. Da also für den Anspruch auf Gleitpension das Fehlen einer versicherungspflichtigen unselbständigen Erwerbstätigkeit am Stichtag keine Voraussetzung ist, kann eine solche Tätigkeit mit gewissen Einschränkungen weiter ausgeübt werden (10 ObS 167/97z zur Frage der Ausübung einer weiteren geringfügigen Beschäftigung neben der Teilzeitarbeit).
Die von der beklagten Partei vertretene und von den Vorinstanzen übernommene Rechtsauffassung, daß der Kläger schon deshalb die Voraussetzungen nach § 253c Abs 1 Z 2 ASVG nicht erfüllt, weil er eine versicherungspflichtige Erwerbstätigkeit ausübte, für die keine gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Arbeitszeitnormen gelten, kann in dieser Allgemeinheit nicht geteilt werden. Richtig ist, daß unter anderem leitende Angestellte, denen maßgebliche Führungsaufgaben selbstverantwortlich übertragen sind, nach § 1 Abs 2 Z 8 AZG vom Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes ausgenommen sind. Der Grund für die Sonderstellung dieser Abarbeitnehmergruppe im Arbeitszeitrecht liegt nicht wie in den Ausnahmeregelungen des Betriebsverfassungsrechtes darin, daß die leitenden Angestellten interessensmäßig eher der Arbeitgebersphäre zuzurechnen seien, sondern vielmehr darin, daß der Aufgabenbereich von leitenden Angestellten eine Bindung dieser Arbeitnehmer an die fixen Arbeitszeitgrenzen und an die Arbeitszeitverteilung des AZG kaum zuläßt. Hiezu kommt, daß diese Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit weitgehend selbst einteilen können. Schließlich spielt auch das überdurchschnittliche Entgelt, das leitende Angestellte gewöhnlich beziehen, eine Rolle; beides läßt sie weniger schutzbedürftig erscheinen (Grillberger, AZG 26). Die Verringerung der Arbeitszeit ist nicht nur Voraussetzung für die Zuerkennung der Gleitpension, sondern zugleich auch Richtwert für das Pensionsausmaß. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, daß leitende Angestellte, denen maßgebliche Führungsaufgaben selbstverantwortlich übertragen sind, schlechthin vom Bezug einer Gleitpension ausgeschlossen sind. In diesen Zusammenhang ist nämlich die Bestimmung des § 253c Abs 3 ASVG zu beachten: Für unselbständig Erwerbstätige, auf deren Beschäftigungsverhältnis im letzten Jahr vor der Antragstellung keine zwingenden Arbeitszeitbestimmungen Anwendung gefunden haben, ist danach nämlich jenes Ausmaß der höchstzulässigen Teilzeitarbeit während des Bezuges der Gleitpension anzuwenden, das für Versicherte maßgeblich ist, die vor der Antragstellung unselbständig erwerbstätig mit Normalarbeitszeitverpflichtung waren. Als Beispiele für solche Versicherten, auf deren versicherungspflichtige Erwerbstätigkeit im maßgeblichen Zeitraum vor dem Stichtag zumindest teilweise keine Arbeitszeitvorschriften anwendbar waren, werden in den Gesetzesmaterialien (AB aaO, zitiert auch in Teschner/Widlar ASVG MGA 64. ErgLfg, 1298/12 in Anm 2 zu § 253c) unter anderem Gewerbetreibende, Bauern, Hausbesorger und Heimarbeiter genannt, für die eine Gleitmöglichkeit nur dann bestehen soll, wenn eine unselbständige Erwerbstätigkeit während des Gleitens ausgeübt wird, für die Arbeitszeitvorschriften gelten, und die Höchstgrenze der bei Normalarbeitszeit geltenden Arbeitszeit während des Gleitens nicht überschritten wird (20 bzw 28 Stunden). Diese Bestimmung ist auch auf den Kläger als Geschäftsführer einer GmbH und damit als leitenden Angestellten mit maßgeblichen Führungsaufgaben anwendbar, weil er als solcher ebenso wie Gewerbetreibende, Bauern, Hausbesorger oder Heimarbeiter keinen gesetzlichen Arbeitszeitregelungen unterlag. Die in den zitierten Gesetzesmaterialien vertretene Ansicht, für solche Erwerbstätige bestünde eine Gleitmöglichkeit nur dann, wenn für die während des Gleitens ausgeübte Erwerbstätigkeit Arbeitszeitvorschriften gelten, geht über den Gesetzeswortlaut des § 253c Abs 3 ASVG hinaus, weil sich danach das Ausmaß der ab dem Stichtag verrichteten Arbeitszeit nicht nur auf gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Normen, sondern auch aus einer arbeitsvertraglichen Regelung ergeben kann. Wie oben dargestellt, ist eine der Anspruchsvoraussetzungen für die Gleitpension der Nachweis einer Vereinbarung über die Teilzeitarbeit mit dem künftigen Arbeitgeber. Diese Vereinbarung hat Aufschluß über das konkrete Ausmaß der während des Gleitens zu leistenden Arbeitszeit zu geben und darf insbesondere keine Regelung enthalten, die es dem Arbeitgeber ermöglicht, über das zulässige Höchstausmaß von 50 bzw 70 vH der bisherigen Arbeitszeit hinausreichende Arbeitsleistungen anzuordnen. Nach dem Wortlaut des § 253c Abs 1 Z 2 lit b muß lediglich eine auf arbeitsvertraglicher Regelung beruhende Verpflichtung zur Mehrarbeit ausgeschlossen werden. Durch Gesetz, Kollektivvertrag oder Betriebsvereinbarung kann der Pensionist jedoch durchaus zur Mehrarbeit über die Höchstgrenzen des § 253c Abs 2 ASVG hinaus verpflichtet werden. Ein Überschreiten des zulässigen Arbeitszeitlimits im Durchschnitt eines Kalendermonats hätte jedoch gemäß § 253c Abs 5 ASVG die Verminderung der Teilpension von 70 auf 50 vH bzw ihren Wegfall in diesem Monat zur Folge (zutreffend Löschnigg/Karl, Teilzeitarbeit und Abfertigung bei Gleitpension, ZAS 1994, 86, 87).
Ausgehend von dieser Rechtslage erweist sich die Sache als nicht spruchreif. Die arbeitsvertragliche Regelung der Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit ohne Verpflichtung des Klägers zur Mehrarbeit wurde in erster Instanz nicht ausreichend erörtert. Die Tatsache allein, daß der Kläger noch als handels- und gewerberechtlicher Geschäftsführer einer GmbH tätig war, ist nicht von vornherein ein Hinderungsgrund für die Zuerkennung einer Gleitpension. Auch die übrigen Voraussetzungen der Gleitpension wurden nicht ausreichend geprüft, weil die Vorinstanzen ohne nähere Tatsachengrundlage von einer Verpflichtung des Klägers zur Mehrarbeit über die jeweiligen Höchstgrenzen des Gesetzes hinaus ausgegangen sind.
In Stattgebung der Revision des Klägers waren daher die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Sozialrechtssache an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG.
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