OGH 8Ob326/97t

OGH8Ob326/97t30.3.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Langer, Dr.Rohrer, Dr.Adamovic und Dr.Spenling als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*****, Herbert R*****, vertreten durch Dr.Andreas Löw und Dr.Ingo Riß, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei B*****gmbH, ***** vertreten durch Dr.Markus Hupfauf, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 79.907,98 sA, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 7.Mai 1997, GZ 1 R 1003/96-13, mit dem infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluß des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien vom 13.September 1996, GZ 2 C 1042/95i-9, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.086,40 (einschließlich S 1.014,40 USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Begründung

Der Kläger begehrte für von ihm gelieferte Waren den in Klagshöhe vereinbarten Kaufpreis und begründete die örtliche Zuständigkeit des Erstgerichtes mit dem Vorliegen eines Fakturengerichtsstandes. Die dem klagsgegenständlichen Geschäft zugrundeliegenden Waren seien der Beklagten zunächst in Kommission übergeben worden und demgemäß Eigentum des Klägers verblieben. Erst danach seien Kaufgeschäfte abgeschlossen und diese fakturiert und gleichzeitig mit der Faktura die Ware geliefert worden, die sich aber bereits als Kommissionsware in den Räumlichkeiten der Beklagten befunden habe.

Die Beklagte wendete örtliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes ein und führte ua aus, die Faktura sei weder vor noch zugleich mit der Ware an sie übersandt worden.

Das Erstgericht schränkte das Verfahren auf die Frage der örtlichen Zuständigkeit ein und sprach in der Folge seine örtliche Unzuständigkeit aus und wies die Klage zurück. Der geltend gemachte Fakturengerichtsstand liege nicht vor, da dieser bei Kommissionsverkäufen ausgeschlossen sei. Der Umstand, daß die Beklagte Gegenscheine mit der Klausel "zahlbar und klagbar in Wien" unterfertigt habe, begründe keine gültige Gerichtsstandvereinbarung.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers unter Hinweis auf die Entscheidung JBl 1913, 347 keine Folge und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO vorliege.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahingehend abzuändern, daß die Zurückweisung der Klage wegen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes aufgehoben und die örtliche Zuständigkeit des Erstgerichtes festgestellt werde.

Die Beklagte beantragte in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist zwar zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Es trifft zu, daß oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob beim Kommissionsgeschäft der Fakturengerichtsstand zur Anwendung gelangen könnte, schon sehr betagt ist - soweit ersichtlich existieren nur zwei Entscheidungen, die noch aus der Zeit der Monarchie stammen (GlUNF 3.902 und JBl 1913, 347) -, weshalb sich der erkennende Senat veranlaßt sah, diese Frage nochmals zu überprüfen.

Der Kläger meint, es müsse zwischen der faktischen Lieferung aufgrund des Kommissionsgeschäftes und der "rechtlichen Lieferung" einer bereits zuvor beim Kommissionär sozusagen "untergestellten" Ware unterschieden werden. So wie es nicht erforderlich sei, daß sich die Ware vor Lieferung an den Käufer in der räumlichen Sphäre des Verkäufers befinde, sei es auch unerheblich, woher die Ware geliefert werde; sie könne sich auch bereits im örtlichen Bereich des Kommissionärs befinden; in seine Rechtssphäre gelange sie erst mit Abschluß des Verkaufsgeschäftes; dies sei die "Warenlieferung im rechtlichen Sinn"; zugleich mit dieser sei die Übersendung der Faktura erfolgt, sodaß der Fakturengerichtsstand ordnungsgemäß habe begründet werden können. Unter Hinweis auf die Kritik Matschers zur Entscheidung JBl 1969, 566 zur Nichtanwendbarkeit des Fakturengerichtsstandes bei Werklieferungsverträgen meint er, im Sinn einer weiteren, modernen Interpretation sei die Begründbarkeit des Fakturengerichtsstandes auch bei Kommissionsgeschäften zu bejahen; die Beschränkung auf klassische Lieferkaufverträge sei verfehlt.

Dieser Rechtsansicht ist mit dem Rekursgericht entgegenzuhalten, daß für die vom Kläger vorgenommene Aufspaltung des Einlangens der Waren beim Empfänger in eine rein körperliche und in eine nachfolgende "rechtliche" Übernahme, der ein besonderer Besitzwille zugrundeliegen müsse, der erst beim tatsächlichen Verkauf des Kommissionsgutes eintrete, jeder Anhaltspunkt im Gesetz fehlt. Die rechtswirksame Vereinbarung eines Fakturengerichtsstands nach § 88 Abs 2 JN setzt die Annahme einer Faktura voraus, die zugleich mit der Ware oder schon vor deren Einlangen übersendet wurde; diese Bestimmung wird übereinstimmend dahin ausgelegt, daß es nicht auf das Absenden, sondern darauf ankommt, daß die Faktura spätestens gleichzeitig mit den Waren beim Empfänger einlangt (Fasching Komm I 449). Dies ist beim Verkauf von Kommissionsgut, welches bereits zuvor an den Kommissionär geliefert worden ist, nicht möglich.

Der Hinweis auf die Kritik Matschers (aaO; in diesem Sinn auch Mayr in Rechberger Komm ZPO Rz 9 zu § 88 JN) zur oberstgerichtlichen Rechtsprechung der Nichtanwendbarkeit des Fakturengerichtsstandes bei Werklieferungsverträgen (SZ 29/6; JBl 1969, 563 ua, zuletzt 6 Ob 636/91) geht ins Leere, weil diese ein anderes Problem betrifft. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob die zitierte oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Beschränkung des Fakturengerichtsstandes auf reine Kaufverträge aufrechterhal- ten oder ob dieser Gerichtsstand auf alle Rechtsgeschäfte des Handelsverkehrs, "welche den Umtausch von Sachgütern gegen Geld betreffen" (so bereits GlUNF 3902 unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte dieses Gerichtsstandes) ausgedehnt werden sollte (vgl Fasching aaO 448).

Wesentlich ist im vorliegenden Fall, daß die Lieferung der Kommissionswaren - wie das der Regelfall ist - vor Abschluß des Verkaufsgeschäftes erfolgte, sodaß die Faktura naturgemäß erst nach der Lieferung der Waren übersandt und beim Beklagten einlangen konnten. Der Hinweis in der genannten Vorentscheidung, JBl 1913, 347 es seien nur Preislisten übersendet worden, besagt lediglich, daß solche Preislisten keine Rechnung über die kommissionsweise verkauften Waren darstellen; gleiches gilt für Lieferscheine, Gegenscheine und ähnliche Papiere (Fasching aaO 450). Für den Kläger läßt sich aus dem Hinweis in dieser Vorentscheidung nichts gewinnen.

Zusammenfassend ergibt sich daher, daß der Fakturengerichtsstand nicht begründet werden kann, wenn bei Kommissionsgeschäften die Waren bereits vor Abschluß des Verkaufsgeschäftes übersandt worden sind, weil dann die Faktura nicht mehr zumindest gleichzeitig mit den zu verkaufenden Waren beim Kommissionär einlangen kann.

Die Entscheidung der Vorinstanzen ist daher zu bestätigen.

Über den für den Fall der Erfolglosigkeit seines außerordentlichen Revisionsrekurses erstmals gestellten Überweisungsantrag nach § 261 Abs 6 ZPO wird das Erstgericht zu entscheiden haben.

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