OGH 3Ob2434/96d

OGH3Ob2434/96d25.3.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Hopf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef F*****, Pensionist, *****, vertreten durch Dr. Rudolf Tobler ua, Rechtsanwälte in Neusiedl am See, wider die beklagten Parteien 1. Baugesellschaft Dipl. Ing. Hermann L*****Gesellschaft mbH, *****, 2. T***** AG, *****, beide vertreten durch Dr. Walter Boss, Rechtsanwalt in Neusiedl am See, wegen Einwendungen gemäß § 35 EO (Streitwert S 145.642,27), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Berufungsgericht vom 3. Oktober 1996, GZ 13 R 50/96t-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Neusiedl am See vom 11. Dezember 1995, GZ C 781/95 x-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 9.207,-- (darin enthalten S 1.534,50 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 23.11.1990 erhob der Kläger gegen beide Beklagten beim Handelsgericht Wien zu 15 Cg 64/94t die Klage auf Zahlung von S 666.861,71 samt Anhang für erbrachte Leistungen.

Mit Beschluß des Landesgerichtes Eisenstadt vom 30.12.1992, Sa 11/92, wurde über das Vermögen des Klägers der Ausgleich, mit weiterem Beschluß vom 20.4.1993, S 14/93, der Anschlußkonkurs eröffnet. Am 29.9.1993 kam ein Zwangsausgleich zustande, der mit Beschluß des Landesgerichtes Eisenstadt vom 10.1.1994 bestätigt wurde. Sein wesentlicher Inhalt lautete:

"Die Konkursgläubiger erhalten eine zehnprozentige Barquote, auszuschütten vom Masseverwalter aus dem Guthaben am Massekonto, und zwar binnen 14 Tagen nach rechtskräftiger Bestätigung des Zwangsausgleiches. Weitere 5 % binnen 9 Monaten, restliche 5 % binnen 12 Monaten, jeweils ab Annahme des Zwangsausgleiches.

Die beim Masseverwalter erliegenden Mittel nach Bezahlung der ersten zehnprozentigen Teilquote sowie der Verfahrenskosten und Masseforderungen werden in Anrechnung auf die zweite fünfprozentige Teilquote vorzeitig ausgeschüttet. Hinsichtlich der Restquote wird eine Bürgschaftserklärung zum Akt genommen."

Mit Beschluß des Landesgerichtes Eisenstadt vom 14.2.1994 wurde der Konkurs aufgehoben.

Mit Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 13.9.1994 wurde in dem nach Aufhebung des Konkurses über Antrag des Klägers fortgesetzten Verfahren 15 Cg 64/94t das Klagebegehren des Klägers wegen Verjährung infolge nicht gehöriger Fortsetzung abgewiesen und dieser verpflichtet, den Beklagten Kosten von S 211.519,20 zu ersetzen. Das Oberlandesgericht Wien gab mit Urteil vom 30.1.1995, 1 R 253/94 der Berufung des Klägers nicht Folge und verpflichtete ihn zum Ersatz der Kosten des Berufungsverfahrens von S 20.009,88 an die Beklagten. Die vom Kläger dagegen erhobene außerordentliche Revision wurde vom Obersten Gerichtshof mit Beschluß vom 23.6.1995, 1 Ob 1608/95, zurückgewiesen.

Mit zwei Beschlüssen vom 7.6.1995, 3 E 2794/95p, und 14.6.1995, 4 E 78/95p, bewilligte das Bezirksgericht Neusiedl am See den Beklagten gegen den Kläger die Fahrnis- und Gehaltsexekution bzw die Zwangsverwaltung zweier Liegenschaften zur Hereinbringung der Kostenersatzforderungen von S 211.519,20 und S 20.009,88, jeweils samt 4 % Zinsen seit 1.6.1995.

Mit Oppositionsklage erhob der Kläger Einwendungen gegen den Anspruch, zu dessen Gunsten Exekution bewilligt worden war, gemäß § 35 EO und begehrte den Ausspruch, daß der Anspruch hinsichtlich eines Teilbetrages von S 145.642,27 samt 6 % Zinsen seit 1.6.1995 gehemmt sei. Bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens und dem Zustandekommen des Zwangsausgleiches seien im Verfahren vor dem Handelsgericht Wien Kosten von S 182.052,84 entstanden. Diese unterlägen den Wirkungen des Zwangsausgleiches. Die Gläubiger erhielten demnach nur eine Zwangsausgleichsquote von 20 %. Die darüber hinausgehende Kostenforderung von S 145.642,27 sei nicht erzwingbar.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und wendeten ein, daß der Kläger im Titelprozeß, der erst nach Bestätigung des Zwangsausgleiches fortgesetzt worden sei, nicht eingewendet habe, daß eine allfällige Kostenforderung der Beklagten durch den Zwangsausgleich reduziert werde. Dieser Einwand könne nicht in einer Klage gemäß § 35 EO nachgeholt werden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren unter Zugrundelegung des vorstehenden unstrittigen Sachverhaltes ab. Die bis zur Konkurseröffnung aufgelaufenen Prozeßkosten seien eine Konkursforderung, weil der Kostenersatz nicht erst mit dem rechtskräftigen Zuspruch durch das Gericht, sondern - bedingt durch den Prozeßerfolg - bereits mit der Vornahme der einzelnen Prozeßhandlungen entstehe. Die Wirkungen des Zwangsausgleiches erstreckten sich demnach auf jenen Teil der Prozeßkosten, der auf die bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens vorgenommenen Prozeßhandlungen entfalle. Wenn auch die Schuld durch den Zwangsausgleich nicht erlösche, sondern als natürliche, nicht klagbare Verbindlichkeit bestehen bleibe, sei die Betreibung des Anspruches doch mit dem nachgelassenen Betrag im Sinne des § 35 EO gehemmt. Nach dieser Bestimmung könnten aber die den Anspruch hemmenden Tatsachen nur insofern wirksam eingewendet werden, als sie nach Entstehung des dem Verfahren zugrundeliegenden Exekutionstitels eingetreten seien; falls dieser in einer gerichtlichen Entscheidung bestehe, sei der Zeitpunkt maßgebend, bis zu welchem der Verpflichtete von den bezüglichen Tatsachen im vorausgegangenen gerichtlichen Verfahren wirksam Gebrauch machen habe können. Nachdem das Titelverfahren nach gerichtlicher Bestätigung des Zwangsausgleiches und Aufhebung des Konkurses fortgesetzt worden sei, wäre es dem Kläger möglich gewesen, die Reduktion einer allfälligen Kostenforderung der Beklagten durch den Zwangsausgleich einzuwenden. Der Kostenzuspruch an die Beklagten hätte dann nur im Rahmen der Ausgleichsquote erfolgen können; im übrigen Umfang wäre der Kostenanspruch gehemmt gewesen.

Das Berufungsgericht bestätigte über Berufung des Klägers das Ersturteil und ließ die Revision zu. Durch den Abschluß und die Bestätigung eines Zwangsausgleiches werde die Restforderung eines Gläubigers zwar nicht endgültig vernichtet, sinke jedoch auf den Rang einer Naturalobligation herab. Der Kläger hätte diesen Umstand schon im Titelverfahren geltend machen können. In welchem Umfang das Titelgericht auf diesen Einwand Bedacht nehmen hätte müssen, könne hier dahingestellt bleiben. Der Oppositionsklage müsse jedenfalls ein Erfolg versagt bleiben, weil sie sich nicht auf Umstände stütze, die erst nach dem Exekutionstitel entstanden seien.

Gegen die Berufungsentscheidung richtet sich die Revision des Klägers aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagten beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

Der Zwangsausgleich hat die Wirkungen des gerichtlichen Ausgleiches im Ausgleichsverfahren. Nach § 156 Abs 1 KO wird der Gemeinschuldner durch den rechtskräftig bestätigten Zwangsausgleich - ebenso wie nach § 53 Abs 1 AO der Ausgleichsschuldner durch den rechtskräftig bestätigten Ausgleich - von der Verbindlichkeit befreit, seinen Gläubigern den Ausfall, den sie erleiden, nachträglich zu ersetzen oder für die sonst gewährte Begünstigung nachträglich aufzukommen, gleichviel ob sie am Konkursverfahren oder an der Abstimmung über den Ausgleich teilgenommen oder gegen den Ausgleich gestimmt haben oder ob ihnen ein Stimmrecht überhaupt nicht gewährt worden ist. Der Nachlaß und die sonstigen Begünstigungen, die der Ausgleich gewährt, werden nur für diejenigen Gläubiger hinfällig, gegenüber denen der Schuldner mit der Erfüllung des Ausgleiches in Verzug gerät (§ 156 Abs 4 Satz 1 KO; § 53 Abs 4 Satz 1 AO). Die über die Quote hinausgehende Forderung wird allerdings nicht vernichtet, sondern nur der Klagbarkeit und der Aufrechenbarkeit beraubt; sie besteht aber als Naturalobligation iSd § 1432 ABGB weiter und unterliegt als solche nach dem Ausgleich der Dispositon des Schuldners, welcher zB seine Zahlungspflicht hinsichtlich des Ausfalls gültig anerkennen kann (8 Ob 2334/96k; SZ 16/67). Hat aber die rechtskräftige Bestätigung des (Zwangs-)Ausgleiches nur materiellrechtliche Auswirkungen auf die dem Ausgleich unterliegenden Forderungen, insbesondere auf die Höhe des klagbaren Teils einer Forderung und auf die Fälligkeit, so folgt daraus zwingend, daß aufgrund der im Zivilprozeß grundsätzlich geltenden Parteien- (Dispositions-)Maxime ein Ausgleich nur auf einen entsprechenden Einwand des Schuldners berücksichtigt werden darf (ÖBl 1989, 144 mwN).

Ein derartiger Einwand wurde vom Kläger im Titelprozeß, der erst nach Zustandekommen und Bestätigung des Zwangsausgleiches fortgesetzt und abgeschlossen wurde, nicht erhoben. Einem derartigen Einwand des Klägers gegen den durch Legung eines Kostenverzeichnis geltend gemachten Kostenanspruch der Beklagten (§ 54 Abs 1 ZPO) wäre vom Titelgericht entgegen der Meinung des Revisionswerbers Rechnung zu tragen gewesen. Ist nämlich die Bestätigung des (Zwangs-)Ausgleiches vor Schluß der mündlichen Verhandlung wirksam geworden, dann kann ohne Vorliegen eines Wiederauflebenstatbestandes nur die Ausgleichsquote zuerkannt werden, weil der darüber hinausgehende Mehrbetrag wie bereits ausgeführt eine unklagbare Naturalobligation ist. Dem Urteil im Erkenntnisverfahren ist die Sachlage im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz zugrunde zu legen; die bloße Möglichkeit, daß es künftig zu einem Wiederaufleben des erlassenen Forderungsteiles kommen könne, kann im Titelverfahren nicht mitberücksichtigt werden. Nach der Wirksamkeit des bestätigten Ausgleichs kann ohne Vorliegen eines Wiederauflebenstatbestandes kein Exekutionstitel in voller Höhe der ursprünglichen Forderung geschaffen werden (Fink, in JBl 1996, 80; SZ 65/56 mwN [in Ablehnung von SZ 57/138] = JBl 1993, 198; infas 1997, A 78 = ARD 4880/34/97; 7 Ob 2021/96y; 6 Ob 6072/96s).

Dies gilt auch für die von den Beklagten beanspruchten Kosten, denen der Kläger durch einen entsprechenden Hinweis auf den rechtskräftigen Zwangsausgleich und seine Auswirkungen auf Ausgleichsforderungen entgegentreten hätte können. Der Einwand des Revisionswerbers, bis zur Entscheidung des Handelsgerichtes Wien im Titelverfahren wäre es fraglich gewesen, ob den Beklagten überhaupt Kosten zuzusprechen seien, ist nicht zielführend. Bis zu diesem Zeitpunkt war es nämlich genauso fraglich, ob dem Kläger eine Forderung gegen die Beklagten zusteht. Dieser Schwebezustand bis zur Urteilsfällung entbindet die Parteien nicht von ihrer Obliegenheit, ihr wechselseitiges relevantes Vorbringen zu erstatten. Die bloße Zuerkennung der Ausgleichsquote hätte für die Beklagten entgegen der Befürchtung des Revisionswerbers auch keine "unsachliche und gleichheitswidrige Schlechterstellung" gegenüber den übrigen Gläubigern bewirkt, weil ihnen dadurch die Möglichkeit eines allfälligen späteren Wiederauflebens nicht genommen worden wäre.

Wie der Oberste Gerichtshof im Jud 48 neu (= SZ 16/16) ausgesprochen hat, entsteht der Kostenersatzanspruch nicht erst mit dem (rechtskräftigen) Zuspruch durch das Gericht, sondern - bedingt durch den Prozeßerfolg - mit der Vornahme der einzelnen Prozeßhandlungen. In Weiterführung des Jud 46 neu (SZ 16/16), Prozeß- und Exekutionskosten seien, wenn sie im Zuge einer Rechtsverfolgung entstehen, Nebengebühren des geltendgemachten Rechts, hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung SZ 61/31 ausgesprochen, daß dies auch für Kosten der Rechtsverteidigung gilt; diese bildeten zwar eine selbständige Forderung; die bis zur Konkurseröffnung aufgelaufenen, wenngleich bis dahin noch nicht zugesprochenen Kosten seien daher Konkursforderungen, (auf die von einem Teil der deutschen Lehre [Kuhn/Uhlenbruch KO11, Rz 2 zu § 193 dKO; Jonas in Anmerkung zu JW 1930, 2785] vertretene Ansicht, Rechtsverteidigungskosten wurden vom Zwangsausgleich nicht erfaßt, braucht hier nicht näher eingegangen werden, weil dann bei Fortsetzung des Verfahrens nach Aufhebung des Konkurses dem siegreichen Beklagten jedenfalls voller Kostenersatz zustünde).

Dem Kläger ist zuzubilligen, daß die gemäß § 156 Abs 1 KO (§ 53 Abs 1 AO) bewirkte Befreiung von der Verbindlichkeit eine den Anspruch hemmende Tatsache im Sinne des § 35 Abs 1 EO sein kann (Heller/Berger/Stix EO I4 135; Buchegger, Die Ausgleichserfüllung 49; JBl 1992, 193; EvBl 1988/54). Dies gilt jedoch, wenn der Exekutionstitel in einer gerichtlichen Entscheidung besteht, nur dann, wenn die den Anspruch aufhebenden oder hemmenden Tatsachen erst nach dem Zeitpunkt eingetreten sind, bis zu dem der Verpflichtete von diesen Tatsachen im vorausgegangenen gerichtlichen Verfahren wirksam Gebrauch machen konnte (§ 35 Abs 1 EO; Heller/Berger/Stix aaO 397; ÖBl 1989, 144). Dies war aber nach dem Vorgesagten für die in Exekution gezogenen Kosten nicht der Fall. Die den Anspruch hemmenden Tatsachen sind hier nämlich bereits vor dem Zeitpunkt eingetreten, bis zu dem vom Verpflichteten im vorangegangenen Verfahren wirksam Gebrauch gemacht werden konnte.

Der Revision des Klägers muß deshalb ein Erfolg versagt bleiben.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den § 41, 50 ZPO.

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