Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß das Verfahren auf Antrag der Stadt Wien fortgesetzt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, der Einschreiterin und nunmehrigen klagenden Partei Stadt Wien die mit S 4.058,88 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten S 676,48 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung
Mit Bescheid der beklagten Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter vom 24.5.1996 wurde der Antrag der ursprünglichen Klägerin Anna M***** auf Erhöhung des Pflegegeldes vom 12.3.1996 abgelehnt. In der dagegen fristgerecht eingebrachten Klage begehrte die Klägerin die Gewährung eines Pflegegeldes in Höhe der Stufe 5 ab Antragstag. Sie befinde sich seit 23.2.1996 im Pflegeheim Baumgarten und könne die notwendigen Verrichtungen des täglichen Lebens alleine nicht mehr ausführen.
Die beklagte Partei beantragte, das Klagebegehren abzuweisen.
Am 23.12.1996 verstarb Anna M*****. Das Erstgericht stellte daraufhin mit Beschluß vom 13.1.1997 die Unterbrechung des Verfahrens gemäß § 76 Abs 1 ASGG fest und sprach aus, daß die Fortsetzung des Verfahrens nur auf Antrag eines gemäß § 19 BPGG Antragsberechtigten erfolgen werde.
Am 17.2.1997 beantragte die Stadt Wien die Fortsetzung des Verfahrens. Der Pflegeaufwand für die verstorbene Pensionistin sei in der Zeit vom 23.2.1996 bis zu ihrem Tod zur Gänze durch das Pflegeheim B*****, dessen Rechtsträger die Stadt Wien sei, erbracht worden. Die Pflegeentgelte im genannten Zeitraum hätten S 335.500 betragen (305 Tage zu S 1.100); davon habe die Verstorbene selbst S 196.440,02 getragen, der Rest von S 139.059,98 hafte unberichtigt aus.
Das Erstgericht wies diesen Fortsetzungsantrag ab. Eine Fortsetzungsberechtigung der Stadt Wien als juristischer Person käme nur gemäß § 19 Abs 1 Z 2 und Abs 3 BPGG in Betracht. Voraussetzung sei jedoch, daß sie die pflegebedingten Mehraufwendungen überwiegend getragen habe. Nach ihren eigenen Angaben habe sie aber erheblich weniger als die Hälfte der aufgelaufenen Pflegekosten getragen, sodaß von einem überwiegenden Aufkommen für die Pflege nicht ausgegangen werden könne.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Stadt Wien nicht Folge. Zu Recht mache die Rekurswerberin zwar geltend, daß es beim Kreis der Fortsetzungsberechtigten gemäß § 19 Abs 1 Z 2 BPGG gegenüber jenen gemäß § 19 Abs 1 Z 1 BPGG (arg "ohne angemessenes Entgelt") nicht auf die Entgeltlichkeit ankomme; hieraus allein sei jedoch nichts für den Standpunkt der Rekurswerberin zu gewinnen. Daß neben oder anstelle der Stadt Wien eine natürliche Person die Pflege vorgenommen hätte, sei nicht hervorgekommen. Es sei daher auf die subsidiär nächste Rangstufe des § 19 Abs 1 Z 2 iVm Abs 3 BPGG Bedacht zu nehmen. Danach sei grundsätzlich auch juristischen Personen die Berechtigung zur Fortsetzung des Verfahrens einzuräumen. Voraussetzung sei jedoch das überwiegende Aufkommen der juristischen Person für die Pflege. Im vorliegenden Fall stehe aber fest, daß die Verstorbene von den aufgelaufenen Pflegekosten mehr als die Hälfte selbst getragen habe. Das Aufkommen der Stadt Wien für die Pflege der verstorbenen Versicherten sei zwar absolut beträchtlich, aber relativ nicht überwiegend im Sinn des § 19 Abs 1 Z 2 BPGG gewesen. Wenn auch kein Zweifel bestehe, daß die Stadt Wien durch ihre Gehilfen die Pflege der verstorbenen Versicherten in tatsächlicher Hinsicht sogar zur Gänze besorgt habe, ändere dies nichts daran, daß bei juristischen Personen die tatsächlich veranlaßte Pflege nur im Rahmen des wirtschaftlichen Aufkommens berücksichtigt werden könne, das jedoch nicht überwiegend gewesen sei.
Der gegen diesen Beschluß von der Stadt Wien erhobene Revisionsrekurs ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Stirbt der pflegebedürftige Kläger während eines bereits anhängigen, auf Ansprüche nach dem BPGG gerichteten Verfahrens, so sind nach § 76 Abs 4 ASGG die Absätze 1 und 2 mit der Maßgabe des § 19 Abs 3 BPGG sinngemäß anzuwenden. Nach dem Willen des Gesetzgebers (RV 776 BlgNR 18. GP, 33) sollte hiedurch eine entsprechende Anpassung des Kreises der zur Verfahrensfortsetzung Berechtigten im Hinblick auf die vom § 76 Abs 2 ASGG etwas abweichende Regelung des § 19 BPGG geschaffen werden. § 19 Abs 3 BPGG regelt dabei allerdings nur die Fortsetzung des Verfahrens vor dem Entscheidungsträger, während es im vorliegenden Fall um die Fortsetzung des bereits anhängigen gerichtlichen Verfahrens geht, die in § 76 Abs 4 ASGG geregelt ist (10 ObS 56/97a; 10 ObS 274/97k).
Ist im Zeitpunkt des Todes der pflegebedürftigen Person eine fällige Geldleistung noch nicht ausgezahlt, so sind nach § 19 Abs 1 BPGG auf Antrag in folgender Rangordnung bezugsberechtigt: 1. die Person, die den Pflegebedürftigen in dem Zeitraum, für den die fällige Geldleistung gebührt, überwiegend und ohne angemessenes Entgelt gepflegt hat; 2. die Person, die für den Zeitraum, für den die fällige Geldleistung gebührt, überwiegend für die Pflege aufgekommen ist. Liegt ein Überwiegen im Sinne der Ziffern 1 oder 2 nicht vor, besteht die Bezugsberechtigung zu gleichen Teilen. Ist im Zeitpunkt des Todes des Anspruchswerbers oder Anspruchsberechtigten ein Verfahren auf Gewährung oder Neubemessung des Pflegegeldes noch nicht abgeschlossen, so sind nach § 19 Abs 3 BPGG die im Abs 1 genannten Personen in der dort festgelegten Rangordnung auf - binnen sechs Monaten nach dem Tod der pflegebedürftigen Person zu stellenden - Antrag zur Fortsetzung des Verfahrens berechtigt.
Da Betreuungs- und Hilfsverrichtungen (nach §§ 1 und 2 EinstV) nur von natürlichen Personen durchgeführt werden können, kommen als Berechtigte nach § 19 Abs 1 Z 1 BPGG auch nur natürliche Personen in Betracht (Gruber/Pallinger, BPGG Rz 2 zu § 19; Pfeil, BPGG 189; 10 ObS 29/97f). Schon aus dieser Erwägung ist daher die Annahme der Vorinstanzen, die Einschreiterin Stadt Wien als juristische Person des öffentlichen Rechts habe die Voraussetzung des § 19 Abs 1 Z 1 BPGG nicht erfüllt, zutreffend. Da davon auszugehen ist, daß jedenfalls keine natürliche Person binnen der Frist von sechs Monaten nach dem Tod der vormaligen Klägerin einen Fortsetzungsantrag gestellt hat, ist im Sinne der Rangordnung des § 19 Abs 3 BPGG auf § 19 Abs 1 Z 2 BPGG Bedacht zu nehmen. Berücksichtigt man den Zweck des Pflegegeldes (§ 1 BPGG) und den Wortlaut der zuletzt genannten Bestimmung, der keine Einschränkung auf natürliche Personen enthält, so ist anders als nach Z 1 hier auch juristischen Personen, die pflegebedürftige Mehraufwendungen überwiegend getragen haben, die Berechtigung zum Bezug und damit zur Fortsetzung des Verfahrens einzuräumen (Gruber/Pallinger aaO Rz 3; Pfeil, aaO; vgl auch § 29 der - im übrigen für die Gerichte nicht verbindlichen - Richtlinien für die einheitliche Anwendung des Bundespflegegeldgesetzes, SozSi 1994, 686 ff - Amtliche Verlautbarung Nr 120/1994; ebenso 10 ObS 29/97f).
Die Ansicht der Vorinstanzen, die Stadt Wien sei gleichwohl deshalb nicht zur Fortsetzung des Verfahrens berechtigt, weil sie von den insgesamt aufgelaufenen Pflegekosten von S 335.500 weniger als die Hälfte, nämlich "nur" S 139.059,98 selbst getragen habe, kann nicht beigepflichtet werden. Bei der Regelung des § 19 BPGG handelt es sich um eine Sondernorm zu den erbrechtlichen Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Sind Personen aus dem im Abs 1 umschriebenen Personenkreis vorhanden, ist für die Auszahlung des Pflegegelds an diese Personen keine gerichtliche Verfügung erforderlich. Als Motiv für diese Regelung ist in den Gesetzesmaterialien ausgeführt, daß es in der Praxis Fälle geben werde, in denen nicht die pflegebedürftige Person selbst, sondern andere Personen für die Pflegekosten aufgekommen sind. Ohne die sondererbfolgerechtliche Regelung des § 19 könnten diese Personen mit allfälligen Forderungen nur an den Nachlaß verwiesen werden. Für eine Befriedigung derartiger Ansprüche bestünde aber zB dann keine Aussicht, wenn der Nachlaß armutshalber abgetan wird. Um diese Härten auszuschließen, sollen die betreffenden Personen bezugsberechtigt sein. Diese Überlegungen gelten in gleicher Weise auch für die Fortsetzung des Verfahrens (Gruber/Pallinger aaO Rz 1; Pfeil aaO 186 f).
Was unter dem "überwiegenden Aufkommen für die Pflege" im Sinn des § 19 Abs 1 Z 2 BPGG zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht näher definiert. Versteht man die Regelung des § 19 BPGG wie dargestellt als Sondervorschrift zu den erbrechtlichen Vorschriften, welche die Person, die die Pflege überwiegend durchgeführt oder für die Pflege überwiegend aufgekommen ist, mit ihren Forderungen nicht auf den Nachlaß verweisen will, so kann man die überwiegende Durchführung der Pflege bzw das überwiegende Aufkommen für die Pflege wohl nur auf die Rangordnung innerhalb jener vom Versicherten (von der pflegebedürftigen Person) verschiedener Personen beziehen, die die Pflege tatsächlich besorgt haben oder die für die Pflege aufgekommen sind und sich dabei am meisten hervorgetan haben (zutreffend OLG Wien 8.4.1997, 8 Rs 62/97i). § 19 Abs 1 BPGG bestimmt demnach als sondererbfolgerechtliche Regelung die Rangfolge unter den Fortsetzungsberechtigten. Die verstorbene pflegebedürftige Person und die von ihr für die Pflege aufgewendeten Leistungen sind bei Ermittlung des Fortsetzungsberechtigten insoweit ohne Bedeutung. Ein Vergleich der Aufwendungen des verstorbenen Pfleglings mit den Aufwendungen des Pflegeheimträgers ist daher nicht anzustellen. Vielmehr sind die Aufwendungen derjenigen Personen zu vergleichen, die gemeinsam oder nacheinander für die Pflege der pflegebedürftigen Person aufgekommen sind. Dies geht auch aus dem letzten Satz des § 19 Abs 1 BPGG hervor, wonach die Bezugsberechtigung zu gleichen Teilen besteht, sollte keine der Aufwendungen überwiegen. Wie im Revisionsrekurs zutreffend dargestellt wird, ist Regelungsinhalt des § 19 BPGG, wer anstelle der verstorbenen pflegebedürftigen Person bezugsberechtigt sein solle. Würde etwa die pflegebedürftige Person genau die Hälfte des Pflegeentgelts eines Pflegeheims bezahlt haben, dann wäre nach der gegenteiligen Auffassung der Vorinstanzen der Rechtsträger des Pflegeheims und der verstorbene Pflegling zu gleichen Teilen bezugsberechtigt; eine Bezugsberechtigung einer Person nach ihrem Tod kann aber nicht mehr bestehen.Soweit der mehrfach zitierten Entscheidung 10 ObS 29/97f eine andere Rechtsauffassung zu entnehmen wäre, könnte diese nicht aufrechterhalten werden.
Wird eine pflegebedürftige Person auf Kosten oder unter Kostenbeteiligung eines Landes, einer Gemeinde oder eines Sozialhilfeträgers etwa in einem Pflege-, Wohn-, Alten- oder Erziehungsheim stationär gepflegt, so geht nach § 13 Abs 1 BPGG für die Zeit dieser Pflege der Anspruch auf Pflegegeld bis zur Höhe der Verpflegskosten, höchstens jedoch bis zu 80 vH auf den jeweiligen Kostentträger über. Für die Dauer des Anspruchsüberganges gebührt der pflegebedürftigen Person ein Taschengeld in Höhe von 20 vH des Pflegegeldes der Stufe 3 (seit 1.5.1996 aufgrund des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl 201, nur mehr 10 vH); im übrigen ruht der Anspruch auf Pflegegeld. Nach § 13 Abs 2 BPGG tritt der Anspruchsübergang mit dem auf das Einlangen der Verständigung beim Entscheidungsträger folgenden Monat ein. Insoweit der Anspruchsübergang wirksam wird, können die Bestimmungen des § 19 BPGG über die Bezugsberechtigung oder die Fortsetzung des Verfahrens nicht zur Anwendung kommen; in diesem Fall kommt dem Träger der Sozialhilfe deshalb eine Berechtigung im Sinn des § 19 lediglich für das durch den Anspruchsübergang gemäß § 13 nicht erfaßte Taschengeld zu (Gruber/Pallinger aaO Rz 2; Pfeil aaO 189; 10 ObS 29/97f). Im vorliegenden Fall ist aber von Bedeutung, daß der von der verstorbenen Pflegebedürftigen selbst getragene Kostenaufwand von S
196.440 unter Berücksichtigung des bereits gemäß § 13 BPGG auf die Stadt Wien übergegangenen Anteils von 80 % des damals bereits gewährten Pflegegeldes der Stufe 4 ermittelt wurde. Hinsichtlich des noch unberichtigt aushaftenden Pflegeentgeltes von S 139.059,98 ist aber der Stadt Wien eine Fortsetzungsberechtigung nach § 19 BPGG nicht abzusprechen.
In Stattgebung des Revisionsrekurses waren daher die Beschlüsse der Vorinstanzen entsprechend abzuändern.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO (vgl SSV-NF 4/130 = SZ 63/182).
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