OGH 15Os6/98

OGH15Os6/9812.2.1998

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.Feber 1998 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder, Dr.Rouschal, Dr.Schmucker und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Benner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Peter L***** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1, 130 zweiter Fall und 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 20.November 1997, GZ 14 Vr 1135/97-53, sowie über den Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird verweigert.

Die neuerliche Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Peter L***** wurde mit Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 20. November 1997 wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1, 130 zweiter Fall und 15 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

Nach Verkündung dieses Urteiles und Belehrung über die Rechtsmittelmöglichkeiten behielt sich der Angeklagte drei Tage Bedenkzeit vor (309).

Mit Schriftsatz vom 24.November 1997 meldete der Verteidiger des Verurteilten Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an, wobei er diesen aber nicht an das Landesgericht Korneuburg, sondern an das Landesgericht für Strafsachen Wien richtete und darin erklärte, daß er gegen das Urteil des "Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 20.11.1997, 14 Vr 1135/97, Hv 24/97" fristgerecht Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung anmelde (323 bis 325). Diese noch am selben Tag zur Post gegebene Eingabe langte am 25.November 1997 beim Landesgericht für Strafsachen Wien ein. Von diesem Gericht wurde sie offensichtlich noch am selben Tag an das Landesgericht Korneuburg weitergeleitet, wo sie am 26.November 1997 einging (321).

Mit Beschluß vom 1.Dezember 1997 (ON 55) wies das Urteilsgericht die Rechtsmittelanmeldung als verspätet zurück. Diese Entscheidung wurde dem Verteidiger am 15.Dezember 1997 zugestellt (3 j verso). Am 29. Dezember 1997 beantragte dieser die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und meldete gleichzeitig neuerlich Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an (ON 56). Dabei macht er geltend, er habe am Montag, dem 24.November 1997, dem letzten Tag der Anmeldefrist, den Handakt seiner langjährigen und verläßlichen Kanzleileiterin mit dem Auftrag übergeben, die Rechtsmittelanmeldung auf der kanzleieigenen Computeranlage vorzubereiten und ihm zur Unterschrift vorzulegen. Sie habe am selben Tag auch eine Rechtsmittelanmeldung an das Landesgericht für Strafsachen Wien zu richten gehabt, dann denselben Textbaustein für den Schriftsatz an das Landesgericht Korneuburg verwendet und dabei irrtümlich die falsche Adressierung nicht ausgetauscht. Dies sei ihm selbst bei der Unterfertigung der Eingabe nicht aufgefallen, weil er an diesem Tag besonders viel Post zu unterfertigen gehabt und nur darauf Bedacht genommen habe, daß alle Rechtsmittel fristgerecht abgesendet werden.

Der Wiedereinsetzungsantrag ist unbegründet.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 364 StPO ist dem Beschuldigten eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter anderem nur dann zu bewilligen, wenn er nachweist, daß es ihm durch unvorhersehbare oder unabwendbare Ereignisse unmöglich war, die Frist einzuhalten, es sei denn, daß ihm oder seinem Vertreter ein Versehen nicht bloß minderen Grades zur Last liegt.

Wie der Verteidiger in seinem Antrag selbst zugesteht, hat er den Schriftsatz über die Rechtsmittelanmeldung ohne inhaltliche Kontrolle unterfertigt und seiner Kanzleikraft zur Abfertigung übergeben. Dies erhellt insbesondere auch daraus, daß die Eingabe nicht nur im Kopf (erste Seite) falsch adressiert war, sondern auch inhaltlich (zweite Seite) gegen ein Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (325) gerichtet war.

Mit den rechtsanwaltlichen Pflichten ist es aber nicht vereinbar, die Richtigkeit einer - ohnedies nur wenige Zeilen umfassenden - für ein Strafverfahren wesentlichen Eingabe an das Gericht, wie es eine fristgebundene Rechtsmittelanmeldung darstellt, überhaupt nicht zu prüfen, sondern diese unkontrolliert zu unterfertigen.

Entgegen der Äußerung gemäß § 35 Abs 2 StPO ist nach herrschender Lehre auch im Zivilprozeßrecht, welches Vorbild für die Neugestaltung des § 364 StPO im Strafrechtsänderungsgesetz 1993 (BGBl 1993/526) war, ein strenger Maßstab bei Beurteilung eines unvorhergesehenen Ereignisses anzulegen, wenn beruflich rechtskundige Parteienvertreter einschreiten (Fasching Lehrbuch2 Rz 580). Wesentlich bei Anmeldung eines Rechtsmittels ist neben der Frist auch die Einbringung des Schriftsatzes beim zuständigen (Urteils-)Gericht. Die Kontrolle dieser maßgeblichen Teile einer Eingabe ist aber auch bei Zeitdruck und - wie in der Äußerung erstmals behauptet wird - bei Vitaminmangel Pflicht eines Anwaltes. Deren Unterlassung stellt somit kein Versehen bloß minderen Grades dar, sodaß die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vorliegen.

Demgemäß war auch die wiederholte Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung zurückzuweisen.

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