Spruch:
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur Ergänzung des Verfahrens zur neuerlichen Beschlußfassung zurückverwiesen.
Text
Begründung
Der Vater ist aufgrund der Beschlüsse des Erstgerichtes vom 29.4.1996 und 22.11.1996 (ON 35 und ON 58), bestätigt mit Beschlüssen vom 13.6.1996 und 14.1.1997 (ON 44 und ON 62), zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 1.000,-- verpflichtet. Dieser Unterhaltsverpflichtung lag zugrunde, daß der Vater zwar infolge seines Alters, seiner mangelnden Ausbildung und seiner Behinderung als nicht vermittelbar und daher nicht "anspannbar" anzusehen ist, er aber von ausländischen Freunden monatlich S 6.000,-- Unterstützung erhält.
Mit Beschluß vom 5.8.1997 (ON 73) bewilligte das Erstgericht einen Unterhaltsvorschuß in Titelhöhe ab 1.7.1997 aufgrund des auf die §§ 3 und 4 Z 1 UVG gestützten Antrages und der darin enthaltenen Angaben, daß der Vater nur eine Notstandshilfe von S 53,40 täglich (di S 1.600,-- monatlich) beziehe, kein im Inland pfändbares Vermögen bekannt sei, er freiwillig keine Zahlungen leiste und eine Exekution daher aussichtslos erscheine.
Infolge Rekurses des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien, änderte das Rekursgericht den Beschluß teilweise dahingehend ab, daß es den Antrag auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen für die Zeit ab 1.8.1997 abwies, weil aufgrund des nicht strittigen Notstandshilfebezuges des Vaters ab 1.8.1997 in Höhe von S 53,40 täglich berechtigte Bedenken dagegen bestünden, daß die im Titel festgesetzte Unterhaltspflicht in Höhe von S 1.000,-- monatlich ab diesem Zeitpunkt noch bestehe und aufgrund des Alters und des Gesundheitszustandes des Vaters die Voraussetzungen für die Anwendung der Anspannungstheorie nicht vorlägen. Den Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof ließ das Rekursgericht nicht zu.
Der gegen den rekursgerichtlichen Beschluß gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der Minderjährigen, in dem diese beantragt, den bekämpften Beschluß aufzuheben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung aufzutragen, ist zulässig und berechtigt; allerdings ist die Aufhebung an das Erstgericht zur Ermittlung der maßgeblichen Tatsachen zweckmäßiger als die Beauftragung des Rekursgerichts zur Erhebung dieser Tatsachen.
Rechtliche Beurteilung
Zwar wurde die Frage, ob die Gewährung der Sozialhilfe für sich allein geeignet sei, begründete Bedenken dagegen zu erwecken, daß die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltspflicht (noch) besteht oder, der gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht entsprechend, zu hoch festgesetzt ist - sodaß die Vorschüsse ganz oder teilweise zu versagen (§ 7 Abs 1 Z 1 UVG) oder die Vorschüsse nach deren Gewährung einzustellen sind (§ 20 Abs 1 Z 4 lit b UVG) - in der Rechtsprechung der Rekursgerichte lange Zeit unterschiedlich beantwortet (so 4 Ob 522/90). Zwischenzeitig hat aber der Oberste Gerichtshof (2 Ob 555/94) dazu Stellung genommen und nunmehr erkannt, daß der Bezug von Sozialhilfe für sich allein nicht geeignet ist, Bedenken im Sinn des § 7 Abs 1 Z 1 UVG zu erwecken. So wie es durchaus möglich ist, daß auch bei rechtmäßigem Bezug der Sozialhilfe die Voraussetzungen für eine Anspannung des Unterhaltspflichtigen gegeben sind (so 2 Ob 555/94), ist auch zu berücksichtigen, ob der Unterhaltsverpflichtete nicht noch andere Einkünfte hat, mögen sie auch nur auf freiwilligen Unterstützungsbeiträgen beruhen.
Das Gericht hat vor der Versagung von Titelvorschüssen gemäß § 7 Abs 1 Z 1 UVG wegen begründeter Bedenken gegen das aufrechte Bestehen der im Exekutionstitel festgesetzten Unterhaltspflicht vorerst aufgrund seiner amtswegigen Beweiserhebungspflicht die für Beurteilung dieser Frage notwendigen Grundlagen zu schaffen. Erst danach wird beurteilt werden können, ob begründete Bedenken gegen den aufrechten materiellen Bestand des zu bevorschussenden gesetzlichen Unterhaltsanspruchs im titelmäßigen Ausmaß mit hoher Wahrscheinlichkeit bestehen (EvBl 1993/34; 1994/43 uva); bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Z 1 UVG ist ein strenger Maßstab anzulegen; eine "non liqet"-Situation in Bezug der Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Z 1 UVG geht zulasten des vorschußgewährenden Bundes (2 Ob 286/97s).
Das Rekursgericht hat aber entgegen dieser Verpflichtung zur amtswegigen Erhebung keinerlei Erhebungen gepflogen und auch dem Erstgericht keine solchen Erhebungen aufgetragen, obwohl aufgrund der Angaben des Vaters eindeutig feststeht, daß er von einem Freund eine freiwillige monatliche Unterstützung von S 6.000,-- erhielt und evident ist, daß er mit S 1.600,-- Notstandshilfe nicht das Auslangen finden kann. Es wird im fortgesetzten Verfahren zu prüfen sein, ob und welche regelmäßigen Unterstützungen der Vater nunmehr erhält; nach seiner letzten Angabe vom 21.11.1996 (ON 57) - acht Monate vor Stellung des Antrages auf Gewährung von Unterhaltsvorschuß - gab er an, daß er zwar nicht mehr wie bisher von seinem Freund aus Saudi-Arabien monatlich S 6.000,- erhalte; er habe aber zwischenzeitig seine Verwandten und Freunde in Saudi-Arabien um Unterstützung ersucht, jedoch sei noch nicht klar, ob und in welchem Umfang er von diesen Unterstützung erhalten werde.
Erst nach Erhebung dieser Umstände wird beurteilt werden können, ob begründete Bedenken gegen den Unterhaltsanspruch im titelmäßigen Ausmaß bestehen, sodaß spruchgemäß vorzugehen war.
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