OGH 10ObS182/97f

OGH10ObS182/97f27.1.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ehmayr und Dr.Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Hans Lahner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Ulrike Legner (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Josef ***** T*****, Pensionist, *****, vertreten durch Dr.Markus Ch.Weinl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, Waisenpension, Ausgleichszulage und Pflegegeld, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 12.März 1997, GZ 23 Rs 3/97f-18, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 23.Oktober 1996, GZ 45 Cgs 38/96v-15, teils bestätigt und teils aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung über den Revisionsrekurs wird abgewiesen.

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Das Erstgericht wies die vorliegende Klage mit dem Begehren, dem Kläger die Invaliditäts- und die Waisenpension, die Ausgleichszulage und das Pflegegeld der Stufe 5 im jeweils gesetzlichen Ausmaß samt 4 % Zinsen für den Zeitraum 1.12.1995 bis 31.8.1996 auszubezahlen, wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück.

Es führte dazu aus, daß sich dieses Klagebegehren nicht gegen die Höhe der bereits mit Bescheid zuerkannten Leistungen richte, sondern daß der Kläger lediglich die Einbehaltung bzw den Übergang seines Leistungsanspruchs gegenüber der beklagten Partei infolge des § 324 Abs 3 ASVG (Legalzession) bekämpfe. In einer Leistungssache nach § 65 Abs 1 Z 3 ASGG könne die Klage nur von einem Träger der Sozialhilfe, nie aber vom Pensionsberechtigten erhoben werden.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs des Klägers teilweise Folge. Es hob den erstgerichtlichen Beschluß insoweit auf, als hiervon nicht die gemäß § 324 Abs 3 ASVG auf den Träger der Sozialhilfe übergegangenen Versicherungs- und Pflegegeldleistungen betroffen waren (Nachzahlung der Waisenpension für die Zeit vom 1.8.1994 bis 31.10.1995 von S 25.318,80, Überbezug an Ausgleichszulage für denselben Zeitraum von S 7.326,60 und Verrechnung mit dem Nachzahlungsbetrag an Waisenpension, Ruhen des Pflegegeldes gemäß § 13 Abs 1 BPGG von S 1.180,20 monatlich). Insoweit trug das Rekursgericht dem Erstgericht die Entscheidung in der Sache selbst unter Abstandnahme vom angezogenen Zurückweisungsgrund auf. Im übrigen (betreffend den Zeitraum des Überganges der Ansprüche auf Versicherungs- und Pflegegeldleistungen auf den Träger der Sozialhilfe) gab es dem Rekurs keine Folge.

In rechtlicher Hinsicht führte das Gericht zweiter Instanz aus: Werde ein Pensionsberechtigter auf Kosten eines Landes im Rahmen der Behindertenhilfe in einer der im § 324 Abs 3 ASVG genannten Einrichtungen oder auf einer der genannten Pflegestellen untergebracht, gehe für die Zeit dieser Pflege der Anspruch auf Pension (einschließlich allfälliger Zulagen und Zuschläge) bis zur Höhe der Verpflegskosten, höchstens jedoch bis zu 80 vH auf den Träger der Sozialhilfe über. Dabei handle es sich nicht um einen neben den Leistungsanspruch des Pensionsberechtigten tretenden Ersatzanspruch des Sozialhilfeträgers gegen den Versicherungsträger, sondern um den Übergang eines Teiles des Leistungsanspruches des Pensionsberechtigten auf den Sozialhilfeträger durch Legalzession. Bei einem solchen Übergang eines festgestellten Anspruchs habe der Versicherungsträger keinen neuen Leistungsbescheid zu erlassen; § 367 Abs 1 ASVG sei insoweit nicht anzuwenden, weil die Leistung bereits bescheidmäßig festgestellt sei. Für die Zeit der Unterbringung des Klägers im Wohnheim in B. auf Kosten des Landes Vorarlberg im Rahmen der Behindertenhilfe sei das Land bis zu der im § 324 Abs 3 ASVG normierten Höhe Zahlungsempfänger der von der beklagten Partei zu erbringenden Leistungen (§ 106 ASVG). Die Überprüfung der Auszahlung einer zuerkannten Leistung sei jedoch weder eine Leistungssache noch eine bürgerliche Rechtssache im Sinne des § 1 JN, sondern ein öffentlich-rechtlicher Leistungsanspruch. In diesem Umfang sei die Klage zutreffend wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückgewiesen worden. In den übrigen oben genannten Fällen handle es sich hingegen um eine Rechtsstreitigkeit über den Bestand, den Umfang oder das Ruhen eines Anspruchs nach § 65 Abs 1 Z 1 ASGG. Eine meritorische Entscheidung sei dem Rekursgericht aber verwehrt, weil das Erstgericht die Klage aus formellen Gründen zurückgewiesen habe.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs des Klägers wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Er beantragt, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, den angefochtenen Beschluß als nichtig aufzuheben, hilfsweise dem Rekursgericht oder dem Erstgericht nach Verfahrensergänzung eine meritorische Entscheidung aufzutragen, schließlich die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß der Klage mit der im Rekurs erfolgten Modifikation stattgegeben werde.

Der Revisionsrekurs ist nach § 47 ASGG zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach dem gemäß § 2 Abs 1 ASGG auch im Verfahren in Sozialrechtssachen anzuwendenden § 526 Abs 1 ZPO ist über einen Rekurs ohne vorhergehende mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung durch Beschluß zu entscheiden. Dem Antrag des Klägers auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung vor dem Obersten Gerichtshof fehlt daher eine gesetzliche Grundlage.

Zunächst macht der Kläger geltend, der angefochtene Beschluß sei deshalb nichtig, weil die Gleichschrift des Rekurses gegen den erstinstanzlichen Beschluß nicht an die beklagte Partei zugestellt worden sei.

Tatsächlich wurde jedoch die Gleichschrift des am 4.12.1996 beim Erstgericht eingelangten Rekurses der beklagten Partei am 9.12.1996 zugestellt, so daß sich die Rechtsmittelausführungen als aktenwidrig erweisen.

Zu Unrecht rügt der Kläger, daß das Rekursgericht nicht über das Klagebegehren meritorisch mit Urteil entschieden habe. Dabei übersieht er, daß über einen Rekurs - von der hier nicht vorliegenden Ausnahme des im Berufungsverfahren geltenden § 519 Abs 2 letzter Satz ZPO abgesehen - gemäß § 526 Abs 1 ZPO stets durch Beschluß zu entscheiden ist und anstelle eines Aufhebungsbeschlusses des Rekursgerichtes gegen einen ausschließlich wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges gestützten Zurückweisungsbeschluß des Erstgerichtes niemals ein Urteil gefällt werden kann (10 ObS 259/97d; SSV-NF 5/36).

Wenn der Kläger weiters rügt, das Erstgericht habe die Schreiben der beklagten Partei vom 2. und vom 16.11.1995 zu Unrecht als bloße Mitteilung und nicht als Bescheide qualifiziert, ist ihm entgegenzuhalten, daß hier die rechtliche Beurteilung der zweiten Instanz (in der eine solche Aussage ohnehin fehlt) zu überprüfen ist und nicht die des Erstgerichtes.

Die im angefochtenen Beschluß enthaltene rechtliche Beurteilung der Sache ist zutreffend und steht mit der bisherigen Judikatur des Obersten Gerichtshofes (SSV-NF 4/89 mwN; SSV-NF 5/4, 5/36; Kuderna, ASGG**2 428) im Einklang. Angesichts der inzwischen eingeführten Vollstreckbarkeit der in § 1 Z 11 EO erfaßten leistungszuerkennenden Bescheide besteht keine Veranlassung, von dieser Judikatur abzugehen. In den Gesetzesmaterialien zur ASGG-Nov 1994, BGBl 624 (RV 1654 BlgNr 18. GP, 28) wurde diesbezüglich ausgeführt, "derzeit" könne der Versicherte die ihm durch Bescheid des Versicherungsträgers zuerkannte Leistung nicht zwangsweise durchsetzen; die Überprüfung der Auszahlung einer zuerkannten Leistung sei weder als Leistungssache noch als bürgerliche Rechtssache im Sinn des § 1 JN anzusehen und daher der Überprüfung der Gerichte entzogen (SSV-NF 1/55). Andererseits fehle auch den Versicherungsträgern die Möglichkeit, ihre Bescheide, mit denen zu Unrecht gewährte Leistungen zurückgefordert werden, gerichtlich vollstrecken zu lassen. Es werde deshalb vorgeschlagen, alle diese Bescheide der Versicherungsträger in die Aufzählung der Exekutionstitel des § 1 EO aufzunehmen. Die geänderte Rechtslage bietet noch weniger Anlaß, Auszahlungsstreitigkeiten zuzulassen, zumal nunmehr der Rechtsschutz des Auszahlungsgläubigers hinreichend gewährleistet ist (Fink, Die sukzessive Zuständigkeit im Verfahren in Sozialrechtssachen, 654 ff mwN; Kuderna aaO 430). Der Kläger kann auch nichts daraus gewinnen, daß in der älteren Rechtsprechung des Oberlandesgerichtes Wien (SSV-NF 8/105; vgl auch Teschner/Widlar, MGA ASVG 64. ErgLfg 1552/2 Anm 11 zu § 324) eine andere Auffassung vertreten wurde.

Eine ähnliche Rechtslage besteht nach dem Pflegegeldrecht: Auch für den Eintritt der Legalzession nach § 13 Abs 1 BPGG bedarf es zwar keiner formellen Geltendmachung, der jeweilige Entscheidungsträger muß aber immer dann tätig werden, wenn er die Voraussetzungen für den Anspruchsübergang für nicht gegeben oder einen geringeren Betrag von der Legalzession erfaßt hält als der Sozialhilfeträger vermeint; (nur) diese Entscheidung hat in Bescheidform zu ergehen (Pfeil, BPGG 166, 240 f; Gruber/Pallinger BPGG Rz 1 zu § 27; vgl Fink aaO 142 ff).

Die im Rechtsmittel ferner angesprochene Problematik der Verzugszinsen (SSV-NF 4/131; 10 ObS 134/94; 10 ObS 14/97z) kann hier mangels Erheblichkeit auf sich beruhen. Auch zu der - meritorischen - Frage, ob überhaupt eine Legalzession nach § 324 Abs 3 ASVG bzw § 13 BPGG eingetreten sei, weil der wesentliche Teil der Pflege von den Familienangehörigen des Klägers zu Hause getragen worden sei, hat das Rekursgericht zutreffend nicht Stellung genommen.

Der angefochtene Beschluß läßt schließlich entgegen der Befürchtung des Klägers ausreichend deutlich erkennen, in welchem Umfang die Entscheidung des Erstgerichtes aufgehoben wurde: Diesbezüglich ist auf den Spruch und die damit zusammenhängende Begründung des Rekursgerichtes (Seite 8) zu verweisen.

Dem Revisionsrekurs war insgesamt ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit sind nicht ersichtlich.

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