OGH 14Os152/97

OGH14Os152/9727.1.1998

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Jänner 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Leinfellner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Walter Josef P***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Schöffengericht vom 3. September 1997, GZ 15 Vr 604/97-26, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tiegs, und des Verteidigers Dr. Dax, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Walter Josef P***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB (1) und des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB

(2) schuldig erkannt.

Darnach hat er in St***** die Johanna Margaretha F***** (1) am 23. April 1997 und am 10. Mai 1997 mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er sie jeweils gegen ihren Willen erfaßte, zu Boden warf, würgte, mit Füßen trat und sodann an ihr den Geschlechtsverkehr vollzog, und (2) am 4. Mai 1997 durch die Äußerungen: "Ich bringe den ganzen F*****-Clan um; schade, daß es Hitler nicht mehr gibt, der hätte euch alle schon vergast. Wie ich dich am meisten treffe, weiß ich auch, ich werde mir mit Matthias etwas einfallen lassen, und dich Drecksau zerstückle ich und hänge danach deinen Schädel auf das Gartentürl!", mit dem Tod gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Die gegen dieses Urteil vom Angeklagten erhobene, auf die Z 1, 5, 5 a, 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Dem erstbezeichneten Beschwerdeeinwand (Z 1) zuwider war der Vorsitzende wegen des von ihm in der Haftverhandlung vom 15. Juli 1997 gefaßten Beschlusses auf Fortsetzung der Untersuchungshaft des Angeklagten von der Mitwirkung und Entscheidung in der Hauptverhandlung nicht ausgeschlossen, denn er ist damit keineswegs in derselben Sache als Untersuchungsrichter tätig gewesen (§ 68 Abs 2 StPO), vielmehr hat er der dem Vorsitzenden vom Gesetz (§ 181 Abs 3 StPO) auferlegten Verpflichtung zur Durchführung einer Haftverhandlung Genüge getan, nachdem die letzte Haftfrist vor dem für den 3. September 1997 angesetzten Beginn der Hauptverhandlung abgelaufen wäre. Darin ist nicht einmal ein Befangenheitsgrund zu erkennen (vgl Foregger/Kodek StPO7 § 181 Anm III; siehe auch ÖJZ-MRK 1993/28, 1993/37 und 1995/1).

Der Vorwurf (Z 5), der Schöffensenat habe nicht begründet, weshalb er den Angaben der Zeugin F***** und nicht der Verantwortung des Angeklagten Glauben schenkte, übergeht prozeßordnungswidrig die diesbezüglichen Erwägungen im Urteil (US 7 und 8).

Als unzulässige Anfechtung der Beweiswürdigung eines Kollegialgerichtes erweist sich das Beschwerdevorbringen, die Verletzungen dieser Zeugin könnten nicht als Beweis für deren Vergewaltigung herangezogen werden. Gleiches gilt für den Beschwerdehinweis auf das den Vorwurf einer Vergewaltigung zunächst nicht enthaltende und demzufolge angeblich widersprüchliche Anzeigenverhalten des Tatopfers und die Kritik an der tatrichterlichen Interpretation der inkriminierten Äußerungen des Beschwerdeführers in Richtung seines Vorhabens der Erzwingung des Beischlafs sowie Versetzung der Zeugin in Furcht und Unruhe, zumal die Beschwerde auch insoweit nicht auf die Erwägungen des Erstgerichtes (US 7 und 8) abstellt.

Zu Unrecht reklamiert der Nichigkeitswerber Erörterungen dahingehend, Johanna F***** sei vor dem (erzwungenen) Geschlechtsverkehr am 23. April 1997 eingeschlafen und erst vom Angeklagten aufgeweckt worden, bzw über die Dauer dieses Schlafes (Schuldspruch 1) sowie über den Inhalt der Aussage des Zeugen Z*****, der in der Hauptverhandlung vom 3. September 1997 - entgegen den Angaben der Zeugin F***** - nicht bekundet hatte, daß der Angeklagte die im Schuldspruch 2 genannten Drohungen am 11. Mai 1997 wiederholt hat. Das Gericht ist nämlich nicht gehalten, schlechthin sämtliche Verfahrensergebnisse zu erörtern (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO), sondern nur jene, die für die Frage der Erfüllung des Tatbestandes relevant sind. Dies trifft auf die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umstände nicht zu. Ebenfalls nicht erforderlich war eine ins Detail gehende Erörterung der Angaben des Zeugen Z*****, der nicht Tatzeuge war.

Die - der Sache nach Feststellungsmängel (Z 9 lit a) geltend machende und deshalb unter diesem Gesichtspunkt zu behandelnde - Rüge fehlender Feststellungen zur subjektiven Tatseite, insbesondere in Ansehung des "finalen Ursachenzusammenhanges" zwischen Gewaltanwendung und Vollzug des Geschlechtsaktes, übergeht zunächst die entsprechenden Konstatierungen auf US 4, 6 f und 9. Andererseits wird damit nur abermals versucht, durch Erörterung der (vom Schöffensenat als unglaubwürdig abgelehnten) Verantwortung des Angeklagten und der (als glaubwürdig erachteten) Angaben der Zeugin F***** über die Tathergänge sowie durch Spekulationen über die vom Angeklagten mit der Gewaltanwendung verfolgte Zielrichtung und die Einschätzung der Situation durch ihn seiner leugnenden Verantwortung doch noch zum Durchbruch zu verhelfen.

Konstatierungen darüber, daß am 10. Mai 1997 zwischen der Gewaltanwendung und der Durchführung des Geschlechtsaktes eine Weile verstrichen und es nach dem Vorfall vom 23. April 1997 noch zu weiteren (gemeint: unerzwungenen) geschlechtlichen Begegnungen zwischen dem Angeklagten und der Zeugin gekommen sei, waren nach Lage des Falles mangels Relevanz für die rechtliche Beurteilung der von den Tatrichtern angenommenen Sachverhalte entbehrlich.

Gleiches gilt, soweit der Beschwerdeführer - der Sache nach wiederum als Nichtigkeit nach Z 9 lit a - Feststellungen darüber vermißt, ob Johanna F***** durch die Drohungen (Schuldspruch 2) tatsächlich in Furcht und Unruhe versetzt wurde, bzw die Berechtigung der Annahme tatsächlicher Besorgnis der Genannten bestreitet (vgl Leukauf/Steininger Komm3 § 74 RN 21; § 107 RN 8).

In seiner zum Teil das Vorbringen in der Mängelrüge wiederholenden Tatsachenrüge (Z 5 a) weist der Angeklagte auf den Lebenswandel der Zeugin F*****, die rasche Begründung einer Lebensgemeinschaft zwischen dieser und ihm, das Verhalten der Zeugin ihm gegenüber nach der Tat vom 23. April 1997 sowie anläßlich der Anzeige, die Aussagen des Zeugen Otto Z***** über dessen Einschätzung des Verhältnisses zwischen dem Angeklagten und Johanna F***** und die Angaben dieses Zeugen über (im Urteil nicht festgestellte) Drohungen des Angeklagten am Tag der Anzeigeerstattung hin. Erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des dem Schuldspruch zugrundeliegenden Tatsachensubstrats vermag der Angeklagte aus den Akten freilich ebensowenig zu erwecken wie mit seiner Forderung nach verantwortungskonformen Urteilsfeststellungen.

Das ferner kritisierte Unterbleiben einer Einvernahme des Sohnes der Zeugin F***** unter Beiziehung eines Psychologen eignet sich nicht für einen Erfolg der Aufklärungsrüge; für eine Geltendmachung nach der Z 4 fehlen dem Beschwerdeführer hingegen mangels entsprechender Antragstellung in der Hauptverhandlung schon die formalen Voraussetzungen (Mayerhofer StPO4 § 281 Abs 1 Z 4 E 1).

In seiner Rechtsrüge (Z 9 lit a) zum Schuldspruch 2 behauptet der Angeklagte das Fehlen einer begründeten Besorgnis der Johanna F***** hinsichtlich der angedrohten Tötung (§ 107 Abs 2 StGB). Er übersieht dabei, daß die tatsächliche Besorgnis des Bedrohten für die Tatbildlichkeit ohne Bedeutung ist (vgl Leukauf/Steininger Komm3 § 74 RN 21 und § 107 RN 8); allein maßgebend ist, ob es dem Täter darauf ankam, beim Bedrohten Furcht vor einem Anschlag auf sein Leben hervorzurufen, und ob der Bedrohte nach den gegebenen Umständen objektiv den Eindruck gewinnen konnte, der Täter sei in der Lage und willens, die qualifizierende Folge zu verwirklichen.

Die entsprechende Absicht des Angeklagten hat das Erstgericht festgestellt. Die objektive Eignung der Drohung im Sinne der Qualifikation nach § 107 Abs 2 StGB war bei der erforderlichen Anlegung eines objektiv-individuellen Maßstabes (vgl Mayerhofer/Rieder StGB4 § 74 E 36 ff) angesichts der Massivität und bildhaften Darstellung des angedrohten Übels (vgl US 5 f, 10) in Verbindung mit den früheren Gewaltakten des Angeklagten gegen F***** (Schuldspruch 1) gegeben.

Soweit der Nichtigkeitswerber schließlich behauptet, er habe nach den Urteilsfeststellungen lediglich die Absicht gehabt, die Zeugin kurzfristig einzuschüchtern, bzw sich mit seinem Verhalten nur abreagieren wollen, sodaß es ihm an der für die Tatbestandserfüllung erforderlichen Absicht gefehlt habe, verläßt er den Boden der Urteilsfeststellungen (US 6) und führt insoweit erneut seine Rüge nicht prozeßordnungsgemäß aus.

Gleiches gilt für seine Behauptung, zur Anwendung von Gewalt gegen Johanna F***** am 23. April 1997 und am 10. Mai 1997 sei es nicht zwecks Erreichung der Duldung des Beischlafs, sondern lediglich als Reaktion auf die zwischen ihm und der Zeugin bestehenden Meinungsverschiedenheiten und wegen seiner Unfähigkeit zur gewaltlosen Konfliktlösung gekommen. Auch mit diesem Vorbringen entfernt sich die Rechtsrüge von den Urteilsfeststellungen, in welchen die in der Beschwerde vermißte subjektive Verknüpfung der Gewaltanwendung mit den (wenngleich nicht unmittelbar darauf folgenden) Duldungen des Beischlafs nachvollziehbar dargestellt wird (US 5, 6 f).

Bei seiner (abermaligen) Rüge fehlender Feststellungen zur subjektiven Tatseite hinsichtlich der Vergewaltigungen verkennt der Beschwerdeführer, daß die Feststellungen (US 9) über die Wissenskomponente angesichts des Tatablaufes (US 4 f und 6 f) auch die Willenskomponente des Vorsatzes (§ 5 Abs 1 StGB) erfassen.

In der Strafzumessungsrüge (Z 11) macht der Angeklagte schließlich geltend, dem Urteil sei nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, daß sich die Voraussetzungen des § 39 StGB nur auf die Verurteilung nach § 107 Abs 2 StGB beziehen, sodaß nicht nachvollziehbar sei, von welchem Strafrahmen das Erstgericht ausgegangen sei. Auch diese Rüge versagt:

Einerseits richten sich nämlich Gewalt- und Sittlichkeitsdelikte gleichermaßen gegen die körperliche Integrität (vgl Foregger/Kodek StGB6 § 71 Anm II), sodaß - wie das Erstgericht zu Recht festgestellt hat (US 3 unten) - die Voraussetzungen des § 39 StGB auch insoweit gegeben sind. Im übrigen wäre die Anwendung oder Nichtanwendung des § 39 StGB grundsätzlich nicht mit Nichtigkeitsbeschwerde, sondern mit Strafberufung zu bekämpfen (Foregger/Kodek StGB6 § 39 Anm III).

Die nur zum Teil gesetzesgemäß ausgeführte, in diesem Umfang aber sachlich nicht berechtigte Nichtigkeitsbeschwerde war daher zur Gänze zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 201 Abs 2 StGB unter Anwendung des § 28 StGB zu vier Jahren Freiheitsstrafe und wertete dabei als erschwerend die Vorstrafen des Angeklagten (18, davon 14 einschlägige) unter Mitberücksichtigung seines raschen Rückfalls, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen sowie das Vorliegen der formellen Voraussetzungen nach § 39 StGB; als mildernd hingegen keinen Umstand.

Die eine Strafherabsetzung anstrebende Berufung des Angeklagten ist nicht berechtigt:

Die vom Erstgericht herangezogenen Strafzumessungsgründe sind dahin korrekturbedürftig, daß neben der einschlägigen (und die Voraussetzungen des § 39 StGB erfüllenden) Vorstrafenbelastung des Angeklagten als Erschwerungsgründe der rasche Rückfall nach bedingter Entlassung sowie das Zusammentreffen dreier strafbarer Handlungen (teils gleicher, teils verschiedener Art) und als mildernd - wie der Berufungwerber zutreffend geltend gemacht hat - das zur Wahrheitsfindung beitragende (S US 7) Teilgeständnis des Angeklagten bezüglich mit den Taten verbundener Verletzungen zu berücksichtigen sind.

Daß der Angeklagte "aufgrund seines Vorlebens beim Versuch seiner Wiedereingliederung in die Gesellschaft unter starkem psychischem Druck stand" und sich bei seinem Opfer entschuldigt hat, erfüllt nicht die Voraussetzungen eines besonderen Milderungsumstandes und kann sich - der Berufung zuwider - auch nicht im Wege der allgemeinen Schuldkriterien nach § 32 StGB zu seinen Gunsten entscheidend auswirken.

Insgesamt war demzufolge die vom Schöffengericht verhängte vierjährige Freiheitsstrafe angesichts der gewichtigen Erschwerungsgründe, denen mit dem sehr geringen Teilgeständnis nur ein unwesentlicher Milderungsumstand gegenübersteht, einer Reduzierung nicht zugänglich, sodaß der Berufung ein Erfolg versagt bleiben mußte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390 a StPO.

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