OGH 7Ob406/97z

OGH7Ob406/97z27.1.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Peter W*****, vertreten durch Dr.Wenzel Drögsler, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei M*****-AG, ***** vertreten durch Dr.Hans-Peter Benischke und Dr.Edwin Anton Payr, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 59.288,90 sA und Feststellung (Gesamtstreitwert S 84.288,90), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 26.September 1997, GZ 1 R 28/97g-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien vom 7.November 1996, GZ 4 C 3239/94s-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.086,40 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.014,40 USt) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Für das Installationsunternehmen des Klägers besteht bei der Beklagten ein Betriebshaftpflichtversicherungsvertrag, dem die AHVB 1978 und die EHVB 1978 zugrundeliegen. Gemäß Art 1.1 AHVB 1978 ist Versicherungsfall ein Schadenereignis, das dem versicherten Risiko (hier: Installationsbetrieb) entspringt und aus welchem dem Versicherungsnehmer Schadenersatzverpflichtungen erwachsen oder erwachsen könnten. Gemäß Art 7.9.3 AHVB 1978 erstreckt sich die Versicherung nicht auf Schadenersatzverpflichtungen wegen Schäden an jenen Teilen von unbeweglichen Sachen, die unmittelbar Gegenstand der Bearbeitung, Benützung oder einer sonstigen Tätigkeit sind.

Der Kläger installierte im September 1990 im Auftrag der Inhaber des Hauses Wien 4, Sch*****gasse *****, in der Wohnung top Nr 18 eine Gasetagenheizung. Der bei ihm beschäftigte Installateurgeselle stemmte in eine 60 cm dicke Zwischenwand unmittelbar neben einem Türstock einen ca 10 - 15 cm hohen und breiten Durchlaß. Dabei beschädigte er, ohne es zu bemerken, das Wangenmauerwerk eines in dieser Zwischenwand emporführenden Kamins, welcher dadurch undicht wurde. Der Gehilfe des Klägers wußte nichts von dem im Mauerwerk liegenden Kamin. Er hatte danach aber auch nicht gefragt. Im Verfahren 8 C 2235/94k des Bezirksgerichtes Hietzing wurde den Hauseigentümern - im Kompensationswege - ein Schadenersatzforderung von S 16.698,-- gegen den Kläger zuerkannt. Der Kläger mußte die gesamten Prozeßkosten von S 42.590,90 tragen. Die Hauseigentümer haben weitere Schadenersatzforderungen an den Kläger herangetragen.

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung von S 59.288,90 sA; weiters beantragt er die urteilsmäßige Feststellung, daß ihm die Beklagte für den genannten Schadenfall weiteren Versicherungsschutz zu gewähren habe. Die geltend gemachten Ansprüche entsprächen dem versicherten Risiko. Mit Arbeiten an den - verborgen im Mauerwerk liegenden - Kamin sei der Kläger nicht beschäftigt gewesen.

Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klagebegehren. Die vom Kläger herbeigeführten Schäden, für die er bereits in Anspruch genommen worden sei und noch in Anspruch genommen werde, seien Bearbeitungsschäden im Sinne des Art 7.9.3 AHVB 1978, die von der Betriebshaftpflichtversicherung ausgeschlossen seien.

Das Erstgericht gab beiden Klagebegehren statt. Die Ausschlußklausel des Art 7.9.3 AHVB 1978 sei nicht verwirklicht worden. Der Schaden sei nicht an jenem Teil der unbeweglichen Sache eingetreten, der unmittelbar Gegenstand der Bearbeitung des Klägers gewesen sei. Der Gehilfe des Klägers habe unmittelbar nur den raumseitigen Teil der Zwischenwand bearbeitet. Daß sich dahinter ein Kamin verborgen habe, sei nicht bekannt gewesen. Jedenfalls nach § 915 ABGB sei damit nicht von einer "Unmittelbarkeit" im Sinne der genannten Ausschlußklausel auszugehen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Die Tätigkeitsklausel in Art 7.9.3. AHVB 1978 bezwecke, die Versicherung in gewissem Umfang vom erhöhten Risiko zu befreien, das sich aus der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit des Versicherungsnehmers ergebe. Die Einbeziehung von Schäden an Sachen, die unmittelbar bearbeitet würden, würde zu bedeutend höheren Prämien führen, weil hier die Gefahr von Beschädigungen besonders groß sei. Es entspreche dem Grundsatz der Haftpflichtversicherung, daß das Unternehmerrisiko nicht zur Gänze auf den Haftpflichtversicherer übertragen werden könne. Eine "Tätigkeit" im Sinne des Art 7.9.3 AHVB 1978 sei ein bewußtes und gewolltes Einwirken auf eine Sache, die einem bestimmten Zweck diene. Es sei nicht erforderlich, daß die Sache (der Gebäudeteil) im Mittelpunkt des Auftrages stehe. Es genüge vielmehr, daß gelegentlich einer an einer anderen Sache auszuführenden Arbeit auch eine Tätigkeit an der später beschädigten Sache bewußt und gewollt durchgeführt werde. Die deutsche Lehre lehne die Anwendbarkeit der Tätigkeitsklausel ab, wenn der Versicherungsnehmer zu Unrecht annehme, daß in den zu bearbeitetenden Wänden Rohre vorhanden seien; dann habe er nicht das Bewußtsein, auf diese einzuwirken. Ihre Beschädigung sei im Rahmen der Betriebshaftpflichtversicherung zu decken, auch wenn den Versicherungsnehmer bei seinem Irrtum ein Fahrlässigkeitsvorwurf treffe. Diese Gedanken seien auf die den deutschen AHB in diesem Punkt entsprechenden AHVB 1978 übertragbar. Daher sei die Beklagte grundsätzlich deckungspflichtig. Das Zahlungsbegehren sei somit berechtigt. Es bestehe aber auch ein Rechtsschutzbedürfnis an der begehrten urteilsmäßigen Feststellung, wenngleich die weitere Schadenersatzforderung gegenüber dem Kläger auch schon der Höhe nach beziffert worden sei. Der Befreiungsanspruch des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer verwandle sich erst dann in einen Zahlungsanspruch, wenn der Versicherungsnehmer den geschädigten Dritten befriedigt habe oder wenn der Anspruch des Dritten durch rechtskräftiges Urteil, Anerkenntnis oder Vergleich festgestellt worden sei. Mit der Ablehnung der Deckung aber werde der Befreiungsanspruch des Versicherungsnehmers noch nicht zum Zahlungsanspruch.

Die dagegen von der Beklagten erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Die Klägerin vertritt in ihrer Revision die Auffassung, daß die vom Berufungsgericht vorgenommene Unterteilung des Arbeitsbereiches in eine "60 cm dicke Zwischenmauer" und in einen "verborgenen Kamin" unzulässig sei. Gegenstand der Barbeitung sei in Wahrheit das Kaminmauerwerk gewesen, möge es sich dem Bearbeiter auch bloß als Zwischenwand dargestellt haben. Für den Ausschluß gemäß Art 7.9.3 AHVB 1978 bedürfe es keineswegs des Bewußtseins, daß eine Sache mit bestimmten und bekannten Eigenschaften bearbeitet werde; es genüge die objektive Tatsache, daß die Tätigkeit an einer bestimmten Sache unmittelbar ausgeübt werde. Was Gegenstand der Bearbeitung sei, dürfe nicht punktuell betrachtet, sondern müsse nach der natürlichen Betrachtungsweise eines verständigen und unvoreingenommenen Beurteilers gewürdigt werden.

Rechtliche Beurteilung

Der Zweck der in Art 7.9.3 AHVB 1978 enthaltenen Tätigkeits- oder Bearbeitungsklausel in der Betriebshaftpflichtversicherung liegt nach der Rechtsprechung (SZ 58/196; VR 1991, 358 ua) darin, den Versicherer zum Teil vom erhöhten Risiko zu befreien, das mit der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit des Versicherungsnehmers einhergeht. Nach Jabornegg (Die Tätigkeitsklausel in der allgemeinen Haftpflichtversicherung, VR 1991, 223 ff [230 f]) solle allerdings der Ausschluß nicht mit dem Unternehmerrisko schlechthin, sondern mit dem durch die Vertragserfüllung verbundenen Risiko begründet werden. Apathy (Haftpflichtversicherungsschutz bei Beschädigung des arbeitnehmereigenen Kraftfahrzeuges, JBl 1987, 69 ff [76]) meint, daß nur das erhöhte Schadensrisiko ua der Bearbeitung oder sonstigen Tätigkeit das Ausschlußrecht rechtfertige, das Unternehmerrisiko dabei aber nur ein hinzutretender Gesichtspunkt sein könne. Späte (AHB Rz 128 zu § 4) weist ebenfalls darauf hin, daß das besondere Risiko der unmittelbaren Tätigkeit an der bearbeiteten Sache für den Ausschluß maßgebend sein soll; der Unternehmer solle die ihm aus fehlerhafter Bearbeitung entstandenen Nachteile nicht auf den Versicherer abwälzen können, weil sonst der Anreiz bestünde, nachlässig zu arbeiten. Aus der Rechtsprechung zum Begriff der "Tätigkeit" im Sinne dieses Ausschlußtatbestandes ergibt sich aber bereits, daß nicht schlechthin das Unternehmerrisko, sondern das Risiko bei der Vertragserfüllung den Ausschluß begründet. Demnach muß es sich um eine bewußte und gewollte auf einen bestimmten Zweck abgestimmte nicht nur zufällige Einwirkung auf eine Sache handeln; dabei genügt es, daß gelegentlich einer an einer anderen Sache auszuführenden Arbeit auch eine Tätigkeit an der später beschädigten Sache bewußt und gewollt durchgeführt wird; bewußt und gewollt muß nicht die Schadenszufügung, sondern lediglich die Einwirkung auf die Sache sein (VR 1990, 229; VR 1991, 358). Ist - wie hier - in der Ausschlußklausel von "Teilen" einer unbeweglichen Sache die Rede, kommt es darauf an, welche Leistungen der Versicherungsnehmer zu erbringen hatte, ob sich seine Erfüllungshandlungen auf einen abgrenzbaren Teil der unbeweglichen Sachen zu erstrecken hatten, wie dieser nach der Verkehrsauffassung abzugrenzen war, so wie darauf, welche Teile der Sache durch die Haupttätigkeit zwangsläufig in Mitleidenschaft gezogen werden mußten (VR 1988, 267; VR 1991, 202).

Das Erfordernis eines bewußten Eingriffs auf die bearbeitete Sache für die Verwirklichung des Ausschlußtatbestandes führt dazu, die Erkennbarkeit für den Bearbeiter zu verlangen, (auch) an der beschädigten Sache tätig zu sein. Damit steht die Rechtsprechung, daß unter die Ausschlußklausel auch Vorgänge fallen, die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung nicht zwangsläufig Gegenstand der Bearbeitung würden, sich aber im Gefahrenbereich der Arbeit befanden und insofern der Obhut des Versicherungsnehmers unterlagen (VR 1991, 358) nicht in Widerspruch. Ist der Schutz und das Einbeziehen der näheren Umgebung der bearbeiteten Sache nach üblichen handwerksgerechten (oder sonstigen beruflichen) Überlegungen und Tätigkeiten eine Selbstverständlichkeit, so wird das Tätigkeitsbewußtsein regelmäßig gegeben sein (Bruck/Möller/Johannsen, VVG8 428). Bei verborgenen Sachen aber, die im Wirkungsbereich der Tätigkeit des Versicherungsnehmers vorhanden sind, muß der Versicherungsnehmer das Bewußtsein haben, daß diese andere Sache vorhanden ist oder zumindest vorhanden sein kann, um Schäden an diesen der Tätigkeitsklausel unterstellen zu können; das fahrlässige Nichtwissen reicht für das Tätigkeitsbewußtsein nicht aus (Späte aaO Rz 150 zu § 4 dAHB; Bruck/Möller/Johannsen aaO 428).

Im vorliegenden Fall war in der Zwischenwand, die vom Gehilfen des Klägers durchstemmt werden mußte, ein Kamin eingebaut, der von außen nicht erkennbar war. Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich dabei nicht um den Kamin selbst, der der Bearbeitung des Klägers unterlag, sondern um eine in die Zwischenwand eingebaute andere Sache, erfordert doch das Ausbauen eines Kamin ein völlig anderes Mauerwerk, um dessen Dichtheit zu gewährleisten. Daß ein solcher Kamin in unmittelbarer Nähe eines Türstocks vorhanden sein kann (die Stemmarbeiten betrafen nur einen Bereich, der 10 - 15 cm vom Türstock entfernt war) mußte dem Bearbeiter der Zwischenwand nicht bewußt sein. Zu Recht hat daher das Berufungsgericht angenommen, daß die Beschädigungen an dem Kamin von der Tätigkeitsklausel nicht erfaßt sind.

Das Feststellungsinteresse des Klägers stellt die Revision nicht mehr in Frage.

Somit war der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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