OGH 16Ok19/97

OGH16Ok19/9717.12.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Kartellrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Birgit Langer als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichter Kommerzialräte Dr.Fidelis Bauer, Dkfm.Joachim Lamel, Dkfm.Alfred Reiter und Dr.Thomas Lachs als weitere Richter in der Kartellrechtssache der Antragsstellerin A***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr.Karl Bollmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung gemäß § 8a KartG, infolge Rekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Kartellgericht vom 15.Mai 1997, GZ 27 Kt 485/96-10, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Antragstellerin ist eine überbetriebliche Pensionskasse im Sinn des Pensionskassengesetzes (PKG idF BGBl 1996/755).

Infolge Nichtbeteiligung der Amtsparteien am Verfahren wurde auf Grund des unbestrittenen Tatsachenvorbringens der Antragstellerin und des vorgelegten umfangreichen Mustervertrages Beilage ./A zusammengefaßt folgender wesentlicher Sachverhalt festgestellt:

Auf dem inländischen Markt treten insgesamt fünf überbetriebliche Pensionskassen auf. Die Antragstellerin zählt zu den vier größten Unternehmen, die zusammen am gesamten inländischen Markt einen Anteil von mehr als 80 % haben. Sie selbst hat einen Marktanteil von mehr als 5 %. Sie beabsichtigt, im Konsortium mit einer anderen Pensionskasse einen Pensionskassenvertrag mit dem Inhalt der Beilage ./A mit einem Arbeitgeber abzuschließen sowie künftig gleichartige Pensionskassenverträge auch mit anderen Arbeitgebern abzuschließen. Die in der Beilage ./A angeführten Konditionen sollen - "auch als Vertragsinhalt zwischen den Pensionskassen X und Y, wobei die X Konsortialführer ist und das Konsortialverhältnis mit 60:40 (X:Y) festgelegt wird - gegenüber weiteren Arbeitgebern gelten". Das Risiko zwischen den Konsorten wird aufgeteilt. Eine Konditionenvereinheitlichung im Sinn einer Preisbindung und auch im Sinn einer Vereinheitlichung der Normen soll durch mehrfache Verwendung der Vertragsschablone erreicht werden. Die Konsorten wollen "diesen Konsortialvertrag" an die Arbeitgeber "im Bereich Industrie und Dienstleistung" (zB Energieversorgungsunternehmen) herantragen.

Jeder der Konsorten soll - wenn möglich - mit den von ihm kontaktierten künftigen Kunden nicht alleine, sondern einen Vertrag wie Beilage ./A abschließen. Dieses Wettbewerbskonzept des Konsortialvertrages hat der Konsorte auch im Auge zu behalten, wenn er gegenüber einem Arbeitgeber allein auftritt und gegebenenfalls sogar allein abschließt. Mögen auch Details in dem von einem Konsorten alleine abgeschlossenen Vertrag vom Konsortialkonzept abweichen, "so liegt es auf der Hand", daß das Verhalten gegenüber dem Arbeitgeber mit dem Konsorten abgestimmt ist, weil das kollektive Interesse der Konsorten und die damit verbundenen - wenngleich nicht niedergeschriebenen - Treuepflichten den Interessen des einzelnen Konsorten vorgehen. Dabei handelt es sich nicht um bloße Reflexwirkungen eines bestehenden Konsortialvertrages, sondern es ist davon auszugehen, daß der angeführte Sektor der Wirtschaft abgestimmt bearbeitet wird.

Die Antragstellerin beantragte, gemäß § 8a KartG festzustellen, ob und inwieweit der Abschluß eines Konsortialvertrages wie Beilage ./A als Sachverhalt zu beurteilen sei, der dem Kartellgesetz unterliege;

insbesondere ob

Das Erstgericht stellte fest, daß die von der Antragstellerin mit einer anderen Pensionskasse vereinbarte quotierte gemeinsame Übernahme von Pensionskassengeschäften mit Arbeitgebern aus dem Bereich Industrie und Dienstleistung ein genehmigungspflichtiges Absichtskartell iSd § 10 KartG begründe. Den Antrag auf Feststellung, ob die in der Vereinbarung Beilage ./A (Pensionskassenvertrag) enthaltenen Geschäftsbedingungen als Mißbrauch iSd § 35 KartG anzusehen seien, wies es ab.

In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht zusammengefaßt davon aus, daß eine Bereichsausnahme gemäß § 5 Abs 1 Z 2 KartG nicht vorliege. Nach dem aufgrund des Vorbringens der Antragstellerin festgestellten Sachverhalt gehe es nicht um die kartellrechtliche Beurteilung der in einem Einzelfall vereinbarten gemeinsamen Erbringung von Pensionskassenleistungen, die gemäß § 1 Z 1 lit c der Verordnung des Bundesministeriums für Justiz vom 6.4.1989, BGBl 185, zur Durchführung des § 17 KartG, als Arbeitsgemeinschaft zur Ausführung eines bestimmten Auftrages kartellrechtsimmun sein könnte, sondern um die der vereinbarten quotierten gemeinsamen Übernahme von Pensionskassengeschäften mit einer Mehrzahl von Arbeitgebern aus dem Bereich Industrie und Dienstleistung. Diese zwischen der Antragstellerin und einer anderen Pensionskasse vereinbarten Kooperierungsmaßnahmen, die die Selbständigkeit der beteiligten Pensionskassen unberührt ließen, seien als Absichtskartell iSd § 10 KartG zu beurteilen, weil die Kooperationsmaßnahmen zumindestens auf einer Absprache beruhten, die nicht unverbindlich sei, und eine Wettbewerbsbeschränkung beinhalte, weil sie - beabsichtigt - auf einem oligopolistischen Anbietermarkt "Preise" (Beiträge, Verwaltungskostenbeiträge etc) und die übrigen Konditionen beim Pensionskassengeschäft im gemeinsamen Interesse (das zB schon aufgrund der Risikoaufteilung unter den Konsorten zu bejahen sei), vereinheitliche, sodaß materiell relevante Verhaltensmöglichkeiten nicht mehr wahrgenommen werden könnten, die sie ohne diese Vereinbarung hätten und die Marktgegenseite (die nachfragenden Arbeitgeber) in ihrer Auswahlfreiheit (es gibt nur fünf überbetriebliche Pensionskassen) relevant beschränkt würde.

Da das Vorliegen eines Kartells zu bejahen sei, sei der Sachverhalt unter dem Gesichtspunkt eines Zusammenschlusses iSd § 41 KartG nicht weiter zu prüfen, weil eine parallele Anwendung der Regeln über Kartelle und über Zusammenschlüsse nicht in Betracht komme.

Eine Feststellung, ob die in der Vereinbarung Beilage ./A enthaltenen Geschäftsbedingungen als Mißbrauch iSd § 35 KartG anzusehen seien, sei nicht zu treffen gewesen. Die Mißbrauchsaufsicht sei darauf beschränkt, ein wettbewerbsentsprechendes Verhalten der Unternehmer zu erzwingen und ein wettbewerbsbeschränkendes Verhalten zu verhindern. Sie sei Eingriffsrecht im Einzelfall. § 35 KartG stelle keine ipso iure wirkenden Verhaltensgebote auf; es gebe weder eine vorherige Erlaubnis noch ein vorheriges Verbot durch das Kartellgericht, weil eine solche beziehungsweise ein solches gegenüber nicht am Verfahren beteiligten Verbänden und Unternehmen keine Bindungswirkung entfalten könnte; es fehle daher einem solchen Antrag ein (berechtigtes) Feststellungsinteresse.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der Antragstellerin. Sie stellt folgende umfassende Abänderungs- und Eventualabänderungsanträge:

"A) den angefochtenen Beschluß in seinem ersten Absatz dahin abzuändern, daß

a) der Sachverhalt nicht als "vereinbarte quotierte gemeinsame Übernahme von Pensionsgeschäften und damit als genehmigungspflichtiges Absichtskartell im Sinne des § 10 KartG festgestellt werde",

b) in eventu, daß durch den Zusammenschluß in eine Arbeitsgemeinschaft ein Bagatellkartell begründet werde,

c) in eventu, daß durch den Zusammenschluß und die weitere Verwendung der Vertragsschablone ein Verhaltenskartell, allenfalls ein Wirkungskartell, begründet werde;

B) den angefochtenen Beschluß in seinem zweiten Absatz dahin

abzuändern,

a) daß über den Antrag, ob die in der Vereinbarung Beilage ./A (Pensionskassenvertrag) enthaltenen Geschäftsbedingungen als Mißbrauch im Sinne des § 35 KartG anzusehen seien, entschieden werde,

  1. b) in eventu, daß über die im Antrag vom 13.9.1996 zu Punkt C) a) bis
  2. c) angeführten Sachverhalte im Sinne einer Feststellung entschieden werde, ob diese Sachverhalte als Mißbrauch durch Erzwingung unangemessener Geschäftsbedingungen im Sinne des § 35 Abs 1 Z 1 KartG zu beurteilen seien;

C) den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern,

a) daß über den zu Punkt D) des Antrages angeführten Zusammenschluß eine Feststellung im Sinne des § 8a KartG getroffen werde,

b) in eventu festzustellen, daß ein nach dem Kartellgesetz zu beurteilender Zusammenschluß nicht vorliege,

c) in eventu festzustellen, daß durch den Vertrag Beilage ./A ein Zusammenschluß im Sinne des § 41 Abs 1 Z 2 KartG, in eventu im Sinne des § 41 Abs 2 KartG bewirkt werde."

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Die Rekurswerberin bringt einleitend vor, daß sie "aus Gründen eigener Beschwer und Rechtssicherheit sich zu diesem Rechtsmittel veranlaßt sehe, weiters aber auch zur Erwirkung einer einheitlichen Rechtsprechung über grundsätzliche Fragen des Kartellrechts" und will dem Rekursgericht "aus Kontrollgründen verschiedene Sichten der Dinge vorführen".

Diesen Ausführungen ist vorweg entgegenzuhalten, daß es Aufgabe des Obersten Gerichtshofes als Rekursgericht in Kartellrechtssachen ist, über einen konkreten Sachverhalt zu entscheiden, aber nicht ein umfassendes rechtstheoretisches Gutachten über von einer Partei als klärenswert befundene Rechtsfragen unter Berücksichtigung verschiedener Varianten abzugeben.

Die bereits oben zusammengefaßt wiedergegebene Begründung des Erstgerichtes ist zutreffend; auf sie kann verwiesen werden.

Ergänzend ist den Rekursausführungen zu erwidern:

1. Bei der Prüfung, ob ein kartellrechtlich relevanter Sachverhalt vorliegt, ist das behauptete und dementsprechend festgestellte Gesamtvorhaben zu beurteilen, mit dem zugegebenermaßen eine Wettbewerbsregelung und -beschränkung beabsichtigt ist. Es kann daher sowohl eine Prüfung des einzelnen Konsortialvertrages laut Vertragsschablone als auch eine Prüfung des Abschlusses weiterer Verträge "in Form gesonderter (also unabhängiger und neuer) Arbeitsgemeinschaftsverträge" unterbleiben. Da die Antragstellerin nach ihrem eigenen Vorbringen beabsichtigt, zwecks bindender Regelung des Wettbewerbs im wesentlichen gleichartige Verträge abzuschließen, hat das Erstgericht in diesem Vertragsbündel zu Recht ein Vereinbarungskartell (und zwar ein Absichtskartell) iSd § 10 KartG und nicht nur ein "abgestimmtes Marktverhalten" erblickt.

Ob die geplanten Pensionskassenverträge in Form des vorgesehenen "konsortialen Vertragsverhältnisses" (also jeweils ein Vertrag von zwei Pensionskassen mit je einem Arbeitgeber) überhaupt nach § 15 PKG zulässig sind, was die Antragstellerin selbst für fraglich hält, kann hier dahingestellt bleiben, weil eine wettbewerbsbeschränkende, als Absichtskartell zu beurteilende Vereinbarung zwischen den Pensionskassen auch dann vorliegt, wenn gegenüber dem Arbeitgeber jeweils nur ein Konsorte auftritt und dieser allein mit dem Arbeitgeber einen Pensionskassenvertrag entsprechend den im Mustervertrag enthaltenen Bedingungen abschließt.

2. Da das Gesamtvorhaben als Absichtskartell zu beurteilen ist, stellt sich die Frage, ob ein Zusammenschluß iSd § 41 KartG vorliegt, nicht mehr; liegt ein Kartell vor, dh behalten die Beteiligten ihre wirtschaftliche Selbständigkeit, schließt dies einen Zusammenschluß, bei denen die Beteiligten ihre Selbständigkeit verlieren, aus (Koppensteiner, Wettbewerbsrecht3 95; Barfuß/Wollmann/Tahedl, Österreichisches Kartellrecht 43).

3. Nach den Erläuterungen zur KartGNov 1993 (RV 1096 BlgNR 18.GP) sollte die Berechtigung, verschiedene Anträge an das Kartellgericht zu stellen, umfassend erweitert und denjenigen eine allgemeine Feststellungsbefugnis (§ 8a KartG) eingeräumt werden, deren Interessen im konkreten Fall beeinträchtigt werden. Daraus kann nur geschlossen werden, daß auf Antrag einer Amtspartei oder eines der in § 37 KartG genannten Beeinträchtigten nicht nur ein mißbräuchliches Verhalten abzustellen, sondern auch ein bestimmtes Verhalten (vorerst) nur als mißbräuchlich festzustellen ist.

Aus § 8a KartG kann aber nicht abgeleitet werden, daß dadurch dem Marktbeherrscher eine "ex-ante-Prüfung" der Angemessenheit oder Unangemessenheit seiner allgemeinen Geschäftsbedingungen im Sinn einer aufsichtsbehördlichen Vorkontrolle des Inhalts seiner allgemeinen Geschäftsbedingungen, wie sie in gewissen Branchen vorgeschrieben war oder ist (dazu Koziol/Welser, Grundriß I10 114), ermöglicht werden sollte; eine solche schwebt dem Antragsteller offenbar vor, wie sich aus seiner dem Antrag vorangehenden Anfrage an das Bundesministerium für Justiz ergibt. Das Erstgericht hat daher den Antrag des Marktbeherrschers, der auf eine ex-ante Inhaltsprüfung seiner allgemeinen Geschäftsbedingungen abzielt, zu Recht abgelehnt.

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