OGH 3Ob109/97v

OGH3Ob109/97v17.12.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Pimmer, Dr.Zechner und Dr.Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei Sieglinde N*****, vertreten durch Dr.Gernot Gruböck und Dr.Stefan Gruböck, Rechtsanwälte in Baden, wider den Gegner der gefährdeten Partei Klaus N*****, vertreten durch Dr.Ernst Schmerschneider und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen einstweiligen Unterhalts, infolge Revisionsrekurse beider Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 7.Jänner 1997, GZ 44 R 1051/96a-181, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Schwechat vom 2.Oktober 1996, GZ 2 C 2/90w-173, abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs der gefährten Partei wird zurückgewiesen.

Hingegen wird dem Revisionsrekurs des Gegners der gefährdeten Partei Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die einstweilige Verfügung des Bezirksgerichtes Schwechat vom 5.Februar 1988, 2 C 2/90w-11, mit 24.Jänner 1994 aufgehoben wird.

Die gefährdete Partei ist schuldig, dem Gegner der gefährdeten Partei die mit S 62.051,18 (darin enthalten S 10.308,53 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Aufhebungsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Mit einstweiliger Verfügung des Erstgerichtes vom 15.2.1988, 2 C 44/87t-11, wurde im Scheidungsverfahren dem Gegner der gefährdeten Partei aufgetragen, der gefährdeten Partei einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 14.000 ab 21.12.1987 bis zur rechtskräftigen Beendigung des zu 2 C 44/87t des Erstgerichtes anhängigen Scheidungsverfahrens zu leisten.

Mit rechtskräftigem Teilurteil des Erstgerichtes vom 20.1.1992, 2 C 2/90w-62, wurde die Ehe der Streitteile geschieden; der Ausspruch über das Verschulden an der Zerrüttung der Ehe blieb der Endentscheidung vorbehalten. Klage und Widerklage war in erster Linie auf § 49 EheG gestützt.

Mit Endurteil des Erstgerichtes vom 15.12.1992, 2 C 2/90w-69, wurde dieses Urteil dahin abgeändert, daß ausgesprochen wurde, daß das überwiegende Verschulden an der Zerrüttung der Ehe die beklagte und widerklagende Partei (hier: gefährdete Partei) trifft.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 21.12.1993, 44 R 3414/93-100, wurde dieses Urteil dahin abgeändert, daß ausgesprochen wurde, daß das Verschulden an der Zerrüttung der Ehe beide Seiten zu gleichen Teilen trifft. Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision gegen dieses Urteil nicht zulässig sei. Das Berufungsurteil wurde der beklagten und widerklagenden Partei (hier: gefährdete Partei) am 24.1.1994 zugestellt.

Mit Beschluß vom 25.5.1994, 3 Ob 1536/94, wies der Oberste Gerichtshof die außerordentliche Revision der beklagten und widerklagenden Partei (hier: gefährdete Partei) gemäß § 508 a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurück. Dieser Beschluß wurde beiden Parteien am 27.7.1994 zugestellt.

Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 11.4.1995, 2 C 2/90w-143, wurde die einstweilige Verfügung vom 15.2.1988 mit 25.7.1994 aufgehoben. Dieser Beschluß wurde von der gefährdeten Partei nicht bekämpft, über Rekurs des Gegners der gefährdeten Partei hob das Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 29.9.1995, 44 R 2101/95-153, die Entscheidung des Erstgerichtes im Umfang der Abweisung des Aufhebungsbegehrens für die Zeit vom 24.1.1994 bis 24.7.1994 auf.

Nach ergänzendem Verfahren hob das Erstgericht mit Beschluß vom 2.10.1996, 2 C 2/90w-173, die einstweilige Verfügung auf Antrag des Gegners der gefährdeten Partei nach mündlicher Verhandlung mit Wirkung vom 24.4.1994 auf; das Begehren, die einstweilige Verfügung bereits ab 24.1.1994 aufzuheben, wies es ab.

Das Erstgericht stellte folgenden Sachverhalt als bescheinigt fest:

Die am 31.3.1949 geborene gefährdete Partei arbeitete nach ihrer Matura bis zu ihrer Hochzeit mit dem Gegner der gefährdeten Partei im Jahr 1974 im Tabakhauptverlag ihrer Eltern im Einkauf und teilweise auch im Verkauf. 1981 begann sie das Studium der Publizistik und der Völkerkunde an der Universität Wien, beendete jedoch nur den

1. Studienabschnitt. Während der Schwangerschaft ihrer Schwester arbeitete sie auch kurze Zeit aushilfsweise in der Praxis ihres Schwagers. Aufgrund ihres Lebensalters und dieses Berufsverlaufs hatte sie ab 24.1.1994 keine Aussicht, einen Arbeitsplatz im Bereich der Büroberufe zu finden; bei einer intensiven persönlichen Arbeitsplatzsuche wäre es ihr jedoch gelungen, nach zwei bis drei Monaten einen Arbeitsplatz als Hilfskraft im Verkauf oder im Gastgewerbe zu finden, insb als Delikatessen- oder Backwarenverkäuferin in Lebensmittelmärkten, als Ladenkassiererin, als Verkäuferin in größeren Trafiken oder als Servier- oder Küchenhilfskraft. Auf einem derartigen Arbeitsplatz hätte die gefährdete Partei im Jahr 1994 ein monatliches Nettoeinkommen zwischen S 9.000 und S 10.000 erzielen können.

Zur Begründung führte das Erstgericht aus, die gefährdete Partei, deren Unterhaltsanspruch sich nicht auf § 94 ABGB, sondern auf § 68 EheG stütze, sei auch zur Aufnahme einer für sie an sich unzumutbaren Beschäftigung verpflichtet. Sie sei ab Zustellung des Berufungsurteils am 24.1.1994 verpflichtet gewesen, Bemühungen zur Auffindung eines Arbeitsplatzes als Hilfskraft im Verkauf oder im Gastgewerbe zu unternehmen; sie hätte daher nach einer ihr zuzubilligenden Suchzeit von zwei bis drei Monaten ab 24.4.1994 ein ausreichendes Einkommen erzielt, sodaß eine einstweilige Verfügung zu ihren Gunsten nicht mehr erforderlich gewesen sei. Das Mehrbegehren des Gegners der gefährdeten Partei, die einstweilige Verfügung bereits mit 24.1.1994 aufzuheben, sei jedoch abzuweisen, weil der gefährdeten Partei auch unter Ausnützung aller Möglichkeiten vor dem 24.4.1994 die Erzielung eines zur Deckung ihres notwendigen Unterhalts ausreichenden Einkommens nicht möglich gewesen wäre.

Das Rekursgericht änderte den Beschluß infolge Rekurses der gefährdeten Partei dahin ab, daß die einstweilige Verfügung erst mit 25.7.1994 aufgehoben wurde; den Rekurs des Gegners der gefährdeten Partei, der die Aufhebung der einstweiligen Verfügung bereits mit 24.1.1994 begehrt, gab es nicht Folge. Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil über die für die Rechtseinheit und Rechtssicherheit bedeutsame Frage, ob eine Billigkeitsunterhalt fordernde Person vor rechtskräftiger Entscheidung über den Verschuldensausspruch verpflichtet ist, eine ihr an sich unzumutbare Beschäftigung aufzunehmen, keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliege. Zur Begründung führte das Rekursgericht aus, entscheidend für die Frage, ab welchem Zeitpunkt die einstweilige Verfügung allenfalls vor der rechtskräftigen Beendigung des Ehescheidungsverfahrens aufzuheben sei, sei die Antwort auf die Frage, ab welchem Zeitpunkt die gefährdete Partei verpflichtet gewesen sei, einen Arbeitsplatz zu suchen. Der Anspruch auf Billigkeitsunterhalt bestehe nicht erst ab der rechtsgestaltenden Entscheidung auf Zuerkennung eines solchen Unterhalts, sondern ab dem Zeitpunkt, zu dem die im Gesetz geforderten Voraussetzungen dafür gegeben seien. Ein Provisorialunterhalt, der ursprünglich auf der Rechtsgrundlage des § 94 ABGB bewilligt wurde, solle erst nach Vorliegen eines zwingenden Grundes beendet werden; diese Beendigung setze also zumindest die Bescheinigung voraus, daß der Unterhaltsanspruch nach § 68 EheG nicht gegeben sei. Es widerspräche dem Billigkeitsgrundsatz, von der gefährdeten Partei zu verlangen, sich vor Zustellung der oberstgerichtlichen Entscheidung über die von ihr erhobene außerordentliche Revision um eine nach ihrer sozialen Stellung als ehemalige Gattin eines Piloten unzumutbare Hilfsarbeitertätigkeit zu bemühen.

Der Revisionsrekurs der gefährdeten Partei, die diesen Beschluß insofern anficht, als das Rekursgericht über den Antrag, den Gegner zum Kostenersatz zu verpflichten, nicht abgesprochen hat, ist jedenfalls unzulässig (§§ 78, 402 Abs 4 EO, § 528 Abs 2 Z 3 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Gegners der gefährdeten Partei ist berechtigt.

Steht aufgrund einer rechtskräftigen Ehescheidung fest, daß der mit einstweiliger Verfügung gesicherte Unterhaltsanspruch nicht mehr besteht, dann kann die Aufhebung der einstweiligen Verfügung nach § 399 Abs 1 EO, welcher die Aufhebungsgründe nicht vollständig aufzählt, begehrt werden (SZ 69/61).

Mit der Rechtskraft des Teilurteiles vom 20.1.1992, ON 62, sind die beiderseitigen Rechte und Pflichten aus dem Eheverhältnis erloschen. Da die Scheidungsbegehren auf Verschulden gestützt waren, stand der gefährdeten Partei nach diesem Zeitpunkt ein Unterhaltsanspruch nach § 94 ABGB nicht mehr zu; Anspruchsgrundlage konnte nur mehr die unterhaltsrechtlichen Bestimmungen des Ehegesetzes bilden (SZ 59/64 mwN; Zankl in Schwimann**2 Rz 8 zu § 66 EheG). Das (Teil-)Scheidungsurteil enthält überhaupt keinen Verschuldensausspruch, dieser wurde ausdrücklich dem Endurteil vorbehalten. Nun kann zwar auch für den Zeitraum zwischen der Rechtskraft der Scheidung und dem Ausspruch über das Verschulden einstweiliger Unterhalt festgesetzt und daher aufrecht erhalten werden. An der durch die Rechtskraft der Scheidung bewirkten Änderung der Anspruchsgrundlage kann aber nicht vorbeigegangen werden. Wurde nach Rechtskraft der Scheidung ein Aufhebungsantrag gestellt, so kann dem die gefährdete Partei mit der Behauptung entgegentreten, ihr stünde aufgrund der Bestimmungen des Ehegesetzes ein gesetzlicher Unterhalt zu. Schon nach allgemeinen Beweislastregeln hat dies aber die gefährdete Partei glaubhaft zu machen. Dies verkennt das Rekursgericht, wenn es der Ansicht ist, daß dann, wenn bereits eine einstweilige Verfügung zur Deckung des Unterhaltsanspruchs nach § 94 ABGB bestand, den Gegner der gefährdeten Partei die Beweislast für das Nichtvorliegen eines Anspruchs auf Unterhalt nach dem Ehegesetz treffe. Vielmehr sind auch in einem solchen Fall, in dem sich der Unterhaltsanspruch des mit Teilurteil rechtskräftig geschiedenen Ehegatten nach den Bestimmungen des EheG richtet (SZ 61/242), die Voraussetzungen des Unterhaltsanspruchs von der gefährdeten Partei zu behaupten und zu bescheinigen. Der Umstand, daß die gefährdete Partei bereits während aufrechter Ehe eine einstweilige Verfügung erwirkt hatte, kann nicht bewirken, daß sie nunmehr im Aufhebungsverfahren besser gestellt wäre, als würde sie erst jetzt einstweiligen Unterhalt begehren.

Eine Glaubhaftmachung eines Unterhaltsanspruches nach § 66 EheG wäre der gefährderten Partei etwa bereits dann gelungen, wenn im Scheidungsurteil ein Verschulden des Gegners der gefährdeten Partei rechtskräftig festgestellt worden wäre (SZ 61/242 mwN). Ein solcher Fall liegt hier aber gerade nicht vor. Eine Glaubhaftmachung des Bestehens eines Unterhaltsanspruches nach § 66 EheG trat die gefährdete Partei nicht an. Sie könnte sich daher nur auf Unterhaltsansprüche nach §§ 68, 69 Abs 3 EheG berufen. Die Billigkeitsvoraussetzungen des § 69 Abs 3 EheG sind ident mit jenen des § 68 EheG (Zankl aaO Rz 19 zu § 69 EheG mwN). Die erwerbsfähige gefährdeten Partei hätte daher bereits aber der Rechtskraft des Scheidungsurteiles alle Anstrengungen unternehmen müssen, um eine Beschäftigung zu finden. Die Aufnahme einer Beschäftigung wäre der gefährdeten Partei aber bereits weit vor dem 24.1.1994 möglich und auch zumutbar gewesen, sodaß ein auf Grundlage der Billigkeit zu gewährender Unterhalt nach dem 24.1.1994 von der gefährdeten Partei nicht glaubhaft gemacht werden konnte.

Dem Revisionsrekurs des Gegners der gefährdeten Partei ist daher zur Gänze Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO, §§ 78, 402 EO. Die Urgenz ON 153 diente nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung. Ab der Rekursentscheidung ON 153 betrug die Bemessungsgrundlage jeweils 3 oder 6 monatliche Unterhaltsbeträge.

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