OGH 7Ob293/97g

OGH7Ob293/97g17.12.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Willibald M*****, 2. Hannes M*****, 3. Leopold R*****, 4. Karl-Heinz S*****, und 5. Margarete S*****, alle vertreten durch Dr.Franz Hafner und Dr.Karl Bergthaler, Rechtsanwälte in Altmünster, wider die beklagte Partei Franz S*****, vertreten durch Dr.August Rogler, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wegen insgesamt S 835.170,-- (Revisionsinteresse S 410.715,-- sA), infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 22.Mai 1997, GZ 6 R 53/97z-30, womit infolge Berufung des Beklagten das Urteil des Landesgerichtes Wels vom 7.Jänner 1997, GZ 2 Cg 225/95f-20, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Berufungsurteil dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes, soweit sie nicht hinsichtlich der Abweisung eines Teilbegehrens des Erstklägers unbekämpft in Rechtskraft erwachsen ist, wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Erstkläger die mit S 6.364,10 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen, hinsichtlich der zweit- bis fünftklagenden Partei werden die Kosten des Berufungsverfahrens gegenseitig aufgehoben.

Der Antrag des Beklagten auf Zuspruch von Revisionskosten wird abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die V***** GesmbH (im folgenden kurz: VTK genannt) veranstaltete ab dem Spätsommer 1992 ein Pyramidenspiel namens X-Plosion Global Programm. Sie bediente sich zur Anwerbung von Spielteilnehmern sogenannter Programmberater, zu denen auch der Beklagte zählte. Dieser propagierte dieses Spiel im Raum V*****-S***** sowohl privat im Kreis seiner Freunde und Nachbarn als auch im Rahmen öffentlicher Vortrags- und Informationsveranstaltungen. Der Beklagte war zunächst als Versicherungsangestellter tätig. 1989 machte er sich als Versicherungsmakler selbständig. Zugleich begann er damit, diverse Vermögensveranlagungen zu vertreiben. Im Rahmen seiner Tätigkeit verwendete er Notizblocks, auf denen sein Name in Verbindung mit den Begriffen "Vermögensberatungsgesellschaft mbH" sowie "Finanzdienstleistung & Wirtschaftsberatung" aufgedruckt war.

Teilnehmer des Pyramidenspiels hatten ein Einstiegsformular auszufüllen und zu unterfertigen, auf dessen Rückseite die "Verbindlichen Regeln für die Teilnahme an X-Plosion Global Programm" abgedruckt waren und den Geldeinsatz - pro Einstieg S 1.300 im Programm A, S 6.000 im Programm B und S 23.000 im Programm C - zuzüglich einer Verwaltungsgebühr von jeweils S 990 per Erlagschein auf ein Konto der VTK zur Einzahlung zu bringen. Nachdem das Geld dort eingelangt war, erfolgte die Setzung am unteren Ende einer Teilnehmerpyramide. Das Grundprinzip des Programms bestand darin, daß sich die Pyramide durch später dazukommende Teilnehmer nach unten erweitert und deren Spieleinsätze den bereits weiter oben gereihten Teilnehmern in Form von Gewinnausschüttungen zufließen. Die hinter der VTK GesmbH stehenden Betreiber des X-Plosion Programms wurden nach dessen Zusammenbruch, wodurch den Teilnehmern ein Schaden von zumindest S 25,000.000,-- entstand, in einem vor dem Landesgericht Krems zu ***** Vr ***** (***** Hv *****) abgeführten Strafverfahren mit Urteil vom 24.3.1995 angesichts diverser manipulativer Eingriffe in den Spielverlauf und der widmungswidrigen Verwendung von Spieleinsätzen zur persönlichen Bereicherung wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt, die jedoch infolge Ergreifung von Rechtsmitteln noch nicht rechtskräftig sind. Gegen den Beklagten ist ebenfalls vor dem Landesgericht Krems zu ***** (*****) wegen seiner Werbetätigkeit für das X-Plosion Global Programm ein Strafverfahren anhängig, das sich erst im Stadium nach Anzeigeerstattung befindet und bis zur rechtskräftigen Beendigung des erstgenannten Strafverfahrens abgebrochen wurde.

Für die Vermittlung von Programmeinstiegen und Teilnehmerwerbungen der von ihm vermittelten Mitspieler bezog der Beklagte Provisionen. Er beschäftigte keine Dienstnehmer, besitzt kein eigenes Geschäftslokal; sein Büro ist ein Teil des privaten Wohnzimmers; an betrieblichen Werten ist lediglich eine EDV-Anlage und ein Anrufbeantworter vorhanden. Dem Beklagten wurde seitens der VTK erklärt, daß vorweg österreichische Teilnehmer ins Spiel gesetzt würden, dann Teilnehmer aus dem Ausland, sodaß es für inländische Mitspieler fast nicht denkbar sei, daß sie ihren Einsatz verlieren. Ihm war allerdings klar, daß das Programm pyramidenförmig aufgebaut ist und die späteren Teilnehmer mit ihren Einsätzen die Gewinne der früheren Teilnehmer finanzieren. Auch wußte er, daß die Startpyramide mit mehr als 2000 Positionen der VTK gehört. Er war allerdings selbst davon überzeugt, daß das Programm, falls bzw sobald es in Österreich stagnieren oder zum Stillstand kommen sollte, vom Ausland weiterfinanziert würde. Er hielt daher zumindest anfänglich die Gefahr, daß er und die von ihm vermittelten Teilnehmer um ihr Geld kommen, für ausgeschlossen. Aus dieser Überzeugung bewarb er das Spiel als eine "todsichere", also völlig risikolose Sache, bei der nichts "passieren" könne, sohin ein Verlust des Einsatzes ausgeschlossen sei. Er bezeichnete das X-Plosion Global Programm gegenüber den Interessenten nicht als "Pyramidenspiel", sondern bot es als "Beteiligungsprogramm mit aktiver Teilnahme", "Geldanlage", "Geldinvestition" udgl, vereinzelt auch als "Spiel" an und verglich es mehrfach mit einer Geldveranlagung in Bausparverträgen, die er als wesentlich unattraktiver hinstellte. Er selbst stieg mehrfach in alle Programme ein. Von den kriminellen bzw betrügerischen Machenschaften der Betreiber des Programmes hatte er keine Kenntnis.

Der Erstkläger stieg in das X-Plosion Global Programm über Rat eines Arbeitskollegen ein, der den Beklagten als Vermögensberater bezeichnete. Der Beklagte stellte ihm schließlich das Programm als Anlage bzw Vermögensanlage vor, die weit ertragreicher als das Bausparen sei und erklärte, daß das Programm sicher sei und da "der Zug darüberfahre". Der Erstkläger faßte die Sache als eine Art Geldanlage auf.

Der Zweitkläger, der den Beklagten für einen Versicherungsmakler und Finanzberater hielt, wurde vom Beklagten Ende August oder Anfang September 1992 damit konfrontiert, daß er "eine Wahnsinnssache aufgemacht" habe, mit der man sich "krumm und dämlich verdienen" könne. Er stellte in zahlreichen Gesprächen das X-Plosion Global Programm vor, das er als ein in mehrjähriger Arbeit erstelltes und daher besonders ausgeklügeltes Spiel ausgab, bei dem nichts schiefgehen könne, zumal es bereits einen mehrmonatigen, mit überwältigendem Erfolg vorausgegangenen Probelauf hinter sich habe. Der Zweitkläger, der bereits Erfahrungen mit Pyramidenspielen hatte, weil er sich am "Clou" beteiligt und Gewinn erzielt hatte, war klar, daß das Programm davon lebt, daß jeder Mitspieler zumindest zwei weitere Teilnehmer bringt und sich die Teilnehmerpyramide dadurch nach unten hin immer mehr verbreitert. Nach mehrfachen Einstiegen in das A- und das C-Programm kaufte der Zweitkläger eine ganze Siebenerpyramide im C-Programm. Die letzten Bedenken des Zweitklägers, daß seine Ersparnisse nicht eventuell "den Bach hinuntergehen" könnten, zerstreute der Beklagte durch die Erklärung, daß er sich das bei seinem Beruf nicht erlauben könne und für das eingesetzte Geld persönlich geradestehe.

Der Drittkläger erhielt seine ersten Informationen über das X-Plosion Global Programm vom Zweitkläger, der ihn dazu bewog, einen Einstieg in das C-Programm zu tätigen. Er besuchte einen Informationsabend des Beklagten, bei dem dieser das X-Plosion Global Programm als "Wahnsinnsgeldanlage bzw Geldinvestition" bezeichnete und in Relation zu den niedrigen Bankzinsen stellte. An diesem Abend stieg er zweimal ins A-Programm ein und in weiterer Folge zweimal in das C-Programm.

Da sich der Drittkläger bezüglich eines weitergehenden Engagements im Programm am Erfordernis stieß, immer wieder neue Teilnehmer werben zu müssen, schlug ihm der Beklagte vor, mit einer ganzen Pyramide mit 15 Positionen einzusteigen, bei der keine Werbungen nötig seien, weil der Computer die darunterliegenden Positionen nachbesetze. Der Beklagte präsentierte ihm eine Berechnung, wonach bei einem solchen Einstieg eine Gewinnausschüttung von rund 3,6 Mill zu erwarten sei. Dem Drittkläger war irgendwie klar, daß beim Auslaufen des Programms die letzten "draufzahlen", doch begegnete der Beklagte bei den Vortragsveranstaltungen, die der Drittkläger regelmäßig besuchte, der Frage, was bei mangelnden Neueinstiegen passiere, mit dem Argument, daß die von ihm Geworbenen so weit oben seien, daß sie sich bei einem allfälligen Auslaufen des Programms schon in den Ertragszonen befänden und ihr Geld bekämen, zumal aus dem Ostblock "kistenweise" Einstiegsformulare hereinkämen. Die Frage des Drittklägers, was los sei, wenn das Programm doch "in den Graben gehe", beantwortete der Beklagte dahin, daß das nicht passieren könne, und wenn, dann "brenne" er es. Der Drittkläger stieg daraufhin mit weiteren 15 Plätzen am 2.11.1992 und am 20.12.1992 noch einmal mit 4 Plätzen in das C-Programm ein.

Der Viertkläger hatte sich bereits vom Beklagten für das Pyramidenspiel "Der Clou" werben lassen und daraus einen Gewinn gezogen. In der zweiten Septemberhälfte 1992 lud der Beklagte den Viertkläger sowie die Fünftklägerin zu einer Informationsveranstaltung ein, bei der vornehmlich das A-Programm vorgestellt und erklärt wurde, daß dieses durch Einstieg im Ostblock finanziert werde. Der Viertkläger stieg daraufhin fünfmal und die Fünftklägerin einmal in das A-Programm ein, wobei ihnen klar war, daß man dabei auch verlieren kann, wenn nicht die erforderlichen weiteren Teilnehmer nachkommen. Der Beklagte schlug ihnen schließlich einen Erwerb von einer Siebenerpyramide im C-Programm vor, bei dem man niemanden anwerben brauche und von selbst in die Ertragszone komme. Dabei verwies er darauf, daß man bei der Bank so wenig Zinsen für das Geld bekomme und rechnete vor, daß man mit Siebenerpyramiden mehr als S 3 Mill herausbekommen würde.

Auf die Frage des Viertklägers, was passieren werde, wenn das Programm doch zum Stillstand komme, antwortete der Beklagte, daß denen, die entsprechend weit oben einsteigen würden, nichts passiere bzw schiefgehen könne, und wenn, dann stehe er persönlich dafür ein.

Der Viertkläger und die Fünftklägerin vertrauten dieser Zusicherung und erwarben jeweils eine Siebenerpyramide im C-Programm. Anfang November 1992 kaufte der Viertkläger weitere 9 Plätze im C-Programm.

Die Kläger begehren vom Beklagten letztlich im Revisionsverfahren nur mehr (rund) die Hälfte ihres durch die Beteiligung am X-Plosions-Programm eingetretenen Verlustes, der Erstkläger S 58.950,-- sA, der Zweitkläger S 50.510,-- sA, der Drittkläger S 107.410,-- sA, der Viertkläger S 134.895,-- sA und die Fünftklägerin S 58.950,-- sA. Sie hätten sich über Vermittlung des Beklagten an diesem Programm beteiligt, weil er es als gute Vermögensanlage mit besonders hohen Ertragschancen und als völlig risikolose Geldanlage beworben und dabei den Gewinnspielcharakter völlig verschwiegen habe. Er habe den Verlust von Einsätzen als völlig ausgeschlossen hingestellt und dies durch die ausdrückliche Erklärung bekräftigt, für die Einsätze persönlich mit seinem Vermögen zu haften, falls doch irgendetwas schiefgehen sollte. Der Beklagte habe die ihn treffenden Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten nicht wahrgenommen. Er habe auch ein erhebliches unmittelbares eigenwirtschaftliches Interesse am Zustandekommen der Verträge gehabt und bei den Vertragsverhandlungen im besonderen Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und dadurch die Vertragsverhandlungen beeinflußt. Ihm sei bekannt gewesen, daß der theoretische (das ist der von den Spielregeln her vorgegebene) Spielverlauf in der Praxis nicht eingehalten werde und es zu zahlreichen Manipulationen komme. Im übrigen seien Pyramidenspiele sittenwidrig und die damit zusammenhängenden vertraglichen Beziehungen nichtig. Der Beklagte hafte für die Rückforderungsansprüche der Kläger einerseits als Organisator des Programms im südlichen O*****, andererseits aufgrund seines Eigeninteresses an den Vertragsabschlüssen als Vertreter der VTK bzw der anderen Spielteilnehmer. Schließlich sei eine Haftung auch aus den Bestimmungen des § 1300 ABGB begründet.

Der Beklagte beantragte die Klagsabweisung und wendete ein, nie mit unrichtigen Behauptungen für das X-Plosion Global Programm geworben zu haben. Er habe weder das Programm als risikolose Vermögens- bzw Geldanlage dargestellt noch den Verlust der Spieleinsätze als ausgeschlossen bezeichnet; er habe auch keinerlei persönliche Haftung oder Garantie übernommen. Das Risiko des Zusammenbruchs des Programms sei sämtlichen Beteiligten aufgrund vernünftiger Überlegung und des Umstandes bekannt gewesen, daß in der fraglichen Zeit die Nachteile von Pyramidenspielen bereits hinlänglich in den Medien und in der Öffentlichkeit diskutiert worden seien. Der Charakter eines Pyramidenspiels habe sich auch aus den Spielunterlagen ergeben. Er habe keine anderen als die auch den Klägern bekannten Informationen gehabt und weder Aufklärungs- noch Sorgfaltspflichten oder sonstige Schutzgesetze verletzt. Vom Beklagten seien im übrigen lediglich der Viert- und die Fünftklägerin geworben worden; der Drittkläger habe sogar selbst Informationsabende über das Programm abgehalten. Für den Fall einer Haftung des Beklagten treffe die Kläger ein überwiegendes Mitverschulden, weil sie das Programm als Pyramidenspiel erkannt hätten bzw aufgrund der Unterlagen und Erklärungen ohneweiters als solches hätten erkennen müssen und ihnen das daraus resultierende Risiko eines Zusammenbruches des Programms bewußt gewesen sei oder bewußt sein hätte müssen.

Das Erstgericht erkannte den Beklagten schuldig, dem Erstkläger S 58.950, dem Zweitkläger S 50.510, dem Drittkläger S 107.410, dem Viertkläger S 134.895, und der Fünftklägerin S 58.950 jeweils samt 4 % Zinsen zu bezahlen und wies das Mehrbegehren ab. In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, daß das Spiel aufgrund der verbindlichen Regeln so konstruiert gewesen sei, daß rechtsgeschäftliche Beziehungen ausschließlich unter den Teilnehmern, nicht auch zwischen diesen und der VTK entstanden seien, dieses sei daher als mehrseitiges Rechtsgeschäft, an dem sowohl die Kläger als auch der Beklagte in seiner Eigenschaft als mehrfacher Spielteilnehmer beteiligt gewesen seien, zu qualifizieren. Der Beklagte habe bei Anwerbung der Kläger vorvertragliche Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten schuldhaft verletzt, was zu einer zumindest fahrlässigen Veranlassung eines Irrtums bei den Klägern geführt habe. Eine Haftung des Beklagten ergebe sich auch durch den von ihm angebahnten Einstieg in eine rechtsgeschäftliche Beziehung zur VTK. Der Beklagte habe gegen Provision Programmteilnehmer angeworben; er sei Stellvertreter oder sonstiger Vertragsgehilfe der VTK gewesen und habe für culpa in contrahendo zu haften, weil er im Verhältnis zu den Klägern ein ausgeprägtes wirtschaftliches Eigeninteresse am Zustandekommen des Vertrages gehabt habe, er habe nicht nur Provisionsansprüche erworben, sondern habe mit seiner Vorgangsweise auch seine Gewinnaussichten als in der Pyramide weiter oben gesetzter Teilnehmer gefördert; gegenüber dem Zweit- und dem Viertkläger sowie gegenüber der Fünftklägerin habe er bei den Vertragsverhandlungen im besonderen Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und dadurch die Verhandlungen beeinflußt. Selbst wenn man davon ausgehe, daß das X-Plosion Global Programm als Pyramidenspiel nichtig sei, so hafte der Beklagte für die Rückabwicklung der getätigten Einsätze unmittelbar, weil er am Zustandekommen des Spieles durch seine organisatorisch verwaltende Tätigkeit maßgeblich mitgewirkt und ein erhebliches eigenwirtschaftliches Interesse an der Teilnehmerwerbung gehabt habe. Den Klägern sei jedoch ein erhebliches Mitverschulden anzulasten; jeder vernünftig überlegende Mensch müsse sich nämlich im klaren sein, daß Gewinne, wie sie hier in Aussicht gestellt worden seien, bei solchen Systemen letztlich nur dadurch zustandekommen könnten, daß zahlreiche Teilnehmer an der Basis der Pyramide ihre Einsätze verlören, wobei der Zeitpunkt, zu welchem das Spiel zusammenbreche und sich die Gewinner von den Verlierern scheiden, nicht abschätzbar sei. Die Kläger seien daher ausgesprochen leichtgläubig und unvorsichtig gewesen, als sie dem Beklagten die Zusage abgenommen hätten, sie würden mit Sicherheit zu den Gewinnern zählen. Eine Schadensteilung von 1 : 1 sei gerechtfertigt; dies sei auch aus einem rechtspolitischen, von Präventionsgedanken getragenem Blickwinkel angemessen und gerecht.

Das Gericht zweiter Instanz änderte dieses Urteil mit der angefochtenen Entscheidung im Sinn einer gänzlichen Klagsabweisung ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Der Beklagte habe ein unerlaubtes Glücksspiel vertrieben, weshalb das auf dieser Grundlage Gezahlte zurückzuzahlen sei. Der Verlierer des Spieles könne somit seinen Einsatz vom Vertragspartner, sohin seinen Mitspielern, zurückverlangen. Der Beklagte wie auch die Kläger seien neben ca. 1900 weiteren Personen Mitspieler am X-Plosion Global Programm gewesen, nach dessen Teilnahmebedingungen rechtsgeschäftliche Beziehungen nur unter den Spielteilnehmern entstanden seien. Die VTK habe die Einstiegszahlungen in Vertretung aller Spielteilnehmer entgegengenommen. Da allerdings eine teilbare Geldforderung vorliege, stehe jedem Kläger nur etwa ein Tausendstel des von ihm an alle Spielteilnehmer bezahlten Entgeltes gegen einen einzelnen Teilnehmer zu, also auch gegen den Beklagten (§ 889 ABGB). Dieser allgemeine gegen jeden Mitspieler gerichtete Rückforderungsanspruch sei jedoch nicht Gegenstand des Begehrens. Der Beklagte habe als Spielteilnehmer auch keine Aufklärungspflichten verletzt, weil ein Spielteilnehmer gegenüber einem anderen Teilnehmer lediglich die Pflicht habe, ihn aufzuklären, daß er überhaupt an einem Spiel teilnehme und ihm die Teilnahmeregeln mitzuteilen habe. Den Klägern sei somit bewußt gewesen, daß sie nicht an einer Geldanlage, sondern an einem spielartigen System teilnehmen und daß es sich um ein pyramidenförmig aufgebautes Spiel handle und der Erlös aus diesem von weiteren Einstiegen abhänge und im Fall einer Beendigung des Systems die letzten Teilnehmer Verluste erleiden würden. Darüber hinausgehende Aufklärungspflichten träfen einen bloßen Spielteilnehmer nicht, sodaß eine Haftung aus dem "Spielvertrag" schon aus diesem Grund ausscheide. Ebensowenig käme eine Haftung des Beklagten als Organisator des Spieles nicht in Frage, weil er lediglich den Vertrieb als einer von mehreren Programmberatern übernommen habe. Der Beklagte sei als Mitarbeiter des Spielvertreibers VTK aufgetreten und habe nicht im eigenen Namen gehandelt. Er sei auch für die Kläger erkennbar nur als Abschlußgehilfe tätig geworden, sodaß seine Handlungen und Erklärungen dem "Vertretenen" im Rahmen der Gehilfenhaftung nach § 1313a ABGB zuzurechnen seien. Nur bei Nachweis eines deliktischen Verhaltens könnte eine Eigenhaftung des Beklagten, etwa durch Erteilung eines wissentlich falschen Rates, in Frage kommen. Das Erstgericht gehe aber selbst davon aus, daß der Beklagte von der Risikolosigkeit des Spieleinstieges der Kläger überzeugt gewesen sei und ihm seitens der VTK erklärt worden sei, daß im Falle eines Erwerbes einer Siebenerpyramide die Werbung von weiteren Spielteilnehmern durch den Erwerber nicht erforderlich sei. Darüber hinaus käme eine Eigenhaftung des Beklagten nur dann in Frage, wenn er ein erhebliches unmittelbares eigenwirtschaftliches Interesse am Zustandekommen des Vertrages gehabt oder bei den Vertragsverhandlungen im besonderen Maß persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und dadurch die Verhandlungen beeinflußt hätte. Auch genüge der allein festgestellte Entgeltsanspruch des Beklagten als Vertreter aus dem Innenverhältnis zum Vertretenen nicht. Aus dem Umstand, daß der Beklagte durch die Ankäufe der Kläger Provision bezogen habe und selbst Spielteilnehmer und als solcher vor den Klägern gereiht gewesen sei, könne daher keine Eigenhaftung begründet werden. Darüberhinaus wäre noch der (nicht erbrachte) Nachweis eines Verschuldens des Beklagten erforderlich gewesen, so durch die mangelnde Aufklärung, insbesondere durch Vernachlässigung vorvertraglicher Verhaltenspflichten. Vielmehr habe der Zweitkläger gewußt, daß er sich auf ein Pyramidenspiel einläßt, zumal er bereits damit Erfahrung gehabt hätte. Auch den Dritt- bis Fünftklägern sei letztlich der Spielcharakter und das grundsätzliche Risiko bekannt und ihnen aus diesem Zusammenhang erkennbar gewesen, daß die Darlegung der Risikolosigkeit der Einstiege lediglich eine - objektiv unrichtige - Prognose des Beklagten über den weiteren Spielverlauf gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Kläger ist berechtigt.

Das Tatbild des allein zur Tatzeit in Geltung gestandenen § 168 StGB erfaßt den vorliegenden Sachverhalt nicht (vgl Foregger-Kodek, StGB6 § 168 Anm II). § 168a StGB ist erst seit 1997 in Geltung und daher auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar.

Eine Eigenhaftung des Beklagten als Vertreter der VTK käme nur dann in Betracht, wenn er ein erhebliches und unmittelbares eigenwirtschaftliches Interesse am Zustandekommen des Vertrages hatte oder bei Vertragsverhandlungen im besonderen Maß persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und die Vertragsverhandlungen dadurch beeinflußt hat. Der Oberste Gerichtshof hat mehrfach klargestellt (SZ 56/135, 5 Ob 506/96 = JBl 1997, 37), daß dieses Eigeninteresse nicht mit einem bloßen Entgeltanspruch aus dem Innenverhältnis zum Vertretenen gleichzusetzen ist, sondern im Verhältnis zum Kontrahenten verfolgt werden muß. Ein ausgeprägtes wirtschaftliches Interesse des Vertreters ist danach erst dann anzunehmen, wenn das eigenwirtschaftliche Interesse an der Werbung von Mitspielern geradezu als Motor des ganzen Systems betrachtet werden kann. In dem hier zu beurteilenden Sachverhalt war der Beklagte jedoch lediglich einer von mehreren auf Provisionsbasis Arbeitenden und stieg selbst mehrfach in alle drei Programme ein. Dies reicht für die Annahme der zuvor zitierten Kriterien nicht aus. Soweit die Revisionswerber damit argumentieren, daß das Einkommen des Beklagten aus seiner Werbetätigkeit für die VTK vor allem auf die Gewinnausschüttungen und weniger auf seinen Provisionsanspruch zurückzuführen seien, entfernen sie sich in unzulässiger Weise von der hier maßgebenden Tatsachengrundlage. Weiters konnte kein Umstand erblickt werden, wonach der Beklagte im besonderen Maße persönliches Vertrauen der Kläger in Anspruch genommen habe.

In seinen Entscheidungen vom 24.9.1997, 7 Ob 118/97x und vom 15.7.1997, 1 Ob 182/97i, denen ein im wesentlichen gleichartiger Sachverhalt zugrundelag, hat der Oberste Gerichtshof nach umfangreicher Darstellung der neueren österreichischen Rechtsprechung sowie der Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofes und der deutschen Lehre die persönliche Haftung eines auf Provisionsbasis tätigen Abschlußvermittlers bejaht, weil auch der bloße Vermittler aus einem schlüssig zustandegekommenen Auskunftsvertrag verantwortlich sei, selbst wenn er nicht mit besonderer Vertrauenswerbung hervortrete. In beiden Fällen war der beklagte Vertreter als Vertragsgehilfe für eine Organisation tätig, die dem Geschädigten gemäß § 1313a ABGB jedenfalls zu haften gehabt hätte.

Der Beklagte war im Vertrieb der VTK als Mitarbeiter tätig und für die Vermittlung von Programmeinstiegen und Teilnehmerwerbungen im Raum V*****-S***** verantwortlich. Er bewarb das Spiel als eine "todsichere", also völlig risikolose Sache, bei der nichts "passieren" könne, sohin ein Verlust des Einsatzes ausgeschlossen sei. Er bezeichnete das X-Plosion Global Programm gegenüber den Interessenten nicht als Pyramidenspiel, sondern bot es als "Beteiligungsprogramm mit aktiver Teilnahme bzw Geldanlage" usw an. Des weiteren veranstaltete er auch Informationsabende und zerstreute die Bedenken der Interessenten durch Erklärungen, daß er "es" (gemeint ist wohl nur der Verlust der Einsätze der Kläger) sich bei seinem Beruf nicht erlauben könne und daß er für das eingesetzte Geld persönlich geradestehe. Der unter diesen Umständen schlüssig zustandegekommene Auskunftsvertrag hätte den Beklagten zu richtiger und vollständiger Information über jene tatsächlichen Umstände, die für den Anlageentschluß des Interessenten von besonderer Bedeutung sind, verpflichtet (1 Ob 182/97i). Um diesen auskunftsvertraglichen Verpflichtungen nachzukommen, hätte sich der Anlagevermittler selbst über die Wirtschaftlichkeit der Anlageform sowie über die Bonität der Organisation erkundigen müssen, weil seine Auskünfte sonst jeder objektiven Grundlage entbehren. Der Beklagte, der bereits als Versicherungsmakler und Vermögens- und Anlageberater tätig war, sodaß ein professioneller Umgang mit dieser Art von Geschäften von ihm sehr wohl zu erwarten gewesen wäre, hat dies aber schuldhaft unterlassen. Wer sich als Anlagenvermittler betätigt, hat über die dafür erforderlichen und von den Anlageinteressenten, die gerade bei dieser Vertriebsmethode regelmäßig ohne jede Geschäftserfahrung und ohne ausreichenden konkreten Kenntnisstand sind, erwarteten Kenntnisse zu verfügen oder offenzulegen, daß dies bei ihm nicht der Fall ist (1 Ob 182/97i mwN).

Die Feststellung des Erstgerichtes, daß der Beklagte nichts vom Charakter des X-Plosion Programmes als eines Glücksspieles wußte, stellt eine rechtliche Beurteilung ohne entsprechendes Sachverhaltssubstrat dar.

Sowohl aus den Aussagen des Beklagten (AS 65 ff in ON 6) als auch jenen seiner Gattin (AS 88 in ON 10) geht hervor, daß ihnen sehr wohl bewußt war, daß es sich bei dem X-Plosion Programm um ein (Glücks-)Spiel und nicht um eine Wertanlage handelt, daß sie aber im Sinne eines Verkaufserfolges "motiviert" waren, die Überzeugung an die Kunden weiterzugeben, daß das Programm gleich einer Wertanlage ewig weiterläuft und daß es dann keine Verlierer gibt, was man in dieser Weise eindeutig als wahrheitswidrig erkennen mußte und was den beiden dementsprechend auch bewußt war. Daran vermag nichts zu ändern, daß der Beklagte selbst mitspielte und letztlich nicht das herausbekam, was er sich erhofft hat; dem Beklagten war jedoch bewußt, daß er damit hasardierte, den Klägern dagegen aufgrund seiner Zusicherungen nicht, wenngleich ihnen ein Mitverschulden am eingetretenen Verlust anzulasten ist, weil die von ihnen an den Tag gelegte Leichtgläubigkeit nicht allein auf das Vorgehen des Beklagten zurückgeführt werden kann.

Aufgrund der Verletzung der auskunftsvertraglichen Verpflichtungen ist somit eine Haftung des Beklagten zu bejahen.

In der Revisionsbeantwortung werden unzulässigerweise mehrfach Verfahrensmängel erster Instanz, deren Bestehen das Berufungsgericht verneint hat, geltend gemacht (vgl Kodek in Rechberger ZPO § 503 Rz 3 mwN). Auch zur Höhe der zuerkannten Beträge werden in der Revisionsbeantwortung unzulässigerweise Neuerungen vorgebracht.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens gründet sich hinsichtlich des Erstklägers auf §§ 41 und 50 ZPO, hinsichtlich der restlichen Kläger auf §§ 43 und 50 ZPO. Der Erstkläger, der keine Berufung erhoben hat, hat sich an dem durch die Berufung des Beklagten vorgegebenen Berufungsverfahren erfolgreich durch die Abwehr dieser Berufung beteiligt, es waren ihm seinem Streitwert entsprechend 14,3 % der Gesamtkosten der Kläger auf Basis des von ihnen letztlich ersiegten Betrages zuzusprechen. Die Kläger haben es unterlassen, in ihrer Revision Kosten zu verzeichnen, die Entscheidung über die Revisionskosten des Beklagten gründet sich auf die §§ 40 und 50 ZPO.

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