OGH 7Ob329/97a

OGH7Ob329/97a17.12.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Helmut R*****, wider die beklagte Partei S***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Hansjörg Schweinester und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, und der der beklagten Partei beigetretenen Nebenintervenientin Tiroler Rechtsanwaltskammer, Innsbruck, Meraner Straße 3, vertreten durch Dr.Hansjörg Mader, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Unterlassung und Schadenersatz (Gesamtstreitwert S 500.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 3.Juli 1997, GZ 2 R 129/97f-18, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 7.März 1997, GZ 10 Cg 13/97w-7, teilweise abgeändert und teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei und der Nebenintervenientin die mit je S 23.512,50 (darin enthalten je S 3.918,75 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte ist Medieninhaberin und Verlegerin der "Tiroler Tageszeitung". Anfang November 1996 veröffentlichte sie in Zusammenarbeit mit der Tiroler Rechtsanwaltskammer als Beilage ihrer Tageszeitung eine als "Tiroler Rechtsanwälteverzeichnis" benannte Broschüre, in deren Impressum sie auch als Verlegerin aufscheint. Diese Broschüre umfaßt neben Geleitworten und allgemeinen Bemerkungen hinsichtlich des Berufes, der Verschwiegenheitspflicht, der Tätigkeit und auch der Kosten eines Rechtsanwalts ein Verzeichnis sämtlicher Tiroler Rechtsanwälte. Auch der Name des Klägers wurde unter Angabe seiner Kanzleianschrift, seiner Telefonnummer, der Nummer seines Faxanschlusses sowie des Jahres seiner Eintragung in die Rechtsanwaltsliste in das Verzeichnis aufgenommen. Zur Vorbereitung dieses Verzeichnisses war den Tiroler Rechtsanwälten, so auch dem Kläger, ein Fragebogen übermittelt worden, mit welchem jeder Anwalt allfällige Fremdsprachenkenntnisse und seine bevorzugten Tätigkeiten bekanntgeben konnte. Entsprechende Angaben wurden dann ebenfalls veröffentlicht.

Der Kläger teilte der Beklagten nach Übermittlung des Fragebogens mit, daß sein Name in der beabsichtigten Broschüre nicht genannt werden solle.

Soweit nicht Angaben in Fragebögen zu verwerten waren, beruhte das von der Beklagten herausgegebene Verzeichnis auf der von der Tiroler Rechtsanwaltskammer geführten amtlichen Liste der Rechtsanwälte. Die Eintragung des Klägers in der Broschüre der Beklagten entspricht seiner Eintragung in dieser amtlichen Liste.

Der Kläger steht der Tiroler Rechtsanwaltskammer ablehnend gegenüber. Er ist nur deshalb deren Mitglied, weil er sonst seinen Beruf als Rechtsanwalt nicht ausüben könnte. Ausschlaggebend für seine negative Einstellung sind zwei Verurteilungen in Disziplinarverfahren, welche nach Meinung des Klägers nicht korrekt geführt worden seien. Gegen den Kläger waren Exekutionen und ein Strafverfahren anhängig. Er hat den Großteil seiner "normalen" Klienten verloren. Nunmehr hat er Personen als Klienten, die sich - ähnlich wie er - ausgeschlossen fühlen und seine Ablehnung gegen Institutionen teilen.

Nicht festgestellt werden konnte, ob der Auftragsrückgang des Klägers seit Dezember 1996 auf seine Eintragung im "Tiroler Rechtsanwälteverzeichnis" zurückzuführen ist; es ist auch nicht feststellbar gewesen, ob der Kläger durch die Aufnahme in dieses Verzeichnis einen Einkommensverlust hatte.

Der Kläger begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, es zu unterlassen, das Tiroler Rechtsanwaltsverzeichnis unter Mitaufnahme seiner Person zu verlegen und zu vertreiben; weiters erhebt er ein auf Zahlung von S 400.000,-- sA gerichtetes Schadenersatzbegehren. Er habe der Beklagten ausdrücklich untersagt, daß sein Name in dem Verzeichnis der Tiroler Rechtsanwälte genannt werde und dafür auch seine Gründe bekanntgegeben. Durch die Aufnahme in dieses Verzeichnis habe die Beklagte in sein Namensrecht eingegriffen. Damit sei auch ein Verdienstentgang verbunden gewesen. Der Kläger sei vielfach von Klienten angesprochen worden, wieso er bei einer solchen Aktion der Beklagten mit der Tiroler Rechtsanwaltskammer mitgemacht habe. Ihm seien bereits zahlreiche Aufträge entgangen, insbesondere auch deshalb, weil die Leser des Verzeichnisses wegen des Umstandes, daß bei ihm keine Spezialgebiete genannt worden seien, der Ansicht gewesen seien, daß der Kläger keine Spezialgebiete bearbeite und insbesondere auch keine Fremdsprachenkenntnisse habe. Der dadurch entstandene Schaden werde mit S 400.000,-- beziffert.

Die Beklagte und die Nebenintervenientin beantragen die Abweisung der Klagebegehren. Durch die Nennung des Namens des Klägers in einem Verzeichnis der Tiroler Rechtsanwälte seien keine schutzwürdigen Interessen des Klägers verletzt worden.

Das Erstgericht gab dem Unterlassungsbegehren statt und wies das Zahlungsbegehren ab. Die Nennung des Klägers im Verzeichnis der Tiroler Rechtsanwälte sei geeignet, ein verzerrtes Bild der Persönlichkeit des Klägers zu geben, weil er seine Klienten über seine negative Einstellung zur Tiroler Rechtsanwaltskammer informiert habe und der Eindruck entstehen habe können, daß es ihm mit dieser Distanz doch nicht so ernst sei. Dieser Umstand sei von Klienten des Klägers auch gerügt worden. Dem berechtigten Interesse des Klägers, nicht in einem von der Tiroler Rechtsanwaltskammer mitherausgegebenen Verzeichnis der Tiroler Rechtsanwälte genannt zu werden, stehe kein besonderes Interesse der Beklagten oder der Nebenintervenientin gegenüber. Der Unterlassungsanspruch sei daher berechtigt. Das Schadenersatzbegehren sei hingegen mangels Nachweises des Eintritts eines Schadens abzuweisen gewesen.

Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichts über das Unterlassungsbegehren im Sinne dessen Abweisung ab und bestätigte die Abweisung des Schadenersatzbegehrens. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes auch hinsichtlich des Unterlassungsbegehrens S 50.000,-- übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. § 43 ABGB werde zwar in der Rechtsprechung insofern weit ausgelegt, als eine Verletzung des Namensrechts schon dann vorliege, wenn der Name einer Person im geschäftlichen Verkehr ohne Gestattung des Namensträgers verwendet werde, ein Abwehranspruch aber nur dann bestehe, wenn schutzwürdige Interessen des Namensträgers beeinträchtigt würden. Demgemäß bestehe kein allgemeines Recht, den Gebrauch des Namens eines anderen im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, soweit das durch bloße Namensnennung geschehe. Die allfällige Rechtswidrigkeit einer solchen Namennennung ergebe sich erst aus dem Inhalt der damit verbundenen Aussage. Insoweit sei der Schutz der Privatsphäre gegen das Informationsinteresse der Allgemeinheit abzuwägen. Das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit werde zur Verneinung der Rechtswidrigkeit führen, wenn der Namensträger sachlichen Anlaß zur Nennung seines Namens gegeben habe. Im vorliegenden Fall sei bloß der Name des Klägers in unbedenklicher Weise genannt worden, weil die Namensnennung im Rahmen eines auf Vollständigkeit Bedacht nehmenden Verzeichnisses der Tiroler Rechtsanwälte auf einem sachlichen Anknüpfungspunkt beruhe. Die Mitgliedschaft des Klägers zur Tiroler Rechtsanwaltskammer könne zwar durch diese Namensnennung beim Publikum in Erinnerung gerufen werden, doch werde das in dem Verzeichnis nicht besonders hervorgehoben, weil die Tiroler Rechtsanwaltskammer darin nur einmal in unauffälliger Weise genannt werde. Darauf, daß alle angeführten Rechtsanwälte auch Mitglieder der Tiroler Rechtsanwaltskammer seien, werde in der Broschüre nicht besonders hingewiesen. Jeder, dem die Problematik der "Zwangsmitgliedschaft" zu Kammern bewußt sei, werde schon aus der Tatsache, daß der Kläger als Rechtsanwalt tätig sei, auf diese Mitgliedschaft schließen können. Die Bedenken des Klägers, durch diese Namensnennung in ein schiefes Licht zu geraten, seien nicht nachvollziehbar. Berücksichtigungswürdige Interessen des Klägers würden somit nicht berührt. Dagegen sei im Interesse der Öffentlichkeit die Herausgabe eines Verzeichnisses aller in Tirol tätigen Rechtsanwälte sinnvoll. Die vorzunehmende Interessenabwägung falle daher gegen den Kläger aus. Soweit der Kläger beanstande, daß die Beklagte seinen Namen nicht ohne Beifügung besonderer Kenntnisse und Sachgebiete aufnehmen hätte dürfen, sei ihm zu entgegnen, daß die Beklagte dazu auf seine Mitwirkung angewiesen gewesen sei, die er verweigert habe.

Mangels eines den Kläger treffenden Nachweises des Eintritts eines Schadens sei auch das Schadenersatzbegehren nicht berechtigt. § 273 ZPO komme bei Beweisschwierigkeiten nur zum Tragen, wenn feststehe, daß einer Partei auch ein Schaden entstanden sei. Das sei hier nicht der Fall.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Kläger erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Die Persönlichkeitsrechte sind nach herrschender Auffassung absolute Rechte; daraus allein kann aber noch nicht geschlossen werden, daß jedes Verhalten rechtswidrig ist, das diese Rechte gefährdet. Es bedarf vielmehr einer genauen Wertung, bei der dem Interesse am gefährdeten Gut stets die Interessen des Handelnden und der Allgemeinheit gegenübergestellt werden müssen. Eine Überspannung des Schutzes würde bei manchen Persönlichkeitsrechten zu einer unerträglichen Einschränkung der Interessen anderer oder der Allgemeinheit führen (Koziol, Haftpflichtrecht II2 6; SZ 51/146). Das Namensrecht, das nicht nur den Namen einer Person, sondern auch die damit identifizierte Persönlichkeit schützt, gewährt gemäß § 43 ABGB Schutz vor der Bestreitung des Namens einer Person durch Dritte oder durch unbefugten Gebrauch. Während das Namensrecht durch Bestreitung, Namensanmaßung oder Namensgebrauch verletzt wird, also das Recht zur Identifikation mit dem Namen einer Person durch Dritte in Anspruch genommen wird, geht es bei der Namensnennung nicht um die Kennzeichenfunktion des Namens, sondern darum, daß der Namensträger selbst mit seinem Namen bezeichnet und über ihn etwas ausgesagt wird (Aicher in Rummel, ABGB2 Rz 11 zu § 43; Raschauer, Namenrecht 292 ff; ÖBl 1985, 14 - Rechtsanwalts-Kanzleipapier; MR 1988, 158 - Lucona). Durch eine Namensnennung wird nicht das Namensrecht, sondern das allgemeine Persönlichkeitsrecht des § 16 ABGB berührt. Dabei geht um Fragen des Anonymitätsschutzes. Das aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleitete Recht auf Namensanonymität untersagt es Dritten, den Namen in einem solchen Zusammenhang zu erwähnen, zu dem der Namensträger keinen sachlichen Anlaß gegeben hat; bei der Namensnennung in Medien sind das in der Namensanonymität konkretisierte Persönlichkeitsrecht und der Schutz der Privatsphäre gegen das Informationsinteresse abzuwägen. Diese Interessenabwägung muß, sofern die Namensnennung nicht gesetzlich verboten ist, immer dann zugunsten des Informationsbedürfnisses der Öffentlichkeit ausschlagen, wenn der Namensträger sachlichen Anlaß zur Nennung seines Namens gegeben hat (SZ 59/182; ÖBl 1987, 26 - Krevag; MR 1988, 158 - Lucona; Aicher aaO Rz 23 zu § 16 ABGB; Raschauer aaO 296 f; Schwerdtner in Münch Komm zum BGB2 Rz 112 zu § 12; Coing/Habermann in Staudinger, BGB2 Rz 129 zu § 12). Die Nennung des Namens einer Person in Mitgliederverzeichnissen ist ein Fall der Namensnennung (Raschauer aaO; aA SZ 37/178, wenn darin die Mitgliedschaft zu einem Verein zu Unrecht behauptet wurde).

Anders als bei der Verletzung des Namensrechts kommt es bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch eine Namensnennung auf die Nichtgestattung durch den Namensträger nicht entscheidend an. Niemand hat ein uneingeschränktes Recht darauf zu entscheiden, ob sein Name in der Öffentlichkeit genannt werden darf (Raschauer aaO 297). Die Namensnennung ist dann nicht rechtswidrig, wenn sie gesetzlich geboten oder erlaubt ist; andererseits ist die Namensnennung dann rechtswidrig, wenn sie gesetzlich verboten ist; die Nennung des Namens ist dann nicht rechtswidrig, wenn ihr der Genannte zugestimmt hat; hat der Betroffene nicht zugestimmt und besteht weder ein gesetzliches Verbot noch eine gesetzliche Ermächtigung, dann hängt die Rechtswidrigkeit von der vorzunehmenden Interessenabwägung ab (Raschauer aaO 299 f).

Die Nennung des Namens des Klägers in dem in Zusammenarbeit zwischen der Beklagten und der Tiroler Rechtsanwaltskammer herausgegebenen Tiroler Rechtsanwälteverzeichnis weist zutreffend darauf hin, daß der Kläger in Innsbruck als Rechtsanwalt tätig ist. Das vom Kläger der Beklagten gegenüber ausgesprochene Verbot zur Veröffentlichtung seines Namens spricht zwar für die Wahrung des Anonymitätsinteresses des Klägers. Bei der gebotenen Interessenabwägung aber ist auf das Interesse der Beklagten, der Tiroler Anwaltskammer und der Öffentlichkeit an der vollständigen Information durch ein derartiges Verzeichnis Bedacht zu nehmen. Auch bestand nach den getroffenen Feststellungen ein Interesse der Öffentlichkeit an einem solchen Verzeichnis mit spezifischen Angaben über die Tiroler Rechtsanwälte. Die Aufnahme in ein solches Verzeichnis bringt für einen Rechtsanwalt gewöhnlich nur Vorteile, nicht aber auch Nachteile mit sich, weil damit die geschäftlichen Interessen der Anwälte gefördert werden. Die Tatsache, daß der Kläger den Rechtsanwaltsberuf ausübt und Mitglied der Tiroler Rechtsanwaltskammer ist, ist ein von ihm geschaffener sachlicher Anlaß für Dritte, seinen Namen in ein Verzeichnis der Tiroler Anwälte aufzunehmen. Die Gründe, die der Kläger für die Wahrung seines Anonymitätsinteresses anführt, treten dagegen in den Hintergrund. Die Tatsache, daß der Kläger Mitglied der Tiroler Rechtsanwaltskammer ist, ist für die interessierte Öffentlichkeit schon aus seiner Berufsausübung erkennbar. Durch die Deutung der Aufnahme des Klägers in die Liste der Tiroler Anwälte durch jene Personen, die seine negative Einstellung zur Tiroler Rechtsannwaltskammer kennen und auch teilen, wird das Bild seiner Persönlichkeit nicht in einer Weise verzerrt, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht in schutzwürdigen Interessen beeinträchtigen würde. Mit Recht hat daher das Berufungsgericht das Unterlassungsbegehren abgewiesen.

Das Schadenersatzbegehren ist schon deshalb nicht berechtigt, weil durch die Namensnennung weder das Namensrecht des Klägers noch sein allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt wurden.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte