OGH 9ObA353/97w

OGH9ObA353/97w26.11.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer und Dr.Steinbauer sowie durch die fachkundigen Laienrichter MR Dr.Edith Söllner und Dr.Klaus Hajek als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Walter B*****, Arbeiter, ***** im Revisionsverfahren nicht vertreten, wider die beklagte Partei Betrieb von U***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Gerald Kreuzberger, Rechtsanwalt in Graz, wegen 104.856,93 S brutto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 9.Juli 1997, GZ 8 Ra 46/97i-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 11. September 1996, GZ 33 Cga 120/95p-17, als Teilurteil bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Teilurteil dahingehend abgeändert, daß es zu lauten hat:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei den Betrag von 104.856,93 S brutto samt 4 % Zinsen seit 4.1.1995 binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Das Begehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 4 % Zinsen aus 104.856,93 S für die Zeit vom 4.1.1994 bis 3.1.1995 zu zahlen, wird abgewiesen."

Die beklagte Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war seit 1978 in einem Kaffeehaus der beklagten Partei als Kellner beschäftigt, wobei er wöchentlich ca 30-35 Stunden mit einer Doppelschicht und einem freien Tag am Dienstag arbeitete. Die Geschäfsführerin der beklagten Partei beabsichtigte die Arbeitszeit des Klägers ab Dezember 1994 umzustellen. Aus diesem Grund kam es bereits im November 1994 zu ständigen Streitereien zwischen dem Kläger einerseits und der Geschäftsführerin der beklagten Partei und deren Lebensgefährten Anton K*****, der als früherer Geschäftsführer immer der Ansprechpartner des Klägers war. Bei einer solchen Auseinandersetzung zwischen den drei genannten Personen am 31.1.21994 erklärte der Kläger, Probleme mit seinem Knie zu haben; er müsse einen Arzt aufsuchen. Darauf erwiderte der Lebensgefährte der Geschäftsführerin, in diesem Fall könne der Kläger gleich daheim bleiben. Am 3.1.1995 hätte der Kläger um 03.00 Uhr morgens seinen Dienst antreten sollen. Er wurde, wie dies immer gehandhabt wurde, vom diensthabenden Kellner um 02.30 Uhr telephonisch geweckt. Der Kläger teilte dabei dem anrufenden Kollegen mit, daß er wegen seiner Knieprobleme einen Arzt aufsuchen müsse. Der diensthabende Kellner teilte dies dem am 04.00 Uhr morgens anrufenden Anton K***** mit. Am selben Tag wurde dem Kläger ein Telegramm der beklagten Partei zugemittelt, mit dem ihm diese mitteilte, daß er durch sein Nichterscheinen zur Arbeit am 3.1.1995 vorzeitig ausgetreten sei. Der Kläger begab sich am nächsten Tag zu Anton K*****, der erklärte, der Kläger sei selbst gegangen. Als der Kläger dies verneinte, sagte Anton K*****, daß der Kläger nicht mehr kommen brauche. Der Kläger befand sich vom 3.1.1995 bis 28.2.1995 im Krankenstand.

Am 22.4.1992 nahmen der Kläger und Anton K***** gemeinsam bei einem Kreditinstitut einen Privatkredit von 100.000 S auf. Am 10.1.1994 schloß der Kläger mit einem anderen Kreditinstitut einen Kreditvertrag über 124.000 S. Die Kredite kamen jeweils Anton K***** zugute, der auch die Kreditraten zurückzahlte.

Die gesetzliche Abfertigung von 61.200 S wurde an den Kläger nicht gezahlt.

Der Kläger begehrt die Zahlung eines Betrages von 104.856,93 S brutto samt 4 % Zinsen seit 4.1.1994. Er sei nicht ausgetreten, sondern vielmehr zu Unrecht entlassen worden. An Entgelt hafte der Lohn für die Zeit vom 1.1.1995 bis 3.1.1995 aus. Überdies habe er Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Zeit der Krankheit, Kündigungsentschädigung, aliquote Sonderzahlungen, Urlaubsentschädigung sowie auf die gesetzliche Abfertigung, woraus sich insgesamt der Klagebetrag ergebe.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger habe am 3.1.1995 unter verbaler Entgleisung seine Arbeit verweigert, weshalb er zu Recht entlassen worden sei. Im April 1992 sei ihm ein Betrag von 60.760 S gleichsam als vorweggenommene Abfertigung gezahlt worden; ein Anspruch auf Abfertigung stehe daher keinesfalls zu. Weiters wendet die beklagte Partei ein, sie habe für den Kläger Kreditrückzahlungen getätigt; diese Zahlungen wurden gegen eine allenfalls zustehende Forderung des Klägers aufrechnungsweise eingewendet.

Das Erstgericht erkannte im Sinne des Klagebegehrens. Die Entlassung sei unberechtigt erfolgt. Der Kläger habe die Arbeit nicht grundlos verweigert, sondern seinen Dienst wegen Erkrankung nicht angetreten, so daß ein Entlassungsgrund nicht erfüllt sei. Da der Kläger eine Abfertigungszahlung nicht erhalten habe, stehe ihm auch der unter dem Titel der Abfertigung geltend gemachte Betrag zu. Es erweise sich daher das gesamt Klagebegehren als berechtigt. Eine Entscheidung über die eingewendete Gegenforderung unterblieb.

Das Berufungsgericht gab der Berufung nur teilweise Folge und bestätigte die Entscheidung über das vom Kläger erhobene Begehren mit Teilurteil. Mängel des Verfahrens lägen, soweit dies die Entscheidung über die Klageforderung betreffe, nicht vor; die erstgerichtlichen Feststellungen seien unbedenklich. Auch die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes, das das Vorliegen eines Entlassungsgrundes verneint habe, sei zutreffend. Zu Recht rüge die beklagte Partei allerdings, daß die Entscheidung über die eingewendete Gegenforderung unterblieben sei. Das Berufungsgericht verwies die Sache zur Entscheidung über diesen unerledigt gebliebenen Sachantrag an das Erstgericht zurück.

Gegen das Teilurteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus den Berufungsgründen der Aktenwidrigkeit, der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Die Revision ist nur teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit liegt nur vor, wenn Feststellungen mit dem Akteninhalt in Widerspruch stehen oder im Akt keine Deckung finden. Solches zeigt die Revisionswerberin nicht auf. Bei den monierten Ausführungen handelt es sich um Erwägungen des Berufungsgerichtes, das die Unbedenklichkeit der Feststellung des Erstgerichtes, daß die Abfertigung an den Kläger nicht ausgezahlt worden sei, unter anderem damit begründete, daß nach der Lebenserfahrung anzunehmen sei, daß über eine solche Zahlung eine Quittung ausgestellt würde, die aber nicht vorgelegt worden sei. Dies bildet aber keine Aktenwidrigkeit.

Als Verfahrensmangel wird gerügt, daß die Vernehmung zweier Zeugen unterblieben sei. Dies war bereits Gegenstand der Mängelrüge in der Berufung. Das Berufungsgericht hat sich mit diesen Ausführungen auseinandergesetzt und ist zum Ergebnis gelangt, daß ein Verfahrensmangel nicht vorliege. Es entspricht der ständigen Judikatur, daß Mängel des Verfahrens erster Instanz, deren Vorliegen das Berufungsgericht verneint hat, im Revisionsverfahren nicht neuerlich geltend gemacht werden können (SSV-NF 7/74 mwH; uva). Dem Obersten Gerichtshof ist daher das Eingehen auf diese Ausführungen verwehrt.

Soweit die beklagte Partei mit ihren Ausführungen zum Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend macht, die Fällung eines Teilurteiles durch das Berufungsgericht sei unzulässig gewesen, bekämpft sie nicht die rechtliche Beurteilung des angefochtenen Urteils, sondern rügt in Wahrheit einen in der angeblich unrichtigen Anwendung der Prozeßgesetze gelegenen Verfahrensmangel. Dieser liegt jedoch nicht vor.

Gemäß § 391 Abs 3 ZPO kann dann, wenn die beklagte Partei mittels Einrede eine Gegenforderung geltend gemacht hat, die mit der in der Klage geltend gemachten Forderung nicht in rechtlichem Zusammenhang steht, über den Klageanspruch mit Teilurteil erkannt werden, wenn nur die Verhandlung über diesen zur Entscheidung reif ist. Ein rechtlicher Zusammenhang, der nach der zitierten Gesetzesstelle der Fällung eines Teilurteiles über die Klageforderung entgegensteht, liegt nach der Rechtsprechung dann vor, wenn die Forderungen aus einem einheitlichen Vertrag, aus einer einzigen gesetzlichen Vorschrift, einem einheitlichen, unter dem gleichen rechtlichen Gesichtspunkt zu beurteilenden Lebenssachverhalt abgeleitet werden oder wenn zwischen den beiden Ansprüchen ein inniger wirtschaftlicher Zusammenhang besteht, der die Durchsetzung des Klageanspruches ohne Rücksicht auf die Gegenforderung als Treu und Glauben widersprechend erscheinen ließe (Rechberger in Rechberger ZPO Anm 15 zu § 391 ZPO mwH). Für eine derartige Konnexität zwischen der vom Kläger erhobenen Forderung und der von der beklagten Partei eingewendeten Gegenforderung bestehen hier keine Anhaltspunkte. Das Prozeßvorbringen der beklagten Partei zur Gegenforderung ist unpräzise und nicht spezifiziert; daß die Rückzahlung von Kreditraten im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis erfolgt sei, läßt sich hieraus nicht ableiten. Aus der Feststellung, daß der Kreditaufnahme eine zwischen dem Kläger und dem Lebensgefährten der Geschäftsführerin der beklagten Partei persönlich getroffene Vereinbarung zugrunde lag, ergibt sich hingegen, daß ein Zusammenhang zwischen der Kreditaufnahme und dem Dienstverhältnis überhaupt nicht bestand. Umstände, die nach § 391 Abs 3 ZPO der Fällung eines Teilurteiles über die Klageforderung entgegenstünden, liegen daher nicht vor.

Berechtigt ist die Revision nur soweit sie sich gegen die Entscheidung der Vorinstanzen über den Zinsenzuspruch richtet. Das Dienstverhältnis des Klägers endete am 3.1.1995; erst mit diesem Zeitpunkt wurden die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche fällig, so daß Anspruch auf Zinsen erst ab dem 4.1.1995 besteht. Die Vorinstanzen haben den Zuspruch von Zinsen bereits ab 4.1.1994 auch nicht begründet; dieser Zuspruch ist offenbar auf die Übernahme des in der Klage erhobenen Begehrens, in dem vermutlich ein Schreibfehler unterlaufen ist, zurückzuführen. Da die Verfahrensergebnisse keine Grundlage für einen Anspruch des Klägers auf Zinsen für die Zeit vor dem 4.1.1995 bieten, war das diesbezügliche Begehren abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 40, 50 Abs 1 ZPO. Im Vordergrund stand im Revisionsverfahren die Frage der Zulässigkeit der Fällung eines Teilurteiles. Diese Frage wurde aber durch die Revisionsentscheidung endgültig entschieden. Das Ergebnis des weiteren Verfahrens ist hierauf ohne Einfluß, so daß die Voraussetzungen für einen Kostenvorbehalt nicht vorliegen. Die beklagte Partei ist in dritter Instanz mit ihrem Rechtsmittel wohl zum Teil durchgedrungen, doch handelt es sich bei diesem Teil des Zinsenbegehrens um einen verhältnismäßig geringfügigen Anspruch, der überdies Mehrkosten nicht verursacht hat, so daß das teilweise Obsiegen auf die Kostenentscheidung ohne Einfluß bleibt.

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