OGH 4Ob324/97v

OGH4Ob324/97v12.11.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek und Dr.Niederreiter sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Hubert G*****, vertreten durch Dr.Martin Leys, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die Antragsgegnerin Gemeinde S*****, vertreten durch Dr.Andreas Brugger, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Festsetzung einer Enteignungsentschädigung, infolge der Rekurse beider Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 18. Juli 1997, GZ 53 R 1/97d-59, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Silz vom 22.September 1996, GZ 1 Nc 11/94x-50, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Beiden Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Die dem Antragsteller erwachsenen Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom *****, wurde zwecks Verbreiterung des W*****-Weges im Gebiet der Antragsgegnerin (und Enteignungswerberin), zu deren Gunsten eine Grundfläche von 109 m2 aus dem Grundstück ***** Grundbuch S***** gemäß § 61 Abs 1 lit d und §§ 67 ff Tiroler Straßengesetz (TirStrG) für dauernd lastenfrei enteignet erklärt. Die beanspruchte Fläche beginnt bei Vermessungspunkt ***** am nordwestlichen Grundstückseck und erstreckt sich auf "O" auslaufend bis zu Vermessungspunkt ***** (Lageplan der Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen Dipl.Ing.Dr.Richard E***** und Dipl.Ing.Ernst H***** vom 17.September 1991, GZl.*****). Auf der enteigneten Fläche, die asphaltiert worden war, befand sich im Enteignungszeitpunkt ein Natursteinsockel. Das Grundstück ***** liegt im Ortsgebiet von S***** im Bauland. Der Antragsteller war im Zeitpunkt der Enteignung als Alleineigentümer dieses Grundstücks im Grundbuch eingetragen und betrieb das darauf errichtete Hotel A*****. Am 1.Dezember 1994 ging das Eigentum an Grundstück und Hotel sowie der Betrieb auf die G***** ***** GmbH über, an welcher auch der Antragsteller als Gesellschafter beteiligt ist. Entlang der östlichen Grenze des Grundstücks ***** verläuft der W*****-Weg als öffentliche Gemeindestraße. Im Verwaltungsverfahren wurde dem Antragsteller als Entschädigung für die enteignete Fläche von insgesamt 109 m2 folgende Entschädigung zuerkannt:

8 m2 bebaubar S 2.550/m2

101 m2 unbebaubar S 1.725/m2

Entschädigung für verlorenen Aufwand

Natursteinsockel, Asphalt S 28.350

Entschädigung für Verlust von

6 Parkplätzen S 115.200.

Insgesamt wurde die Entschädigung demnach mit S 338.175 bemessen.

Mit der Behauptung, daß diese Entschädigung zu gering sei, weil für die gesamte Fläche der Baulandpreis gebühre, durch die Enteignung acht Parkplätze verlorengegangen seien und der verlorene Aufwand für Natursteinsockel und Asphaltierung höher anzusetzen wäre, begehrt der Antragsteller eine Entschädigung in der Höhe von S 1,610.271 sA (ON 42).

Die Antragsgegnerin beantragt, die Entschädigung mit S 0, allenfalls mit höchstens S 100.000 festzusetzen. Auch ohne die Enteignung hätte sie Anspruch auf die enteignete Fläche gehabt. Der W*****-Weg bestehe seit Jahrzehnten, ohne daß sich an seinem Verlauf - jedenfalls seit mehr als 30 Jahren - etwas geändert habe. Eigentümerin des W*****-Weges (= Wegparzelle Nr *****) sei seit jeher die Antragsgegnerin. Die Darstellung der Wegparzelle im Mappenblatt stimme mit deren Verlauf in der Natur nicht überein. Der Bereich, in dem die Naturgrenze von der Mappengrenze abweiche, bilde die enteignete Fläche. Da die Antragsgegnerin auch ohne Enteignung die Möglichkeit gehabt hätte, diese Fläche als ihr Eigentum zu beanspruchen, hätten die Antragsteller durch die Enteignung keinen Vermögensnachteil erlitten. Überdies sei der Verkehrswert für die enteignete Fläche viel zu hoch angesetzt worden. Mit dem Verkehrswert für die enteignete Fläche würde auch der Verlust der Parkplätze abgegolten. Daß sich auf der enteigneten Fläche ein Natursteinsockel befinde und Asphalt aufgebracht worden sei, bewirke keinen zusätzlichen Schaden für den Antragsteller. Da der Enteignete (nur) Anspruch darauf habe, für alle durch die Enteignung verursachten vermögensrechtlichen Nachteile schadlos gehalten zu werden, sei als Vorfrage zu prüfen, ob der Antragsgegnerin die betreffende Fläche nicht ohnedies bereits gehört habe und der Antragsteller daher durch die Enteignung keinen Nachteil erlitten habe.

Das Erstgericht setzte die dem Antragsteller gebührende Enteignungsentschädigung für den Grundverlust von 109 m2 mit S 1,581.921 sowie für den "verlorenen Aufwand Natursteinsockel und Asphalt" mit S 28.350, zusammen also mit S 1,610.271 fest, erkannte die Antragsgegnerin schuldig, dem Antragsteller S 1,272.096,- sA zu zahlen, und wies das "Mehrbegehren" von S 338.175 samt Zinsen ab. Es stellte fest, daß in der Gemeinde S***** eine exorbitante Knappheit an nutzungsfähigen Liegenschaften, insbesondere für Bauzwecke, herrsche und daher nur äußerst wenige Grundstücksverkäufe vorkämen. Die meisten Liegenschaften bildeten gleichzeitig die Einkommens- und Versorgungsgrundlage der Eigentümer und ihrer Familien, so daß Grund und Boden mit außerordentlicher Beharrlichkeit innerhalb der Familien festgehalten würden. Die geringen Grundstücksangebote und die ausgezeichnete Ertragslage hätten die Preise in S***** wie auch in anderen Tourismuszentren des Tiroler Oberlandes während der letzten zehn Jahre in enorme Höhen getrieben. Unter Berücksichtigung der zentralen Ortslage, der Vewendungsmöglichkeit der enteigneten Fläche als PKW-Abstellplatz und der erhobenen Vergleichswerte betrage der Verkehrswert für die aus dem Grundstück ***** enteignete Grundfläche des Antragstellers zum Enteignungszeitpunkt (29.Juli 1992) S 15.000 je m2, so daß sich ein Gesamtschätzwert der enteigneten Fläche in der Höhe von S 1,635.000 ergebe. Rechtlich meinte das Erstgericht, daß dem Antragsteller als Ersatz des verlorenen Aufwands für Natursteinsockel und Asphaltfläche mangels näherer Ausführungen im Verfahren nur die im verwaltungsbehördlichen Enteignungsbescheid festgesetzte Entschädigung von S 28.350 zustehe. Da der Antragsteller insgesamt nur S 1,610.271 begehrt habe, sei demnach die Enteignungsentschädigung für den Grundverlust mit S 1,581.921 festzusetzen gewesen. Da die Enteignungsentschädigung auf den Zeitpunkt der Enteignung abzustellen habe, seien die gesetzlichen Zinsen ab 1.August 1992 zuzusprechen gewesen; der Zuspruch "bankmäßiger" Zinsen sei jedoch nicht gerechtfertigt, weil es für den Wert des enteigneten Grundstückes unerheblich sei, ob der Antragsteller Bankkredit in Anspruch genommen habe. Bei der Zahlungsverpflichtung der Antragsgegnerin sei die von dieser bereits geleistete Entschädigungssumme in der Höhe von S 338.175 abzuziehen gewesen. Die Frage einer allfälligen Ersitzung der Enteignungsfläche spiele für das Entschädigungsverfahren keine Rolle. Da die Antragsgegnerin die Enteignung durchgesetzt habe, sei die Enteignungsentschädigung "immanent". Die Frage einer allfälligen Ersitzung gehöre nicht in das Enteignungsentschädigungsverfahren. Es sei auch nicht anzunehmen, daß die Antragsgegnerin eine ihr schon gehörige Grundfläche enteignet habe.

Das Rekursgericht hob diesen Beschluß auf, trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf und sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Die Voraussetzungen der Enteignung, insbesondere ihrer Notwendigkeit und Rechtmäßigkeit, seien im gerichtlichen Verfahren auf Neufestsetzung der Enteignungsentschädigung auch als Vorfrage nicht mehr zu prüfen. Vielmehr setze ein solches gerichtliches Verfahren eine durch die Verwaltungsbehörde ausgesprochene rechtskräftige Enteignung voraus. Das Gericht habe von der Enteignung, mit deren Rechtskraft die Enteignungswerberin originär Eigentum am Enteignungsobjekt erworben habe, auszugehen und auf dieser Grundlage lediglich die Frage der Enteignungsentschädigung neu zu beurteilen. Der Einwand der Antragsgegnerin, sie habe schon vor der Enteignung das Eigentum an der Grundfläche ersessen und hätte dieses Recht auch ohne Enteignung gegen den Antragsteller durchsetzen können, sei daher unbeachtlich. Soweit aber die Antragsgegnerin geltend mache, daß sie bzw die Allgemeinheit schon vor der Enteignung der Grundfläche des Antragstellers hieran durch die Benützung als Zufahrt und Zugang zum Ortsteil W***** jedenfalls eine entsprechende Dienstbarkeit ersessen habe, komme dem für die Höhe der Enteignungsentschädigung Bedeutung zu, werde doch durch eine derartige Belastung der Wert des Grundstückes für den Eigentümer regelmäßig nicht unwesentlich vermindert. Das führe im allgemeinen zur Berücksichtigung auch des durch die lastenfreie Enteignung verursachten Schadens der "Nebenberechtigten", weil auch diese Anspruch auf Schadloshaltung für die ihrerseits durch die Enteignung erlittenen Nachteile haben. Im vorliegenden Fall wäre jedoch, gehe man von einer zugunsten der Beklagten bereits im Zeitpunkt der Enteignung ersessenen Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens auf der enteigneten Fläche aus, die Nebenberechtigte mit der Enteignungswerberin identisch, so daß keine gesonderte Entschädigung der Nebenberechtigten in Betracht käme. Allerdings wäre in diesem Fall die Enteignungsentschädigung des Antragstellers als Eigentümer der mit einer Wegedienstbarkeit belasteten Grundfläche unter Bedachtnahme auf die dadurch bewirkte Wertminderung zu berechnen. Die Antragsgegnerin könne mit diesem Einwand nicht auf den streitigen Rechtsweg verwiesen werden. Diese Vorfrage sei vielmehr im Außerstreitverfahren zu lösen. Im übrigen sei das Erstgericht zutreffend davon ausgegangen, daß dem Antragsteller infolge der Enteignung der Grundfläche deren Verkehrswert - wenn auch allenfalls unter Berücksichtigung eines schon bestandenen Dienstbarkeitsrechtes der Antragsgegnerin oder der Allgemeinheit - zu entschädigen sei, der durch Heranziehung von Vergleichswerten zu ermitteln sei. Hiebei werde der Nachteil für den Antragsteller infolge Wegfalls von Autoabstellflächen schon mit der Entschädigung des Verkehrswertes für die Grundfläche mitabgegolten. Es sei daher nicht entscheidend, ob und wieviele Abstellplätze der Antragsteller infolge der Enteignung verloren habe. Eine Verfahrensergänzung sei aber auch deshalb erforderlich, weil die Antragsgegnerin zu Recht die Feststellung des Erstgerichtes rüge, wonach der Verkehrswert mit S 15.000 je m2 zu bemessen sei. Der vom Erstgericht bestellte Sachverständige habe sich nämlich nicht ausreichend mit den von der Antragsgegnerin aufgezeigten Vergleichsfällen befaßt. Die Frage, weshalb die von der Antragsgegnerin genannten Grundstückspreise hier nicht als Vergleichspreise heranzuziehen seien, habe der gerichtliche Sachverständige nicht konkret und nachvollziehbar beantwortet. Es werde auch zweckmäßig sein, das im Enteignungsverfahren eingeholte Gutachten des Sachverständigen zu berücksichtigen. Das Verfahren sei auch zwecks Prüfung des für "verlorenen Aufwand Natursteinsockel und Asphalt" begehrten Entschädigungsbetrages ergänzungsbedürftig. Da die Antragsgegnerin insoweit jeden Nachteil des Antragstellers durch die Enteignung in Abrede stelle, genüge nicht die Verweisung auf die Entschädigungsfestsetzung im Verwaltungsverfahren. Hinzuweisen sei auch noch darauf, daß das Erstgericht gegen das Antragsprinzip dadurch verstoßen habe, daß es dem Antragsteller als Entschädigung für die enteignete Grundfläche mehr zugesprochen habe, als dieser begehrt habe. Auch mit dem Zuspruch von 4 % Zinsen seit 1.August 1992 sei das Erstgericht über das Begehren des Antragstellers hinausgegangen, der Zinsen erst ab 30.Oktober 1992 begehrt habe. Die Abweisung eines Mehrbegehrens von S 338.175 stehe mit dem übrigen Entscheidungsinhalt insofern in Widerspruch, als darin dem Entschädigungsbegehren des Antragstellers zur Gänze stattgegeben worden sei. Nehme das Erstgericht einen Leistungsbefehl in die Entscheidung auf, dann wäre darauf hinzuweisen, daß der Entschädigungsbetrag abzüglich des bereits erlegten Betrages an den Antragsteller zu zahlen sei. Abgesehen davon erschöpfe sich aber die Aufgabe des Außerstreitrichters im Verfahren auf Neufestsetzung einer Enteignungsentschädigung ohnehin darin, die Höhe des Entschädigungsbetrages festzusetzen, so daß ein Leistungsbefehl zu entfallen habe.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurse beider Parteien sind nicht berechtigt.

Die Antragsgegnerin hält auch in dritter Instanz an ihrer Rechtsansicht fest, sie könne sich darauf berufen, daß sie schon vor der Enteignung Eigentümerin der Enteignungsfläche gewesen sei, so daß dem Antragsteller überhaupt keine Entschädigung zustehe; insoweit liege nur eine - nicht bindende - Vorfragenbeurteilung der Verwaltungsbehörde vor. Dem kann nicht gefolgt werden.

Im außerstreitigen Verfahren zur Neufestsetzung der Enteignungsentschädigung ist - wie sich aus den einschlägigen Vorschriften, insb aus dem auch hier gemäß § 74 Abs 4 TirStrG anwendbaren §§ 22 ff EisbEG, ergibt - nur die Höhe der Entschädigung zu bestimmen (VfSlg 8065). Dabei ist von dem - rechtskräftigen - Enteignungsbescheid als notwendiger Bedingung auszugehen. Dieser enthält aber nicht nur den Ausspruch, daß eine Sache zugunsten eines Rechtssubjektes enteignet, also diesem zugewiesen wird, sondern damit untrennbar verbunden auch den Ausspruch, daß dieses Eigentum einem anderen - dem "Enteigneten" iSd § 64 Abs 2 TirStrG - entzogen wird;

nur das ist ja Grundlage des Ausspruches über die

Enteignungsentschädigung im Enteignungsbescheid. Im

Entschädigungsverfahren kann demnach die Antragsgegnerin, welche

selbst die Enteignung begehrt hat, mit dem Einwand, sie sei schon

vorher Eigentümerin der Enteignungsfläche gewesen, nicht gehört

werden. Derartiges könnte nur allenfalls in dem wieder aufgenommenen

Verwaltungsverfahren über die Enteignung geltend gemacht werden. Mit

Recht haben daher die Vorinstanzen diesen Einwand der Antragsgegnerin

unberücksichtigt gelassen.

Soweit sich jedoch die Antragsgegnerin auch darauf berief, "der neue

Grenzverlauf und die darin enthaltene Straße sei von der

Öffentlichkeit längst ersessen gewesen" (S.66 f), kann diesem

Vorbringen auch die Behauptung entnommen werden, die Öffentlichkeit -

und damit auch die Antragsgegnerin als Gemeinde - habe an der

Enteignungsfläche eine Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens ersessen.

Daß dieses Vorbringen wenig konkret war, rechtfertigt nicht, darüber hinwegzugehen. Vielmehr wäre die Antragsgegnerin - worauf sie zutreffend verweist (S.501) - zu einer Vervollständigung ihres Vorbringens anzuleiten gewesen.

Der Rechtsansicht des Antragstellers, daß dieser Einwand der Antragsgegnerin verfristet und präkludiert sei (S.476), kann nicht gefolgt werden. Die Antragsgegnerin hatte keinen Anlaß, im verwaltungsbehördlichen Verfahren als Nebenberechtigte im Sinne des § 64 Abs 3 TirStrG aufzutreten und in dieser Eigenschaft eine Vergütung zu fordern, weil sie durch die von ihr selbst angestrebte Enteignung keine Rechte verlieren konnte. Mit der Enteignung wurde ja ihr Eigentumsrecht an der enteigneten Fläche ausdrücklich festgeschrieben.

Der Antragsgegnerin kann nicht darin gefolgt werden, daß dem Antragsteller für die Enteignungsfläche deshalb keine Entschädigung zustehe, weil niemand außer ihr selbst Interesse an dem enteigneten Grundstreifen habe. Da solche Flächen, die zugunsten einer benachbarten Straße enteignet werden, in aller Regel keinen anderen Interessenten finden als den Straßenhalter, müßte in den meisten Fällen die Enteignung entschädigungslos sein. Daß dies dem Sinn des Gesetzes widerspräche, liegt auf der Hand. Auch für Enteignungen nach dem TirStrG gilt, daß die Berechnung des Wertes der enteigneten Grundfläche nach objektiv-konkreten Kriterien unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse des Enteigneten zu erfolgen habe, wobei die Wahl der Ermittlungsmethode (Vergleichswertmethode, Ertragswertmethode oder Sachwertverfahren) ein Problem der Betriebswirtschaftslehre ist und jene Wertermittlungsmethode herangezogen werden muß, die im Einzelfall am besten geeignet erscheint (SZ 55/133; JBl 1991, 119 ua). Sollte die enteignete Fläche infolge ihrer Beschaffenheit nicht als selbständiges Kaufobjekt, sondern nur im Zusammenhang mit der gesamten Hotelliegenschaft Gegenstand des Grundverkehrs sein und daher keinen im Weg der Vergleichswertmethode feststellbaren eigenen Verkehrswert besitzen, dann wäre der Wert der gesamten für den Hotelbetrieb genutzten Liegenschaft vor und nach der Durchführung der Enteignung zu ermitteln (SZ 60/240; JBl 1991, 119). Diese Differenz wäre dann dem Antragsteller zuzuerkennen. Kann aber ein eigener Verkehrswert von derartigen Grundflächen - etwa deshalb, weil sie als Parkflächen von besonderer Bedeutung sind - ermittelt werden, dann ist darin entgegen der Meinung des Antragstellers auch der aus der Enteignung unmittelbar zwingend folgende Verlust der Benützbarkeit der Fläche - hier also der Parkmöglichkeit - enthalten. Sollte eine Dienstbarkeit der Antragsgegnerin schon bestanden haben, wäre das bei der Wertbemessung zu berücksichtigen.

Ein darüber hinausgehender Anspruch auf Vergütung eines anderen unmittelbar durch die Enteignung verursachten Vermögensnachteils (§ 65 Abs 1 lit b TirStG) könnte nur im Rahmen der Ermittlung einer Wertminderung des verbliebenen Restes - also der um die Enteignungsfläche verminderten Hotelliegenschaft - festgestellt werden (§ 65 Abs 2 lit b TirStrG); darauf hat sich aber der Antragsteller bisher nicht berufen.

Soweit die Antragsgegnerin den Entschädigungsanspruch des Antragstellers unter Hinweis darauf bestreitet, daß dieser bei der Veräußerung seiner Hotelliegenschaft im Jahre 1994 auch dann nicht mehr bekommen hätte, wäre die Enteignung unterblieben, kann ihr nicht zugestimmt werden. Für die Ermittlung der Vergütung sind nämlich die Verhältnisse im Zeitpunkt der Erlassung des Enteignungsbescheides (Wertermittlungsstichtag) maßgebend (§ 65 Abs 4 TirStrG). Für die Bemessung der Entschädigung kann es keine Rolle spielen, daß es dem Antragsteller gelungen ist, einen Käufer zu finden, der für die um die Enteignungsfläche verringerte Liegenschaft genausoviel zahlt wie er für die Gesamtliegenschaft gezahlt hätte.

Da der Oberste Gerichtshof nicht Tatsacheninstanz ist, kann er den Ausführungen des Rekursgerichtes, wonach gegen das vom Erstgericht eingeholte Gutachten Bedenken bestehen und weitere Beweisaufnahmen zur Höhe des Verkehrswertes erforderlich seien, nicht entgegentreten. Auch die Frage, ob und in welchem Umfang auf der Enteignungsfläche tatsächlich Fahrzeuge geparkt werden konnten, kann aufgrund der getroffenen Feststellungen noch nicht beurteilt werden.

Aus diesen Erwägungen hat es bei der Aufhebung zu verbleiben.

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