OGH 11Os136/97 (11Os137/97)

OGH11Os136/97 (11Os137/97)28.10.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.Oktober 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ebner, Dr.Schmucker, Dr.Habl und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Rossmeisel als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Marshall A***** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 und Abs 2 SGG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 5.Februar 1997, GZ 4 a Vr 11120/95-108, und über die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluß gemäß § 494 a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die vom Verteidiger ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 5 a des § 281 Abs 1 StPO und das vom Angeklagten selbst ausgeführte Rechtsmittel werden zurückgewiesen.

Aus deren Anlaß wird gemäß § 290 Abs 1 StPO das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in seinem Strafausspruch einschließlich der Entscheidung über die Vorhaftanrechnung und der Verhängung einer "Wertersatzstrafe gemäß § 12 Abs 5 SGG" sowie dem mit dem Strafausspruch in untrennbarem Zusammenhang stehenden Beschluß gemäß § 494 a Abs 1 Z 4 StPO aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit der Strafzumessungsrüge (§ 281 Abs 1 Z 11 StPO), seiner Berufung und Beschwerde wird der Angeklagte ebenso auf diese Entscheidung verwiesen wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Marshall A***** des Verbrechens nach § 12 Abs 1 und 2 SGG sowie der Vergehen des Gebrauches fremder Ausweise nach § 231 Abs 1 StGB und der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 1, 224 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Nach "§ 12 Abs 5 SGG" wurde über Marshall A***** eine Wertersatzstrafe von 400.000 S, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit vier Monate Ersatzfreiheitsstrafe verhängt. Gemäß § 494 a Abs 1 Z 4 StPO, § 53 Abs 1 StGB widerrief das Erstgericht eine dem Angeklagten mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 6.Oktober 1995, AZ 5 b E Vr 10.394/95, gewährte bedingte Strafnachsicht.

Inhaltlich des Schuldspruches hat Marshall A*****

A/ in Wien den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge gewerbsmäßig in Verkehr gesetzt, indem er

1. in der Zeit von Oktober 1994 bis Februar 1995 Josef F***** ca 400 Gramm Kokain verkaufte,

2. am 28.Mai 1996 Günter S***** vier Kugeln Kokain (im Gesamtgewicht von 1,3 Gramm) verkaufte;

B/ am 1.September 1994 in Wien-Schwechat einen amtlichen Ausweis, der für einen anderen ausgestellt war, im Rechtsverkehr gebraucht, als wäre er für ihn ausgestellt, indem er einen in Sierra Leone ausgestellten Reisepaß, lautend auf eine nicht mehr feststellbare Person, bei der Paßkontrolle am Flughafen anläßlich seiner Einreise nach Österreich zum Beweis seiner Identität vorwies;

C/ in Wien ausländische Urkunden, die gemäß § 1 FrG inländischen öffentlichen Urkunden gleichgestellt sind, durch Einfügen seines Lichtbildes mit dem Vorsatz verfälscht, daß sie im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache, nämlich seiner Identität gebraucht werden, und zwar

1. in einem Zeitraum bis 17.Mai 1995 den britischen Reisepaß mit der Nr 004935076 lautend auf Matthew Peter F***** und

2. in einem Zeitraum bis 29.Mai 1995 den britischen Reisepaß mit der Nr 006828781 lautend auf Paul M***** jun.

Gegen den Schuldspruch richtet sich eine auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5 a und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, den Strafausspruch bekämpfen der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft mit Berufung; gegen den Widerrufsbeschluß hat der Angeklagte Beschwerde angemeldet.

Rechtliche Beurteilung

Obwohl sich die Nichtigkeitsbeschwerde inhaltlich nur gegen den Schuldspruch A richtet, erstrecken sich die Rechtsmittelanträge ("... das angefochtene Urteil aufzuheben ...") jeweils auf den gesamten Umfang der Schuldsprüche. Soweit die Beschwerde damit über die Bekämpfung des Schuldspruches A hinausgeht, ist sie unzulässig, weil es ihr an der vom Gesetz vorausgesetzten deutlichen und bestimmten Bezeichnung von gesetzlichen Nichtigkeitsgründen mangelt und sie auch ausdrückliche oder doch durch deutliche Hinweisung angeführte Tatumstände vermissen läßt, die Nichtigkeitsgründe bilden sollen (§ 285 d Abs 1 Z 1 iVm § 285 a Z 2 StPO).

In seiner Tatsachenrüge (Z 5 a) behauptet der Beschwerdeführer erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen, weil die Zeugen F***** und S*****, auf deren Aussage sich der Schuldspruch A stützt, wegen ihres unbekannten Aufenthaltes nicht vor dem erkennenden Gericht vernommen werden konnten und die Identifizierung des Täters vor der Polizei nur auf Grund von diesen Zeugen vorgelegten Polaroidfotos des Angeklagten erfolgt sei.

Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß sich das Schöffengericht in seiner Beweiswürdigung ausführlich mit der Identifizierung des Angeklagten durch die Suchtgiftkäufer auseinandergesetzt hat, wobei den Tatrichtern auch die den Zeugen vorgelegten Polaroidfotos bekannt waren. Mit denkrichtiger und den Erfahrungen des täglichen Lebens entsprechender Begründung kamen sie zur Ansicht, daß die Identifizierung eindeutig erfolgte (US 11/12).

Mit dem Vorbringen über die Qualität von Polaroidfotos und der schwereren Identifizierbarkeit von Menschen anderer Rassen, unternimmt der Beschwerdeführer nur den im Nichtigkeitsverfahren unzulässigen Versuch, die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes nach Art einer Schuldberufung zu bekämpfen, ohne daß er hiebei schwerwiegende unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung zustande gekommene Mängel in der Sachverhaltsermittlung aufzuzeigen noch auf aktenkundige Beweisergebnisse hinzuweisen vermag, die nach den Denkgesetzen oder nach der allgemeinen menschlichen Erfahrung erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Beweiswürdigung in entscheidungswesentlichen Fragen aufkommen lassen.

In diesem Umfang war daher die Nichtigkeitsbeschwerde als offenbar unbegründet gemäß § 285 d Abs 1 Z 2 StPO bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Aus deren Anlaß konnte sich der Oberste Gerichtshof davon überzeugen, daß im Ausspruch einer "Wertersatzstrafe nach § 12 Abs 5 SGG" das Strafgesetz zum Nachteil des Angeklagten unrichtig angewendet wurde.

§ 12 Abs 5 SGG in der Fassung vor dem StRÄG 1996 ermöglichte dem Gericht die Verhängung einer Geldstrafe zusätzlich zur ausgesprochenen Freiheitsstrafe, die den Nutzen, welchen der Täter durch die strafbare Handlung erzielt hat, übersteigen soll. Nach § 13 Abs 2 SGG aF konnte eine Wertersatzstrafe verhängt werden, wenn weder das einzuziehende Suchtgift noch dessen Erlös greifbar waren.

Das Schöffengericht hat offenbar beide Bestimmungen vermengt und ausreichende Konstatierungen weder in die eine noch in die andere Richtung getroffen, sondern lediglich angeführt, daß sich die Wertersatzstrafe aus der Multiplikation von 400 Gramm Kokain mit dem Grammpreis von 1.000 S zusammensetze. Infolge dieses Feststellungsmangels und der Vermengung der gesetzlichen Begriffe ist die ausgesprochene Nebenstrafe weder nachvollzieh- noch überprüfbar. Das Urteil ist daher in diesem Strafausspruch nichtig nach der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO. Dieser Nichtigkeitsgrund, der dem Angeklagten zum Nachteil gereicht, war gemäß § 290 Abs 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmen und der Ausspruch der "Wertersatzstrafe nach § 12 Abs 5 SGG" aufzuheben.

Obwohl nach Aufhebung des Ausspruches der "Wertersatzstrafe" im Hinblick auf die Gesetzesänderung durch das Strafrechtsänderungsgesetz 1996 (BGBl 1996/762) die Verhängung von Strafen nach § 12 Abs 5 oder § 13 Abs 2 SGG nicht mehr möglich sind, wird das Erstgericht jedoch eine Abschöpfung der Bereicherung nach § 20 StGB nF zu prüfen haben (vgl Übergangsbestimmung des Art XI Abs 2 StRÄG 1996 und JABl 1997/10, RV StRÄG 1996, 33 BlgNR XX.GP, 79).

Da aber bei einem allfälligen Ausspruch über die Abschöpfung der Bereicherung auch die anderen Folgen der Verurteilung zu berücksichtigen sind (§ 20 a Abs 2 Z 3 letzter Satz StGB), besteht ein Zusammenhang mit der zu verhängenden Strafe, sodaß für die Gesamtlösung der Straffrage auch der Strafausspruch nach § 12 Abs 2 SGG aufzuheben war (vgl 13 Os 5/93, Mayerhofer StPO4 § 289 E 19 und 20).

Demzufolge waren der Angeklagte mit seiner Strafzumessungsrüge (§ 281 Abs 1 Z 11 StPO), seiner Berufung und Beschwerde ebenso wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.

Bleibt anzumerken, daß der vom Erstgericht als erschwerend angenommene "Suchtgifthandel aus reiner Gewinnsucht, ohne selbst süchtig zu sein", gegen das Doppelverwertungsverbot verstößt, weil die Gewinnsucht bereits durch die Gewerbsmäßigkeit umfaßt ist und die Begehung der Tat (durch einen suchtgiftergebenen Täter) ausschließlich deshalb, um für den eigenen Gebrauch Suchtgift oder die Mittel zu dessen Erwerb zu verschaffen, einen geringeren Strafsatz bedingen würde (§ 12 Abs 2 letzter Satz SGG).

Das vom Angeklagten selbst erhobene Rechtsmittel (ON 114 und 116/II) war zurückzuweisen, weil nur eine Rechtsmittelausführung zulässig ist (Mayerhofer StPO4 § 285 E 36 und 40).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390 a StPO.

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