OGH 8ObA167/97k

OGH8ObA167/97k16.10.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Langer und Dr.Rohrer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Elisabeth Kahler und Mag.Gerhard Neugebauer als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Herbert G*****, vertreten durch Dr.Georg Grießer, Dr.Roland Gerlach, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei V*****, vertreten durch Schönherr, Barfuß, Torggler & Partner, Rechtanwälte in Wien, wegen S 224.937,77 brutto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24.Jänner 1996, GZ 7 Ra 104/96g-27, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 5.September 1994, GZ 7 Cga 51/93g-19, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Ersturteil - ausgenommen der Kostenzuspruch - wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 132.084,50 (darin S 19.805,65 USt und S 13.250,-- Barauslagen) bestimmten Kosten der Verfahren aller drei Instanzen binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war seit dem Jahre 1983 bei der Beklagten als Angestellter beschäftigt. Er bezog zuletzt ein monatliches Bruttogehalt von S 25.000 14mal jährlich. Gemäß § 4 der Statuten der Beklagten ist deren Vereinszweck, geeignete Sachwalter und Patientenanwälte auszubilden, den Gerichten zur Bestellung namhaft zu machen und dauernd zur Verfügung zu stellen, sie fortzubilden, anzuleiten und zu überwachen. Die Beklagte unterhält in ganz Österreich 29 Geschäftsstellen.

Die Tätigkeit des Klägers bei der Beklagten war jene eines berufsmäßigen Sachwalters. Er war der Geschäftsstelle Wien-Nord zugeteilt, welche insgesamt sechs Mitarbeiter beschäftigte. Jeder dieser Mitarbeiter hatte üblicherweise rund 27 Sachwalterschaften zu übernehmen. Die Mitarbeiter der Beklagten werden nach ihrer Namhaftmachung durch die Geschäftsstelle vom zuständigen Bezirksgericht persönlich zum Sachwalter bestellt.

Im Jahre 1992 wurde der Kläger gemeinsam mit einer weiteren Angestellten mit der Leitung der Geschäftsstelle Wien-Nord betraut, wobei sich an seiner sonstigen Tätigkeit bei der Betreuung von Kuranden nichts änderte. Als Geschäftsstellenleiter hatte der Kläger die Planung und Koordination der Tätigkeit der übrigen Mitarbeiter zu besorgen und den Kontakt mit den Gerichten und dem Geschäftsführer der Beklagten aufrecht zu erhalten. Aufgrund dieser zusätzlichen Aufgaben reduzierte sich die Anzahl der vom Kläger zu betreuenden Sachwalterschaften ab Juni 1992 auf 17 Fälle. Die Geschäftsführertätigkeit des Klägers war bis 15.3.1993 befristet.

Neben seiner Arbeit bei der Beklagten war der Kläger als selbständiger Genealoge tätig. Der Geschäftsführer der Beklagten war davon informiert, duldete diese Nebenbeschäftigung stillschweigend und erhob nie dagegen Einspruch. Ab 1.3.1992 hatte der Kläger Räumlichkeiten für sein Büro für Genealogie angemietet.

Gegen Ende März 1992 trat der Kläger erstmals an den Geschäftsführer der Beklagten mit dem Wunsch nach Auflösung seines Dienstverhältnisses heran, wobei er um einvernehmliche Beendigung und Bezahlung einer Abfertigung ersuchte. Der Geschäftsführer machte zwar hinsichtlich des Abfertigungsbegehrens keine Zusage, bot dem Kläger aber - erfolglos - die einvernehmliche Dienstvertragsauflösung unter Verzicht auf eine Kündigungsfrist und mit Abschluß eines zweimonatigen Werkvertrages an. Der Kläger kündigte daraufhin mit Schreiben vom 30.3.1992 sein Dienstverhältnis zum 30.4.1992 schriftlich auf, wobei er auch erklärte, seine Stellung als Geschäftsstellenleiter der Geschäftsstelle Wien-Nord zurückzulegen. Über Ersuchen des Geschäftsführers erklärte sich der Kläger bereit, die Sachwalterschaften noch einige Zeit weiterzuführen, bis es jeweils zu Enthebungen kommen könne. In der Folge zog der Kläger seine Kündigungserklärung mit stillschweigender Zustimmung der Beklagten zurück. Der Geschäftsführer verwendete sich in mehreren Sitzungen des Leitungsausschusses für eine freiwillige zumindest teilweise Abfertigungsleistung an den Kläger, wie dies in früheren Fällen vorgekommen war. Er wußte aber, daß der Kläger von der Vorstellung einer Abfertigungszahlung in gesetzlicher Höhe ausging. Als dieser Wunsch des Klägers nicht akzeptiert wurde, führte der Kläger seine Kuratelen von 14 bis 15 Fällen im September 1992 auf 10 Sachwalterschaften im Dezember 1992 zurück. Die quantitative Minderleistung des Klägers hatte keinen Einfluß auf seine Gehaltshöhe. Spätestens ab September 1992 mußte der Geschäftsführer der Beklagten wissen, daß es keine den Kläger zufriedenstellende und dem Leitungsausschuß der Beklagten genehme einvernehmliche Lösung gab. Auch als für den Kläger ab 1.9.1992 eine Ersatzkraft aufgenommen worden war, setzte der Kläger sein bisheriges Verhalten fort und konsumierte ab Herbst 1992 trotz Vorhaltungen des Geschäftsführers noch Urlaube in der Gesamtdauer von drei Wochen.

Mit Schreiben vom 19.10.1992 forderte die Beklagte den Kläger auf, entweder das Dienstverhältnis bis Ende Oktober des Jahres zu kündigen oder unverzüglich neue Fälle anzunehmen und damit seinen dienstlichen Pflichten zu entsprechen. Zu Beginn des Jahres 1993 forderte der Geschäftsführer den Kläger neuerlich auf, wieder auf die durchschnittliche Fallhöhe zu kommen. Das lehnte der Kläger mit dem Beifügen ab, an sein Ausscheiden zu denken. Die Aufforderung, die volle Arbeitsleistung zu erbringen, wiederholte der Geschäftsführer der Beklagten mehrmals. Am 19.4.1993 richtete der Geschäftsführer der Beklagten das Schreiben Beilage 17 an den Kläger mit folgendem wesentlichen Inhalt:

"Entgegen meinen Anweisungen liegt Ihre Arbeitsbelastung mit 10 Fällen per 31.3.1993 dramatisch unter der bedungenen Durchschnittsbelastung von 27 Fällen. Sollten bei Ihnen Unklarheit über die zu erreichende Belastung bestehen, weise ich ausdrücklich darauf hin, daß - wie immer man es für die Vergangenheit sieht - Ihre Bestellung zum Geschäftsstellenleiter jedenfalls mit 15.3.1993 abgelaufen ist und damit Ihre im oben angeführten Ausmaß volle und uneingeschränkte Arbeitsverpflichtung als Sachwalter/betreuender Mitarbeiter besteht.

Ich fordere Sie daher mit Nachdruck auf, meinen Anweisungen Folge zu leisten und Ihrer Arbeitsverpflichtung in vollem Umfang nachzukommen, d. h. die Anzahl der von Ihnen in der Funktion als Sachwalter bzw einstweiliger Sachwalter vertretenen Klienten umgehend auf die Durchschnittsbelastung von 27 anzuheben."

Bei einer Besprechung am 6.5.1993 erklärte der Kläger gegenüber dem Geschäftsführer der Beklagten, nicht kündigen zu können, wenn die Beklagte nicht imstande sei, ihn von den Kuratelen zu entheben. Daher scheide die vom Geschäftsführer vorgeschlagene Selbstkündigung aus. In einem unter anderem auch an den Geschäftsführer der Beklagten versandten Gedächtnisprotokoll über ein dieses Gespräch betreffendes Telefonat mit der Rechtsreferentin des beklagten Vereines vom 7.Mai 1993 führte der Kläger aus, daß er sich nach Rücksprache mit seiner Anwältin genötigt sehe, den Geschäftsführer um die Zuteilung konkreter Fälle zu bitten, obwohl er der Ansicht sei, daß dies vom fachlichen Standpunkt für etwaig Betroffene sehr ungünstig sein könnte. Er werde in diesem Schreiben wahrscheinlich "fachlich" vor sich warnen. Zu diesem Zeitpunkt betreute der Kläger noch acht Sachwalterschaften und ersuchte um Hilfestellung bei der Enthebung von diesen.

Mit Schreiben vom 7.5.1993 sprach der Geschäftsführer der Beklagten die Entlassung des Klägers wegen Arbeitsverweigerung aus.

Am 10.5.1993 widerrief die Beklagte gemäß § 3 Vereinssachwalter- und Patientenanwaltsgesetz (VSPAG) die Namhaftmachung des Klägers als Sachwalter wegen Endigung des Dienstverhältnisses. Der Kläger stellte seinerseits bei dem Gericht am 12.5.1993 einen Enthebungsantrag. Die - offenbar zeitlich letzte - Enthebung des Klägers in einer bestimmten Sachwalterschaftssache erfolgte am 11.10.1993.

Von den insgesamt drei ursprünglich zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen, die Entlassung des Klägers betreffenden Verfahren ist nach Klagseinschränkung (AS 95) und Klagszurückziehung (AS 237) nur mehr jenes auf Zahlung beendigungsabhängiger Ansprüche von zuletzt S 224.937,77 brutto sA anhängig. Zu dieser am 1.9.1993 beim Erstgericht eingebrachten Klage brachte der Kläger im wesentlichen vor, daß ihn die Beklagte nach Aufkündigung des Dienstverhältnisses durch den Kläger aufgefordert habe, seine Tätigkeit solange weiterzuführen, bis er als Sachwalter in allen von ihm betreuten Fällen enthoben oder durch einen anderen Mitarbeiter der Beklagten ersetzt sei. Der Kläger habe sich unter der Bedingung, daß die Beklagte die Enthebung von den Sachwalterschaften betreibe, mit diesem Vorschlag einverstanden erklärt, wobei ausdrücklich vereinbart worden sei, daß das Dienstverhältnis erst mit der Enthebung von der letzten Sachwalterschaft einvernehmlich aufgelöst werde. Der Kläger habe sich zwar bemüht, aus seiner Stellung als Sachwalter vom Gericht entlassen zu werden, eine vollständige Enthebung sei jedoch nicht durchführbar gewesen. Mit Schreiben der Beklagten vom 30.11.1992 sei der Kläger von seiner Stellung als Geschäftsstellenleiter der Geschäftsstelle Wien-Nord unberechtigt enthoben worden. Im September 1992 sei dem Kläger mitgeteilt worden, daß der Leitungsausschuß der einvernehmlichen Lösung des Dienstverhältnisses nicht zustimme. Trotz seiner damals noch ausgeübten Funktion als Geschäftsstellenleiter sei dem Kläger aufgetragen worden, die volle Durchschnittsbelastung von 27 Sachwalterschaften wieder zu erreichen. Im Falle der Kündigung des Dienstverhältnisses hätte der Kläger auf seine Kosten und sein Risiko mangels Enthebung die Sachwaltertätigkeit weiter ausüben müssen. Die Beklagte sei den Bestrebungen des Klägers, seine Sachwalterbestellungen der Zahl nach zu reduzieren, monatelang untätig gegenübergestanden. Damit habe die Beklagte der Vorgangsweise des Klägers zugestimmt. Der Kläger habe sich somit keine die Entlassung rechtfertigende Dienstpflichtverletzung zuschulden kommen lassen.

Die Beklagte wendete dagegen ein, daß keine betriebsinterne Übung bestehe, Mitarbeitern bei Selbstkündigung eine Abfertigung zu gewähren. Die Beklagte sei interessiert gewesen, den Kläger als guten Mitarbeiter zu halten. Der Kläger habe seine Funktion als Geschäftsstellenleiter selbst mit Schreiben vom 1.4.1992 zurückgelegt. Eine einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses sei nie zustandegekommen. In Anbetracht der Zurücklegung der Leiterfunktion durch den Kläger sei es berechtigt gewesen, von ihm wieder die Übernahme von insgesamt 27 Betreuungsfällen zu verlangen. Bereits mit Schreiben vom 19.10.1992 habe die Beklagte klargestellt, daß der Kläger die sich aus dem Dienstverhältnis ergebenden Pflichten zu erfüllen habe. Die Beklagte habe dem Kläger gegenüber immer unmißverständlich klargemacht, daß sie an einer Lösung des Dienstverhältnisses nicht interessiert sei. Für sie sei die uneingeschränkte Weiterbeschäftigung des Klägers bei voller Erfüllung seiner Betreuungsaufgabe im Vordergrund gestanden. Der Kläger sei wegen seines in den letzten Monaten stark nachlassenden Arbeitseinsatzes wiederholt zur Steigerung seiner Leistung aufgefordert worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf Feststellungen, welche eingangs in der durch das Berufungsgericht nach Beweiswiederholung vorgenommenen Modifikation wiedergegeben wurden. Rechtlich folgerte das Erstgericht, daß die Entlassung des Klägers berechtigt erfolgt sei. Das Verhalten der Parteien nach der vom Kläger ausgesprochenen Kündigung stelle eine schlüssige Fortsetzung des Dienstverhältnisses zu unveränderten Bedingungen dar, weshalb insbesondere die Arbeitspflicht des Klägers aufrecht geblieben sei. In Anbetracht der Fortsetzung des Dienstverhältnisses wäre der Kläger verpflichtet gewesen, eine gleiche Arbeitsleistung wie die übrigen Mitarbeiter zu erbringen, anstatt die Zahl der von ihm zu betreuenden Fälle immer weiter abzubauen. Da die Beklagte mehrmals zur Erbringung der vollen Arbeitsleistung aufgefordert habe, stelle die wiederholte und fortgesetzte Beibehaltung des Verhaltens des Klägers den Entlassungsgrund der Arbeitsverweigerung im Sinn des § 27 AngG dar.

Das Gericht zweiter Instanz änderte nach Beweiswiederholung dieses Urteil dahin ab, daß es dem Leistungsbegehren stattgab. Außer dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt führte das Berufungsgericht im Rahmen der Feststellungen noch aus, daß die Leitung der Beklagten beim Kläger den Eindruck erweckt habe, sie werde letztlich doch einer Lösung - wohl mit Abfertigung - zustimmen, berufe sich aber noch auf das Fehlen einer vom Bundesministerium für Justiz nicht erhaltenen Genehmigung. Rechtlich würdigte das Berufungsgericht diesen Sachverhalt dahin, daß das Verhalten des Klägers objektiv eine beharrliche Dienstverweigerung gemäß § 27 AngG dargestellt habe. Das Verlangen des Klägers, im Fall der Selbstkündigung eine Abfertigung zu erhalten, finde im Angestelltengesetz keine Grundlage. Dennoch vermeinte der Berufungssenat, dem Klagebegehren nicht Folge geben zu können, weil das festgestellte Taktieren der Streitteile einerseits um ausscheiden zu können, und andererseits, um den Dienstnehmer doch noch zu halten, nach Ansicht des Senates durch ein Ausnützen der Beeinträchtigung der Kündigungsfreiheit des Dienstnehmers aufgrund der besonderen Verknüpfung mit der Stellung des Sachwalters ermöglicht worden sei. Die besondere Art des Dienstverhältnisses des Klägers bewirke mangels Mitwirkung der Beklagten, daß der Dienstnehmer über die Endigung des Dienstverhältnisses hinaus auf eigenes Risiko Dienste zu erbringen habe, die er im Auftrag und auf Rechnung des Dienstgebers übernommen habe. Nur wenn der Dienstnehmer eine das Risiko mitabgeltende vereinbarte Abfertigung auch bei Selbstkündigung erhielte, wäre eine unzulässige Beeinträchtigung der Selbstkündigungsfreiheit des angestellten Sachwalters bei Abwägung aller Umstände gegebenenfalls verneinbar. Im übrigen sei die Entlassung auch nicht unverzüglich erfolgt. Spätestens ab Erkennen des klaren Willens des Klägers, nicht mehr für die Beklagte tätig sein zu wollen, hätte der Geschäftsführer der Beklagten den Kläger unmißverständlich vor die Alternative stellen müssen, sein Dienstverhältnis bei voller Arbeitsleistung beizubehalten oder dieses zu beenden. Das Entlassungsrecht sei daher unter den besonderen Umständen (Zeitablauf, Kenntnis vom beharrlichen, einen Entlassungsgrund begründenden Verhalten usw) im Sinne der Rechtsprechung verwirkt. Dies auch deshalb, weil der Kläger stets unmißverständlich und zielstrebig für die verlangte Selbstkündigung eine rechtzeitige Enthebung von den übernommenen Sachwalterschaften verlangt habe. Die Beklagte habe nicht nur keine Schritte zur Enthebung des Klägers von seiner Sachwaltertätigkeit gesetzt, sondern habe offensichtlich unter Ausnützen der das Kündigungsrecht des Klägers beeinträchtigenden Rechtsfolgen seinen Verbleib erzwingen wollen.

Die dagegen erhobene Revision der Beklagten ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Das Gericht zweiter Instanz hat die "Feststellung" getroffen, die Leitung der Beklagten habe beim Kläger den Eindruck erweckt, sie werde letztlich doch einer Lösung - wohl mit Abfertigung - zustimmen, berufe sich aber noch auf das Fehlen einer vom Bundesministerium nicht erhaltenen Genehmigung. Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich dabei überhaupt um eine feststellungsfähige Tatsache handelt, weil - selbst wenn man das unterstellen wollte - entgegen der in der Revisionsbeantwortung vertretenen Ansicht eine derartige subjektive Ansicht des Klägers jedenfalls keinen Vertrauenstatbestand in der Richtung schaffen konnte, der Kläger dürfe bei aufrechtem Dienstverhältnis durch viele Monate hindurch nur eine erheblich verringerte Arbeitsleistung erbringen. Es wird noch darzustellen sein, daß, selbst wenn der Kläger auf eine einvernehmliche Lösung hätte hoffen dürfen (für welche Annahme sich allerdings in den Feststellungen keine tragfähige Grundlage findet), er jedenfalls nicht berechtigt war, die von ihm übernommenen Sachwalterschaften kontinuierlich abzubauen. Auf eine diesbezügliche Zustimmung der Beklagten konnte der Kläger keinesfalls vertrauen, hatte die Beklagte doch durch mehrfache mündliche und schriftliche Aufforderungen klargestellt, daß sie bis zu einer allfälligen Beendigung des Dienstverhältnisses eine uneingeschränkte Arbeitsleistung des Klägers erwartete.

Dem Kläger ist insoweit beizupflichten, daß der Angestellte bei Ausübung des ihm gemäß § 20 Abs 4 AngG zustehenden Kündigungsrechtes nicht schlechter gestellt werden darf als der Dienstgeber, sondern daß ihm zumindest dieselbe Lösungsmöglichkeit wie diesem zur Verfügung stehen muß (JBl 1986, 331; SZ 65/103; ArbSlg 11.045 ua). Dieses Verschlechterungsverbot äußert sich unter anderem darin, daß die vom Dienstgeber einzuhaltende Kündigungsfrist nicht kürzer sein darf als die mit dem Angestellten vereinbarte Kündigungsfrist (JBl 1986, 331), sowie darin, daß ihm im Falle der Ausübung des Kündigungsrechtes des Dienstnehmers diesem nicht finanzielle Opfer in einem Ausmaß auferlegt werden dürfen, daß sie die Kündigungsfreiheit wirtschaftlich in erheblichem Umfang beeinträchtigen, wie dies etwa dann der Fall ist, wenn dem Dienstnehmer der Verlust von Teilen des durch Arbeitsleistung bereits verdienten Entgeltes bei Kündigung vor Ablauf einer bestimmten Zeit droht (ArbSlg 9065; ArbSlg 11.045; 9 ObA 57/97s). Insgesamt wurde aus der Arbeitsrechtsordnung der allgemeine Grundsatz gewonnen, daß der Arbeitnehmer in seiner Kündigungsfreiheit nicht stärker als der Arbeitgeber beschränkt werden dürfe, wobei es jedoch bei der Beurteilung einer derartigen einseitigen Benachteiligung immer auf die Umstände des Einzelfalles ankommt (SZ 65/103).

Anders als in den der zitierten Rechtsprechung zugrundeliegenden Fallkonstellationen basieren die nach Ansicht des Klägers seine Kündigungsfreiheit einschränkenden Umstände nicht auf einzel- oder kollektivvertraglichen Regelungen, sondern ergeben sich aus der Natur des vom Kläger eingegangenen Arbeitsverhältnisses. Hauptgegenstand desselben war die Übernahme von Sachwalterschaften, wobei die Bestellung und Enthebung als Sachwalter nicht durch den Dienstgeber des Beklagten, sondern durch die zuständigen Gerichte zu erfolgen hatte. Es konnte daher nicht nur bei Selbstkündigung, sondern in jedem Fall einer wie immer gearteten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht sichergestellt werden, daß die Enthebung durch die Gerichte vor oder unmittelbar bei Beendigung des Dienstverhältnisses erfolgte, weil die Beklagte - wie auch der gegenständliche Fall zeigt - auch bei rechtzeitigem Widerruf der Namhaftmachung des Sachwalters auf die Erledigung durch das Gericht keinen Einfluß hatte. Bei dieser Sachlage kann auf die zu § 20 Abs 4 AngG ergangene Rechtsprechung schon deshalb nicht zurückgegriffen werden, weil anderenfalls die Auflösung des Dienstverhältnisses, sei es einvernehmlich, sei es durch Kündigung oder Selbstkündigung, nicht vom Willen der Parteien des Arbeitsvertrages, sondern dem Verhalten Dritter abhängig wäre, wodurch es zu einer unzumutbaren Erschwerung jeder möglichen Lösungsart käme.

Entgegen der Ansicht des Klägers kann die Pflicht der Beklagten, vor Beendigung des Dienstverhältnisses die Namhaftmachung für sämtliche übernommene Sachwalterschaften zu widerrufen, nicht aus dem Gesetz abgeleitet werden. Gemäß § 3 Abs 3 Vereinssachwalter- und Patientenanwaltsgesetz (VSPAG) kann der Verein die Namhaftmachung aus wichtigen Gründen widerrufen, er ist jedoch dazu nicht verpflichtet. Es ist daher ebenso denkbar, daß der Sachwalter selbst unter Hinweis auf die Beendigung des Dienstverhältnisses seine Enthebung betreibt, wie dies der Kläger ja auch erfolgreich gemacht hat. Auch aus der den Dienstgeber grundsätzlich treffenden Treue- und Fürsorgepflicht ist nicht ohneweiteres abzuleiten, das Dienstverhältnis dürfe nicht vor Enthebung von allen Sachwalterschaften beendet werden. Diese Pflichten des Dienstgebers erheischen vielmehr nur, dem Dienstnehmer die Möglichkeit zu geben, von seinen Pflichten enthoben zu werden und Vorkehrungen zu treffen, um die Übernahme der Agenden des ausscheidenden Dienstnehmers durch andere Mitarbeiter sicherzustellen. Dies hat die Beklagte aber dadurch getan, daß sie ab 1.9.1992, somit ab jenem Zeitpunkt, in welchem nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes dem Geschäftsführer der Beklagten klar sein mußte, daß eine einvernehmliche, den Kläger zufriedenstellende Lösung nicht möglich war, eine Ersatzkraft aufnahm. Zumindest ab 1.9.1992 wäre es daher dem Kläger auch unter Berücksichtigung der besonderen sich aus seiner Tätigkeit ergebenden Verantwortung möglich gewesen, zu kündigen und die Kündigungsfrist für die Übertragung seiner Aufgaben an den neu aufgenommenen Mitarbeiter zu nutzen.

Die Beklagte, welcher die besondere sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebende Problematik offenbar bewußt war, hat dem Kläger abgesehen von dieser personellen Vorsorge auch angeboten, nach Beendigung seines Dienstverhältnisses die bis dahin unerledigten Fälle auf Werksvertragsbasis abzuwickeln. Damit hat sie auch ein mögliches, den Kläger aus der kurzfristigen Weiterführung von Sachwalterschaften treffendes finanzielles Risiko übernommen und so ihrer Fürsorgepflicht ausreichend Genüge getan.

Es kann daher keine Rede davon sein, daß der Kläger berechtigt gewesen wäre, während aufrechten ungekündigten Dienstverhältnisses über die Dauer von mehr als einem halben Jahr seine weiterhin voll entlohnte Arbeitsleistung ständig zu reduzieren. Die Weisungen der Beklagten, entsprechend der durchschnittlichen Belastung der übrigen Mitarbeiter tätig zu sein, waren daher berechtigt, deren Nichtbefolgung stellt den Entlassungsgrund des § 27 Z 4 zweiter Fall AngG dar.

Gemäß § 27 Z 4 zweiter Fall AngG verwirklicht der Angestellte einen wichtigen Grund, der den Dienstgeber zur vorzeitigen Entlassung berechtigt, der sich beharrlich weigert, seine Dienste zu leisten. Unter "beharrlich" ist die Nachhaltigkeit, Unnachgiebigkeit oder Hartnäckigkeit des in der Dienstverweigerung zum Ausdruck gelangenden, auf die Verweigerung der Dienste bzw der Befolgung der Anordnungen gerichteten Willens zu verstehen. Daher muß sich die Weigerung entweder wiederholt ereignet haben oder von derart schwerwiegender Art sein, daß auf die Nachhaltigkeit der Willenshaltung des Angestellten mit Grund geschlossen werden kann (RdW 1987, 268; RdW 1989, 232; 8 ObA 2276/96f). Diesem Entlassungsgrund ist es somit immanent, daß er entweder besonders nachhaltig oder durch längere Zeit trotz mehrmaliger Anordnungen des Dienstgebers begangen wird. Erst durch die längere Dauer der Widersetzlichkeit wird das Ausmaß der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung im vollen Umfang erkennbar (Kuderna, Entlassungsrecht2 19). Die Entlassung wegen beharrlicher Dienstverweigerung setzt zwar im allgemeinen die vorausgehende Verwarnung durch den Dienstgeber voraus, diese muß allerdings nicht notwendig mit dem Hinweis verbunden sein, daß der Arbeitnehmer im Falle der Weigerung, die Weisungen zu befolgen, die fristlose Entlassung zu gewärtigen habe (ArbSlg 10.146; ecolex 1996, 116; Martinek/M.Schwarz/W.Schwarz, AngG7, 633). Ausgehend von dieser gesicherten Rechtsansicht ist aber die von der Beklagten ausgesprochene Entlassung entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes nicht verfristet. Wie bereits dargestellt, hat die Beklagte durch ihren Geschäftsführer den Kläger wiederholt mündlich und schriftlich zur Erbringung voller Dienstleistung aufgefordert. Weil die Übernahme von Sachwalterschaften ebenso wie die Enthebung von denselben durch die einzelnen Mitarbeiter der Beklagten nicht beliebig gesteuert werden kann, war es durchaus angemessen, die Entwicklung der Tätigkeit des Klägers über einen längeren Zeitraum zu beobachten, zumal, wie im Schreiben vom 19.10.1992 dargelegt, einige Zeit Unklarheit über die Auswirkungen der Geschäftsführertätigkeit des Klägers auf den Umfang der Übernahme von Sachwalterschaften bestehen konnte. Erst durch das Gespräch vom 6.5.1993 und den Aktenvermerk des Klägers vom folgenden Tag wurde klargestellt, daß dieser tatsächlich nicht bereit war, sich in den Dienstbetrieb der Beklagten wie alle übrigen Mitarbeiter einzuordnen. Die unmittelbar danach ausgesprochene Entlassung war nach den Umständen des Falles rechtzeitig.

Der Revision ist daher Folge zu geben und das Ersturteil wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO, wobei in Anbetracht der in der Berufungsverhandlung (AS 237) einverständlich festgestellten Kostenbemessungsgrundlage (nur Kosten des Leistungsbegehrens ab Einbringung der Leistungsklage) auch die Kosten des Verfahrens erster Instanz neu zu berechnen waren.

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