OGH 11Os104/97 (11Os105/97)

OGH11Os104/97 (11Os105/97)14.10.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Oktober 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ebner, Dr.Rouschal, Dr.Schmucker und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Rohan als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Marco G***** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG und einer anderen strafbaren Handlung (AZ 6 f Vr 3961/93 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien) bzw wegen des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG (AZ 5 U 249/95 des Bezirksgerichtes Mödling) über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 4. März 1997, GZ 6 f Vr 3961/93-79 und den Vorgang, daß das Bezirksgericht Mödling von seinem gemeinsam mit dem Urteil vom 27. September 1995, GZ 5 U 249/95-5 (unter Absehen vom Widerruf) gefaßten Beschluß auf Verlängerung der mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 23. August 1993, GZ 6 f Vr 3961/93-41 gewährten bedingten Strafnachsicht den genannten Gerichtshof nicht unverzüglich verständigte, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Plöchl, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten und seines Verteidigers zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Es verletzen das Gesetz

1.) der Vorgang, daß das Bezirksgericht Mödling von seinem gemeinsam mit dem Urteil vom 27. September 1995, GZ 5 U 249/95-5, (unter Absehen vom Widerruf) gefaßten Beschluß auf Verlängerung der dem Marco G***** mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 23. August 1993, GZ 6 f Vr 3961/93-41, gemäß § 43 Abs 1 StGB gewährten bedingten Strafnachsicht nicht unverzüglich den genannten Gerichtshof verständigte, sondern in der Endverfügung vom 11. Oktober 1995 bloß das Einlegen einer Ablichtung des Protokollvermerks und der gekürzten Urteilsausfertigung in den Vorakt und dessen Rücksendung anordnete, in der Bestimmung des § 494 a Abs 7 StPO;

2.) der Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 4. März 1997, GZ 6 f Vr 3961/93-79, mit dem die im Urteil vom 23. August 1993 verhängte Freiheitsstrafe endgültig nachgesehen wurde, obwohl infolge der zu 1.) genannten Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre noch nicht feststand, daß die bedingte Strafnachsicht nicht widerrufen wird, in dem sich aus § 43 Abs 2 StGB iVm §§ 53 und 56 StGB ergebenden Gebot, die endgültige Strafnachsicht erst nach Ablauf der Probezeit auszusprechen.

3.) Der zu 2.) angeführte Beschluß über die bedingte Strafnachsicht wird aufgehoben.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 23. August 1993, GZ 6 f Vr 3961/93-41, rechtskräftig am 24. November 1993, wurde der am 21. Mai 1973 geborene Marco G***** des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG und des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, die gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Mit - gemäß § 458 Abs 2 und Abs 3 StPO in gekürzter Form ausgefertigtem - Urteil des Bezirksgerichtes Mödling vom 27. September 1995, GZ 5 U 249/95-5, wurde Marco G***** des im Zeitraum von März 1994 bis Juli 1995 (sohin in der Probezeit) begangenen Vergehens nach § 16 (zu ergänzen: Abs 1) SGG schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen verurteilt. Zugleich faßte das Gericht gemäß § 494 a Abs 1 Z 2 StPO den Beschluß auf Absehen vom Widerruf der mit dem erstgenannten Urteil gewährten bedingten Strafnachsicht und verlängerte die Probezeit auf fünf Jahre. Im Rahmen der am 11. Oktober 1995 erlassenen Endverfügung ordnete das Bezirksgericht Mödling an, "Beiakt abstreifen, vorher 1 Kopie des PUV's einlegen".

Mit rechtskräftigem Beschluß vom 4. März 1997, GZ 6 f Vr 3961/93-79, stellte das Landesgericht für Strafsachen Wien - dem Antrag der Staatsanwaltschaft entsprechend - unter Außerachtlassung der Entscheidung über die Verlängerung der Probezeit und damit noch vor deren Ablauf fest, daß die über Marco G***** verhängte Freiheitsstrafe endgültig nachgesehen ist, obwohl sich eine Ablichtung des Protokollvermerks und der gekürzten Urteilsausfertigung im Akt befand und die Verlängerung überdies der aktuellen Strafregisterauskunft vom 24. Februar 1997 zu entnehmen war.

Rechtliche Beurteilung

Dieser Beschluß steht, wie der Generalprokurator mit der deshalb erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, mit dem Gesetz nicht im Einklang. Denn die Bestimmung des § 43 Abs 2 StGB über die endgültige Strafnachsicht setzt voraus, daß die Nachsicht nicht widerrufen wird. Dieses Erfordernis war aber zum Zeitpunkt der Beschlußfassung zufolge rechtswirksamer Verlängerung der Probezeit (und der damit verbundenen Möglichkeit des späteren Eintritts eines Widerrufsgrundes) noch nicht gegeben.

Diese Gesetzesverletzung war durch die ihrerseits gesetzwidrige Unterlassung des Bezirksgerichtes Mödling bedingt, das entgegen der Vorschrift des § 494 a Abs 7 StPO dem hievon betroffenen Landesgericht für Strafsachen Wien nicht sogleich seine Entscheidung auf Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre bekanntgegeben hat. Die Anordnung, eine Ablichtung des Protokollvermerks und der gekürzten Urteilsausfertigung in den an das Landesgericht für Strafsachen Wien zurückzusendenden Akt einzulegen, stellt keine Verständigung des Gerichtes im Sinne des § 494 a Abs 7 StPO dar.

Während die Gesetzesverletzung durch das Bezirksgericht Mödling lediglich aufzuzeigen war, stand der (dadurch mitbewirkten) endgültigen Strafnachsicht durch das Landesgericht für Strafsachen Wien der recte gefaßte Verlängerungsbeschluß entgegen. Dieser - der materiellen Rechtskraft fähige - Beschluß ist ab seiner Verkündung (§ 494 a Abs 4 StPO) insoweit bindend, als er nur im Wege der gesetzlich vorgesehen Rechtsmittel oder Rechtsbehelfe behoben oder abgeändert werden kann; weder das erkennende, noch ein anderes Gericht dürfen - den Fall der Aufhebung des Beschlusses ausgenommen - über den Entscheidungsgegen- stand neuerlich absprechen. Die sohin - und demnach rechtswidrig - ausgesprochene endgültige Strafnachsicht, welcher nur deklaratorische Wirkung beigemessen werden kann, konnte daher keine Rechtswirksamkeit entfalten, weshalb dieser Beschluß aus Gründen der Rechtsklarheit aufzuheben war.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte