OGH 3Ob2034/96f

OGH3Ob2034/96f28.8.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Pimmer, Dr.Zechner und Dr.Sailer als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Parteien 1. Edeltraud S***** (zu 39 C 858/93d des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien), 2. Gertrude W***** (auch W***** bzw W*****), ***** (zu 39 C 859/93a des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien), beide vertreten durch Dr.Heidelinde Blum, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr.Manfred V*****, vertreten durch Dr.Ernst Gruber, Rechtsanwalt in Wien, wegen 1. S 87.230,81 sA (39 C 858/93d des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien), 2. S 87.230,81 sA (39 C 859/93a des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 5.Dezember 1995, GZ 45 R 787/94-12, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 18. Juli 1994, GZ 39C 858/93d-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtenen Urteile werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerinnen waren jeweils Hälfteeigentümerinnen der Liegenschaft EZ 855 GB B***** mit dem Grundstück 569/29. Sie verkauften ihre Anteile im Jahr 1987 der P***** GmbH, die sich auf Inserate hin gemeldet hatte. Die Klägerinnen und die P***** GmbH vereinbarten, daß die P***** GmbH für die Liegenschaft S 2,100.000 zahlen solle; das Grundstück werde geteilt und auf Rechnung der P***** GmbH verkauft; aus steuerlichen Gründen sollten die Klägerinnen grundbücherliche Eigentümer bleiben. Für die Vertragsverfassung wollte sich die P***** GmbH der Hilfe ihres Rechtsanwaltes, des Beklagten, bedienen.

Der Beklagte verfaßte im Auftrag der P***** GmbH einen Vertragsentwurf und sandte ihn den Klägerinnen. Die Klägerinnen selbst zogen keinen Rechtsanwalt bei; die Erstklägerin erkundigte sich allerdings bei juristisch gebildeten Arbeitskollegen und wünschte einige Änderungen der Vertragsgestaltung; der Beklagte entsprach diesen Wünschen. Die vom Beklagten verfaßte Vereinbarung wurde von der P***** GmbH und den Klägerinnen unterfertigt. Die Klägerinnen stellten dem Beklagten eine beglaubigte Vollmacht aus und übergaben ihm einen Rangordnungsbeschluß für die Veräußerung. Für die Verkaufsabwicklung gaben die Klägerinnen dem Beklagten keine Aufträge; sie ersuchten auch nicht um Bekanntgabe der Namen der Käufer, Zusendung der Kaufverträge bzw Besprechung der Formulierungen in diesen Verträgen.

Die P***** GmbH bemühte sich in der Folge, Käufer zu finden; es sollten Liegenschaftsanteile mit der Vereinbarung der Begründung von Wohnungseigentum veräußert werden. Weder die Klägerinnen noch der Beklagte waren in diese Vertragsverhandlungen involviert. Die P***** GmbH beauftragte danach den Beklagten mit der Errichtung der Kaufverträge. Der Beklagte erkundigte sich beim Geschäftsführer der P***** GmbH, ob dieser bereits die Anliegerkosten geleistet habe. Er erhielt die - von ihm nicht weiter überprüfte - Auskunft, die P***** GmbH werde die Anliegerleistungen selbst erbringen, Kosten würden dafür also nicht auflaufen. Ohne besonderen Auftrag schlüsselte der Beklagte in den Kaufverträgen den Kaufpreis so auf, daß zum jeweiligen (ziffernmäßig genannten) Kaufpreis (in allen Verträgen übereinstimmend) Anliegerkosten von S 100.000 kommen; danach wird die Summe dieser beiden Beträge genannt. Entsprechend der Vereinbarung der P***** GmbH mit den Käufern formulierte der Beklagte Punkt VII der Verträge folgendermaßen: "Im obigem Kaufpreis sind die laut Wiener Bauordnung (Anliegerleistung) gegenüber der Gemeinde zahlbaren Aufschließungskosten enthalten. Nicht enthalten sind die Anschlußgebühren für Strom, Wasser, Kanal, Gas, Telefon etc.".

Die P***** GmbH zahlte den Klägerinnen fristgerecht den vereinbarten Kaufpreis von S 2,100.000. Als bereits fünf Sechstel der Liegenschaft veräußert waren, ersuchte der Geschäftsführer der P***** GmbH im Februar 1989 die Klägerinnen, wegen Differenzen zwischen ihm und dem Beklagten die von ihnen dem Beklagten erteilte Vollmacht zu widerrufen. Wunschgemäß übersandten die Klägerinnen ein mit 17.2.1989 datiertes Schreiben, das am 29.3.1989 beim Beklagten einlangte; darin entbanden sie ihn von jeder Verpflichtung gegenüber den Klägerinnen und ersuchten ihn, den Rangordnungsbeschluß unverzüglich an Rechtsanwalt Dr.Peter S***** zu senden. Der Beklagte entsprach dieser Aufforderung der Klägerinnen.

Der Vertrag über die Veräußerung des letzten sechsten Anteils wurde von Dr.S***** verfaßt, der gleiche Vertragsformulierungen wie der Beklagte verwendete.

Der Beklagte hatte die von den Käufern enthaltenen Beträge nach Zahlung von S 2,100.000 an die Klägerinnen der P***** GmbH ausgefolgt.

Erst nach Verkauf auch des letzten Sechstel-Anteils schrieb die Magistratsabteilung 37 mit Bescheid vom 15.6.1990 den Erwerbern der Liegenschaftsanteile für die schon erfolgte Verlegung der Randsteine des Gehsteigs gemäß Bauordnung für Wien S 81.552,41 vor. Die Berufung der Käufer blieb erfolglos.

Als die Käufer von den Klägerinnen mit Schreiben vom 19.6.1991 die Bezahlung dieser Summe begehrten, wandten sich die Klägerinnen an den Beklagten, der mit Schreiben vom 14.10.1991 eine Haftung ablehnte und auf die Haftung der P***** GmbH hinwies. Über das Vermögen der P***** GmbH wurde am 25.10.1991 der Konkurs eröffnet. Die Klägerinnen machten im Konkurs der P***** GmbH keine Forderung geltend.

Auf Mahnklagen der Käufer ergingen gegen die Klägerinnen Zahlungsbefehle über insgesamt je S 87.167,81. Die Klägerinnen erhoben keine Einsprüche und leisteten am 27.11.1992 Zahlung.

Die Klägerinnen begehren vom Beklagten mit zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klagen die Zahlung von je S 87.230,81 sA; sie brachten vor, sie hätten dem Beklagten Spezialvollmacht zur Unterfertigung der Kaufverträge und zur grundbücherlichen Durchführung erteilt. Der Beklagte habe schuldhaft und ohne Wissen der Klägerinnen in jedem Kaufvertrag ausgeführt, daß im Kaufpreis Anliegerkosten von S 100.000 enthalten seien, ohne sich davon zu überzeugen, daß die P***** GmbH tatsächlich vereinbarungsgemäß die Anliegerkosten bezahlt hat. Eine derartige Aufteilung des Kaufpreises sei nie mit den Klägerinnen besprochen worden; die Klägerinnen hätten hiezu ohne Nachweis der Bezahlung der Anliegerkosten keine Zustimmung gegeben. Weiters hätte sich der Beklagte spätestens bei Weiterleitung des für Anliegerkosten eingesetzten Kaufpreisteilbetrags vergewissern müssen, daß diese Kosten bezahlt sind; ansonsten hätte er ihn nicht weiterleiten dürfen.

Der Beklagte wendete ein, er habe nur von der P***** GmbH den Auftrag zur Vertragsverfassung erhalten; er habe ausschließlich die P***** GmbH vertreten; die Klägerinnen seien selbst juristisch beraten und vertreten gewesen. Es wäre den Klägerinnen freigestanden, von der P***** GmbH eine Sicherstellung auf Rückersatz dieser Kosten zu begehren. Da er als Vertragsverfasser die Information gehabt habe, daß die P***** GmbH die Anliegerleistungen in natura erbringen werde, sodaß überhaupt keine Zahlungen anfallen, sei es nur logisch und folgerichtig gewesen, in den Kaufverträgen die Bestimmung vorzusehen, daß mit der Bezahlung des Kaufpreises auch die Anliegerkosten bezahlt sind.

Die Klägerinnen hätten in die laufende Abwicklung eingegriffen, den Beklagten mit Schreiben vom 17.2.1989 von jeder Verpflichtung entbunden und die weitere Abwicklung in die Hände von Rechtsanwalt Dr.S***** gelegt. Ohne den vereinbarungswidrigen Entzug der Abwicklung hätte der Beklagte aus dem Erlös des Verkaufs des letzten Sechstel-Anteils die Klagsforderung im Namen und auf Rechnung der P***** GmbH befriedigen können.

Darauf replizierten die Klägerinnen, der Beklagte habe diese Absicht offenbar nicht gehabt; ansonsten hätte er Rechtsanwalt Dr.S***** entsprechend informieren können.

Das Erstgericht wies die Klagen ab; neben dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt stellte es fest, daß der Beklagte erst nach Verkauf des letzten Sechstel-Anteils und Erhalt des Kaufpreises hiefür überprüfen wollte, ob die P***** GmbH allen Ansprüchen der Klägerinnen nachgekommen ist; erst danach wollte er den Geldbetrag der P***** GmbH ausfolgen bzw, falls noch Ansprüche der Klägerinnen offen wären, diesen letzten Geldbetrag zum Teil oder auch zur Gänze auf Depot belassen; einen entsprechenden Hinweis, eine solche Überprüfung vorzunehmen, gab er aber Dr.S***** nicht.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, die Klägerinnen hätten den Beklagten zwar bevollmächtigt, jedoch nicht beauftragt. Zwischen dem Beklagten, der den jeweiligen Auftrag zum Abschluß der Verträge mit den Käufern der Liegenschaftsanteile im Namen der Klägerinnen von der P***** GmbH erhalten habe, und den Klägerinnen habe daher bei Abschluß dieser Kaufverträge kein Vertragsverhältnis bestanden. Allerdings bestehe eine Haftung nach § 1299 ABGB auch dann, wenn der "Sachverständige" auch ohne Verpflichtung aufgrund eines Schuldverhältnisses seine Tätigkeit ausübe. Den Klägerinnen sei dadurch, daß sie den Erwerbern der Liegenschaftsanteile Kosten der Gehsteigherstellung ersetzen mußten, ein Schaden erwachsen. Zu prüfen bleibe, ob der Beklagte dem Sorgfaltsmaßstab des § 1299 ABGB entsprochen habe. Auszugehen sei davon, was die Klägerinnen dem Beklagten im Verfahren konkret vorwerfen. Zum Vorwurf, der Beklagte hätte die Vertragsformulierung, bei der Anliegerkosten von S 100.000 ausdrücklich genannt sind, nicht wählen dürfen, sei darauf hinzuweisen, daß der Beklagte in den Vertragsformulierungen mit den Liegenschaftserwerbern jedenfalls, entsprechend den Vereinbarungen zwischen den Liegenschaftserwerbern und der P***** GmbH eine Klausel aufnehmen mußte, wonach die Anliegerkosten im Kaufpreis bereits enthalten sind (also vom Verkäufer getragen werden). Diese Vertragsformulierung werde von den Klägerinnen auch nicht als fehlerhaft gerügt. Schon aufgrund dieser Vertragsformulierungen hätten die Liegenschaftsanteilserwerber gegen die Klägerinnen als grundbücherliche Veräußerer der Liegenschaftsanteile den Anspruch auf Ersatz der ihnen durch Bescheid auferlegten Anliegerkosten. Daran hätte sich auch dann nichts geändert, wenn der Beklagte die Aufschlüsselung des Kaufpreises nicht vorgenommen habe. Die Aufschlüsselung des Kaufpreises sei somit für den Schadenseintritt bei den Klägerinnen nicht kausal.

Die Vertragsformulierung, wonach die Anliegerkosten vom Liegenschaftseigentümer getragen würden, habe der Beklagte schon aufgrund der Vereinbarung der P***** GmbH mit den Klägerinnen und aufgrund der Vertragsvereinbarungen mit den Käufern in die Verträge mit diesen aufnehmen müssen. Auch hier habe er nicht sorgfaltswidrig gehandelt.

Zum Vorwurf, der Beklagte hätte sich davon überzeugen müssen, daß die Anliegerkosten von der P***** GmbH tatsächlich erbracht wurden, sei darauf hinzuweisen, daß der Beklagte vor Überweisung des erlösten Kaufpreises für das letzte Sechstel eine solche Überprüfung vorgenommen hätte. Obendrein wäre es dem Beklagten wohl kaum möglich gewesen, im Frühjahr 1989 bereits festzustellen, daß die Magistratsabteilung 37 im Juni 1990 solche Anliegerkosten vorschreiben würde. Zwischen der P***** GmbH und den Klägerinnen habe es aber keine Vereinbarung gegeben, wonach die P***** GmbH die Tragung der Anliegerkosten sicherstellen müssse. Die Klägerinnen hätten dem Beklagten nicht angelastet, daß er auf eine solche Vereinbarung hätte hinwirken oder hinweisen soll.

Schließlich könne dem Beklagten auch nicht angelastet werden, daß er den als Anliegerkosten gewidmeten Kaufpreisteilbetrag weitergeleitet habe, ohne sich davon zu überzeugen, ob die Anliegerkosten tatsächlich beglichen wurden. Nach den Feststellungen habe der Beklagte eine solche Überprüfung nach Erhalt des Kaufpreiserlöses für das letzte Liegenschaftssechstel noch durchführen wollen. Die Klägerinnen hätten dem Beklagten aber die Vollmacht entzogen. Dem Beklagten sei daher die Möglichkeit genommen worden, einen Geldbetrag auf Depot zu behalten. Wie aus dem Schreiben der Klägerinnen an den Beklagten ersichtlich, sei mit der weiteren Vertragsverfassung abermals ein Rechtsanwalt betraut worden. Der Beklagte habe durchaus davon ausgehen können, daß dieser Rechtsanwalt seinerseits Urkunden zur Verfügung gestellt bekommen würde. Obendrein treffe ja auch diesen Rechtsanwalt der Sorgfaltsmaßstab nach § 1299 ABGB. Der Beklagte sei keineswegs verpflichtet gewesen, nach Entzug der Vollmacht seinem Nachfolger, ebenfalls einem Rechtsanwalt, Ratschläge zu erteilen. Die Klägerinnen haben auch nicht konkret behauptet, daß der Beklagte durch die Unterlassung solcher Ratschläge sorgfaltswidrig gehandelt hätte. Die Vorgangsweise des Beklagten habe somit dem Sorgfaltsmaßstab des § 1299 ABGB entsprochen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, die ordentliche Revision sei mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig; es billigte die Rechtsausführungen des Erstgerichtes und führte ergänzend aus, die Klägerinnen wendeten sich nicht gegen Punkt VII der Kaufverträge, den der Beklagte jedenfalls entsprechend der Vereinbarung der P***** GmbH mit den Käufern derart formuliert habe, daß in dem in Punkt V genannten Kaufpreis die laut Wiener Bauordnung (Anliegerleistung) gegenüber der Gemeinde zahlbaren Aufschließungskosten enthalten sind. Aus dieser Bestimmung folge jedenfalls, daß die Käufer, wenn sie von der Gemeinde wegen Anliegerkosten in Anspruch genommen werden, im Rahmen der Gewährleistung von den Verkäufern Ersatz begehren können. Die Aufsplittung des Kaufpreises in Punkt V der Kaufverträge sei also nicht die Ursache dafür gewesen, daß sich die Käufer der Liegenschaftsanteile bei den Klägerinnen regressieren konnten.

Da der Beklagte den Klägerinnen gegenüber in keiner Weise zu etwas vertraglich verpflichtet gewesen sei, habe für ihn auch kein Anlaß bestanden, nach Kündigung der Vollmacht durch die Klägerinnen seinem Nachfolger Dr.S***** irgendwelche Ratschläge zu geben. Im übrigen hätten die Klägerinnen die Unterlassung einer "Aufklärung" des Dr.S***** durch den Beklagten diesem auch gar nicht als Sorgfaltswidrigkeit vorgeworfen.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Klägerinnen ist zulässig und berechtigt.

Die Pflichten des Gewalthabers nach § 1009 ABGB gelten für jegliches Tätigwerden eines Bevollmächigten oder Ermächtigten; auch das Verhalten eines bloß Bevollmächtigten wird an § 1009 ABGB gemessen (Strasser in Rummel, ABGB2, Rz 1 zu § 1009; Apathy in Schwimann, ABGB2, Rz 1 zu § 1009, jeweils mwN). Auch wenn die Klägerinnen den beklagten Rechtsanwalt bloß bevollmächtigt haben, sind seine Pflichten nach § 1009 ABGB zu messen. Aus dem Umstand, daß der beklagte Rechtsanwalt Beauftragter der P***** GmbH war, ergibt sich keine Änderung seiner Sorgfaltspflichten den Klägerinnen gegenüber. Führt der Gewalthaber Geschäfte mehrerer Machtgeber, so hat er alle mit gleicher Sorgfalt zu behandeln und vor Interessengefährdung zu bewahren (RdW 1990, 375; SZ 34/153 ua; Strasser in Rummel2, Rz 10 zu § 1009; Apathy in Schwimann2, Rz 5 zu § 1009).

Der Umfang der Pflichten des Machthabers richtet sich nicht nur nach dem Wortlaut des Auftrags, sondern nach dem ihm bekannten Geschäftszweck (SZ 34/153; Apathy in Schwimann2, Rz 3 zu § 1009). Für den Beklagten als Rechtsanwalt kommen die Sorgfaltspflichten nach dem erhöhten Maßstab des § 1299 ABGB voll zum Tragen (Strasser in Rummel2, Rz 8 zu § 1012; Apathy in Schwimann2, Rz 5 zu § 1009, Rz 2 zu § 1012, jeweils mwN). Übertriebene Anforderungen, die über den Durchschnittsstandard vergleichbarer Fachgenossen hinausgehen, dürfen aber nicht gestellt werden (Strasser aaO mwN; Apathy in Schwimann2, Rz 2 zu § 1012).

Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich im vorliegenden Fall, daß dem beklagten Rechtsanwalt entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanzen eine Verletzung der ihm den Klägerinnen gegenüber obliegenden Sorgfaltspflicht zur Last zu legen ist.

Die Klägerinnen sehen eine solche Sorgfaltspflichtverletzung des Beklagten darin, er habe in jedem von ihm als ihrem Bevollmächtigten errichteten Kaufvertrag ohne ihr Wissen angeführt, daß im Kaufpreis Anliegerkosten von S 100.000 enthalten sind (Punkt VI), die laut Wiener Bauordnung (Anliegerleistung) gegenüber der Gemeinde zahlbaren Aufschließungskosten (Punkt VII). Aus der Aufnahme einer derartigen Vertragsbestimmung ergibt sich für den Beklagten als Bevollmächtigten der Klägerinnen und Vertragsverfasser eine erhöhte Sorgfaltsverpflichtung, weil damit die Haftung der Klägerinnen den Käufern gegenüber für den Fall begründet wurde, daß die Käufer entgegen dieser Vertragsbestimmung zur Zahlung derartiger Aufschließungskosten verhalten werden. Der Beklagte durfte sich daher nicht mit der Erklärung der Aufschließungsgesellschaft, daß diese Aufschließungskosten bereits von ihr getragen wurden, vor Ausfolgung des Kaufpreises an sie begnügen. Von dieser Sorgfaltspflicht den Klägerinnen gegenüber wurde der Beklagte nicht dadurch befreit, daß ihm die Vollmacht vor der Durchführung des letzten, den letzten Sechstel-Anteil betreffenden Kaufvertrags gekündigt wurde. Der Beklagte durfte keineswegs davon ausgehen, daß der nunmehr mit der Durchführung dieses letzten Kaufvertrags beauftragte Rechtsanwalt eine derartige Kontrolle vornimmt; nicht nachvollziehbar ist, aus welchen Gründen der Beklagte, der vor Ausfolgung des diesen letzten Anteil betreffenden Kaufvertrags noch eine entsprechende Kontrolle durchführen wollte und somit als notwendig erachtete, auch eine entsprechende Information dess nunmehrigen Rechtsanwalts unterließ. Der Umstand, daß dieser ebenfalls eine derartige Vertragsbestimmung aufnahm, kann den Beklagten aus seiner Haftung für die Sorgfaltspflichtverletzung bei der Abwicklung der vorangegangenen Kaufverträge nicht befrreien.

Die vom Beklagten in der Revisionsbeantwortung angeführte Rechtsprechung zur Verpflichtung zur Aufklärung über wirtschaftliche Auswirkungen betrifft nicht vergleichbare Sachverhalte. Hier hat der Rechtsanwalt als Vertragsverfasser die Sorgfalt verletzt, indem er das Vorliegen eines im Vertrag vorausgesetzten Umstandes (bereits erfolgte Zahlung der Aufschließungskosten durch die Gesellschaft, welche die Aufschließung der Liegenschaft übernommen hat) nicht überprüft und Gelder an diese Gesellschaft weitergeleitet hat. Dies stellt jedoch eine Sorgfaltspflichtverletzung des Rechtsanwalts gegenüber den Verkäufern und grundbücherlichen Eigentümern, die ihm Vollmacht erteilt haben, dar (vgl schon MietSlg XXV/10; Apathy in Schwimann2, Rz 6 zu § 1012 zur Sorgfaltspflichtverletzung des Rechtsanwalts, der als Vertragsverfasser das Vorliegen einer im Vertrag als vorhanden genannten Baubewilligung nicht überprüft hatte).

Daraus, daß die Erstklägerin bei Vertragserrichtung von Dritten juristische Auskünfte eingeholt hat, ergibt sich keine geringere Sorgfaltspflicht des beklagten Rechtsanwalts, da die Klägerinnen als rechtsunkundig anzusehen sind.

Eine abschließende Beurteilung der Berechtigung der Klagsforderung ist dem Obersten Gerichtshof jedoch nicht möglich, weil das Erstgericht keine ausreichenden Feststellungen getroffen hat; aus dem Umstand, daß die Klägerinnen keine Einsprüche gegen Zahlungsbefehle erhoben und Zahlung geleistet haben, folgt nicht die Berechtigung ihrer Forderungen dem Beklagten gegenüber.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

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