OGH 6Ob2397/96k

OGH6Ob2397/96k17.7.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****-Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr.Josef Olischar, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dipl.Ing.Alfred F*****, vertreten durch Dr.Axel Friedberg, Rechtsanwalt in Wien, wegen 4,411.213 S und Feststellung (Streitwert 400.000 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 15.Oktober 1996, GZ 12 R 122/96s-106, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 28.Mai 1996, GZ 20 Cg 219/93k-99, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 27.446,21 S (darin 4.574,37 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin beauftragte den Beklagten am 30.1.1980 in ihrer Eigenschaft als Generalunternehmerin des Bauvorhabens "Distributionszentrum ***** mit Ziviltechnikerleistungen, die insbesondere die Erstellung der kompletten Statik, von Polierplänen für Fertigteile sowie Detailplanung und -zeichnungen umfaßte. Der Beklagte übernahm hiefür gegenüber dem Auftraggeber die volle Haftung und erklärte, diesen gegenüber allfälligen Ansprüchen Dritter schad- und klaglos zu halten.

Einige Zeit nach Inbetriebnahme des Baues traten im Herbst 1993 Kassettendeckeneinbrüche auf, deren Ursachen nach dem ersten Eindruck sowohl Fehler in der statischen Berechnung als auch Substanzfehler der Bauteile und deren Einarbeitung in das Objekt sein konnten. Nach Nachberechnungen der Statik durch ein Zivilingenieurbüro wurden die Schäden behoben. Die Haftpflichtversicherung des Beklagten ersetzte hiefür 3,9 Mio S. Danach traten eine ganze Reihe weiterer, wesentlich gravierenderer Schäden auf. Da der Beklagte nach Sachverhaltsdarstellung und Aufforderung zur Stellungnahme einen Zusammenhang seiner erbrachten Leistungen mit den neu aufgetretenen Schäden verneinte, sah sich die Klägerin veranlaßt, beim Bezirksgericht Donaustadt am 18.Juni 1986 zu 8 Nc 11/86 gegen ihren Subunternehmer, die B***** GmbH, ein Beweissicherungsverfahren einzuleiten, an welchem der Beklagte nicht beteiligt war. Es liefen Kosten von insgesamt 477.753,36 S auf. Das Verfahren ergab neben Ausführungsmängeln auch Mängel in der Statik. Der Bauherr hatte wegen der gravierenden Mängel und der Notwendigkeit der Erstellung von Sanierungsplänen mehrere Sachverständige beauftragt, die eine ganze Reihe von Mängeln in den statischen Berechnungen des Beklagten und in dessen Plänen aufdeckten. Diese waren zum Teil falsch, fehlten überhaupt oder entsprachen nicht den Bestimmungen der Ö-Norm. Diese Mängel erforderten kostenaufwendige, umfangreiche ergänzende Berechnungen, Planungen und Untersuchungen der Betongüte. Die dem Beklagten und nicht den bauausführenden Firmen anzulastenden angemessenen Gutachtenskosten betragen für fünf erstellte Teilgutachten des Zivilingenieurs Dipl.Ing.B***** 2,410.266 S (ohne Umsatzsteuer), für das Gutachten der Gruppe Dipl.Ing.F***** 589.512 S (zu zahlende Umsatzsteuer 58.951,20 S). Wegen der Mängel forderte die Bauherrin von der Klägerin eine Verlängerung der Bankgarantie, wodurch Spesen von 333.726,07 S aufliefen. Erst durch das Ergebnis des Beweissicherungsverfahrens und spätestens durch das vierte Teilgutachten Dipl.Ing.B*****s vom Juli 1986 stand fest, daß die aufgetretenen Schäden zum ganz überwiegenden Teil auf gravierende Mängel in der Statik zurückzuführen waren. Es kann nicht festgestellt werden, daß weitere Mängel aufgrund der Fehler des Beklagten an dem Bauobjekt auftreten können. Es sind noch nicht alle Schäden behoben, eine exakte Ermittlung der Gesamtkosten ist noch nicht möglich.

Mit Klage vom 14.1.1987 begehrt die Klägerin (nach Ausdehnung und Einschränkung im zweiten Rechtsgang) zuletzt

an Gutachtenkosten Dipl.Ing.B*****s 2,410.266,-- S

an Gutachtenkosten

Gruppe Dipl.Ing.F***** 589.512,-- S

20 % Umsatzsteuer aus diesen

Beträgen 599.955,60 S

Verlängerung der Bankgarantie 333.726,07 S

Kosten des Beweissicherungsverfahrens 474.753,36 S

Gesamtsumme 4,411.213,03 S

sowie die Feststellung, daß der Beklagte der Klägerin für alle weiteren Schäden aus der unvollständigen und fehlerhaften Statik für das Bauvorhaben Distributionszentrum *****, insbesondere aufgrund einzelner, gesondert in den Punkten a) bis f) aufgelisteter Fehler hafte. Der Beklagte habe alle aufgelaufenen Kosten durch seine fehlerhafte Arbeit und sein Verhalten verschuldet.

Der Beklagte bestritt, Fehlleistungen begangen zu haben, die Notwendigkeit und Höhe der aufgewendeten Kosten, daß er für die Kosten des nicht gegen ihn gerichteten Beweissicherungsverfahrens hafte, die geltend gemachte Umsatzsteuer und die Berechtigung des Feststellungsbegehrens. Das gesamte Klagebegehren sei überdies verjährt. An offenem Honorar für eine andere Tätigkeit zugunsten der Klägerin wandte er eine Gegenforderung von 1,085.384,60 S kompensando ein.

Nachdem der Oberste Gerichtshof im ersten Rechtsgang ein Teilurteil gefällt und die Entscheidung der Vorinstanzen im übrigen aufgehoben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen hatte, erkannte das Erstgericht das Klagebegehren mit 3,423.709,90 S, die Gegenforderung mit 1,085.384,60 S als zu Recht bestehend und daher die Beklagte schuldig, der Klägerin 2,338.325,30 S samt 4 % Zinsen seit 21.9.1987 zu zahlen; das Mehrbegehren von 1,387.503,10 S sA wies es ab. Dem Feststellungsbegehren gab es in den Punkten a), b), c) und e) statt und wies es in den Punkten d) und f) ab.

Von den geltend gemachten Gutachtenskosten Dipl.Ing.B*****s sei ein Teilbetrag von 810.266 S, der erst mit Schriftsatz vom 23.5.1990 mit Klageausdehnung geltend gemacht worden sei, verjährt. Umsatzsteuer gebühre in Höhe von 10 % für die Gutachtenskosten der Gruppe Dipl.Ing.F*****, weil in den geltend gemachten Gutachtenkosten Dipl.Ing.B*****s keine Umsatzsteuer enthalten gewesen und auch nicht geltend gemacht worden sei. Die Kosten für die Verlängerung der Bankgarantie habe der Beklagte zu vertreten, von den Kosten des Beweissicherungsverfahrens gegen den Subunternehmer, für das das Verhalten des Beklagten davor ursächlich und verschuldet gewesen sei, seien dem Beklagten 93 % anzulasten. Der Feststellungsanspruch zu den Punkten d) und f) sei bereits im Zeitpunkt seiner Erhebung verjährt gewesen.

Das Berufungsgericht gab den Berufungen beider Parteien teilweise Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, daß es die eingeklagte Forderung mit 3,833.975,90 S, die eingewendete Gegenforderung mit 1,085.384,60 S als zu Recht bestehend und daher den Beklagten schuldig erkannte, der Klägerin 2,748.591,30 samt 4 % Zinsen seit 21.9.1987 zu zahlen. Das Mehrbegehren von 1,662.621,70 S sA und das gesamte Feststellungsbegehren wurde zur Gänze, also in seinen Punkten

a) bis f) abgewiesen.

Seit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes im ersten Rechtsgang habe sich eine wesentliche Änderung der Rechtslage ergeben, weil der Oberste Gerichtshof mit Entscheidung des verstärkten Senates vom 19.12.1995, 1 Ob 621/95 nunmehr die Rechtsansicht vertrete, daß der Beginn der kurzen Verjährung von Schadenersatzansprüchen nicht vor Eintritt des Schadens zu laufen beginne. Damit sei auch die vom Berufungsgericht in seinem Aufhebungsbeschluß zur Frage der Verjährung ausgesprochene Rechtsansicht überholt, weil es auf eine Erkennbarkeit weiterer Schäden, die aus dem Fehlverhalten des Beklagten resultieren könnten, nicht mehr ankomme. Die Verjährungsfrist beginne nicht vor dem Eintritt der einzelnen Schäden. Der Schaden, der sich im vorliegenden Fall unter anderem dadurch ergeben habe, daß Gutachten zur Überprüfung der vom Beklagten gelieferten Statik hätten eingeholt werden müssen, sei nicht vor Erhebung der jeweiligen Forderungen durch die Gutachter entstanden. Daraus ergebe sich, daß der Berufung der Klägerin insoweit Berechtigung zukomme, als sie sich gegen die Abweisung eines Mehrbegehrens für Gutachtenskosten von 810.266 S wende; diese seien nicht verjährt. Das gleiche gelte für die Kosten des Beweissicherungsverfahrens, die nicht mehr als drei Jahre vor Klagseinbringung entstanden seien. Erst durch das Beweissicherungsverfahren und das vierte Teilgutachten Dipl.Ing.B*****s nach dem ersten Kassettendeckeneinbruch und dessen Sanierung seien die weiteren, viel gravierenderen statischen Fehler dem Beklagten zurechenbar gewesen. Zur Frage des Begehrens von Umsatzsteuer habe der Beklagte kein konkretes Vorbringen erstattet, darauf könne daher nicht eingegangen werden. Im Hinblick auf die geänderte Rechtsprechung zur Frage des Beginnes der kurzen Verjährungsfrist für Schadenersatzansprüche sei ein Feststellungsinteresse für Ersatzansprüche, die zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz noch gar nicht entstanden seien, zu verneinen. Zur Geltendmachung solcher Ansprüche könne im Falle ihres tatsächlichen Entstehens, ohne eine Verjährung befürchten zu müssen, innerhalb der ab Entstehen laufenden Verjährungsfrist jederzeit eine Leistungsklage erhoben werden. Aus Statikfehlern des Beklagten seien keine neuen Schäden zu erwarten. Da noch nicht alle vom Beklagten verursachten Schäden behoben seien und eine exakte Ermittlung der Höhe dieser Kosten noch nicht vorgenommen werden könne, entstehe der Schaden im Vermögen der Klägerin erst, wenn sie zur Ersatzleistung herangezogen werde.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil die Auswirkungen der neuen Judikatur über den Beginn der Verjährungsfrist auf Feststellungsklagen noch einer Klärung durch den Obersten Gerichtshof bedürfe.

Rechtliche Beurteilung

Die nur vom Beklagten erhobene Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Verjährung von Folgeschäden aus einem einheitlichen Schadenereignis abgewichen ist; sie ist aber im Ergebnis nicht berechtigt.

In der Entscheidung des verstärkten Senates wurde ausgesprochen, daß die kurze Verjährung von Ersatzansprüchen (§ 1489 erster Satz ABGB) nicht vor dem tatsächlichen Eintritt des Schadens zu laufen beginne.

Allerdings wurde in diesem Erkenntnis schon darauf hingewiesen, daß

aus ihm nicht unmittelbar abzuleiten sei, nunmehr löse jeder sich in

der Sphäre des Geschädigten realisierende Folge-(Teil-)Schaden den

Lauf einer eigenen neuen, gesonderten Verjährungsfrist aus. Es sei

vielmehr festzuhalten, daß die dargelegten rechtlichen Überlegungen

im Falle der zeitlich gedehnten Entstehung mehrerer Teilschäden nur

für den relevanten "Erstschaden" uneingeschränkt Gültigkeit habe und

das Erheben einer Feststellungsklage bei vorhersehbaren Folgeschäden

dann kaum beschwerlich und risikoreich sei, wenn aufgrund des

Eintrittes des "Erstschadens" die Leistungsklage ohnedies bereits

indiziert sei. Diese Ausführungen hat der Oberste Gerichtshof in der

Folge in mehreren Entscheidungen weiter präzisiert: "Der der

Prozeßökonomie dienende Zweck des Verjährungsrechtes verbietet es,

die Verjährung jedes folgenden Teilschadens erst mit dessen Entstehen

beginnen zu lassen. Ist ein, wenn auch der Höhe nach noch nicht

bezifferbarer Schaden einmal eingetreten, so sind damit alle

Voraussetzungen für den Ersatzanspruch gegeben und ist dieser dem

Grunde nach entstanden. Der drohenden Verjährung seines Anspruches

auf Ersatz der künftigen, aber schon vorhersehbaren Schäden hat der

Geschädigte daher dann, wenn ihm schon ein primärer Schaden

entstanden ist, mit einer Feststellungsklage innerhalb der

Verjährungsfrist zu begegnen" (5 Ob 2101/96y ua). Die Ansicht des

Berufungsgerichtes, die Klägerin könne nun für alle weiteren, aus den

seit dem Beweissicherungsverfahren (spätestens seit dem vierten

Teilgutachten Dipl.Ing.B*****s) dem Beklagten kausal zurechenbaren

Fehlern in der Statik die bis zum Schluß der mündlichen Verhadlung

erster Instanz der Höhe nach noch nicht bezifferbaren Schäden jeweils

gesondert einklagen, ist daher verfehlt. Diesen Teil oder

Folgeschäden war, wie es die Klägerin auch tatsächlich getan hat,

durch Feststellungsklage zu begegnen. Das bedeutet aber, daß die in

der Klage nur soweit bezifferten Forderungen der Gutachten

Dipl.Ing.B*****s, als sie zum damaligen Zeitpunkt bereits bekannt

waren, nach Abschluß der Gutachtenstätigkeit und nach Vorliegen des

Sachverständigengutachtens über den berechtigten dem Beklagten

anrechenbaren Anteil daran mit Klageausdehnung vom 23.5.1990 als noch

nicht verjährt geltend gemacht werden konnten. Das Begehren der

Klägerin lautete nämlich generell, die Haftung des Beklagten aus der

fehlerhaften Statik festzustellen und wurde nur insoweit näher

erläutert, als insbesondere (also nur demonstrativ) eine Haftung für

die in den Punkten a) bis f) angeführten Fehler ausgesprochen werden

sollte. Daß durch das Berufungsgericht nunmehr das

Feststellungsinteresse der Klägerin an der Haftung des Beklagten für

noch nicht bezifferbare, erst künftig eintretende Schäden zur Gänze

verneint hat, wurde von der Klägerin nicht bekämpft.

Zu Unrecht hat das Berufungsgericht auch die Behandlung der vom

Beklagten im Rahmen seiner Rechtsrüge behaupteten mangelnden

Berechtigung der Klägerin, ihr verrechnete Umsatzsteuer zu begehren,

abgelehnt. Im Rahmen einer gesetzgemäß ausgeführten Rechtsrüge in der

Berufung sind alle rechtlichen Gesichtspunkte zu berückichtigen. Es

entspricht jedoch der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß

nach Art XII Z 3 EGUStG 1972 die Berechtigung zum Vorsteuerabzug die

Bemessung des Schadenersatzes nicht berührt, der Ersatzpflichtige

vielmehr auf einen Rückersatzanspruch verwiesen wird. Die klare

Absicht des Gesetzgebers geht dahin, aus dem Prozeß über den Ersatz

einer Sache oder Leistung die Frage der Berechtigung zum Abzug der

Vorsteuer und daraus ableitbare Ansprüche des Ersatzpflichtigen auszuklammern (SZ 50/8 ua).

Zur Frage der zugesprochenen Kosten des Beweissicherungsverfahrens hat der erkennende Senat bereits in seiner Entscheidung vom 22.9.1993 im ersten Rechtsgang Stellung genommen.

Der Revision kommt daher im Ergebnis keine Berechtigung zu.

Der Ausspruch über die Kosten der Revisionsbeantwortung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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