OGH 15Os97/97

OGH15Os97/9710.7.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 10.Juli 1997 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder, Dr.Rouschal, Dr.Schmucker und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Benner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Rudolf W***** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG[, teils] als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 16.Jänner 1997, GZ 8 Vr 3298/95-115, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Rudolf W***** des Verbrechens nach § 12 Abs 1 erster Fall SGG [teils] als Beteiligter nach § 12 dritter Fall SGG (I.) sowie des teilweise in der Entwicklungsphase des Versuchs (§ 15 StGB) verbliebenen Vergehens nach § 16 Abs 1 zweiter, vierter und fünfter Fall SGG (II.) schuldig erkannt und zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt.

Danach hat er - soweit dies für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung ist - zu I. zwischen 1992 [entgegen der in der Hauptverhandlung auf den Tatzeitbeginn 1990 mündlich ausgedehnten Anklage - vgl 449 oben/III -, was vom Staatsanwalt aber nicht bekämpft wird] und 7.September 1995 in St.Ruprecht an der Raab den bestehenden Vorschriften zuwider ["Suchtgift in einer großen Menge teils erzeugt"; indes in Ansehung der Erzeugung unrichtig, weil insoweit ein unangefochten gebliebener Freispruch erging - vgl I.1. der Anklageschrift S 65/II und die bezughabende Anklagebegründung S 71 vierter und sechster Absatz/II iVm US 3 unten; 9 zweiter Absatz -; daher nach den Feststellungen in den Entscheidungsgründen nur:] zur Erzeugung von Suchtgift in einer großen Menge durch andere dadurch beigetragen, daß er nachgenannten, deswegen gesondert verfolgten Personen teils ganze, teils zerkleinerte Mohnkapseln zur Herstellung von morphinbasehältigem Tee verkaufte oder unentgeltlich überließ, und zwar

a) dem Karl S***** ca 100 kg,

b) dem Gerd J***** ca 10 bis 14 kg,

c) über Huber L***** der Andrea P***** 2,16 kg.

Hingegen wurde der Angeklagte - wie schon erwähnt - von dem weiter gegen ihn erhobenen Anklagevorwurf, er habe in der Zeit von 1992 bis 7. September 1995 in St.Ruprecht an der Raab den bestehenden Vorschriften zuwider teils Suchtgift erzeugt, indem er eine nicht näher bekannte Menge Morphin-Base enthaltenden Tee durch Auskochen von Mohnkapseln herstellte, teils zur Erzeugung von Suchtgift durch andere beigetragen, indem er einige Säckchen Mohnkapseln an Wolfgang M***** überließ, gemäß § 259 Z 3 StPO unangefochten freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Ausdrücklich nur das Schuldspruchsfaktum I.a,b und c bekämpft der Angeklagte mit einer auf Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; den Strafausspruch ficht er mit Berufung an.

Mit dem zuerst genannten Nichtigkeitsgrund (Z 4) rügt der Beschwerdeführer zu Unrecht das (entgegen der Bestimmung des § 238 Abs 1 StPO nicht sogleich, sondern - von den Prozeßparteien allerdings unbeanstandet hingenommen - erst im Anschluß an die Urteilsverkündung mündlich ergangene) Zwischenerkenntnis des Gerichtshofes, mit dem die von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung vom 16.Jänner 1997 gestellten Beweisanträge auf Beiziehung eines Sachverständigen (aus dem Fach der Botanik) und des Landwirtschaftsministeriums (471 f/III) mit der Begründung abgewiesen wurden, es sei vollkommen irrelevant, welche Mohnsorten angebaut wurden und ob diese Mohnköpfe in Österreich zu extrahieren seien (477/III).

Indes widerfuhr dem Rechtsmittelwerber hiedurch keine Verletzung oder Beeinträchtigung seiner Verteidigungsrechte.

Die Behauptung des Angeklagten, daß der von ihm angebaute (und nach der Ernte in Form getrockneter, teils zerriebener Mohnköpfe an mehrere Personen weitergegebene) "Mohn an sich zur Herstellung von Morphinbase ungeeignet ist", wird nicht nur durch die Aussagen der in der Hauptverhandlung teilweise auch als Zeugen vernommenen Abnehmer widerlegt, wonach sie daraus sehr wohl zur Befriedigung ihrer Sucht morphinbasehältigen Mohntee herstellten (vgl 209 ff, 257 ff/I; 141/II; 195 ff, 289 f, 297, 377, 383, 391, 393 f, 395 f/III; 457, 459/IV), sondern ebenso durch das in der Hauptverhandlung vorgetragene und erörterte Gutachten des Sachverständigen für chemische Toxikologie am gerichtlich-medizinischen Institut der Universität Graz, Dr.Horst U*****, der nach seinen Untersuchungen ua für die sichergestellten 17 kg Mohnköpfe einen Reinheitsgehalt von 34 Gramm Morphinbase errechnete und in einem Liter Mohntee 70 mg Morphin feststellte (461 ff/III).

Angesichts dieser schlagenden Verfahrensergebnisse wäre der Beschwerdeführer aber verpflichtet gewesen, bereits bei Antragstellung darzulegen, daß die Begutachtung vorliegend schwierig ist, aus welchen Gründen die - nur ausnahmsweise erforderliche - Beiziehung eines zweiten Sachverständigen dennoch für ihn entlastende Tatsachen erbracht hätte (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 19 r, 19 s uam) und weshalb die vom Angeklagten veräußerten Mohnköpfe eine andere Beschaffenheit als die bei ihm verbliebenen - gleichfalls aus seinem Anbau stammenden - Mohnköpfe aufgewiesen haben sollten. Da dies nicht geschehen ist, wurde der Beweis zu Recht nicht aufgenommen.

Im übrigen ist es für die aktuelle Sachentscheidung unerheblich, ob - was geradezu notorisch ist - asiatische Mohnarten eine höhere Eignung zur Herstellung von Morphin-Base besitzen. Außer Frage steht ferner die Tatsache, daß staatlich geförderter Anbau (Aufzucht) und Verkauf von Mohnstroh und Mohnkapseln aus behördlich überprüftem Saatgut zwecks Gewinnung eines Suchtgiftes ausnahmslos verboten ist (§ 3 Abs 2 SGG).

Was den Antrag auf Beiziehung eines Sachverständigen des Landwirtschaftsministeriums anlangt, ist dieser schon vom Ansatz her verfehlt. Über das Bestehen und den Inhalt von Rechtsvorschriften ist kein Sachverständigenbeweis aufzunehmen (Mayerhofer aaO § 281 Z 4 E 124), sondern - bei Vorliegen aller Voraussetzungen - nur zur Beurteilung einer Tatfrage. Außerdem wird dem Beschwerdeführer nicht angelastet, generell gegen im Tatzeitraum für die Steiermark bestehende Verwaltungsvorschriften verstoßen zu haben, wonach Mohn, Mohnkapseln und Mohnprodukte vor Weitergabe in besonderer Form extrahiert bzw zu menschlichem Genuß ungeeignet gemacht werden müssen. Vielmehr wurde er ausschließlich deshalb verurteilt, weil er den bestehenden Vorschriften zuwider (vgl § 3 Abs 2 SGG) einen Teil der von ihm (legal) angebauten und geernteten Mohnkapseln mit zumindest bedingtem Vorsatz an Personen weitergegeben und dadurch beigetragen hat, daß diese daraus Suchtgift in einer großen Menge, nämlich morphinbasehältigen Mohntee, herstellten (US 4 ff).

Soweit die Mängelrüge (Z 5) im ersten Teil ihres Vorbringens dagegen remonstriert, daß der im Punkt I. des Urteilssatzes angeführte Vorwurf, der Angeklagte habe Suchtgift in einer großen Menge "teils erzeugt", mangelhaft begründet sei und Feststellungen dazu fehlten, genügt der Hinweis, daß - wie schon angemerkt wurde - bei der gebotenen komplexen Betrachtungsweise von Urteilsspruch und gesamten Entscheidungsgründen unzweifelhaft erkennbar ist, daß der gerügte Passus bloß irrtümlich von der Anklageschrift übernommen wurde, obgleich in diesem Umfang ausdrücklich ein unbekämpft gebliebener Freispruch erging (vgl abermals US 3 unten sowie die allerdings unvollständigen Ausführungen US 9 zweiter Absatz iVm dem Inhalt des Punktes I.1. und der bezugnehmenden Anklage- begründung S 65, 71/II), sodaß darauf nicht näher eingegangen werden muß.

Im zweiten Teil ihrer Ausführungen greift die Mängelrüge einen - fallbezogen unbedeutenden und überflüssig angeführten, in der Beschwerdeschrift zudem nicht urteilsgetreu wiedergegebenen - Oppositionssatz aus dem Zusammenhang heraus (US 5 dritter Absatz) und knüpft daran - unter Vernachlässigung des wesentlichen Inhaltes des dazugehörigen Hauptsatzes - die urteilsfremde Vermutung, es könne daraus nicht geschlossen werden, daß der in diesen Jahren (1992 bis 1994) angebaute Mohn überhaupt zur Herstellung von Morphinbase geeignet war. Im Zusammenhang gelesen ergibt sich eindeutig, daß zwar die Mohnsorte nicht mehr festgestellt werden konnte, wohl aber, daß diese Sorte - wie aus verbliebenen sichergestellten Mohnköpfen ermittelt werden konnte - den konstatierten Morphingehalt aufwies. Ebenso wird mit punktuell hervorgehobenen und isoliert - demnach sinnentstellt - betrachteten Details aus den Aussagen der Andrea P*****, DI Michaela Z***** und Karl S*****, aus denen - nach Meinung des Beschwerdeführers - Feststellungen in subjektiver Hinsicht zu seiner inkriminierten Beitragstäterschaft nicht gezogen werden können, der angerufene Nichtigkeitsgrund nicht gesetzmäßig dargetan; vielmehr wird lediglich nach Art einer im Rechtsmittelverfahren gegen schöffengerichtliche Urteile nicht vorgesehenen Schuldberufung unzulässig, somit unbeachtlich, die vom Schöffengericht auf der Basis der gesamten Verfahrensergebnisse nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) formal einwandfrei begründete Lösung der Schuldfrage (konkret über das Vorliegen des spezifischen, zumindest bedingten Vorsatzes bei Weitergabe an die im Urteil namentlich bezeichneten Personen) kritisiert.

Unter der in der Beschwerdeschrift bezeichneten ON 5 erliegt der Beschluß über die Verhängung der Untersuchungshaft, aber keine Aussage des Gerd J*****. Ebensowenig findet sich unter der von der Beschwerde zitierten "AS 81" in keinem der vier Aktenbände eine Aussage des Genannten. Dessen in der Hauptverhandlung vom 15.März 1996 abgelegte Zeugenaussage (141 ff/II), bei welcher Gelegenheit auch seine sicherheitsbehördliche Beschuldigtenvernehmung (209 ff/I) erörtert und damit zum Gegenstand des Verfahrens gemacht wurde, hat der Vorsitzende - entgegen einer verfehlten Beschwerdebehauptung - nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls vom 19.Jänner 1997, dessen Berichtigung von keiner Seite begehrt wurde, gemäß § 252 Abs 1 Z 4 StPO sehr wohl verlesen (473/III: einverständlich werden die "bisherigen Zeugenaussagen" verlesen) und folglich im Urteil zu Recht verwertet. Die Bezugnahme auf den Inhalt des Aktenvermerks (221/I iVm US 7 oben) über die Tatsache, daß J***** "bereits zerkleinerte Mohnkapseln erwarb", berührt - fallbezogen - keinen entscheidenden (also weder für die Schuldfrage noch für den anzuwendenden Strafsatz maßgebenden) Umstand, was für die erfolgreiche Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes nach Z 5 des § 281 Abs 1 StPO jedoch Voraussetzung wäre, zumal die laut diesem Aktenvermerk bei einem Postamt erhobene Tatsache der Versendung von Paketen vom Beschwerdeführer an J***** nie bestritten wurde.

Soweit der Rechtsmittelwerber die in der Hauptverhandlung unterbliebene Vernehmung des Hubert L***** als weiteren Begründungsmangel problematisiert, wäre es seine oder seines Verteidigers Sache gewesen, in erster Instanz einen darauf gerichteten und begründeten Antrag zu stellen, nach dessen Abweisung durch den Gerichtshof ihm die Ergreifung der Verfahrensrüge (Z 4) offengestanden wäre. Dieses prozessuale Versäumnis kann in der Beschwerdeschrift, somit verspätet, nicht mehr nachgeholt werden.

Es versagt aber auch die Tatsachenrüge (Z 5 a).

Mit der unsubstantiierten, bloß allgemein gehaltenen Behauptung, weder aus den Aussagen der Andrea P*****, Karl S***** und Gerd J***** noch aus anderen Beweismitteln, die im Urteil gar nicht angeführt seien, ergäbe sich ein Hinweis, daß diese Personen Mohnkapseln erworben hätten, um daraus Tee mit Morphin-Base herzustellen, vielmehr werde diese Annahme durch die in der Hauptverhandlung aufgenommenen Beweise widerlegt, vermag der Beschwerdeführer keine sich aus den Akten ergebenden Bedenken erheblicher Natur gegen die entscheidenden Feststellungen zur subjektiven Tatseite zu erwecken.

Er verkennt nämlich damit ebenso wie mit einem Teil seiner Äußerung zur Stellungnahme der Generalprokuratur (ON 6 des Os-Aktes) zum einen das Wesen dieses unter die formellen Nichtigkeitsgründe eingereihten und daher in seiner prozessualen Reichweite keineswegs einer Schuldberufung gleichenden Anfechtungstatbestandes. Dieser läge nur dann vor, wenn das Gericht entweder unter Außerachtlassung seiner Pflicht zur amtswegigen Erforschung der Wahrheit (§§ 3, 232 Abs 2, 254 StPO) die ihm zugänglichen Beweismittel, von denen es nach der Aktenlage Kenntnis haben könnte, nicht oder in wesentlichen Punkten derart unvollständig ausgeschöpft hätte, daß dadurch die Überzeugungskraft der Grundlage für den Schuldspruch entscheidend berührt würde, oder wenn erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit wesentlicher Tatsachenfeststellungen aufgrund von in den Akten niedergelegten Erfahrungsergebnissen bestünden, die sich bei einer lebensnahen, an der allgemein menschlichen Erfahrung orientierten Beurteilung mit dem festgestellten Sachverhalt nicht oder nur schwer in Einklang bringen lassen (vgl Mayerhofer aaO § 281 Z 5 a E 1 ff).

Zum anderen läßt er außer acht, daß das Schöffengericht getreu den Vorschriften des § 258 Abs 2 StPO die bemängelten subjektiven Urteilskonstatierungen aus einer kritischen Gesamtschau aller aufgenommenen (auch bezeichneten) Zeugen- und Sachbeweise, einschließlich der insoweit leugnenden Verantwortung des Rechtsmittelwerbers, sowie unter Verwertung des persönlich gewonnenen Eindrucks ausführlich genug und plausibel erschlossen hat, denen die Beschwerde nichts Substantielles entgegenzuhalten hat.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) schließlich entbehrt einer gesetzmäßigen Darstellung, die ein unbedingtes Festhalten am gesamten subjektiven und objektiven Tatsachensubstrat und dessen Vergleich mit dem darauf angewendeten Gesetz verlangt. Dabei darf weder eine im Urteil festgestellte Tatsache bestritten oder verschwiegen werden, noch darf sie sich auf einen nicht konstatierten Umstand stützen (Mayerhofer aaO § 281 E 26 uam).

In eben diesen prozessualen Fehler verfällt der Nichtigkeitswerber aber, indem er gerade jenen entscheiden- den und - wie dargelegt - mängelfrei getroffenen Urteils- sachverhalt übergeht, demzufolge ihm die durch Lieferung von Mohnkapseln verübte Beitragstäterschaft zur - keinesfalls in der Entwicklungsstufe des Versuchs verbliebenen - Erzeugung von morphinbasehältigem Tee durch andere vorgeworfen wird (US 2, 4 ff). Demgegenüber beschränken sich die Beschwerdeausführungen prozeßordnungswidrig allein auf die dem Angeklagten im schuldig sprechenden Teil des Urteils gar nicht angelasteten Stadien des Anbaus, der Aufzucht und der Ernte von Mohnkapseln (weder in Ansehung der im Schuldspruch angeführten Mengen noch der sichergestellten 17 kg) sowie der Gewinnung (Trennung) von Morphin-Base. Dies ergibt sich, worauf bereits an anderer Stelle hingewiesen wurde, unzweifelhaft aus dem Vergleich zwischen Anklageschrift und Schuldspruch I. iVm dem Freispruch und den darauf bezugnehmenden maßgeblichen Urteilsfeststellungen. Daher erübrigt sich ein weiteres Eingehen auf die - an den entscheidungswesentlichen Urteilskonstatierungen vorbeiargumentierenden - Beschwerdeausführungen.

Aus einer gebotenen urteilskonformen Sicht des Sachverhaltes sind die vom Nichtigkeitswerber (in offensichtlicher Verkennung des tatsächlich erfolgten Schuldspruchs) in der Äußerung zur Stellungnahme der Generalprokuratur angesprochenen Befürchtungen unbegründet, im Falle seiner Verurteilung würde einerseits entgegen der im Erlaß des Bundesministeriums für Justiz vom 4.Jänner 1996, Zl 703.012/25 - II 2/1996, vertretenen Rechtsmeinung ein Verhalten als strafbar eingestuft werden, welches lediglich geeignet sei, eine Verwaltungsübertretung zu verwirklichen; andererseits würden "verschiedene Speisen (Mohnpotizze, Germknödel, Mohnweckerl udgl), die zum österreichischen Küchenstandart gehören, von der Speisekarte verschwinden".

Es versagt aber auch der darin angestellte Vergleich, daß einem Kaufmann der Verkauf von Zucker und Unkrautvernichtungsmittel nicht verboten sei, obwohl jedermann wisse, daß durch Vermischung beider Stoffe ein explosives Gemisch entsteht.

Sonach war die Nichtigkeitsbeschwerde - in Übereinstimmung mit dem Antrag der Generalprokuratur, aber entgegen der dazu gemäß § 35 Abs 2 StPO erstatteten Äußerung - gemäß § 285 d Abs 1 iVm § 285 a Z 2 StPO als teils offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Die vom Nichtigkeitswerber in seiner Äußerung aufgestellte Forderung, wonach "in diesem Verfahren die Anberaumung eines öffentlichen Gerichtstages dringend geboten ist, damit auch im Rahmen allenfalls amtswegig wahrzunehmender Nichtigkeitsgründe die Rechtsproblematik vor dem Obersten Gerichtshof als erkennendes Gericht erörtert werden kann, ...", scheitert demnach ua nach den zitierten strafprozessualen Normen an der mangelnden prozeßordnungsgemäßen Ausführung der erhobenen Rechtsrüge, wobei dem Urteil - nach Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof - keine von Amts wegen wahrzunehmende Nichtigkeitsgründe anhaften (§ 290 Abs 1 StPO).

Nicht nachvollziehbar ist daher die weitere Behauptung, dem Sinn der EMRK werde nur dann voll entsprochen, wenn dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt werde, in einer öffentlichen Verhandlung seine Bedenken gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichtes vor dem Rechtsmittelgericht vorzutragen; denn in Konsequenz des im Nichtigkeitsverfahren vor dem Obersten Gerichtshof strikt geltenden Neuerungsverbotes (vgl Mayerhofer aaO § 281 E 15 a ff) wäre selbst bei Anberaumung eines Gerichtstages zur öffentlichen Verhandlung das Vorbringen neuer Tatsachen oder Beweismittel (auch) im Rahmen der Tatsachenrüge (§ 281 Abs 1 Z 5 a StPO) absolut unzulässig.

Es versagt aber auch der Hinweis auf Art 6 EMRK. Eine Bekämpfung der Beweiswürdigung des Schöffengerichtes ist auch unter dem Gesichtspunkt des § 281 Abs 1 Z 5 a StPO nicht zulässig (Mayerhofer aaO § 281 Z 5 a E 4, 4 a, 16, 17). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat wiederholt - insbesondere im Zusammenhang mit dem Nichtigkeitsverfahren vor dem österreichischen Obersten Gerichtshof - ausgesprochen, daß eine Verhandlung vor dem Rechtsmittelgericht nicht erforderlich ist, wenn in erster Instanz eine öffentliche Verhandlung stattgefunden hat und die Beweiswürdigung des Erstgerichtes nach innerstaatlichen Bestimmungen durch das Rechtsmittelgericht nicht zu

prüfen ist (Urteil vom 22.Februar 1996, Nr 59/1994/506/588 = ÖJZ

1996, 430; Urteil vom 19.Februar 1996, Nr 50/1994/497/579 = ÖJZ 1996,

675; jeweils mit Zitaten von Vorjudikatur; Frowein/Peukert EMRK-Komm2 Art 6 RN 118). Ein Vergleich mit dem Verwaltungsverfahren, in dem in der Regel keine öffentliche Verhandlung stattfindet, ist nicht zielführend.

Aus der Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde in nichtöffentlicher Sitzung folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Graz zur Entscheidung über die zudem erhobene Berufung des Angeklagten (§ 285 i StPO).

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