Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Kläger sind schuldig, der Beklagten an Kosten des Revisionsverfahrens je S 1.624,32 (darin S 270,72 Umsatzsteuer und keine Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Kläger waren Mieter einer Wohnung, an der für die Beklagte Wohnungseigentum besteht. Die Beklagte kündigte den Mietvertrag aus den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 8 MRG im wesentlichen mit dem Vorbringen auf, daß sie die gemieteten Wohnräume für ihren Sohn dringend benötige. Die gerichtliche Aufkündigung wurde den Klägern am
22. (Erstkläger) und am 23. (Zweitklägerin) 6.1993 zugestellt. Sie erhoben dagegen fristgerecht Einwendungen. Nachdem das Erstgericht die über die Einwendung durchgeführte mündliche Verhandlung am 4.11.1993 geschlossen hatte, entschied es mit Urteil vom 1.12.1993, daß die Aufkündigung wirksam ist, und verpflichtete die Kläger zur Räumung des Mietobjektes. Es ging dabei davon aus, daß der Sohn der nunmehrigen Beklagten sein Wohnbedürfnis nur in der den Gegenstand der Aufkündigung bildenden Wohnung befriedigen könne.
Gegen dieses Urteil erhoben die nunmehrigen Kläger Berufung, über die das Berufungsgericht am 25.4.1994 eine mündliche Verhandlung durchführte und der es mit dem am selben Tag gefällten Urteil nicht Folge gab. Es übernahm darin die Tatsachenfestellungen des Erstgerichtes und bejahte wie dieses den dringenden Bedarf des Sohnes der nunmehrigen Beklagten an der aufgekündigten Wohnung.
Mit der am 3.6.1994 beim Erstgericht eingelangten Klage begehren die Kläger die Aufhebung der angeführten Urteile. Ihr Vertreter habe am 4.5.1994 zufällig davon erfahren, daß die Beklagte gemeinsam mit ihrem Ehegatten Wohnungseigentum an einer von der aufgekündigten Wohnung verschiedenen, jedoch in derselben Gemeinde liegenden Wohnung erworben habe. Der Kaufvertrag hierüber sei bereits am 25.8.1993 und somit vor dem Schluß der mündlichen Verhandlung im Kündigungsverfahren abgeschlossen worden. Die Wohnung sei der Zweitbeklagten am 1.9.1993 übergeben worden. Sowohl sie als auch ihr Ehegatte hätten bei ihrer Vernehmung im Kündigungsverfahren, die am 4.11.1993 stattgefunden habe, das Vorhandensein der Wohnung verschwiegen. Da der Antrag auf Einverleibung ihres Eigentumsrechtes erst am 26.4.1994 und somit einen Tag nach der mündlichen Berufungsverhandlung eingebracht worden sei, sei die Annahme gerechtfertigt, daß sie die Wohnmöglichkeit für ihren Sohn bis zum Abschluß des Kündigungsverfahrens verheimlichen hätten wollen. Hätten sie (Kläger) bereits im Kündigungsverfahren vom Erwerb der Wohnung Kenntnis gehabt, hätten sie ein entsprechendes Vorbringen erstatten können, was zu einem für sie günstigeren Ergebnis geführt hätte, weil der dringende Eigenbedarf des Sohnes der nunmehrigen Beklagten zu verneinen gewesen wäre.
Die Beklagte bestritt die Rechtzeitigkeit der Wiederaufnahmsklage und wendete ein, daß nach dem Inhalt des über die Wohnung geschlossenen Kaufvertrages der Verkäufer das Recht gehabt habe, sie mindestens bis 31.8.1994 zu bewohnen. Da sie zum Zeitpunkt ihrer Vernehmung weder grundbücherliche Eigentümerin dieser Wohnung gewesen sei noch über sie verfügen haben können, habe sie sie nicht erwähnt. Der Erwerb der Wohnung habe ausschließlich dem Zweck gedient, ihr eigenes Wohnbedürfnis und das ihres Ehemannes sicherzustellen, weil die Absicht bestanden habe, die Wohnung nach Erreichen des Pensionsalters zu beziehen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Es stellte im wesentlichen folgendes fest:
Die Beklagte und ihr Ehemann kauften mit Kaufvertrag vom 25.8.1993 je zur Hälfte in Salzburg gelegene Liegenschaftsanteile, mit denen Wohnungseigentum an einer Wohnung verbunden ist. Der Verkäufer verpflichtete sich in dem Kaufvertrag, den Käufern die von ihm noch bewohnte Wohnung bis längstens 31.8.1994 geräumt von seinen Fahrnissen zu übergeben. Am 28.4.1994 wurde vom zuständigen Grundbuchsgericht die Einverleibung des Eigentumsrechtes der Käufer an den gekauften Liegen- schaftsanteilen bewilligt. Die Wohnung wurde den Käufern am 30.8.1994 übergeben.
Rechtlich war das Erstgericht der Meinung, daß die Voraussetzungen des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO nicht erfüllt seien. Auch wenn die Kläger im Kündigungsverfahren den Erwerb der Eigentumswohnung durch die Beklagte und ihren Ehemann vorgebracht hätten, hätte dies nicht zu einer für sie günstigeren Entscheidung führen können, weil der dringende Eigenbedarf des Vermieters im Zeitpunkt der Kündigung und bei Schluß der Verhandlung gegeben gewesen sein müsse. Zu keinem dieser Zeitpunkte habe aber in der neu erworbenen Wohnung eine Wohnmöglichkeit für den Sohn der Beklagten bestanden.
Das Berufungsgericht bestätigte infolge Berufung der Kläger dieses Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es teilte die Rechtsmeinung des Erstgerichtes, der Erwerb der Eigentumswohnung hätte im Kündigungsverfahren keine für die nunmehrigen Kläger günstigere Entscheidung herbeiführen können, weil die Wohnung zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz noch nicht zur Verfügung gestanden sei. Nicht entscheidend sei, ob sie bereits vor dem 31.8.1994 übergeben werden hätte können. Entscheidend sei nur, wann sie tatsächlich zur Benützung zur Verfügung stand. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil von einer gesicherten Rechtsprechung ausgegangen werden habe können.
Rechtliche Beurteilung
Die von den Klägern gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache erhobene Revision ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichtes zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu der hier entscheidenden, in ihrer Bedeutung über den Anlaßfall hinausgehenden Frage fehlt, ob der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 8 MRG auch dann gegeben ist, wenn dem Vermieter oder seinem Verwandten zwar noch nicht zur Zeit des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz, aber doch innerhalb eines absehbaren Zeitraumes eine andere Wohnmöglichkeit zur Verfügung steht.
Die Revision ist aber nicht berechtigt.
Zur Rechtzeitigkeit der Wiederaufnahmsklage ist auf Grund der vom Obersten Gerichtshof durchgeführten Erhebungen als bescheinigt anzunehmen, daß die Klage am 1.6.1994 zur Post gegeben wurde. Die Beklagte geht bei ihrem Einwand, daß die Wiederaufnahmsklage verspätet eingebracht wurde, selbst davon aus, daß die Frist am 1.6.1994 abgelaufen ist. Sie übersieht aber, daß es sich bei der Frist des § 534 Abs 1 ZPO um eine verfahrensrechtliche Frist handelt (SZ 23/217), weshalb § 89 Abs 1 GOG anzuwenden ist und es daher ausreicht, daß die Klage am letzten Tag der Frist zur Post gegeben wurde. Da dies hier geschah, wurde die Klage rechtzeitig eingebracht.
In der Sache haben die Vorinstanzen richtig erkannt, daß bei den Kündigungsgründen des Eigenbedarfs auch Veränderungen berücksichtigt werden, die in der Zeit zwischen der Zustellung der Aufkündigung und dem Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz in dem hierüber durchgeführten Verfahren eintreten. Fällt also der dringende Eigenbedarf während des Rechtsstreites weg, so liegt der hierauf gegründete Kündigungsgrund nicht vor (Miet 28.395, 26.270, 24.390; Würth/Zingher, Wohnrecht Rz 46 zu § 30 MRG; Würth in Rummel2 Rz 35 zu § 30 MRG).
Der dringende Eigenbedarf ist aber nicht schon deshalb weggefallen, weil der Vermieter oder Verwandte, für den er geltend gemacht wird, zur maßgebenden Zeit des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz eine andere Wohnmöglichkeit in Aussicht hat. Dies ändert nichts daran, daß die gemietete Wohnung in dem angeführten Zeitpunkt (noch) dringend benötigt wird, weil eben zu diesem Zeitpunkt eine andere ausreichende Wohnmöglichkeit nicht besteht und der Vermieter oder sein Verwandter daher auf die vermietete Wohnung angewiesen ist. Die Aussicht, daß in Zukunft eine andere Wohnmöglichkeit zur Verfügung stehen wird, kann nur bei der im § 30 Abs 2 Z 8 MRG vorgesehenen Abwägung der beiderseitigen Interessen berücksichtigt werden. Dies ist hier aber nicht möglich, weil es sich bei der aufgekündigten Wohnung um eine vom Wohnungseigentümer vermietete Eigentumswohnung handelt und daher gemäß der lit b der angeführten Gesetzesstelle die Abwägung der Interessen entfällt.
All dies zeigt, daß die mit der Wiederaufnahme geltend gemachten Tatsachen im früheren Verfahren keine für die Kläger günstigere Entscheidung herbeiführen hätten können, auch wenn sie dort schon vorgebracht worden wären. Dies bedeutet aber, daß der allein in Betracht kommende Wiederaufnahmegrund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO nicht gegeben ist und der Revision daher der Erfolg versagt bleiben muß.
Der Ausspruch über die Verfahrenskosten beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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