OGH 4Ob90/97g

OGH4Ob90/97g26.6.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden,durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek und Dr.Niederreiter sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Roswitha Z*****, vertreten durch Dr.Moringer und Moser, Rechtsanwälte OEG in Linz, wider die beklagte Partei Dr.Wolfgang Z*****, vertreten durch Dr.Waltraut Steger, Rechtsanwältin in Linz, wegen Ehescheidung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 13.November 1996, GZ 13 R 432/96g-53, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom 17. Juni 1996, GZ 6 C 27/95k-48, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat dem Beklagten die mit S 4.871,04 (darin S 811,84 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt Scheidung der am 9.3.1968 geschlossenen Ehe aus dem Alleinverschulden des Beklagten. Dieser unterhalte seit Anfang 1993 ehewidrige Beziehungen zu einer anderen Frau und setze diese, trotz Beteuerungen, an der Ehe festhalten zu wollen, fort. Er habe dadurch die Ehe schuldhaft unheilbar zerrüttet. Auch verletze er laufend seine Unterhaltspflichten.

Der Beklagte beantragte zunächst Klagsabweisung. In der Folge trat er dem Scheidungsbegehren nicht mehr entgegen und stellte einen Mitverschuldensantrag. Er begehrt den Ausspruch des überwiegenden Verschuldens der Klägerin an der Zerrüttung der Ehe. Diese unterhalte seit 10 Jahren eine ehewidrige Beziehung zu einem anderen Mann. Die diesbezüglichen Vermutungen des Beklagten hätten sich im Zusammenhang mit einer Marokkoreise der Klägerin im November 1994 bestätigt. Hingegen sei die (ehewidrige) Beziehung des Beklagten längst beendet. Die Klägerin verhalte sich überdies aggressiv und provokant, sie habe den Beklagten wiederholt beschimpft und beleidigt.

Das Erstgericht schied die Ehe aus dem überwiegenden Verschulden der Klägerin. Es stellte fest, daß die Klägerin seit 10 Jahren eine ehewidrige Beziehung zu Franz F***** unterhalte. Sie treffe sich mit ihm teils zufällig, teils vereinbart und feiere regelmäßig Geburts- und Jahrestage mit ihm. Eine Freundin der Klägerin decke diese Treffen. Im Mai 1986 sei die Klägerin mit Franz F***** in Salzburg tanzen gewesen und erst um dreiviertel vier in die Ehewohnung zurückgekehrt. Der Beklagte habe Geldtasche und Ausweise von F***** in der Handtasche der Klägerin gefunden und ihr heftige Vorwürfe gemacht. Er habe verlangt, daß sie sich nicht mehr mit F***** treffe. Mißtrauisch geworden, habe der Beklagte die Klägerin daraufhin kontrolliert. Es hätten sich Hinweise ergeben, daß ihre Angaben nicht stimmten. Die Beziehung der Klägerin zu F***** sei sehr vertraut. Sie habe jahrelang eine Parallelbeziehung zu ihm und dem Beklagten als ihrem Gatten geführt. Der Beklagte habe dies intuitiv gespürt und begründet eifersüchtig gewesen. Die Klägerin habe Franz F***** bis zur Zerrüttung der Ehe immer wieder in dessen Haus besucht und sich auch unmittelbar vor der Abfahrt zu einer gemeinsamen Marokkoreise und bei der Rückkehr dort aufgehalten. Der Klägerin sei klar gewesen, daß eine Kenntnis ihrer Treffen für den Beklagten extrem ehestörend gewesen wäre. Um ihn nicht darauf aufmerksam zu machen habe sie nach Beendigung ihrer zahlreichen Telefonate mit F***** eine andere Nummer eingespeichert. Der Beklagte habe zum Jahreswechsel 1992/1993 eine intime Beziehung zu Renate H***** begonnen, worauf ihm die Klägerin heftige Vorwürfe gemacht und ihn angebrüllt habe. Sie habe auch H***** mehrfach zur Rede gestellt und ihr angedroht, das Verhältnis öffentlich bekanntzumachen, worauf diese den Verlust ihres Arbeitsplatzes befürchtete. Die Beziehungen des Beklagten zu H***** hätten etwa 1 Jahr gedauert und seien von H***** beendet worden. Zwischen Ende August 1994 und der Zerrüttung der Ehe habe der Beklagte H***** nicht privat getroffen. Die Klägerin habe ihr Verhältnis zu F***** hingegen fortgesetzt und mit ihm im November 1994 eine Marokkoreise unternommen, wobei sie in einem Doppelzimmer genächtigt hätten. Der Beklagte - argwöhnisch geworden - habe einen Detektiv mit Nachforschungen beauftragt und die Klägerin mit deren Ergebnis konfrontiert. Sie habe eine Beziehung zu F***** abgestritten. Der Beklagte habe daraufhin das Telefon der Ehewohnung abgehört. Als die Klägerin Ende Februar 1995 von der Abhörung des Telefons und der Einschaltung eines Detektivs erfahren habe, sei die Ehe auch für sie zerrüttet gewesen. Eine vom Beklagten vorgeschlagene Ehetherapie sei gescheitert. Der Beklagte sei nach heftigen Auseinandersetzungen im Juli 1995 aus der Ehewohnung ausgezogen. Ab diesem Zeitpunkt habe auch er die Ehe nicht mehr reparabel gehalten. Er habe den für die Klägerin und die gemeinsame 16-jährige Tochter zu leistenden Unterhalt im Juli 1995 und August 1995 verletzt.

Der Beklagte hatte sich zum Beweis seines Vorbringens auf ohne Wissen der Gesprächspartner hergestellte Tonbandaufzeichnungen von Telefongesprächen berufen und eine schriftliche Übersetzung dieser Telefonate vorgelegt. Das Erstgericht hatte keine Bedenken gegen die Zulassung der schriftlichen Aufzeichnungen als Beweismittel. In rechtlicher Hinsicht wertete das Erstgericht das Verschulden der Klägerin als überwiegend.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge, es verneinte eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens, welche nach Auffassung der Berufung in der Verwendung strafgesetzwidrig erlangter Tonbandaufzeichnungen liege und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen strafgesetzwidrig erlangte Beweismittel im Zivilprozeß verwertet werden dürfen, sei nicht ausreichend geklärt.

Die dargelegten Feststellungen seien geeignet, den Ausspruch eines überwiegenden Verschuldens der Klägerin zu rechtfertigen.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichtes liegen die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht vor:

Die vom Berufungsgericht als erheblich relevierte Rechtsfrage entzieht sich im vorliegenden Fall einer Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof. Entgegen der Auffassung der Revision handelt es sich bei der Frage, ob vorliegende Beweismittel verwendet werden dürfen, um eine Frage des Verfahrensrechts, deren Verletzung nur unter den Rechtsmittelgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend gemacht werden kann. Wurde ein Mangel des Verfahrens erster Instanz in der Berufung geltend gemacht, vom Berufungsgericht aber verneint, kann dieser Mangel nach ständiger Rechtsprechung nicht mehr in der Revision gerügt werden (ständige Rechtsprechung RIS-Justiz RS004263; Kodek in Rechberger ZPO Rz 3 zu § 503). Dies ist hier der Fall.

Das Berufungsgericht hat den von der Berufung geltend gemachten Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens (Verwertung von ohne Zustimmung der Betroffenen angefertigten Tonbandaufzeichnungen) unter Hinweis auf Rechberger (in Rechberger ZPO Rz 28 zu § 266) und Georg Kodek (Rechtswidrig erlangte Beweismittel im Zivilprozeß 136 ff) verneint. Dieser (behauptete) Verfahrensmangel kann somit in der Revision nicht neuerlich geltend gemacht werden. Die Revision ist insoweit unzulässig.

Geht man von den, den Obersten Gerichtshof bindenden, Feststellungen aus, kann in der Auffassung des Berufungsgerichtes, wonach das überwiegende Verschulden an der Zerrüttung der Ehe die Klägerin treffe, keine im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO wahrzunehmende krasse Fehlbeurteilung erblickt werden. Beim Ausspruch überwiegenden Verschuldens ist nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, vom Gesamtverhalten der Ehegatten auszugehen (RIS-Justiz RS0057303;

Pichler in Rummel ABGB2 Rz 1 zu § 49; Gruber in Schwimann ABGB Rz 6 zu § 60) und insbesondere auch zu berücksichtigen, wer mit der schuldhaften Ehezerrüttung begonnen hat (Pichler aaO Rz 2 zu § 60;

Gruber aaO Rz 7 und 11 zu § 60).

Aus diesen Erwägungen war die Revision zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, und 50 Abs 1 ZPO. Die Revisionsbeantwortung des Beklagten, der auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hatte, war der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dienlich.

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