OGH 4Ob140/97k

OGH4Ob140/97k26.6.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek und Dr.Niederreiter sowie durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. M***** Zeitungsvertriebs Gesellschaft mbH & Co KG, 2. M***** Gesellschaft mbH & Co KG, beide *****, beide vertreten durch Dr.Thomas Höhne, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei V***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Schönherr, Barfuss, Torggler & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung, Widerruf, Veröffentlichung des Widerrufs, Urteilsveröffentlichung und Feststellung (Streitwert im Provisorialverfahren S 460.000,--), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Erstklägerin gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 24.März 1997, GZ 4 R 273/96p-9, mit dem der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 11. Oktober 1996, GZ 15 Cg 190/96z-4, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird abgeändert. Die Entscheidung des Erstgerichtes wird mit der Maßgabe wiederhergestellt, daß sie, einschließlich des in Rechtskraft erwachsenen Teiles, wie folgt zu lauten hat:

"Einstweilige Verfügung

Zur Sicherung des Unterlassungsanspruches der Klägerinnen wird der Beklagten geboten, im Hinblick auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31.7.1996 die Behauptung zu unterlassen, der Verwaltungsgerichtshof habe festgestellt, daß die Kolporteure der M***** unter einer absolutistischen Leitung stünden und zur striktesten Befolgung von Weisungen verpflichtet seien und daß daher unter diesen Umständen jeder Kolporteur auch Anspruch auf Anmeldung bei der Krankenkasse und auf Weihnachts- und Urlaubsgeld habe; das Gebot erstreckt sich auf inhaltsgleiche Behauptungen.

Die einstweilige Verfügung gilt bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens 15 Cg 190/96z des Handelsgerichtes Wien.

Die Beklagte hat die Äußerungskosten endgültig selbst zu tragen."

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig selbst zu tragen; die Beklagte hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Wochenzeitung "D*****" berichtete in ihrer Ausgabe Nr. 35 vom 28.8.1996 unter der Überschrift "Schuldet die K***** Zeitung (M*****) seit Jahren Tausenden Zeitungs-(Haus-)Zustellern das Weihnachts- und Urlaubsgeld?" wie folgt:

"In diesen Tagen konnte sich ein früherer Mitarbeiter der M***** (das sind praktisch die K***** Zeitung und der K***** gemeinsam) bei Gericht - und zwar beim VwGH, also in letzter Instanz - durchsetzen. Er erreichte, daß ihm bestätigt wurde, daß er als Kolporteur jahrelang um seine sozialen Rechte gebracht wurde, weil man ihn nur als freien Mitarbeiter entlohnt hat und nicht - so wie ihm das stets zustand - als Dienstnehmer. Der VwGH stellte fest, daß die Kolporteure der M***** 'unter einer absolutistischen Leitung' stehen und zur striktesten Befolgung von Weisungen verpflichtet sind und daß daher unter diesen Umständen jeder Kolporteur auch Anspruch auf Anmeldung bei der Krankenkasse und Anspruch auf Weihnachts- und Urlaubsgeld hat."

Dem Bericht lag das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31.7.1996, Zl. 95/13/0220, zugrunde, mit dem der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, vom 7.4.1994, GZ 6/3-3176/93-04, betreffend Umsatz- und Einkommensteuer für 1990 und 1991, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben hatte. Die Ausführungen waren dem im Erkenntnis wiedergegebenen Vorbringen des Beschwerdeführers und nicht dem Entscheidungsteil entnommen.

Die Klägerinnen beantragen zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten zu gebieten, im Hinblick auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31.7.1996 die Behauptung (sowie inhaltsgleiche Behauptungen) zu unterlassen, der Verwaltungsgerichtshof habe festgestellt, daß die Kolporteure der M***** unter einer absolutistischen Leitung stünden und zur striktesten Befolgung von Weisungen verpflichtet seien und daß daher unter diesen Umständen jeder Kolporteur auch Anspruch auf Anmeldung bei der Krankenkasse und Anspruch auf Weihnachts- und Urlaubsgeld habe.

Die Erstklägerin sei jene Gesellschaft, die innerhalb der M*****-Gruppe die Aufgabe des Zeitungsvertriebes innehabe. Sie sei für den Vertrieb sämtlicher Zeitungs- und Zeitschriftenprodukte der M*****-Gruppe zuständig. Die Zweitklägerin sei Verlegerin der Tageszeitungen "N***** Zeitung" und "K*****", die die Erstklägerin vertreibe. Die Beklagte sei Medieninhaberin der Wochenzeitung "D*****". Der Verwaltungsgerichtshof habe in dem von der Beklagten zitierten Erkenntnis keinen Sachverhalt festgestellt; er habe vielmehr der Behörde aufgetragen, den Sachverhalt zu ermitteln. Die beanstandete Nachricht sei geeignet, jene Verleger, welche die Erstklägerin mit dem Vertrieb ihrer Produkte betrauen, zu beunruhigen.

Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen.

Die beanstandeten Aussagen seien im Kern richtig. Dies zeigten die Schlagzeilen von Berichten in seriösen Tageszeitungen und in der Fachzeitschrift "Recht der Wirtschaft". Die Aktivlegitimation der Erstklägerin sei nicht bescheinigt. Im Impressum von "K*****" und "K*****" scheine unter "Vertrieb" lediglich das Schlagwort "M*****" auf. Welche der zahlreichen M*****-Gesellschaften mit dem Vertrieb betraut sei, bleibe unklar.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung. Im Spruch ist das Datum des Erkenntnisses unrichtig mit 31.7.1966 (richtig: 31.7.1996) wiedergegeben.

Das Erstgericht nahm als bescheinigt an, daß die Erstklägerin die von der Zweitklägerin verlegten Zeitungen "N***** Zeitung" und "K*****" vertreibt. Die beanstandete Aussage verstoße gegen § 7 UWG. Maßgebend sei, daß der Verwaltungsgerichtshof die ihm zugeschriebenen Feststellungen nicht getroffen habe, und nicht, ob diese Aussagen im Kern richtig seien.

Das Rekursgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es den Sicherungsantrag der Erstklägerin abwies. Im übrigen bestätigte das Rekursgericht die Entscheidung des Erstgerichtes. Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Die Erstklägerin habe ihre Aktivlegitimation nicht bescheinigt. Aus dem Impressum der vorgelegten Zeitungen gehe nicht hervor, daß die Erstklägerin diese Zeitungen vertreibe. Der beanstandete Artikel sei unrichtig; ob auch in anderen Zeitungen unrichtige Artikel erschienen seien, sei unerheblich.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der Erstklägerin ist zulässig, weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung zur Aktivlegitimation bei Verstößen gegen § 7 UWG abgewichen ist; er ist auch berechtigt.

Die Erstklägerin verweist darauf, daß jedes von einer verbotenen Äußerung betroffene Einzelunternehmen auch dann aktiv legitimiert ist, wenn in der Äußerung ein Überbegriff für mehrere Unternehmen verwendet wird. Äußerungen, die sich gegen die "M*****" schlechthin richteten, beträfen jedenfalls solche, welche die Bezeichnung "M*****" in ihrem Firmenwortlaut führen. Die Erstklägerin sei nicht nur schon aufgrund ihres Firmenwortlautes betroffen, sondern genau jene Gesellschaft innerhalb der M*****-Gruppe, auf die sich die beanstandete Äußerung primär beziehe. Ihre Aktivlegitimation sei daher jedenfalls mit der im Provisorialverfahren geforderten Wahrscheinlichkeit anzunehmen. Das Gericht hätte aufgrund der Angabe "M*****" im Impressum annehmen müssen, daß damit wahrscheinlich die Erstklägerin gemeint sei. Ein höherer Überzeugungsgrad sei im Provisorialverfahren nicht notwendig. Es sei im übrigen gerichtsbekannt, daß die "M*****" keine eigene Rechtspersönlichkeit habe, sondern mehrere Einzelunternehmen bezeichne.

Bei Verstößen gegen § 7 UWG ist der Betroffene aktiv legitimiert. Er muß nicht namentlich genannt werden; es können auch zahlreiche Personen von der Äußerung betroffen sein, sofern der Kreis der Betroffenen nicht unüberschaubar groß ist (JBl 1993, 330 [Berka] - Webpelze; s auch ecolex 1993, 537 - Täbris II; MR 1993, 182 = ÖBl 1994, 13 - Schlechtes Geschäft ua). Richtet sich die herabsetzende Äußerung gegen eine Mehrheit von Unternehmen, dann kann jedes einzelne von ihnen klagen (4 Ob 1073/92; RIS-Justiz RS0078863).

In der beanstandeten Äußerung behauptet die Beklagte, der Verwaltungsgerichtshof habe festgestellt, daß "die Kolporteure der M***** 'unter einer absolutistischen Leitung' stehen und zur striktesten Befolgung von Weisungen verpflichtet sind und daß daher unter diesen Umständen jeder Kolporteur auch Anspruch auf Anmeldung bei der Krankenkasse und Anspruch auf Weihnachts- und Urlaubsgeld hat". Diese Äußerung betrifft die Erstklägerin als Unternehmen, in deren Firmenwortlaut "M*****" enthalten ist. Das gilt umso mehr, als die wahrheitswidrige Behauptung den Zeitungsvertrieb betrifft und die Firma der Erstklägerin "M***** Zeitungsvertriebs Gesellschaft mbH & Co KG" lautet. Schon aus diesem Grund ist die Erstklägerin als Betroffene aktiv legitimiert, ohne daß es noch darauf ankäme, ob sie auch tatsächlich "K*****" und "N***** Zeitung" vertreibt. Daß "M*****" nicht ein rechtlich selbständiges Unternehmen bezeichnet, sondern Bestandteil der Firma mehrerer Unternehmen dieser Gruppe ist, ist gerichtsbekannt.

Es schadet daher nicht, daß die Frage, ob die Erstklägerin ihre Behauptung, "K*****" und "N***** Zeitung" zu vertreiben, angesichts des gegenüber dem Beweisverfahren herabgesetzten Beweismaßes bei der Glaubhaftmachung (Rechberger in Rechberger, ZPO § 274 Rz 1ff mwN; Fasching III 290f; ders., Lehrbuch**2 Rz 809) und angesichts des Sinnes des Provisorialverfahrens, aufgrund eines prima facie-Beweises ohne weitere weitläufige Erhebungen einstweilige Anordnungen für die Prozeßdauer zu treffen (ÖBl 1957, 42 - Relief-Handarbeiten [Schönherr]) durch die Vorlage der Impressa ausreichend bescheinigt hat, als Frage der Beweiswürdigung der Überprüfung im Revisionsrekursverfahren entzogen ist. Ebensowenig kommt es darauf an, ob der Vertrieb der beiden Zeitungen durch die Erstklägerin notorisch ist.

Dem Revisionsrekurs war Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichtes mit der Maßgabe wiederherzustellen, daß das im Spruch genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31.7.1996 (und nicht vom 31.7.1966) stammt.

Die Entscheidung über die Kosten der Erstklägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 40, 50, 52 Abs 1 ZPO.

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