OGH 3Ob27/97k

OGH3Ob27/97k18.6.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Pimmer, Dr.Zechner und Dr.Sailer als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen Phillip M*****, geboren am 12.Oktober 1987, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Magistrates der Stadt Wien als Unterhaltssachwalter, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 26.September 1996, GZ 43 R 768/96a-62, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 25.Juli 1996, GZ 5 P 3054/95w-56, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtenen Beschlüsse werden dahin abgeändert, daß die dem mj.Phillip M***** gewährten Unterhaltsvorschüsse bereits ab 1.April 1996 auf monatlich S 3.700 erhöht werden.

Text

Begründung

Mit Vereinbarung gemäß § 214 Abs 2 ABGB vom 7.1.1994 hat sich der Vater des Minderjährigen, Gerald N*****, ua verpflichtet, ab 1.11.1993 bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes einen Unterhaltsbeitrag von monatlich S 4.000 zu zahlen. Mit Beschluß vom 31.3.1994 (ON 43) wurden die dem Kind gewährten Unterhaltsvorschüsse gemäß § 19 Abs 2 UVG ab 1.11.1993 auf monatlich S 4.000 erhöht. Der Unterhaltssachwalter teilte am 10.2.1995 mit, daß der Vater seit 14.10.1994 Arbeitslosengeld von täglich S 407,50 beziehe. Darauf wurden mit Beschluß vom 20.2.1995 (ON 45) die dem Kind gewährten Unterhaltsvorschüsse ab 1.11.1994 auf monatlich S 2.200 herabgesetzt. Mit Beschluß vom 27.2.1995 (ON 46) wurden diese Unterhaltsvorschüsse von monatlich S 2.200 weiter gewährt (§§ 3, 4 Z 1, § 18 UVG).

Am 19.7.1996 teilte der Unterhaltssachwalter mit, daß der Vater seit 1.4.1996 wieder beschäftigt sei und ein Nettoeinkommen von S 17.733,20 zuzüglich Urlaubs- und Weihnachtsgeld beziehe; er beantragte, den Unterhaltsvorschuß ab 1.4.1996 auf monatlich S 3.700 anzuheben.

Das Erstgericht erhöhte die Unterhaltsvorschüsse ab 1.7.1996 auf monatlich S 3.700 und wies das Mehrbegehren, die Erhöhung bereits ab 1.4.1996 vorzunehmen, ab, weil Unterhaltsvorschüsse erst mit Beginn des Monats, in dem der Antrag auf Aufhebung gestellt wurde, bewilligt werden könnten.

Das Rekursgericht bestätigte die Abweisung des Begehrens auf Erhöhung der Unterhaltsvorschüsse bereits ab 1.4.1996 und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu, weil Rechtsfragen in der Qualität des § 14 Abs 1 AußStrG nicht vorlägen. In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht aus, es entspreche der ständigen Rechtsprechung, daß der sogenannte "Angleichungsantrag" Rechtswirksamkeit erst mit der Antragstellung und nicht rückwirkend entfalte. Das UVG kenne den Begriff des sogenannten "Angleichungsantrags", der sich in der Praxis als zweckentsprechend durchgesetzt habe und mit den Grundsätzen des UVG vereinbar sei, nicht. Er werde gestellt, wenn Gründe des § 7 Abs 1 UVG vorerst zu einer gegenüber dem Titel eingeschränkten Bevorschussung oder in späterer Folge zu einer Reduzierung geführt hätten und sodann ganz oder teilweise weggefallen seien. Mit einem derartigen Antrag würden im gegebenen Teilbereich neue Unterhaltsvorschüsse begehrt; es seien daher alle für ein solches Begehren vorgesehenen Bestimmungen anzuwenden, insbesondere §§ 8, 11 UVG. Nach § 8 UVG könnten Vorschüsse nur vom Beginn des Monates, in dem das Kind sie beantragt, gewährt werden. Die Bestimmung des § 19 Abs 2 UVG sei nicht analogiefähig, weil sie in einem formalen Nachzugsverfahren die Vorschußerhöhung nur an die Feststellung der Titelerhöhung knüpfe, während beim sogenannten Angleichungsantrag keinerlei wie immer geartete Automatik gegeben sei, sondern vielmehr die Voraussetzungen, ob auch im Restbereich eine Bevorschussung zu erfolgen habe, wozu ja eine zu entkräftende verneinende Aussage vorliege, sehr wohl im Sinn des § 11 Abs 2 UVG zu prüfen und unter Beweis zu stellen seien. Da der Angleichungsantrag beim Erstgericht erst am 19.7.1996 eingelangt sei, könnten die erhöhten Unterhaltsvorschüsse erst ab diesem Monat, nicht aber bereits ab 1.4.1996 bewilligt werden.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Unterhaltssachwalters ist zulässig und berechtigt.

Für den Fall, daß begründete Bedenken nach § 7 Abs 1 Z 1 UVG, die zu einer gegenüber dem Unterhaltstitel verminderten Unterhaltsvorschußgewährung geführt hatten, später wegfallen, sieht das UVG keine ausdrückliche Regelung vor. In der Praxis wird auf entsprechenden Antrag eine Erhöhung des Vorschusses durch Angleichung an den Titel zugelassen. Wie das LG für ZRS Wien (EFSlg 43.848) ausgesprochen hat, ergebe sich die dahin gehende Wertung insbesondere aus § 19 Abs 2 UVG, wonach im Fall der Erhöhung eines bereits bevorschußten Unterhalts ebenfalls ein Antrag auf Erhöhung des Unterhaltsvorschusses zulässig sei. Auch Neumayr (in Schwimann, ABGB**2 I Rz 27 zu § 7 UVG) bejaht die Zulässigkeit einer derartigen Angleichung der Unterhaltsvorschüsse an den Titel, wenn die Gründe, die zur Einschränkung bzw Versagung geführt haben, weggefallen sind, in analoger Anwendung des § 19 Abs 2 UVG.

Die Frage, ab welchem Tag die Vorschußerhöhung zu erfolgen hat, wenn ein bereits bewilligt gewesener Vorschuß gemäß § 19 Abs 1, § 7 Abs 1 UVG herabgesetzt wurde, ohne daß auch die titelmäßige Unterhaltsverpflichtung vermindert wurde, und sodann wegen Änderung der Verhältnisse eine Erhöhung des Vorschusses auf den titelmäßigen Betrag erfolgt, ist im Gesetz ebenfalls nicht ausdrücklich geregelt. In der Rechtsprechung der Gerichtshöfe erster Instanz wird eine analoge Anwendung des § 19 Abs 2 UVG abgelehnt, der nur den Fall regle, daß der Unterhaltsbeitrag laut Titel erhöht werde, was zu einer Erhöhung des Vorschusses mit dem auf das Wirksamwerden der Unterhaltserhöhung folgenden Monatsersten, wenn die Erhöhung auf einen Monatsersten falle, mit diesem, führe. Die grundlegende Bestimmung darüber, ab wann Unterhaltsvorschüsse zu gewähren sind, finde sich in § 8 UVG, wonach Vorschüsse vom Beginn des Monats, in dem das Kind dies beantragt, zu gewähren sind. Diese Bestimmung sei sinngemäß anzuwenden; demnach sei eine Erhöhung des Unterhaltsvorschusses nach vorangegangener Herabsetzung nur aufgrund eines wirksamen Antrags möglich, wobei der Beginn der erhöhten Vorschußgewährung im Sinn des § 8 Abs 1 UVG mit dem Beginn jenes Monats festzulegen sei, in dem das Kind die Erhöhung beantragt habe (KG Krems, LG für ZRS Wien EFSlg 54.818). Diese Ansicht wird auch von Neumayr (aaO Rz 27 zu § 7 UVG, Rz 3 zu § 8 UVG, Rz 20 zu § 19 UVG) und Knoll (UVG, Rz 12 zu § 19) gebilligt.

Der Oberste Gerichtshof kann dieser Ansicht nicht folgen.

§ 8 UVG trifft eine Regelung über den Beginn der Unterhaltsvorschüsse. Danach sind die Vorschüsse vom Beginn des Monats, in dem das Kind dies beantragt, zu gewähren. Maßgeblich ist das Einlangen des Antrags bei Gericht (Neumayr aaO Rz 1 zu § 8 UVG mwN). Für den Fall einer Änderung der Vorschüsse sieht demgegenüber § 19 Abs 2 UVG vor, daß die Erhöhung mit dem auf das Wirksamwerden der Unterhaltserhöhung folgenden Monatsersten, fällt die Erhöhung auf einen Monatsersten, mit diesem anzuordnen ist. Bei einer Erhöhung des Unterhaltstitels soll somit die Vorschußerhöhung - wenn auch monatsbezogen - parallel mit der Unterhaltserhöhung wirksam werden; die Vorschußerhöhung ist daher auch rückwirkend zulässig (Neumayr aaO Rz 18 zu § 19 UVG mwN). Der Gesetzgeber wollte mit § 19 Abs 2 UVG primär den Gleichlauf zwischen den Unterhaltsvorschüssen und den Unterhaltstiteln herstellen, wenn während des Laufens der Vorschüsse der Unerhaltsbeitrag erhöht wird (276 BlgNR 15.GP 7, 14; vgl EFSlg 78.928).

Eine unterschiedliche Behandlung dieses Falles einer Erhöhung der Unterhaltsvorschüsse nach Unterhaltserhöhung im Sinn einer Titelerhöhung und des hier vorliegenden Falles einer Erhöhung der Unterhaltsvorschüsse im Rahmen eines Unterhaltstitels, der nicht geändert werden muß, weil sich aus ihm bereits diese höhere Unterhaltspflicht ergibt, ist weder im Gesetz begründet noch sachgerecht. Die für den ersten Fall in § 19 Abs 2 UVG ausdrücklich vorgesehene Rückwirkung ist vielmehr analog auch im Falle eines sogenannten Angleichungsantrags sachgerecht; in beiden Fällen liegt die gleiche Situation vor, daß bereits Unterhaltsvorschüsse bewilligt wurden, die wegen Änderung maßgeblicher Verhältnisse erhöht werden. Das Vorliegen eines Unterhaltstitels, in dem die Unterhaltsvorschüsse Deckung finden, rechtfertigt nicht einen Ausschluß der analogen Anwendung des § 19 Abs 2 UVG. Der Umstand, daß eine Änderung des Unterhaltstitels - aus welchem Grund auch immer - unterblieben ist, kann keinen Grund dafür bilden, den in einem solchen Fall eingebrachten Angleichungsantrag so wie einen erstmaligen Antrag auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen zu behandeln und erhöhte Vorschüsse gemäß § 8 UVG erst ab Beginn des Monats, in dem der Antrag eingebracht wird, zu gewähren. Vielmehr ist nicht nur die Zulässigkeit eines derartigen Angleichungsantrags, sondern auch der Beginn der damit beantragten Erhöhung in analoger Anwendung des § 19 Abs 2 UVG zu beurteilen.

In Stattgebung des Rekurses des Kindes sind somit die Unterhaltsvorschüsse nicht erst seit Monatsersten des Antragsmonats, sondern nach § 19 Abs 2 UVG mit dem auf das Wirksamwerden der Unterhaltserhöhung folgenden Monatsersten anzuordnen.

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