OGH 9ObA39/97v

OGH9ObA39/97v28.5.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Steinbauer und Dr.Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter MR Mag.Gerhard Puschner und

o. Univ.Prof.Dr.Walter Schrammel als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Renate G*****, Angestellte, ***** vertreten durch Dr.Gerhard Hiebler, Rechtsanwalt in Leoben, wider die beklagte Partei P*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Erwin Bajc, Dr.Peter Zach, Rechtsanwälte in Bruck an der Mur, wegen S 72.511,17 sA, infolge der Rekurse beider Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 7.November 1996, GZ 8 Ra 266/96s-13, womit infolge Rekurses der beklagten Partei der Beschluß des Landesgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 3. Oktober 1996, GZ 23 Cga 117/96i-10, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Beiden Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Rekurswerber haben die ihnen im Rekursverfahren erwachsenen Kosten selbst zu tragen.

Text

Begründung

Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Liezen vom 15.2.1996, 4 S 16/97z-2, wurde schon vor Einleitung des vorliegenden Rechtsstreites über das Vermögen der hier klagenden Partei das Schuldenregulierungsverfahren (§§ 181 ff KO) eröffnet. Der Schuldnerin wurde die Eigenverwaltung nicht entzogen; ein Masseverwalter wurde nicht bestellt.

Mit ihrer am 13.5.1996 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrte die durch eine iS § 40 Abs 1 Z 2 ASGG qualifizierte Person vertretene Klägerin von der Beklagten S 72.511,17 sA an Abfertigung, Urlaubsabfindung und laufenden Bezügen für Jänner bis Dezember 1995. Die Klage enthält keinen Hinweis auf das anhängige Schuldenregulierungsverfahren. Die Beklagte erhob gegen den über die Klage erlassenen Zahlungsbefehl Einspruch und beantragte, die Klage abzuweisen.

Mit Schriftsatz vom 31.5.1996 beantragte die Beklagte unter Hinweis auf das bereits vor Einbringung der Klage eröffnete Schuldenregulierungsverfahren, die Nichtigkeit des über die Klage eingeleiteten Verfahrens auszusprechen. Gemäß §§ 3 Abs 1, 187 Abs 1 Z 3 KO seien auch im Privatkonkursverfahren Verfügungen des Gemeinschuldners nach der Konkurseröffnung nur dann wirksam, wenn das Konkursgericht zustimme. Das Verfahren sei daher gemäß § 6 KO nichtig.

Mit dem (ohne vorgängiger mündlichen Verhandlung gefaßten) Beschluß vom 12.8.1996 wies das Erstgericht diesen Antrag ab, weil die Klägerin, der die Eigenverwaltung nicht entzogen worden sei, prozeßführungsbefugt sei.

Mit dem angefochtenen Beschluß hob das Rekursgericht über Rekurs der Beklagten diese Entscheidung auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung über den Antrag der Beklagten nach Verfahrensergänzung auf. Es sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof nach § 46 Abs 1 ASGG zulässig sei.

Das Rekursgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß zwar der Schuldner im Schuldenregulierungsverfahren grundsätzlich die Konkursmasse selbst verwalte, daß er aber gemäß § 187 Abs 1 Z 5 KO nicht berechtigt sei, den pfändbaren Teil seiner Arbeitseinkünfte in Empfang zu nehmen und darüber zu verfügen. Soferne das Konkursgericht keinen Masseverwalter bestellte, habe es diese Einkünfte gemäß § 190 Abs 3 KO selbst einzutreiben, wozu es im Regelfall ausreiche, den Dienstgeber zur Zahlung aufzufordern und die Beträge entgegenzunehmen. Eine allenfalls notwendige Klagsführung habe laut Holzhammer (Österreichisches Insolvenzrecht5 209) durch einen eigens hiezu bestellten Masseverwalter zu erfolgen. Demgegenüber führe Konecny (BeitrZPR V 100) aus, daß - sofern kein Masseverwalter bestellt werde - das Konkursgericht selbst die Klage einbringen müsse; da dies nicht Aufgabe der Gerichte sei, solle ein Masseverwalter bestellt werden können. Nach Auffassung des Rekursgerichtes komme dem Schuldner mangels Verfügungsbefugnis eine selbständige Prozeßführungsbefugnis hinsichtlich pfändbarer Bezüge nicht zu; hinsichtlich der nicht in die Konkursmasse fallenden Vermögensteile bleibe seine Verfügungsfähigkeit und damit die selbständige Prozeßführungsbefugnis aber aufrecht. § 81 Abs 1 KO, wonach auch Prozesse, die die Masse teilweise betreffen, vom Masseverwalter zu führen seien, sei im Hinblick auf die §§ 186, 187 KO nicht anwendbar. Die geltend gemachte Forderung zerfalle in einen von der Klägerin selbst durchsetzbaren pfändungsfreien und einen pfändbaren, nur vom Konkursgericht nach § 190 Abs 3 KO durchsetzbaren Teil. Ob bzw in welchem Ausmaß die selbständige Prozeßführungsbefugnis der Klägerin gegeben sei, sei feststellungsbedürftig und daher mit der Klägerin im fortgesetzten Verfahren zu erörtern. Soweit pfändbare Ansprüche Gegenstand des Verfahrens seien, liege ein Mangel der Verfügungsfähigkeit vor, der wie der Mangel der Prozeßfähigkeit oder der gesetzlichen Vertretung zu behandeln sei. Insoweit hätte das Erstgericht ein Verbesserungsverfahren gemäß § 6 Abs 2 ZPO einzuleiten.

Gegen diesen Beschluß richten sich die Rekurse beider Seiten.

Die Klägerin beantragt, "den bekämpften Beschluß dahingehend abzuändern, als dem Rekurs der Gegenseite keine Folge gegeben werden möge." Hilfsweise beantragt sie, dem Rekursgericht aufzutragen, eine Behebung des Mangels der Zustimmung des Konkursgerichtes zur Prozeßführung zu versuchen und erst dann neuerlich über dieses Rechtsmittel zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt, die angefochtene Entscheidung iS der Stattgebung ihres im Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluß gestellten Hauptantrages (somit iS der Nichtigerklärung der erstinstanzlichen Entscheidung) abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin erstattete eine Rekursbeantwortung mit dem Antrag, dem Rekurs der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Antrag der Beklagten auf Nichtigerklärung des Verfahrens, dessen Erfolg die Zurückweisung der Klage zur Folge hätte, ist einem "Antrag auf Zurückweisung der Klage" iS § 521a Abs 1 Z 3 ZPO gleichzuhalten. Das Rekursverfahren betreffend den diesen Antrag "verwerfenden" erstgerichtlichen Beschluß war daher - wenngleich die Klägerin, der der Rekurs zugestellt wurde, keine Rekursbeantwortung erstattete - zweiseitig. Damit sind aber auch die Rekurse gegen den diesen Antrag betreffenden Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes zweiseitig (JBl 1985, 752; 8 Ob 542/86 ua). Entgegen der in einem offenkundig an das Erstgericht gerichteten Schriftsatz der Beklagten vertretenen Meinung ist daher die Rekursbeantwortung der Klägerin zulässig und ihr Rekurs - im Hinblick auf § 521 Abs 1 ZPO - rechtzeitig.

Beide Rekurse sind nicht berechtigt.

Da der Antrag der Beklagten auf Nichtigerklärung des Verfahrens wegen mangelnder Verfügungs- (Prozeß-)fähigkeit des (Gemein-)schuldners einer Einrede iS § 261 Abs 1 ZPO gleichzuhalten ist (vgl dazu Rechberger in Rechberger, ZPO, Rz 1 zu § 261), ist vor Eingehen in die Sachprüfung zu klären, ob der erstgerichtliche Beschluß über die Abweisung dieses Antrages abgesondert anfechtbar war (vgl dazu § 261 Abs 1 bis 5 ZPO und die Zusammenstellung der daraus abgeleiteten Rechtsfolgen bei Rechberger in Rechberger, ZPO, Rz 2 ff zu § 261 ZPO). Dies ist hier zu bejahen, weil das Erstgericht über den Antrag der Beklagten ohne vorgängige Verhandlung entschieden hat (1 Ob 738/82). Der gegen diese Entscheidung erhobene Rekurs wurde daher von der zweiten Instanz zu Recht sachlich erledigt.

In der Sache selbst ist den Ausführungen des Rekursgerichtes nur teilweise zu folgen:

Auch im Schuldenregulierungsverfahren gilt die durch § 1 KO verfügte Spaltung des Schuldnervermögens in die Konkursmasse einerseits und in das konkursfreie Vermögen andererseits (Mohr, Privatkonkurs 12; Holzhammer, Österreichisches Insolvenzrecht5 206; Deixler-Hübner, Privatkonkurs Rz 110). Nicht in die Konkursmasse fällt - soweit hier von Interesse - der unpfändbare Teil des Arbeitseinkommens (Mohr, aaO 12). Insofern ist der Schuldner in seiner Verfügungsfähigkeit nicht beschränkt. Zur Geltendmachung der unpfändbaren Teile des Arbeitseinkommens ist daher die Klägerin ohne Einschränkungen berechtigt.

Die Verwaltung der Konkursmasse steht im Schuldenregulierungsverfahren - sofern (wie hier) das Gericht nichts anderes bestimmt hat - gemäß § 186 Abs 1 KO dem Schuldner selbst zu (Eigenverwaltung). In den Fällen des § 186 Abs 2 KO hat das Konkursgericht dem Schuldner die Eigenverwaltung zu entziehen und einen Masseverwalter zu bestellen. Aber auch bei Eigenverwaltung kann das Gericht gemäß § 190 Abs 2 KO für einzelne, mit besonderen Schwierigkeiten verbundene Tätigkeiten einen Massever- walter mit einem auf diese Tätigkeiten beschränkten Geschäftskreis (§ 190 Abs 2 KO) bestellen. Von dieser Möglichkeit hat aber das Konkursgericht nach der Aktenlage hier nicht Gebrauch gemacht. Die Verwaltungs- und Verfügungsmacht über die Konkursmasse steht daher im vorliegenden Fall der Klägerin zu, weshalb sie grundsätzlich auch zur Führung von Prozessen berechtigt ist (Holzhammer, aaO 210; Mohr, aaO 15).

Allerdings besteht die Verwaltungs- und Verfügungsmacht des Schuldners über die Konkursmasse nicht unbeschränkt. So sind gemäß § 187 Abs 1 Z 3 KO Verfügungen des Schuldners über die Konkursmasse nur wirksam, wenn das Konkursgericht zustimmt. Zu diesen Verfügungen zählt auch die Führung von Prozessen (Deixler-Hübner, aaO Rz 123). Gemäß § 187 Abs 1 Z 5 KO ist der Schuldner überdies nicht zur Empfangnahme des pfändbaren Teiles der Einkünfte aus einem Arbeitsverhältnis oder sonstiger wiederkehrender Leistungen mit Einkommensersatzfunktion berechtigt; er darf darüber auch nicht verfügen. Dieser Teil des Einkommens ist daher vom Arbeitgeber direkt an das Konkursgericht bzw einen dafür bestellten Treuhänder (oder einen allenfalls eingesetzten Masseverwalter) auszufolgen (Deixler-Hübner, aaO Rz 125).

Holzhammer (aaO 207) und Konecny (BeitrZPR V 60) leiten aus der zuletzt genannten Bestimmung des § 187 Abs 1 Z 5 KO eine vollständige Verfügungsbeschränkung des Schuldners hinsichtlich des pfändbaren Teiles seiner Arbeitseinkünfte ab und verneinen demgemäß die Berechtigung des Schuldners, die pfändbaren Teile seines Arbeitseinkommens gerichtlich geltend zu machen. Da gemäß § 190 Abs 3 KO die nach diesem Gesetz dem Masseverwalter Obliegenheiten, soweit ein Masseverwalter nicht bestellt ist und auch der Schuldner hiezu nicht befugt ist, vom Konkursgericht wahrzunehmen sind, führt dies zu ihrem schon vom Rekursgericht referierten Standpunkt, daß zur Einklagung der pfändbaren Teile des Arbeitseinkommens des Schuldners nur das Konkursgericht selbst oder ein eigens hiefür zu bestellender Masseverwalter befugt sei (Holzhammer, aaO 209; Konecny aaO 100).

Dieses Ergebnis entspricht jedoch nicht der Intention des Gesetzes, das mit der Möglichkeit der Eigenverwaltung auf eine einfache und kostensparende Abwicklung des Schuldenregulierungsverfahrens abzielt (vgl die zur RV der KO-Nov 1993, 1218 BlgNR 18. GP 21 f). Es war ganz offenkundig vom Gesetzgeber auch nicht beabsichtigt, der etwa in § 187 Abs 1 Z 6 KO ausdrücklich die Berechtigung des Schuldners ausschließt, die Zwangsversteigerung oder die Zwangsverwaltung einer unbeweglichen Sache der Konkursmasse zu betreiben, der aber den von Holzhammer und Konecny befürworteten Ausschluß der Prozeßführungsbefugnis des Schuldners für die pfändbaren Arbeitseinkünfte nicht erwähnt.

Nach Ansicht des erkennenden Senates ist es daher angebracht, die Bestimmung des § 187 Abs 1 Z 5 KO, wonach der Schuldner nicht über seine pfändbaren Arbeitseinkünfte verfügen darf, teleologisch dahin zu reduzieren, daß damit die Verfügungsfähigkeit des Schuldners über seine pfändbaren Arbeitseinkünfte nicht völlig ausgeschlossen, sondern nur insoweit beschränkt wird, als dies der Zweck dieser Bestimmung - nämlich die Sicherung der Verwendung dieser Bezüge zur Schuldentilgung - erfordert. Dieser Zweck erfordert es aber nicht, dem Schuldner die Prozeßführungsbefugnis für diese Einkünfte völlig zu entziehen; damit wäre häufig ein erhöhter Kostenaufwand verbunden, der dem Ziel des Schuldenregulierungsverfahrens geradezu zuwiderläuft. Vielmehr reicht es aus, das Prozeßführungsrecht des Schuldners hinsichtlich der pfändbaren Einkommensteile dahin zu beschränken, daß dem Schuldner die gerichtliche Geltendmachung seiner Ansprüche zwar möglich ist, er aber im Prozeß nicht die Zahlung seiner pfändbaren Ansprüche an sich selbst, sondern stattdessen Zahlung an das Konkursgericht begehren kann (ähnlich die insoweit vergleichbare Rechtslage bei Pfändung einer Forderung, die - solange nicht die Überweisung erfolgt - nach Lehre und Rechtsprechung alle Rechtshandlungen des Verpflichteten, die die Sicherung des betreibenden Gläubigers nicht beeinträchtigen, nicht beschränkt, weshalb der Verpflichtete auch ohne Zustimmung die gepfändete Forderung einklagen, jedoch nur ihren gerichtlichen Erlag begehren kann (Heller/Berger/Stix 2131; JBl 1971, 572; SZ 47/30; zuletzt ARD 4662/40/95).

Daß die Klägerin hier der dargestellten Beschränkung ihrer somit auch für die pfändbaren Teile ihres Anspruches zu bejahenden Prozeßführungsbefugnis nicht Rechnung trug und hinsichtlich ihres gesamten Begehrens Zahlung an sich selbst begehrte, macht ihre Klage hinsichtlich der pfändbaren Teile ihres Anspruches nicht unzulässig. Vielmehr ist das Gericht in einem solchen Fall verhalten, die klagende Schuldnerin zur Modifizierung ihres Klagebegehrens im dargestellten Sinne anzuleiten bzw - falls erforderlich - von Amts wegen die richtige Formulierung des Klagebegehrens vorzunehmen (vgl dazu die E EvBl 1985/144; SZ 52/144 uva, wonach das Gericht in ähnlicher Weise im Falle der Eröffnung des Konkurses während einer vor Konkurseröffnung eingebrachten Leistungsklage vorzugehen und für die Änderung des Leistungs- in ein Feststellungsbegehren zu sorgen hat).

Allerdings ist zu beachten, daß - wie schon oben dargelegt wurde - die Führung von die Konkursmasse betreffenden Prozessen durch die Schuldnerin iS § 187 Abs 1 Z 3 KO der Zustimmung des Konkursgerichtes bedarf. Eine solche Genehmigung wurde aber bislang nicht eingeholt. Dies führt aber nicht zur Zurückweisung des hievon betroffenen Teiles der Klage, sondern macht iS § 6 Abs 2 ZPO die Einleitung eines Verbesserungsverfahrens erforderlich.

Damit erweist sich aber die angefochtene Rekursentscheidung, mit der die Rechtssache zur Durchführung eines derartigen Verbesserungsverfahrens an die erste Instanz zurückverwiesen wurde, im Ergebnis als zutreffend, sodaß beiden Rekursen ein Erfolg zu versagen war.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf die §§ 40, 50 ZPO.

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