OGH 2Ob135/97k

OGH2Ob135/97k26.5.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Pflegschaftssache der am 13.Juni 1979 geborenen mj.Nadja F*****, vertreten durch den Unterhaltssachwalter Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie 11.Bezirk, 1110 Wien, Enkplatz 2, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 31.Jänner 1997, GZ 44 R 13/97f-160, womit infolge Rekurses der Minderjährigen der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 23.Oktober 1996, GZ 3 P 2283/95y-154, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Mutter der am 13.6.1979 geborenen Nadja ist am 13.2.1992 verstorben. Das Recht der Pflege und Erziehung und der Vermögensverwaltung wurde den väterlichen Großeltern zuerkannt. Der Vater ist aufgrund des Beschlusses vom 7.7.1995 zu monatlichen Unterhaltsleistungen von 3.000 S ab 1.5.1995 verpflichtet, wobei der Bezug einer Lehrlingsentschädigung der Minderjährigen von 3.700 S, 14 x jährlich, berücksichtigt wurde.

Die für den Zeitraum vom 1.11.1994 bis 31.10.1997 in der bisherigen Titelhöhe von 1.500 S bewilligten Unterhaltsvorschüsse wurden mit Beschluß vom 22.8.1995 ab 1.5.1995 auf monatlich 3.000 S erhöht.

Aufgrund der Mitteilung des Unterhaltssachwalters über das Ausmaß der Lehrlingsentschädigung setzte das Erstgericht die monatlichen Unterhaltsvorschüsse ab 1.5.1995 auf 2.200 S, ab 1.1.1996 auf 2.100 S und ab 1.5.1996 auf 1.200 S herab. Es vertrat die Ansicht, daß keine Bedenken gegen die Leistungsfähigkeit des Vaters bestünden, wobei schon im Unterhaltserhöhungsbeschluß die Anwendung des Anspannungsgrundsatzes auf den als Kellner tätig gewesenen Vater für gerechtfertigt erachtet wurde. Die Unterhaltsvorschüsse wurden im Hinblick darauf herabgesetzt, daß die monatliche Lehrlingsentschädigung ab 5.4.1995 4.450 S, ab 1.1.1996 4.595 S und ab 1.5.1996 6.352 S beträgt. Das Erstgericht erachtete im Sinne der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes einen Unterhaltsanspruch des Kindes nur mehr in der Höhe der halben Differenz zwischen dem eigenen Einkommen und einer Richtsatzpension für gerechtfertigt, weil der Differenzbetrag im Verhältnis 1 : 1 zwischen den Eltern aufzuteilen sei.

Das vom Unterhaltssachwalter angerufene Rekursgericht änderte diesen Beschluß dahin ab, daß die monatlichen Unterhaltsvorschüsse ab 1.5.1996 auf 2.250 S herabgesetzt wurden; es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Das Rekursgericht führte aus, es könnten im vorliegenden Fall die Bedürfnisse des Kindes nicht durch Naturalleistungen gedeckt werden, weil die Mutter verstorben sei und ihre Leistungen auch nicht durch eine Waisenpension substituiert würden. Die Großeltern seien nicht unterhaltspflichtig, es könne auch nicht davon ausgegangen werden, daß sie ihre Betreuungsleistungen in der Absicht erbringen, den Vater von seiner durch den Tod der Mutter erhöhten Unterhaltsverpflichtung zu entlasten. Der Vater habe daher die gesamte Bedarfslücke im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit zu decken. Eine Unterhaltsherabsetzung aufgrund des Bezuges der Lehrlingsentschädigung habe daher nur insoweit stattzufinden, als die Differenz zwischen dem Eigeneinkommen des Kindes und einer Richtsatzpension den zuletzt festgesetzten Unterhaltsbetrag unterschreite. Dies sei erst ab 1.5.1996 der Fall, als das Eigeneinkommen auf 6.352 S monatlich stieg, sodaß die Differenz zwischen der Richtsatzpension von 8.900 S und dem Eigeneinkommen nur mehr 2.548 S betrug, gerundet somit 2.550 S monatlich.

Den ordentlichen Revisionsrekurs erachtete das Rechtsmittelgericht für nicht zulässig, weil ein Einzelfall vorliege und die Anwendung der oberstgerichtlichen Judikatur auch ein für den vorliegenden Fall billiges Ergebnis bringe.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß der erstgerichtliche Beschluß wiederhergestellt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil es zur Frage, ob Betreuungsleistungen eines nicht unterhaltspflichtigen Großelternteiles den Unterhaltsanspruch des Kindes schmälern, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gibt, er ist aber nicht berechtigt.

Der Präsident des Oberlandesgerichtes vertritt unter Berufung auf die Entscheidung 43 R 45/97d des Landesgerichtes für ZRS Wien (sie ist Gegenstand des Revisionsrekurses zu 9 Ob 118/97m) die Ansicht, es könne keinen Unterschied machen, wer als Obsorgeberechtigter Naturalbetreuungsleistungen für das Kind erbringe, ob dies die leibliche Mutter, oder - wie im Falle ihres Todes - eine obsorgeberechtigte Großmutter sei, und ob diese Betreuungsleistungen tatsächlich in der Absicht erbracht werden, den Vater von seiner durch den Tod der Mutter erhöhten Unterhaltsverpflichtung zu entlasten. Der Vater werde durch Betreuungsleistungen, die im Rahmen der Obsorgeverpflichtung von wem immer faktisch erbracht werden, jedenfalls entlastet.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden:

Nach ständiger Rechtsprechung (SZ 64/94; SZ 65/114 uva) verringert sich infolge Eigeneinkommens des Minderjährigen dessen konkreter Bedarf. Diese Bedarfsminderung muß beiden unterhaltspflichtigen Elternteilen zugute kommen; leistet ein Elternteil seinen Unterhalt durch Betreuung des Kindes in seinem Haushalt, so darf dem geldunterhaltspflichtigen anderen Teil nur ein Teil des Kindeseinkommens angerechnet werden, gleichgültig, ob auch die Unterhaltslast des betreuenden Elternteiles tatsächlich (sei es durch Einschränkung der Betreuungsleistung, sei es durch Ausgleichszahlungen des Kindes) erleichtert wird (s Schwimann/Schwimann, ABGB**2 I, § 140 Rz 84 mwN). Dabei ist bei einfachen Lebensverhältnissen das Eigeneinkommen des Minderjährigen auf die Leistungen des geldunterhaltspflichtigen und des betreuenden Elternteiles im Verhältnis zwischen dem Durchschnittsbedarf der Altersgruppe, welcher der Minderjährige angehört, und dessen Differenz zur Mindestpensionshöhe anzurechnen (SZ 65/114).

Im vorliegenden Fall trifft nun aufgrund des Todes der Mutter die Unterhaltspflicht allein den Vater. Gemäß § 141 ABGB schulden nämlich die Großeltern nur dann Unterhalt, wenn die Eltern nach ihren Kräften zur Leistung des Unterhaltes nicht imstande sind.

"Nicht-Imstande-Sein" im Sinne des § 141 ABGB liegt vor, wenn beide Elternteile entweder tot oder wirtschaftlich leistungsunfähig, d.h. trotz Anspannung zur Unterhaltsleistung nicht in der Lage sind (Schwimann aaO Rz 2 zu § 141). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben, weil der Vater - wenngleich unter Anspannung - zur Unterhaltsleistung in der Lage wäre. Hinsichtlich der Leistungen der Großeltern ist - wie das Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat - grundsätzlich nicht davon auszugehen, daß diese eine Entlastung der Unterhaltsverpflichtung des Vaters verfolgten. Im Zweifel ist vielmehr davon auszugehen, daß Zuwendungen dritter Personen in Erfüllung einer (zumindest angenommenen) sittlichen Verpflichtung naher Anverwandter und nicht in der Absicht, den Unterhaltspflichtigen zu entlasten, erbracht werden. Diese Zuwendungen haben daher auch keinen Einfluß auf die Unterhaltsverpflichtung des Vaters, sie stellen auch kein den Unterhaltsbedarf minderndes Einkommen des Unterhaltspflichtigen dar, sondern sind lediglich als "Zubuße" zu verstehen (EFSlg 70.737 mwN; Schwimann aaO Rz 83 zu § 140).

Der Unterschied zu der Mutter, der die Obsorge nach § 177 ABGB übertragen wurde, liegt darin, daß diese unabhängig davon auch unterhaltspflichtiger Elternteil ist und durch ihre Betreuungsleistungen ihrer Unterhaltspflicht entspricht, während die Großeltern nicht unterhaltsverpflichtet sind und daher durch die von ihnen erbrachten Betreuungsleistungen nicht Unterhalt geleistet wird (ebenso auch 9 Ob 118/97m).

Zutreffend ist daher das Rekursgericht davon ausgegangen, daß der unterhaltspflichtige Vater im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit die gesamte Bedarfslücke zu decken hat und daß die Leistungen der Großeltern unberücksichtigt zu bleiben haben.

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