OGH 13Os59/97

OGH13Os59/9721.5.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.Mai 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Rouschal, Dr.Habl und Dr.Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Marte als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Stanley E***** wegen des teils beim Versuch gebliebenen Verbrechens nach § 12 Abs 1, Abs 2 und Abs 3 Z 3 SGG und § 15 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 1.Oktober 1996, GZ 6 a Vr 3772/96-95, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Kirchbacher, und des Verteidigers Dr.Duschek, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu Punkt 1. (gewerbsmäßiges Inverkehrsetzen einer die im § 12 Abs 1 SGG genannten Menge um das Fünfundzwanzigfache übersteigenden Suchtgiftmenge durch Verkauf von zumindest 400 Gramm Kokain an den abgesondert verfolgten William M*****) sowie in der rechtlichen Unterstellung der zu Punkt 2. erfaßten Tat (Bereithalten von 60 Gramm Heroin und 95 Gramm Kokain zum Zweck der Weitergabe an einen noch auszuforschenden "Tony S*****") auch unter § 12 Abs 2, Abs 3 Z 3 SGG und demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches über die Geldstrafe nach § 13 Abs 2 SGG und die Anrechnung der Vorhaft) aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des auf den erfolglos gebliebenen Teil seiner Nichtigkeitsbeschwerde entfallenden Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen (auch einen rechtskräftigen Freispruch enthaltenden) Urteil wurde Stanley E***** des (teils beim Versuch gebliebenen) Verbrechens nach § 12 Abs 1, 2 und 3 Z 3 SGG und § 15 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er zumindest zwischen Anfang Jänner und dem 10.April 1996 in Wien durch Verkauf bzw beabsichtigte Weitergabe von Heroin und Kokain den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift gewerbsmäßig in einer Menge, welche die im § 12 Abs 1 SGG genannte Menge um das Fünfundzwanzigfache übersteigt, in Verkehr gesetzt bzw in Verkehr zu setzen versucht, und zwar

1. durch Verkauf von zumindest 400 Gramm Heroin an einen abgesondert Verfolgten;

2. durch Bereithalten von 60 Gramm Heroin und 95 Gramm Kokain zum Zwecke der Weitergabe an einen noch Auszuforschenden.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5, 10 und 11 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist teilweise berechtigt.

Dem Einwand unvollständiger Begründung (Z 5) zuwider wurde die Urteilsannahme einer verkauften Kokainmenge von 400 Gramm (1.) aus den Aussagen des Abnehmers vor Gericht (US 9 f) mängelfrei abgeleitet. Die Erörterung dessen Aussage vor der Polizei (S 187/I) war nicht geboten, weil der Zeuge diese Schilderung in der Hauptverhandlung präzisieren und Unklarheiten seiner früheren Angaben mit dem damals angegriffenen Gesundheitszustand erklären konnte (S 29 f/II).

Die Subsumtionsrüge (Z 10) hingegen zeigt berechtigterweise Feststellungsmängel auf, die eine abschließende rechtliche Beurteilung des Täterverhaltens nicht zulassen.

Ob die Tat in Beziehung auf eine große Menge Suchtgift nach § 12 Abs 1 SGG oder gar eine Übermenge nach Abs 3 Z 3 leg. cit begangen wurde, ist an der Reinsubstanz zu messen. Das Erreichen der angelasteten Mengenstufe muß vom Vorsatz umfaßt sein. Mengen aufeinanderfolgender Tathandlungen sind zusammenzufassen, wenn der zumindest bedingte Tätervorsatz den an die bewußt kontinuierliche Begehung geknüpften Additionseffekt mitumfaßt (Foregger/Litzka SGG2 § 12 Erl III mN).

Von welchen Vorstellungen der Angeklagte zur Gesamtmenge des (nach und nach) weitergegebenen Suchtgiftes geleitet war, als er an seinen Abnehmer Einzelmengen von 5 bis 10 Gramm Kokain verkaufte (US 5), ist dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen. Daß er "offensichtlich zur Finanzierung seines Lebensunterhaltes" in Österreich in größerem Umfang einen Drogenhandel aufzog, um sich durch den gewinnbringenden Weiterverkauf von Suchtgift eine Einnahmequelle zu erschließen (US 4), vermag zwar den Willen zum mehrmaligen Absatz vom Suchtgift zu indizieren. Ob er aber das schrittweise Erreichen einer Übermenge im Sinn des § 12 Abs 3 Z 3 SGG oder wenigstens einer großen Menge nach § 12 Abs 1 SGG für möglich hielt und sich damit abfand (§ 5 Abs 1 StGB), lassen die Entscheidungsgründe (trotz entsprechender Hinweise in den Verfahrensergebnissen) offen.

Die Urteilsannahmen zur inneren Tatseite reichen somit für eine Beurteilung der gesamten Suchtgiftmanipulation des Angeklagten als tätergewollte Handlungseinheit (US 12 unten) nicht aus. Der Feststellungsmangel zum Vorhaben des Angeklagten beim Kokainverkauf hindert bereits die Abgrenzung des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG vom Vergehen nach § 16 Abs 1 SGG, weshalb sich die Aufhebung des Schuldspruches zu dieser Faktengruppe (1.) und demzufolge auch des Strafausspruches als unerläßlich erweist. Die weiter dagegen erhobenen Beschwerdeeinwände (Z 10 und 11) können demzufolge auf sich beruhen (Mayerhofer, StPO4 § 285 e E 2.).

Infolge des sachlichen Zusammenhanges hat die Teilkassierung auch die Qualifikation der Gewerbsmäßigkeit (§ 12 Abs 2 erster Fall SGG) zu erfassen (§ 289 StPO). Sie erfordert, daß sich die Absicht des Täters (zumindest auch) auf eine wiederkehrende Begehung von strafbaren Handlungen bezieht, die jeweils für sich allein als Verbrechen nach § 12 Abs 1 SGG zu beurteilen sind (13 Os 141/92).

Das gegen den übrigen Teil des Schuldspruches vorgebrachte Argument, das Bereithalten von Suchtgift begründe noch keinen Versuch des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG, trifft auf den festgestellten Sachverhalt nicht zu.

Danach hatte der Angeklagte für die Dauer einer kurzfristigen Abwesenheit von einem ihm mit Namen bekannten Händler 60 Gramm Heroin und 95 Gramm Kokain zur Aufbewahrung übernommen. Er hielt das Suchtgift in seiner Wohnung bereit, um es dem Händler nach dessen Rückkehr persönlich wieder auszufolgen (US 5, 8, 11 f; vgl S 216/I, 13 f/II).

Das Inverkehrsetzen im Sinn des § 12 Abs 1 SGG erfordert eine Tätigkeit, durch welche die Verfügungsgewalt über ein Suchtgift (unmittelbar) auf einen anderen übertragen wird (Foregger/Litzka, aaO Erl V; SSt 60/13).

Das Bereithalten einer großen Suchtgiftmenge zum Zweck der Weitergabe ist strafbarer Versuch des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG, wenn es dem gewollten Inverkehrsetzen unmittelbar vorangeht. Das Täterverhalten ist ausführungsnahe, wenn ihm plangemäß ohne örtliche, zeitliche oder manipulative Zwischenstufen eine dem jeweiligen Tatbild entsprechende Ausführungshandlung folgt (Leukauf-Steininger, Komm3 § 15 RN 6 ff).

Den Urteilsfeststellungen zufolge ging der Angeklagte beim Bereithalten des Suchtgiftes davon aus, daß er es binnen kurzer Zeit an einem ihm persönlich bekannten Händler zurückstellen werde. Die Aufbewahrung lag daher nach dem Tätervorhaben zeitlich und aktionsmäßig im unmittelbaren Vorfeld der Übergabe. Bei dieser Fallgestaltung begründete die Zwischenlagerung des Suchtgiftes den Versuch des Inverkehrsetzens (14 Os 54, 55/90).

Wie die Beschwerde zutreffend aufzeigt, leidet das Urteil aber auch an Feststellungsmängeln über die Qualität der Suchtgifte. Die Verwirklichung der Qualifikation nach § 12 Abs 3 Z 3 SGG hätte zur Voraussetzung, daß die tatverfangenen Quantitäten zumindest das Fünfundzwanzig- fache einer großen Menge an Reinsubstanz aufweisen.

Für die Beurteilung einer Suchtgiftmenge als groß kommt es nur auf die Eignung an, bei Weitergabe eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit einer großen Zahl von Menschen entstehen zu lassen. Diese große Menge kann aus einem oder verschiedenen Suchtgiften bestehen, auf die sich ein einheitliches Tatgeschehen bezieht, weil auch die Weitergabe mehrerer Suchtgifte in ihrer Gesamtauswirkung die bezeichnete Gefahr begründen kann (EvBl 1988/127).

Zwar könnte sich im gegebenen Fall bereits das Bereithalten der gesamten Menge von 60 Gramm Heroin und 95 Gramm Kokain auf eine "Übermenge" im Sinn der genannten Qualifikation beziehen. Das Urteil läßt jedoch den Reinheitsgrad der Suchtgifte gänzlich unbeachtet. Die Feststellung der Mengen allein reicht daher nicht aus, um (realistische) Zweifel am Erreichen der Übermenge auszuschließen (15 Os 11/94), weshalb die Tatbeurteilung nach § 12 Abs 3 Z 3 SGG keine ausreichende sachverhaltsmäßige Deckung findet.

Der Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Ansicht der Generalprokuratur teilweise Folge zu geben, das angefochtene Urteil, das im freisprechenden Teil und im Schuldspruch wegen des Bereithaltens von 60 Gramm Heroin und 95 Gramm Kokain zum Zweck der Weitergabe (Punkt 2. des Urteilssatzes), in der rechtlichen Beurteilung dieser Tat als Verbrechen nach § 12 Abs 1 SGG in der Entwicklungsstufe des Versuchs nach § 15 StGB und im Einziehungsausspruch unberührt zu bleiben hatte, im übrigen aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Im zweiten Rechtsgang wird nicht nur das Tatvorhaben des Angeklagten betreffend die Gesamtmenge des (nach und nach) verkauften Kokains zu erörtern, sondern in Ansehung der Qualifikation nach § 12 Abs 3 Z 3 SGG auch zu klären sein, wieviel Reinsubstanz die veräußerten und die bereitgehaltenen Suchtgifte enthielten.

Bei abermaliger Beurteilung des Kokainverkaufs nach § 12 SGG wird beim Sanktionsausspruch das Strafrechts- änderungsgesetz 1966, BGBl Nr 762, zu beachten sein, durch welches die vermögensrechtlichen Anordnungen im Strafge- setzbuch eine Neuregelung erfahren haben und § 13 SGG aufgehoben wurde (Art XI Abs 1 und 2).

Im übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde jedoch zu verwerfen.

Mit ihren Berufungen waren Angeklagter und Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.

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