Spruch:
Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidung wird dahin abgeändert, daß sie lautet:
"Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, das Tor und den Zaun, soweit sie das Grundstück 1559/1 zwischen den Grundstücken 1571/2 und 1559/2 bzw 1557 KG 68213 Floing versperren, und den Zaun entlang der westlichen Grundgrenze des Grundstückes 1559/1 zum Grundstück 1571/2 KG 68213 Floing, zu entfernen, wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 29.730,64 (darin S 4.513,44 USt und S 2.650,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen."
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 7.368,88 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 676,48 USt und S 3.310,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der den Parteien bekannte Sachverhalt läßt sich dahingehend zusammenfassen, daß der Beklagte 1978 vertraglich ein verbüchertes Geh- und Fahrrecht auf der Liegenschaft des Rechtsvorgängers des Klägers erworben hat; 1978 und 1981 errichtete er entlang und über den Weg einen Zaun und ein Tor, und zwar mit Hilfe des Rechtsvorgängers der klagenden Partei, die die Liegenschaft 1992 ersteigerte.
In den Versteigerungsbedingungen, im Versteigerungsedikt und in den ihnen zu Grunde liegendem Schätzungsprotokoll wird eine Erweiterung der Servitut durch die Errichtung eines Zaunes und Tores nicht erwähnt.
Die klagende Partei begehrt die Entfernung des Tores und des Zaunes und bringt vor, der Beklagte habe diese ohne Zustimmung der klagenden Partei bzw des Vorbesitzers errichtet; darin liege eine unzulässige Ausweitung der eingeräumten Servitut.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte ua ein, der Voreigentümer sei mit der Tor- und Zaunerrichtung einverstanden gewesen und habe sogar bei deren Errichtung mitgeholfen. Im übrigen sei er berechtigt, die Servitut auf eine ihm gefällige Art, also auch durch eine Tor- und Zaunerrichtung auszuüben. Die klagende Partei habe bei der Versteigerung von dem Tor und dem Zaun Kenntnis gehabt, sodaß sie diese weiter dulden müsse; überdies sei das Entfernungsbegehren schikanös, weil die klagende Partei den Weg nicht benötige.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es gelangte in rechtlicher Hinsicht zum Ergebnis, daß die klagende Partei als gutgläubige Ersteherin anzusehen sei und der Beklagte durch die Zaun- und Torerrichtung einen unberechtigten Eingriff (mangels Rechtstitels für die Zaun- und Torerrichtung) in ihr Eigentumsrecht vorgenommen habe. Eine schikanöse Rechtsausübung verneinte es.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, daß aus der vom Erstgericht festgestellten Tatsache, daß der Voreigentümer der klagenden Partei bei der Zaunerrichtung durch den Beklagten anwesend gewesen sei und ihm dabei sogar geholfen habe, im Sinn der §§ 863 und 914 ABGB nur eine konkludente Zustimmung zur Errichtung des Zaunes und des Tores erblickt werden könne. Trotz dieses Umstandes sei aber für den Beklagten nichts gewonnen, da eine nicht verbücherte Dienstbarkeit gegenüber dem Ersteher jedenfalls wirkungslos bliebe, wenn sie nicht bis zur Versteigerung gegen den Verpflichteten im Klagewege geltend gemacht und die Eintragung im Grundbuch erwirkt worden sei. Nur auf diese Weise könne der Berechtigte die in § 150 EO vorgesehenen Rechte erhalten. Dies gelte auch für offenkundige Dienstbarkeiten. Offenkundige nicht verbücherte Dienstbarkeiten müsse der Ersteher nur nach Maßgabe ihres - durch Schaffung der Offenkundigkeit begründeten - Ranges ohne oder in Anrechnung auf das Meistbot übernehmen. Der Beklagte als Servitutsberechtigter habe aber in erster Instanz nicht dargetan, daß diese Dienstbarkeit dem betreibenden Gläubiger im Rang vorgehe oder im Meistbot Deckung finde, sodaß auch aus diesem Umstand eine Übernahme der Dienstbarkeit durch die Ersteherin nicht in Frage komme. Die Einrede der schikanösen Rechtsausübung sei verfehlt, da einem Liegenschaftseigentümer immer ein rechtliches Interesse zuzugestehen sei, die Ersitzung der Dienstbarkeit zu verhindern. Die ordentliche Revision sei nicht zuzulassen, weil die Entscheidung auf gesicherter oberstgerichtlicher Rechtsprechung aufbauen könne.
Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Klagsabweisung; hilfsweise stellt er auch einen Aufhebungsantrag.
Die klagende Partei beantragt, der außerordentlichen Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision des Beklagten ist zulässig und auch berechtigt.
Der Beklagte stützt die Zulässigkeit der außerordentlichen Revision ua darauf, daß die Rechtsprechung zur Frage, ob der Ersteher eine offenkundige nicht verbücherte Servitut gegen sich gelten lassen müsse, uneinheitlich sei.
Es ist richtig, daß die oberstgerichtliche Rechtsprechung nicht ganz einheitlich ist. Überwiegend sind nach dieser offenkundige, aber nicht verbücherte Servituten durch den Ersteher nicht zu übernehmen; sie sind nur dann zu übernehmen, wenn sie in den Versteigerungsbedingungen enthalten und bis zur Versteigerung klagsweise durchgesetzt werden (SZ 50/120; 56/105 ua), beides ist hier nicht der Fall.
Die Entscheidung JBl 1986, 461 = EvBl 1985/174 zeigte die unterschiedliche Lehre und Rechtsprechung auf; sie hat aber diese Frage schließlich offengelassen und ausgeführt, daß jedenfalls auch offenkundige Servituten vom Ersteher nur nach Maßgabe ihres durch den Begründungsakt (vollendete Ersitzung; Schaffung der Offenkundigkeit) geschaffenen Ranges ohne bzw in Anrechnung auf das Meistbot übernommen werden müssen. Der Servitutsberechtigte hätte behaupten und beweisen müssen, daß die von ihm geltend gemachte Dienstbarkeit nach dem für sie geforderten Rang den in bester Priorität stehenden betreibenden Gläubiger bzw einen in noch besseren Rang befindlichen Pfandgläubiger vorgehe, oder diesen zwar im Rang nachfolge, doch im Meistbot Deckung gefunden hätte.
Wie der Oberste Gerichtshof jedoch in seiner Entscheidung vom 23.2.1995, 8 Ob 613/93, die einen vergleichbaren Fall betrifft, ausführlich dargelegt hat, ist bei der Beweislastverteilung zu beachten, daß nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich derjenige, der ein Recht behauptet, die Beweislast für die dieses Recht begründenden Tatsachen trägt. Er hat also den Entstehungstatbestand zu beweisen, nicht aber den ungestörten Fortbestand des einmal entstandenen Rechts (3 Ob 570/85). Vielmehr muß derjenige, der sich darauf beruft, daß ein Recht nicht wirksam geworden oder daß es wieder beseitigt worden sei, seinerseits die rechtshemmenden und rechtsvernichtenden Tatsachen beweisen (9 ObA 195/87).
Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hat der Beklagte die zwischen ihm und dem Rechtsvorgänger der klagenden Partei schlüssig erfolgte vertragliche Erweiterung der Servitutsrechtes auf eine Tor- und Zaunerrichtung - das zu seiner Wirksamkeit nicht verbüchert sein muß - zu Lasten der Liegenschaft der klagenden Partei und zu Gunsten der Liegenschaft des Beklagten sowie deren Offenkundigkeit behauptet und bewiesen. Es wäre daher bei der klagenden Partei gelegen gewesen, ihrerseits die den Fortfall dieses zur Entstehung gelangten Rechts begründenden Tatsachen zu behaupten und zu beweisen. Der vorliegende Sachverhalt ist nicht mit dem der Entscheidungen EvBl 1985/174 und JBl 1987, 733 zu Grunde liegenden vergleichbar, weil sich dort jeweils die Kläger auf ein auf der vom jeweiligen Beklagten ersteigerten Liegenschaft zu ihren Gunsten lastendes Servitutsrecht gestützt hatten und dieses beweisen mußten, wogegen hier die klagende Partei die Freiheit der ersteigerten Liegenschaft von solchen Servitutsrechten geltend macht und hiefür ebenenfalls die Beweislast trägt. Die klagende Partei hat aber den bewiesenen Einwendungen des Beklagten lediglich entgegengehalten, daß im Zwangsversteigerungsverfahren eine solche erweiterte Dienstbarkeit nicht erwähnt worden sei. In diesem Vorbringen kommt keineswegs zum Ausdruck, daß diese schlüssig vertraglich begründete offenkundige Dienstbarkeit zwar bei Einleitung des Zwangsversteigerungsverfahrens bestanden habe, jedoch im Hinblick auf die tatsächlichen Rang- und Belastungsverhältnisse betreffend die gegenständliche Liegenschaft im Versteigerungszeitpunkt vom Ersteher im Sinn des § 150 Abs 1 EO nicht zu übernehmen gewesen und daher als Folge des Zwangsversteigerungsverfahrens untergegangen sei. Laut dieser Gesetzesstelle müssen "Dienstbarkeiten, denen der Vorrang vor dem Befriedigungsrecht oder vor dem Pfandrecht des betreibenden Gläubigers zukommt, vom Ersteher ohne Anrechnung auf das Meistbot, die dem betreibenden Gläubiger nachfolgenden dererlei Lasten nur insofern übernommen werden, als sie nach der ihnen zukommenden Rangordnung in der Verteilungsmasse Deckung finden. Beim Vorhandensein mehrerer betreibender Gläubiger sind nur die jenigen Lasten ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen, die dem in bester Priorität stehenden betreibenden Gläubiger vorangehen". Diese Bestimmung wird von der Rechtsprechung dahin ausgelegt, daß auch nicht verbücherten Dienstbarkeiten der Vorrang vor Pfandrechten zukommen kann (JBl 1987, 733; EvBl 1985/174; SZ 56/105). Der Kläger hätte daher jedenfalls zu behaupten und beweisen gehabt, daß aufgrund der im Zeitpunkt des Zuschlages gegebenen tatsächlichen Rang- und Belastungsverhältnisse die offenkundige Dienstbarkeit vom Ersteher nicht zu übernehmen war und somit untergegangen sei. Da er eine solche rechtsvernichtende Tatsache in keiner Weise vorgebracht hat, war das Klagebegehren abzuweisen. Der Beklagte hat die schlüssige vertragliche Begründung einer offenkundigen Dienstbarkeit bewiesen und die allein maßgebliche Klagebehauptung, es fehle ihm ein Recht zur diesbezüglichen Benützung der Liegenschaft des Klägers, widerlegt.
Die Entscheidung war daher im Sinn der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.
Die Kostenentscheidungen beruhen auf den §§ 41, 50 ZPO.
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