OGH 8ObS2153/96t

OGH8ObS2153/96t13.3.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Langer und Dr.Rohrer und durch die fachkundigen Laienrichter OSR Dr.Friedrich Weinke (Arbeitgeber) und Mag.Kurt Retzer (Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Norbert K*****, vertreten durch Dr.Harald Rittler, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Bundessozialamt Tirol, Insolvenzentgeltsicherung, *****, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen Insolvenz-Ausfallgeld, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16.April 1996, GZ 25 Rs 33/96f-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 13. November 1995, GZ 47 Cgs 167/95b-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 8.6.1994 wurde über das Vermögen des ehemaligen Dienstgebers des Klägers das Ausgleichsverfahren und am 17.8.1994 der Anschlußkonkurs eröffnet.

Verspätet, nämlich am 8.4.1995 beantragte der Kläger Insolvenz-Ausfallgeld in der Gesamthöhe von S 1,030.271,35, wobei diese Beträge näher nach Anspruchsgründen aufgeschlüsselt waren; am 21.6.1995 machte er weitere Kosten von S 2.387,56 geltend.

Mit Bescheid vom 22.8.1995 lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers samt Ergänzungsantrag als verspätet ab und verneinte das Vorliegen berücksichtigungswürdiger Gründe im Sinn des § 6 Abs 1

IESG.

Mit der vorliegenden Klage stellt der anwaltlich vertretene Kläger ein Begehren des Inhalts, es mögen ihm die Rechtsfolgen der Fristversäumung bei der Stellung des Antrages auf Insolvenz-Ausfallgeld nachgesehen werden, sein Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld bestehe dem Grunde nach zu Recht.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung mangels berücksichtigungswürdiger Gründe für die Fristversäumung; das Verhalten des Klägers sei grob fahrlässig gewesen. Im übrigen entspreche das Klagebegehren nicht den Mindestanforderungen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren mangels Vorliegens berücksichtigungswürdiger Gründe für die Fristversäumung ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge.

In rechtlicher Hinsicht meinte es, auch in einer Sozialrechtssache gemäß § 65 Abs 1 Z 7 ASGG müsse ungeachtet der Vorschrift des § 82 ASGG ein bestimmtes und konkretes Begehren gestellt werden. Es sei nicht nur die Nennung der konkreten Leistung, die hier nur Insolvenz-Ausfallgeld sein könne, zu verlangen, sondern es seien die einzelnen, im Sinn des § 1 Abs 2 IESG möglichen Teilansprüche zu bezeichnen, wie auch deren Höhe zu nennen, womit die Bezeichnung "in der gesetzlichen Höhe" in diesen Sozialrechtssachen als unzulässig angesehen werden müsse. Dies ergebe sich aus der Überlegung, daß es anderenfalls an den notwendigen Inhaltserfordernissen des § 6 Abs 2 IESG mangle. Sowohl der Antrag im Verwaltungsverfahren als auch die nachfolgende Klage an das Arbeits- und Sozialgericht müßten den dargestellten Erfordernissen (Art und Höhe der Ansprüche) Rechnung tragen, damit Schlüssigkeit gegeben sei. Es sei also ein konkretes und bestimmtes Klagebegehren erforderlich. Diesen Kriterien entspreche das Klagebegehren nicht. Das Verfahren nach § 84 Abs 2 ZPO diene nur der Verbesserung von Formgebrechen und nicht der Behebung inhaltlicher Mängel; das Fehlen eines bestimmten Klagebegehrens sei nicht verbesserungsfähig. Ein bestimmtes Begehren sei bei derartigen Klagen schon deshalb nötig, weil sich erst daraus die Abgrenzung des rechtskräftigen und nicht rechtskräftigen Teiles des Bescheides vornehmen lasse. Das Erstgericht hätte daher allein wegen Vorliegens dieses Mangels das Begehren abweisen müssen. In diesem Sinne sei das Ersturteil zu bestätigen. Im übrigen sei dem Erstgericht beizupflichten, daß aufgrund der groben Nachlässigkeit des Klägers diesem berücksichtigungswürdige Gründe nicht zuzubilligen seien.

Die Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil die Frage der Schlüssigkeit des hier in Frage stehenden Begehrens eine erhebliche Rechtsfrage sei, wozu ihm keine höchstgerichtliche Rechtsprechung bekannt sei.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens mit dem Antrag auf Abänderung dahingehend, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise stellt er auch einen Aufhebungsantrag.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision kann zwar gerade noch als zulässig angesehen werden, weil damals zur Frage der Bestimmtheit des Klagebegehrens in Sozialrechtssachen nach § 65 Abs 1 Z 7 ASGG noch keine veröffentlichte Judikatur des Obersten Gerichtshofes vorlag; sie ist aber nicht berechtigt.

Der Kläger meint, sein Begehren sei als Begehren auf einen Zuspruch "im gesetzlichen Ausmaß" zu verstehen. Dies genüge gemäß § 82 ASGG; es sei Aufgabe des Gerichtes, ihm dasjenige zuzusprechen, das für ihn "das Günstigste" sei; dies gelte auch für anwaltlich vertretene Personen. Hätte das Klagebegehren nicht die notwendigen Kriterien aufgewiesen, hätte ihn das Erstgericht zur Verbesserung anhalten müssen. In der Sache selbst lägen berücksichtigungswürdige Gründe für die Fristversäumung vor.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits in seiner Entscheidung vom 8.2.1996, 8 ObS 1, 10/96, WBl 1996, 367 = ecolex 1996, 788, dargelegt, daß in Sozialrechtssachen nach § 65 Abs 1 Z 7 ASGG (Ansprüche auf Insolvenz-Ausfallgeld) § 82 ASGG unanwendbar ist. Denn es wäre widersprüchlich, daß ein "hinreichend bestimmtes Begehren", dh ein Begehren im gesetzlichen Ausmaß in der Klage genügen sollte, wenn gemäß § 6 Abs 2 IESG schon in der Anmeldung ein bestimmter Betrag geltend zu machen ist (so ausdrücklich 9 ObS 31/93 und 8 ObS 26/94). Der Funktionswandel bei der Übernahme der früheren Bestimmung des § 383a Abs 1 Z 3 ASVG durch Einbeziehung der Sozialrechtssachen gemäß § 65 Abs 1 Z 7 ASGG wurde - anders als im Einschub des § 75 Abs 1 ASGG durch die ASGG-Novelle 1994 - nicht beachtet, sodaß auch hinsichtlich des § 82 ASGG eine teleologische Reduktion geboten ist.

Es muß daher bei Klagen auf Gewährung von Insolvenz-Ausfallgeld ein bestimmter Betrag gefordert und auch der Rechtsgrund angegeben werden.

Hinsichtlich der Verbesserungsunfähigkeit eines derartigen inhaltlichen Mangels genügt es, auf die berufungsgerichtliche Entscheidung und die dort genannte Rechtsprechung zu verweisen (§ 48 ASGG); die behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt daher aus rechtlichen Gründen nicht vor.

Die berufungsgerichtliche Entscheidung ist daher zu bestätigen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG; Billigkeitsgründe im Sinne dieser Bestimmung liegen nicht vor.

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