OGH 6Ob2228/96g

OGH6Ob2228/96g12.3.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Dr.Robert K*****, wider die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei L***** AG, ***** vertreten durch den Vorstand Mag.Walter D*****, vertreten durch Dr.Reinhard Kraler, Rechtsanwalt in Lienz, wegen Unterlassung, infolge ordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 28.Juli 1996, GZ 5 R 25/96g-13, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 29.April 1996, GZ 41 Cg 88/96a-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 22.725,-- S (darin 3.787,50 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger hatte bei der Beklagten am 11.12.1993 zur Ausübung des Schisports eine Saisonkarte um 3.500 S gekauft. Dabei wurden bei der Beklagten ua der Name und die Adresse des Klägers automationsgestützt gespeichert. Auf der dem Kläger ausgefolgten Saisonkarte schienen sein Name und sein Foto auf, weiters der Aufdruck "Karte nicht übertragbar! Mißbrauch hat Entzug und Strafanzeige zur Folge!". Die Saisonkarte wurde am 25.12.1993 um 16,50 Uhr auf der Einseilumlaufbahn Zettersfeld benützt. Der Kläger richtete am 12.1.1994 an die Beklagte folgendes Schreiben:

"Ich habe mir am 11.12.1993 eine Wintersaisonkarte gekauft. Ohne diese benützt zu haben, stürzte ich am 12.12.1993 (nicht beim Schifahren) und erlitt Frakturen im Bereich des Sprunggelenkes. Sport werde ich in dieser Wintersaison nicht mehr betreiben können. Ich frage an, ob es im Kulanzweg möglich ist, mir den für die Saisonkarte entrichteten Betrag allenfalls gutzuschreiben".

Die Beklagte ersuchte mit Schreiben vom 14.1.1994 den Kläger um Übermittlung der Karte. Der Kläger übermittelte die Saisonkarte und ersuchte um Gutschrift sowie Retournierung seines Lichtbildes. Mit Schreiben vom 21.1.1994 übermittelte die Beklagte dem Kläger eine Gutschrift zum Erwerb einer Saisonkarte für die nächste Saison und das Lichtbild mit der Mitteilung, "daß die Karte noch am 25.12.1993 um 16.50 Uhr bei der Einseil-Umlaufbahn in Zettersfeld benützt wurde".

Der Kläger vertrat im März 1996 einen Klienten in einer Rechtssache gegen die Beklagte. Am 28.3.1996 teilte die Beklagte der Tiroler Rechtsanwaltskammer mit, daß der Kläger am 11.12.1993 eine Wintersaisonkarte erworben habe, daß er mit Schreiben vom 12.1.1994 mitgeteilt habe, er könne, ohne die Karte benützt zu haben, aufgrund einer Verletzung in der Wintersaison keinen Sport mehr ausüben, weshalb er um Gutschrift des für die Karte entrichteten Betrages ersuche, und daß daraufhin die Karte zurückgefordert und dem Kläger die Gutschrift im Kulanzweg gewährt worden sei. Die Angaben des Klägers seien auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft worden. Nach Prüfung der rückübermittelten Karte habe die Beklagte feststellen müssen, daß die Angaben des Klägers nachweislich nicht der Wahrheit entsprochen hätten. Die Karte sei nicht unbenützt gewesen, sondern sei am 25.12.1993 um 16.50 Uhr bei der Einseilumlaufbahn Zettersfeld letztmalig verwendet worden. Diese Vorgangsweise des Klägers, der eine Kulanzleistung unter Angabe unwahrer Tatsachen beansprucht habe, erscheine für den Ruf des Standes der Rechtsanwälte äußerst bedenklich. Es gehe weniger um die Kulanzleistung, sondern darum, wie ein Mitglied des Anwaltsstandes mit der Wahrheit umgehe. Die Beklagte rege daher an, den Sachverhalt einer standes- bzw disziplinarrechtlichen Überprüfung zu unterziehen.

Mit der am 12.4.1996 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrt der Kläger, die Beklagte schuldig zu erkennen, es zu unterlassen, automationsunterstützt oder nicht automationsunterstützt verarbeitete und/oder gespeicherte, personenbezogene Daten des Klägers aus seinen Saisonkarten an dritte Personen zu übermitteln, wenn dadurch der Kläger in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten verletzt werde.

Am 15.4.1996 stellte der Kläger einen Sicherungsantrag mit einem gleichlautenden Unterlassungsbegehren. Die Beklagte habe ohne seine Zustimmung und Wissen elektronisch ermittelte Daten des Privatlebens aus dem Jahr 1993 mit Schreiben vom 28.3.1996 weiter übermittelt und den Kläger dadurch gezwungen, Einzelheiten seines Privat- und Familienlebens offenzulegen. Der Kläger sei der Gefahr ausgesetzt, daß Leute der Beklagten die Daten zusätzlich weiterverbreiteten. In der Stadt Lienz kursierten bereits Gerüchte, der Kläger wolle die Saisonkarte zurückhaben, obwohl er dauernd damit gefahren sei. Tatsächlich sei der Kläger schwerverletzt im Krankenhaus gelegen. Im Hinblick auf die Vertretungstätigkeit des Klägers kämen die aufgrund der Verbreitung der Tatsachen entstandenen Spekulationen der Beklagten nicht ungelegen. Der Sicherungsantrag sei zur Wahrung des Anspruchs auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie der Unversehrtheit des wirtschaftlichen Rufs des Klägers notwendig (ON 2).

Am Tag der Klageeinbringung am 12.4.1996 war in der Zeitung "Osttirol" ein Artikel über die Angelegenheit des Klägers und den Umstand, daß dieser eine Unterlassungsklage gegen die Beklagte wegen Datenmißbrauchs eingebracht habe, erschienen. Dabei wurde der Standpunkt des Klägers dargestellt, wonach die Beklagte eine "Leiche aus dem Keller" geholt und sich bei der Anwaltskammer beschwert habe. Entgegen der Anzeige habe der Kläger die Saisonkarte nicht selbst benutzt. Er sei ans Bett gefesselt gewesen. Auf diese Pressemitteilung reagierte die Beklagte mit einer Gegendarstellung, in welcher der (unstrittige) Sachverhalt der erfolgten Benützung der Saisonkarte und das Ersuchen des Klägers um Kulanzleistung dargelegt wurde. In der Gegendarstellung bezeichnete die Beklagte die Behauptung des Klägers, einer seiner Gäste habe die Karte in Anspruch genommen, als unerheblich, weil auch dies eine mißbräuchliche Verwendung der nicht übertragbaren Saisonkarte darstelle.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und des Sicherungsantrages. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung ergebe sich ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse der Beklagten. Einziger Zweck der Klageführung sei die Schädigung der Beklagten.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Es beurteilte den im wesentlichen schon wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahin, daß jedermann gemäß § 1 Abs 1 Datenschutzgesetz (DSG) Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten habe, soweit er daran ein schutzwürdiges Interesse, insbesondere im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens habe. Aus Abs 2 leg cit ergebe sich, daß Beschränkungen dieses Rechtes nur zur Wahrung berechtigter Interessen eines anderen oder aufgrund von Gesetzen zulässig seien, die aus den im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Gründen notwendig seien. Auch im Fall solcher Beschränkungen sei der vertraulichen Behandlung personenbezogener Daten Vorrang zu geben. Die personenbezogenen Daten bestünden hier lediglich im Namen und der Adresse des Klägers, weiters im Kartentyp, Preis, Art des Datenträgers sowie im Kaufdatum. Der Umstand, daß die Saisonkarte verwendet worden sei, scheine nur auf dieser selbst auf. Die Beklagte habe darauf nur Zugriff gehabt, weil der Kläger die Karte zurückgegeben habe. Es handle sich um nichts anderes als eine Entwertung der Saisonkarte. Es liege keine Verletzung des Datenschutzgesetzes vor, weshalb der Anspruch des Klägers bescheinigt hätte werden müssen. Die Beklagte habe durch ihre Beschwerde bei der Rechtsanwaltskammer lediglich von jenem Recht Gebrauch gemacht, auf das sie bereits im Aufdruck auf der Jahreskarte hingewiesen habe, nämlich darauf, daß der Mißbrauch der Karte eine Strafanzeige zur Folge habe.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge. Es beurteilte den Sachverhalt rechtlich dahin, daß zur Sicherung eines klageweise geltend gemachten, auf die Bestimmungen des DSG gestützten Unterlassungsanspruchs (§ 28 Abs 1 DSG) auch einstweilige Verfügungen erlassen werden könnten (§ 30 DSG). Die Beklagte sei aber zur bekämpften Mitteilung an die Rechtsanwaltskammer berechtigt gewesen. Voraussetzung für den Anspruch auf Geheimhaltung personenbezogener Daten nach § 1 Abs 1 DSG sei das Vorliegen eines schutzwürdigen Interesses. Dabei sei zu prüfen, ob dem nicht berechtigte Interessen anderer entgegenstünden. Es sei eine Interessenabwägung vorzunehmen. Jedermann sei berechtigt, rechtswidrige Angriffe auf seine zivilrechtliche Rechtssphäre abzuwehren und dazu auch Strafanzeigen oder Disziplinaranzeigen zu erstatten. § 18 DSG regle die Zulässigkeit der Übermittlung von Daten. Nach Abs 1 Z 2 leg cit sei die Übermittlung von Daten zulässig, wenn sie zum berechtigten Zweck des Rechtsträgers gehöre. Ein berechtigter Zweck liege auch in der Abwehr von Betrügereien und unberechtigter Inanspruchnahme der Einrichtungen eines Gewerbebetriebes. Nach dem der Beklagten erkennbaren Sachverhalt habe der Verdacht bestanden, daß der Kläger bei seinem Kulanzansuchen objektiv unwahre und irreführende Behauptungen aufgestellt habe. Jedenfalls sei eine Schwarzfahrt eines nicht Berechtigten erfolgt, weil die Karte nicht übertragbar gewesen sei. Daß die Benützung der Saisonkarte durch einen der Weihnachtsgäste des Klägers ohne sein Wissen heimlich erfolgt wäre, habe der Kläger nicht ausdrücklich behauptet und dazu nur eigene Erhebungen in Aussicht gestellt. Wie eine Benützung der Karte durch Gäste ohne Wissen des Klägers möglich gewesen sein sollte, müsse erst abgeklärt werden. Bei dieser Sachlage sei von einem Überwiegen des Interesses der Beklagten auszugehen, sich gegen Schwarzfahrer oder gegen den Versuch, betrügerisch Kulanzleistungen herauszulocken, zu schützen. Die Datenweitergabe an die zuständige Behörde habe das Grundrecht des Klägers auf Datenschutz im Ergebnis nicht verletzt. Auch wenn die Beklagte die Mitteilung an die Rechtsanwaltskammer nicht sofort, sondern erst über zwei Jahre später aus Anlaß eines mit der gegenständlichen Sache nicht zusammenhängenden beruflichen Einschreitens des Klägers erstattet habe, sei das Verhalten der Beklagten durch ihre berechtigten Interessen noch gedeckt. Bei der vom Kläger relevierten Verletzung der Meldungspflicht (§§ 22 f DSG) handle es sich um Verwaltungsbestimmungen und Ordnungsvorschriften, die keine Bedeutung für das Recht der Beklagten hätten, sich unter Verwendung der ihr zur Verfügung stehenden Daten gegen strafbare Eingriffe zu wehren. Ein Verstoß der Beklagten gegen Vertragspflichten aus dem Vertragsverhältnis mit dem Kläger liege schon deshalb nicht vor, weil auf der Karte darauf hingewiesen worden sei, daß bei Mißbrauch Strafanzeige erstattet werde. Mit dem Erwerb der Karte habe der Kläger in Kauf genommen, daß bei unberechtigter Kartenbenützung behördliche Maßnahmen veranlaßt würden.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und daß der Revisionsrekurs zulässig sei.

Mit seinem Revisionsrekurs beantragt der Kläger die Abänderung dahin, daß die beantragte einstweilige Verfügung erlassen werde.

Die Beklagte beantragt, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen; hilfsweise wird beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.

Der Kläger erachtet sich durch die Bekanntgabe seiner Daten ("25.12.1993, 16.50 Uhr, Einseilumlaufbahn Zettersfeld") in der Disziplinaranzeige der Beklagten an die Rechtsanwaltskammer in seinem Grundrecht auf Datenschutz nach § 1 DSG verletzt und steht unter Hinweis auf die Judikatur österreichischer und deutscher Gerichte auf dem Standpunkt, daß die Übermittlung personenbezogener Daten dem Erforderlichkeitsgrundsatz entsprechen müßte. Im vorliegenden Fall sei es nicht erforderlich gewesen, die Daten der Standesbehörde mitzuteilen; es hätte die Mitteilung genügt, daß nach Auswertung der Karte deren Benützung festgestellt worden sei. Es müsse eine Interessenabwägung zwischen dem Interesse auf Datenschutz und dem Interesse der Beklagten, sich gegen Schwarzfahrer und gegen das "Herauslocken" von Kulanzleistungen sowie dem öffentlichen Interesse der Standesbehörde am standeskonformen Verhalten der Rechtsanwälte vorgenommen werden. Die bekämpfte Datenübermittlung sei überdies aus dem Grund rechtswidrig gewesen, weil die erhobenen Daten entgegen den Bestimmungen der §§ 22 ff DSG nicht beim Datenverarbeitungsregister angemeldet worden seien. Das Recht auf Datenschutz ergebe sich schließlich auch aus der vertraglichen Beziehung der Parteien zueinander. Dazu hat der erkennende Senat erwogen:

Das Grundrecht auf Datenschutz gewährt Anspruch auf Geheimhaltung personenbezogener Daten, soweit der Betroffene daran ein schutzwürdiges Interesse, insbesondere im Hinblick auf Achtung seines Privat- und Familienlebens hat (§ 1 Abs 1 DSG). Daten sind nach der Legaldefinition des § 3 Z 1 DSG alle auf einem Datenträger festgehaltenen Angaben über bestimmte oder mit hoher Wahrscheinlichkeit bestimmbare Betroffene (personenbezogene Daten). Der Begriff der personenbezogenen Daten wurde vom Gesetzgeber bewußt sehr weit gefaßt (RV 1, abgedruckt bei Matzka, Datenschutzrecht für die Praxis, Materialien zu § 3). Darunter sind Informationen aller Art über bestimmte oder bestimmbare Personen zu verstehen, wie beispielsweise Namen, Geburtsdatum, Adresse, Religion, Einkommen, Lebensgewohnheiten uva (Dohr/Pollirer/Weiss, DSG Anm 2 zu § 3). Datenträger sind nicht nur magnetische. Daten können auch auf anderen Trägern wie Papier oder Film festgehalten werden (Dohr/Pollirer/Weiss aaO). Das Übermitteln von Daten besteht in der Weitergabe von Daten aus einer Datenverarbeitung an andere Empfänger als den Betroffenen (§ 3 Z 9 DSG). Die weitergegebenen Daten befanden sich auf der Saisonkarte des Klägers. Eine Datenverarbeitung durch die Beklagte ist nicht festgestellt worden. Nach der Legaldefinition des § 3 Z 7 DSG ist unter der Verarbeitung von Daten das Erfassen, Speichern, Ordnen, Vergleichen, Verändern, Verknüpfen, Vervielfältigen, Ausgeben oder Löschen von Daten im Rahmen einer Datenverarbeitung zu verstehen. Der Rekurswerber steht dazu auf dem Standpunkt, daß von einer Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Beklagte auszugehen sei, weil nach Art 2a (richtig: 2b) der EU-Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr auch die Weitergabe durch Übermittlung als Verarbeitung personenbezogener Daten zu verstehen sei. Dies trifft zwar nach der angeführten Bestimmung der Richtlinie (in der MSA Erg. Heft 1995 abgedruckt) zu, diese bedarf jedoch noch der innerstaatlichen Umsetzung, die nach Art 32 Abs 1 der Richtlinie binnen drei Jahren zu erfolgen hat. In Österreich wurde die Richtlinie bisher noch nicht umgesetzt. Für den vorliegenden Fall sind daher die Begriffsbestimmungen des DSG maßgeblich, beim Begriff der Verarbeitung von Daten also die Legaldefinition des § 3 Z 7 DSG. Danach ist aber die bloße Weitergabe personenbezogener Daten noch keine Verarbeitung. Der Sachverhalt unterliegt daher auch nicht dem Begriff der Übermittlung von Daten, weil dies die Weitergabe von Daten aus einer Datenverarbeitung voraussetzt. Damit ist die Sache aber noch nicht spruchreif im Sinne einer Abweisung des Sicherungsantrages. Das Grundrecht nach § 1 DSG gilt nämlich auch für nicht verarbeitete Daten (Dohr/Pollirer/Weiss aaO Anm 10 zu § 3; Matzka aaO § 3 K 9.1.; vgl auch 6 Ob 4/92).

Nach § 1 Abs 2 DSG sind Beschränkungen des Grundrechtes nach Abs 1 nur zur Wahrung berechtigter Interessen eines anderen oder aufgrund von Gesetzen zulässig, die aus den in Art 8 Abs 2 der EMRK genannten Gründen notwendig sind. Auch im Falle solcher Beschränkungen muß der vertraulichen Behandlung personenbezogener Daten Vorrang gegeben werden. Nach Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens. Nach Abs 2 leg cit ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechtes nur statthaft, wenn der Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die (ua) zur Verhinderung von strafbaren Handlungen notwendig ist. Es kann nicht zweifelhaft sein, daß zur Verhinderung strafbarer Handlungen eine Anzeige an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden (§ 86 StPO) aus spezial- und generalpräventiven Gründen notwendig ist und einen zulässigen Eingriff in das Grundrecht des Angezeigten darstellen kann; gleiches gilt nach Ansicht des erkennenden Senates auch für Anzeigen an die zuständige Disziplinarbehörde (vgl 4 Ob 519/90 = SZ 63/110). Das Recht auf Anzeigenerstattung ist aus Gründen des Allgemeinwohls geradezu unerläßlich. Dies wird vom Rekurswerber auch gar nicht bestritten. Er strebt nur die aus § 1 Abs 1 DSG ableitbare und gebotene Interessenabwägung an. Es sind nur notwendige Eingriffe in das Grundrecht zu dulden. Die Übermittlung von Daten an Außenstehende, vom Betroffenen verschiedene Mitteilungsempfänger ist nur zulässig, wenn die Übermittlung der Daten zum berechtigten Zweck des Rechtsträgers gehört (§ 18 Abs 1 Z 2 DSG) oder zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines Dritten notwendig ist (§ 18 Abs 1 Z 3 DSG). Diese für verarbeitete Daten normierten Voraussetzungen sind auch bei der Abwägung der Interessen anläßlich der Prüfung der Zulässigkeit der Übermittlung nicht verarbeiteter Daten maßgeblich.

Eine oberstgerichtliche Rechtsprechung zu den allgemeinen Kriterien der Interessenabwägung im Bereich des Datenschutzes liegt noch nicht vor. Der vom Rekurswerber angestrebte "Maßstab der Erforderlichkeit", wie er in der deutschen Rechtsprechung vertreten wird, kann auch nach österreichischem Recht ein gebotenes Kriterium darstellen. Der BGH vertrittt die Auffassung, daß bei einer Speicherung von Daten, die unter dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes stehen, schutzwürdige Belange des Betroffenen beeinträchtigt werden. Nur wenn der Zweck, zu dem die Speicherung erfolge, mit der Belastung des Selbstbestimmungsrechtes durch eine derartige Verdatung der Person zu vereinbaren sei und nur soweit die erfaßten Daten zu diesem Zweck erforderlich seien, sei die Speicherung von den Betroffenen hinzunehmen (NJW 1986, 2505). Diesem Grundsatz kann gefolgt werden. Das Gebot der Erforderlichkeit läßt sich schon aus dem Verweis im § 1 Abs 2 DSG ableiten, wonach nur gesetzlich gedeckte notwendige, Eingriffe (Beschränkungen) erlaubt sind. Bei der Wahrung berechtigter Interessen anderer, die nur mit einem Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz verfolgt werden können, ist der Eingriff nur in der gelindesten Form zulässig, wodurch die Interessen des anderen noch gewahrt werden können, das Grundrecht des Betroffenen aber so weit als möglich unverletzt bleibt.

Hinsichtlich der weiteren Kriterien der Interessenabwägung kann auf die von der Judikatur zu anderen Interessen- und Normenkollisionen entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden. Die verfassungsrechtlich geschützten Rechte auf Meinungsfreiheit (Art 13 StGG 1867; Art 10 EMRK) oder auf Freiheit künstlerischen Schaffens (Art 17a StGG) kollidieren häufig mit dem Recht auf Ehre eines anderen (§ 1330 ABGB), das in ständiger Rechtsprechung als absolut geschütztes Rechtsgut qualifiziert wird. Der Eingriff in dieses Recht bei der Ausübung der angeführten Rechte auf Meinungsfreiheit oder auf künstlerisches Schaffen kann nach dem Ergebnis der umfassend vorzunehmenden Interessenabwägung gerechtfertigt sein. Dem Interesse am gefährdeten Gut müssen stets die Interessen des Handelnden und die der Allgemeinheit gegenübergestellt werden. Dabei kommt es auf die Art des eingeschränkten Rechtes, die Schwere des Eingriffes, die Verhältnismäßigkeit zum verfolgten Zweck und den Grad der Schutzwürdigkeit dieses Interesses an (SZ 61/210; SZ 64/36 mwN). Diese für die Interessenabwägung in den aufgezeigten Kollisionsfällen entwickelten Kriterien sind durchaus verallgemeinerungsfähig und auch auf den vorliegenden Kollisionsfall anwendbar.

Dem Grundrecht auf Datenschutz als Ausfluß des Rechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens sind hier einerseits die subjektiven Interessen der Beklagten auf Aufdeckung einer mißbräuchlichen Verwendung ihrer Saisonkarten und auf Verhinderung des "Herauslockens" von Kulanzleistungen aufgrund falscher Angaben sowie die Interessen der Standesvertretung auf Überprüfung des standesgemäßen Verhaltens ihrer Mitglieder gegenüberzustellen. Im einzelnen ist dazu folgendes auszuführen:

Die Intensität der Verletzung des Privatlebens des Klägers durch die Bekanntgabe der geschützten Daten ist hier noch nicht als besonders schwerwiegend zu beurteilen. Maßgeblich dabei ist nicht der erhobene Vorwurf einer betrügerischen Vorgangsweise, sondern nur die Bekanntgabe der als relativ unbedeutend anzusehenden Daten des Tages, der Uhrzeit und des Ortes der Benützung einer Schiliftkarte. Demgegenüber ist das Recht der Beklagten auf Aufklärung (im Wege einer Straf- oder Disziplinaranzeige) des bedenklichen Sachverhalts als zweifellos schutzwürdig anzusehen. Die Bekanntgabe der Daten steht zum angestrebten Zweck auch nicht außer jedem Verhältnis. Damit wurde weder das Erforderlichkeitsgebot noch das der Verhältnismäßigkeit verletzt. Im Gegensatz zur Auffassung des Rekurswerbers hätte eine gewissermaßen "anonymisierte" Anzeige nur zur Folge, daß die Standesbehörde weitere Erkundigungen beim Anzeiger eingeholt hätte, anläßlich welcher wiederum die Frage der Bekanntgabe der geschützten Daten zu klären gewesen wäre. Bei einer Strafanzeige trifft den Anzeiger sogar die gesetzliche Verpflichtung, als Zeuge auszusagen. Es kann nicht strittig sein, daß - im Interesse des Funktionierens der Rechtspflege - der Datenschutz bei der Aufklärung von Straftaten in den Hintergrund zu treten hat. Bei gegenteiliger Meinung wäre eine Aufklärung schon zufolge des weiten Datenbegriffes wohl kaum mehr denkbar. Mit den von der Beklagten übermittelten Daten wurden lediglich der Tatort und die Tatzeit des angezeigten Delikts bekanntgegeben, also nur die Minimalerfordernisse einer Anzeige. Dazu kommt, daß die Daten an einen zur Verschwiegenheit Verpflichteten übermittelt wurden. Die Verletzung der Geheimhaltung ist daher nur eine eingeschränkte im Sinne des § 1 Abs 2 zweiter Satz DSG, eine uferlose Publizität der Daten war nicht zu befürchten. Infolge der Verschwiegenheitsverpflichtung der Rechtsanwaltskammer ist eine vertrauliche Behandlung der personenbezogenen Daten gewährleistet. Bei der Beurteilung der subjektiven Interessen der Beklagten und der Gewichtung dieser Interessen ist jedoch der vom Rekurswerber zutreffend aufgezeigte Umstand wesentlich, daß die Beklagte dem Kläger trotz des ihr bereits bekannten Umstandes, daß die Saisonkarte verwendet worden war, die beantragte Kulanzzahlung gewährte, der Fall also vermögensrechtlich bereits zur Gänze abgeschlossen war. Die Disziplinaranzeige erfolgte erst über zwei Jahre danach und nach der Feststellung des Rekursgerichtes "aus Anlaß eines mit der gegenständlichen Sache nicht zusammenhängenden beruflichen Einschreitens des Klägers" (S 12 in ON 13). Dieser Umstand kann bei der Interessenabwägung nicht unberücksichtigt bleiben. Das subjektive Interesse der Beklagten an der Anzeigenerstattung ist in einem solchen Fall anders zu beurteilen, als wenn die Beklagte die Anzeige sofort erstattet hätte. Der Grad der Schutzwürdigkeit des Rechtes auf Anzeigenerstattung ist nicht mehr so hoch, daß von einem Überwiegen der subjektiven Interessen der Beklagten ausgegangen werden dürfte. Diese Interessen dürfen jedoch nicht isoliert betrachtet werden. In die Interessenabwägung sind auch die Interessen der Standesvertretung des Klägers einzubeziehen. Auch die Standesbehörde ist ein "anderer" im Sinne des § 1 Abs 2 erster Satz DSG oder ein Dritter im Sinne des § 18 Abs 1 Z 3 DSG. Ihr Einschreiten dient dem Wohl der Allgemeinheit und der Rechtspflege. Dieses öffentliche Interesse wiegt besonders schwer. Die anläßlich der Abwägung der Interessen des Klägers im Verhältnis zu denjenigen der Beklagten angestellten Überlegungen (mit Ausnahme derjenigen über die verspätet erfolgte Anzeige) gelten auch hier. Es würde eine Überspannung des Schutzes des Grundrechtes auf Datenschutz bedeuten, wenn die Interessen der Allgemeinheit aus Gründen des Datenschutzes nicht mehr verfolgt werden könnten, wenn - wie hier - keine in das Privatleben besonders eingreifende, personenbezogene Daten an eine zur Geheimhaltung verpflichtete Strafverfolgungsbehörde (Disziplinarbehörde) nicht übermittelt werden dürften. Anderes könnte nur für den hier nicht vorliegenden Fall gelten, daß das unter Verletzung des Datenschutzes angezeigte Delikt schon verjährt sein sollte. Die Beklagte hat in ihrer Anzeige eine mißbräuchliche Verwendung der Liftkarte durch den Kläger selbst, also einen Betrugsfall, behauptet. Disziplinarvergehen verjähren nach dem Disziplinarstatut für Rechtsanwälte (DSt 1990) innerhalb von fünf Jahren nach Beendigung des disziplinären Verhaltens (§ 2 Abs 1 Z 2 leg cit). Die Abwägung der Interessen aller Beteiligten (also der Parteien und der Standesvertretung) läßt die Grundrechtsverletzung der Beklagten gerechtfertigt erscheinen. Das Interesse an der Verfolgung nicht verjährter Disziplinarvergehen überwiegt. An dieser Beurteilung kann auch der Umstand nichts ändern, daß die Beklagte an der Anzeigenerstattung keinerlei eigenes Interesse mehr hatte und daß ihr allenfalls - wie im Revisionsrekurs noch releviert wird - auch ein Verstoß gegen die Meldepflicht nach § 22 Abs 1 DSG zur Last fallen könnte. Nach dieser Gesetzesstelle hat jeder Auftraggeber einer Datenverarbeitung bei der erstmaligen Aufnahme einer Datenverarbeitung dem Datenverarbeitungsregister seinen Namen, die Anschrift und den berechtigten Zweck zur Eintragung zu melden. Verstöße gegen die Meldepflicht sind Verwaltungsübertretungen (§ 50 DSG). Auf einen auf das Grundrecht des § 1 DSG gestützten Unterlassungsanspruch hat eine allenfalls vorliegende Verwaltungsübertretung keinen Einfluß. Es fehlt am erforderlichen Rechtswidrigkeitszusammenhang. Der Revisionsrekurswerber räumt selbst ein, daß für die Standesbehörde hinsichtlich der übermittelten Daten kein Beweismittelverbot besteht. Selbst wenn also gegen die Meldepflicht verstoßen worden wäre, käme diesem Umstand für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Beklagten bei der schon angestellten Interessenabwägung keine Bedeutung zu. Die Abwägung fällt aus den dargelegten Gründen unter Einbeziehung der öffentlichen Interessen an der Verfolgung von Disziplinarvergehen zugunsten der Beklagten aus. Dem Revisionsrekurs des Klägers ist daher nicht stattzugeben.

Die Entscheidung über die Kosten der Rekursbeantwortung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO und 78, 402 EO.

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