OGH 4Ob71/97p

OGH4Ob71/97p11.3.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek und Dr. Niederreiter sowie durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** & Co ***** vertreten durch Dr. Gerhard Daxböck, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr. Gerhard Eckert, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert im Provisorialverfahren S 500.000,-) infolge Revisionsrekurses der Beklagten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 19. Dezember 1996, GZ 1 R 218/96b-9, mit dem der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 18. September 1996, GZ 10 Cg 100/96b-5, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen; die Beklagte hat die Kosten des Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin entwickelt, entwirft und erzeugt Gartenmöbel. Die Beklagte vertreibt in ihrer Baumarktkette auch Gartenmöbel.

Die Klägerin stand mit der Beklagten 20 Jahre hindurch bis Anfang 1996 in Geschäftsverbindung. Seit 1994 vertreibt die Klägerin den von ihr entworfenen und hergestellten Gartensessel "Astoria":

Der Gartensessel ist seit 1994 in den Katalogen der Klägerin abgebildet. Der Geschäftsführer der Klägerin Klaus K***** besprach mit dem zuständigen Einkäufer der Beklagten regelmäßig im Herbst das Angebot der Klägerin. Er bot auch den Sessel "Astoria" an; die Beklagte hat ihn jedoch nie bestellt.

Im Heimwerker-Katalog der Beklagten für 1996 ist ein Gartensessel abgebildet, der sich vom Gartensessel "Astoria" der Klägerin nur dadurch unterscheidet, daß seine Qualität schlechter und die Hülsen am oberen Ende der Rückenlehne nicht kunststoffbeschichtet sind:

Die Beklagte hat den von ihr angebotenen Sessel vom tschechischen Unternehmen A***** bezogen. Sie wußte weder im Zeitpunkt der Bestellung noch im Zeitpunkt der Lieferung und der Erstellung des Katalogs, daß das tschechische Unternehmen allenfalls den Sessel der Klägerin nachbaut.

Mit Schreiben vom 10.7.1996 forderte die Klägerin die Beklagte auf, den Verkauf des Sessels zu unterlassen, den Sessel in Zukunft nicht in ihre Kataloge aufzunehmen und der Klägerin S 500.000,-- an entgangenem Gewinn zu zahlen. Sie legte ihrem Schreiben Fotos der beiden Sessel bei.

Die Beklagte bestritt mit Schreiben vom 16.7.1996, wettbewerbswidrig zu handeln, teilte der Klägerin jedoch mit, "vorerst keine weiteren Aktionen zu setzen". Die Beklagte bot den Sessel in Postwurfsendungen an, deren Angebote vom 8.7. bis 20.7.1996 und vom 22.7. bis 3.8.1996 gültig waren. Mitte August 1996 hat der zuständige Einkäufer die Filialen der Beklagten angewiesen, den Sessel aus dem Verkaufsprogramm zu nehmen.

Die Beklagte verkaufte den Sessel zu einem Preis, der wesentlich unter jenem lag, den die Klägerin für ihren Sessel "Astoria" verlangt. Die Klägerin mußte wiederholt auf Anfragen und Beschwerden klarstellen, daß es sich bei dem von der Beklagten angebotenen Sessel nicht um ihr Erzeugnis handelt.

Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, einen Gartensessel, entsprechend oder verwechslungsfähig ähnlich der Beilage ./B, anzubieten und/oder zu verkaufen.

Der von der Beklagten angebotene Sessel sei dem Gartensessel "Astoria" sklavisch nachgeahmt. Daß die Beklagte dies bestreite, sei eine reine Schutzbehauptung, zeige aber, daß die Beklagte ihr wettbewerbswidriges Verhalten nicht einstellen wolle. Der Klägerin sei von ihren Abnehmern vorgeworfen worden, der Beklagten den Sessel zu einem besonders günstigen Preis zu liefern. Der Absatz der Klägerin sei erheblich zurückgegangen. Zahlreiche Kunden hätten den von der Beklagten angebotenen Sessel in der Meinung gekauft, den Originalsessel "Astoria" zu einem überaus günstigen Preis zu erhalten.

Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen.

Die Firma Apos S***** habe der Beklagten nie mitgeteilt, zum Vertrieb des Sessels in Österreich nicht berechtigt zu sein. Für die Beklagte sei der Anschein entstanden, daß die Firma A***** den Sessel schon seit längerer Zeit erzeuge und vertreibe. Für die Beklagte sei offen, ob die Klägerin oder die Firma A***** berechtigt sei, den Sessel zu vertreiben. Der Sessel sei dem Sessel "Astoria" nicht sklavisch nachgeahmt; der Sessel "Astoria" sei auch nicht wettbewerblich eigenartig. Es bestehe auch keine Wiederholungsgefahr, weil die Beklagte den Sessel aus dem Sortiment genommen habe.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab.

Der Vertrieb sklavisch nachgeahmter Ware sei nur dann wettbewerbswidrig, wenn der Vertreiber wisse, daß der Hersteller wettbewerbswidrig gehandelt habe. Die Klägerin habe die Beklagte erstmals mit Schreiben vom 10.7.1996 auf den Wettbewerbsverstoß aufmerksam gemacht. Sie habe ihrer Mitteilung keinerlei stichhaltige Unterlagen oder Belege angeschlossen. Auch im Verfahren habe die Klägerin den sklavischen Nachbau nur behauptet. Nachträgliche Schlechtgläubigkeit schade der Beklagten nicht, sie dürfe die von ihr gutgläubig erworbenen Gartensessel verkaufen.

Das Rekursgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es die einstweilige Verfügung erließ. Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Der Sessel "Astoria" der Klägerin weise bestimmte ästhetische Gestaltungselemente auf. Es bestehe kein sachlich gerechtfertigter Grund, einen anderen Sessel genauso zu gestalten. Der von der Beklagten vertriebene Sessel sei dem Sessel "Astoria" ohne einen ins Gewicht fallenden Schaffensvorgang schmarotzerisch nahezu bis in jedes Detail nachgeahmt. Das Leistungsergebnis der Klägerin sei glatt übernommen worden. Sittenwidrig handle nicht nur der Nachahmer, sondern auch der Händler. Er verstoße auch dann gegen § 1 UWG, wenn er sich der Kenntnis der verbotswidrigen Handlungsweise des Herstellers bewußt verschließe oder entziehe. Die Beklagte hätte bereits aufgrund des Schreibens der Klägerin vom 10.7.1996 den sittenwidrigen Nachbau erkennen müssen. Daß die Klägerin ihrerseits versuche, durch den Nachbau billiger tschechischer Gartenmöbel einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen, habe sie nicht annehmen können. Die Beklagte habe den Verkauf erst etwa einen Monat später, nach Klagseinbringung, eingestellt. Damit sei ihr Verhalten im Sinne der Rechtsprechung des BGH unlauter geworden; die Wiederholungsgefahr sei nicht weggefallen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig, weil das Rekursgericht von der bisherigen Rechtsprechung abgewichen ist; er ist aber nicht berechtigt.

Die Beklagte verweist auf die bisherige Rechtsprechung, wonach die nachfolgende Schlechtgläubigkeit nicht schade, wenn der Erwerber beim Ankauf sittenwidrig nachgeahmter Ware gutgläubig war. Es bestehe auch keine Wiederholungsgefahr, weil die Beklagte den Verkauf der Sessel unverzüglich mit Schreiben vom 16.7.1996 eingestellt habe.

Das Nachahmen eines fremden Produktes, das keinen Sonderrechtsschutz genießt, verstößt gegen § 1 UWG, wenn im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten, aus denen sich die Sittenwidrigkeit der Handlung ergibt. Das ist (ua) dann der Fall, wenn der Nachahmende das Vorbild nicht nur als Anregung zu eigenem Schaffen benützt, sondern seinem Produkt ohne ausreichenden Grund die Gestaltungsform eines fremden Erzeugnisses gibt und dadurch die Gefahr von Verwechslungen hervorruft. Der Nachahmer muß von dem nachgeahmten Erzeugnis im Rahmen des Möglichen angemessenen Abstand halten. Eine "vermeidbare Herkunftstäuschung" setzt voraus, daß eine bewußte Nachahmung vorliegt, die Gefahr von Verwechslungen herbeigeführt wird und eine andersartige Gestaltung zumutbar gewesen wäre (ÖBl 1992, 109 - Prallbrecher; ÖBl 1996, 292 - Hier wohnt, jeweils mwN).

Verwechslungsgefahr ist anzunehmen, wenn dem nachgeahmten Produkt wettbewerbliche Eigenart und eine gewisse Verkehrsbekanntheit zukommt; das Erzeugnis muß bereits in Verkehr gesetzt und auf diese Weise dem Publikum bekannt geworden sein (ÖBl 1991, 213 - Cartes Classiques; ÖBl 1996, 292 - Hier wohnt).

Der Gartensessel "Astoria" der Klägerin hat eine gewisse Verkehrsbekanntheit; der von der Beklagten vertriebene Sessel ist dem Sessel der Klägerin in allen Einzelheiten nachgeahmt. Daß andere Gestaltungsmöglichkeiten bestanden hätten, bedarf keiner weiteren Begründung.

Die Beklagte ist Händler; sie hat den Sessel von einem tschechischen Erzeuger bezogen und - so die Feststellungen des Erstgerichtes - im Zeitpunkt des Erwerbes nicht gewußt, daß dieser Sessel dem der Klägerin sklavisch nachgebaut ist.

Der Händler hat nach der bisherigen Rechtsprechung für die sklavische Nachahmung durch den Erzeuger (nur dann) einzustehen, wenn ihm die verbotswidrige Handlungsweise des Herstellers zum Zeitpunkt des Warenbezuges bekannt war. Er verstößt dann vorsätzlich gegen die Verpflichtung, die geeigneten und ihm zumutbaren Maßnahmen zur Verhütung künftiger Herkunftsverwechslungen zu treffen (ua ÖBl 1983, 74 - Autolautsprecher; ÖBl 1985, 24 - Mart Stam Stuhl, jeweils mwN; ecolex 1993, 536 = MR 1993, 30 - Bohr- und Fräsmaschine).

Diese Rechtsprechung kann bei neuerlicher Prüfung nicht aufrechterhalten werden:

In der Entscheidung ecolex 1993, 536 = MR 1993, 30 - Bohr- und Fräsmaschine hat der erkennende Senat die Frage offengelassen, ob dem Händler nachträgliche Schlechtgläubigkeit schadet. Der Kenntnis des Händlers, daß die Ware sklavisch nachgeahmt sei, stehe gleich, daß sich der Händler dieser Kenntnis bewußt verschließe oder entziehe.

Nach der deutschen Rechtsprechung handelt der Händler nicht nur dann sittenwidrig, wenn er nachgeahmte Ware schlechtgläubig erwirbt. Ihm schade auch nachträglich erlangte Kenntnis. Das ergebe sich aus dem allgemein anerkannten Grundsatz, daß eine Handlung, die zunächst mangels Kenntnis eines wesentlichen Umstandes nicht sittenwidrig ist, jedenfalls von dem Augenblick an unlauter wird, in dem der Verletzer nachträglich Kenntnis von dem betreffenden Tatumstand erhält (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht19 EinldUWG Rz 127 mwN; GRUR 1992, 448 - Pullovermuster mwN).

Dieser Grundsatz gilt auch im österreichischen Recht (vgl Koziol in Avancini/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht II 307). Er schließt es aus, die Sittenwidrigkeit zu verneinen, wenn der Erwerber nachgeahmte Ware auch noch nach Kenntniserlangung weiterveräußert. Zu diesem Ergebnis führt auch eine sachgerechte Interessenabwägung. Der Verletzte ist in besonderem Maß schutzbedürftig, gegen die wettbewerbswidrige Ausbeutung seiner Arbeitsergebnisse vorzugehen (so auch BGH GRUR 1992, 448 - Pullovermuster). Der Hersteller wird ihm nicht immer bekannt sein; gegen einen ausländischen Hersteller wird es in der Regel auch schwieriger und langwieriger sein, Rechtsschutz zu erlangen, als gegen einen inländischen Händler. Der Händler nachgeahmter Ware kann sich vertraglich absichern; er kann sich an seinen Lieferanten halten, wenn er die nachgeahmte Ware nicht weiterveräußern darf. Kann der inländische Händler die gutgläubig erworbene Ware aber weiter veräußern, so zieht er aus dem wettbewerbswidrigen Verhalten des Herstellers bewußt Nutzen, während der Verletzte die massive Beeinträchtigung seiner Wettbewerbsposition wehrlos hinnehmen muß. Auch wenn die Interessen beider Seiten berücksichtigt werden, fordert es demnach der lautere Wettbewerb, daß dem Händler nachgeahmter Ware der Weitervertrieb jedenfalls von dem Zeitpunkt an untersagt wird, in dem er vom Nachahmungstatbestand Kenntnis erlangt hat (BGH GRUR 1992, 448 - Pullovermuster).

Die Beklagte mußte jedenfalls schon aufgrund des Schreibens der Klägerin vom 10.7.1996 wissen, daß die von ihr angebotenen Sessel denen der Klägerin sklavisch nachgebaut sind. Besondere Nachweise waren nicht notwendig; ein kurzer Blick auf die Fotos genügte, um die Nachahmung zu erkennen.

Die Beklagte hat den Vertrieb der Sessel jedoch nicht sofort eingestellt, sondern die Sessel weiter angeboten. Erst Mitte August 1996, nach Erhalt der Klage, hat sie die Sessel aus dem Sortiment genommen. Im Verfahren hat sie (ua) bestritten, daß die von ihr vertriebenen Sessel denen der Klägerin nachgeahmt sind.

Bei dieser Sachlage ist die Vermutung der Wiederholungsgefahr nicht entkräftet. Wiederholungsgefahr ist im allgemeinen anzunehmen, wenn der Beklagte im Prozeß weiter die Auffassung vertritt, zu der beanstandeten Handlung berechtigt zu sein und seine gesetzwidrige Handlung verteidigt (stRsp ua ÖBl 1982, 24 - Dunlop; MR 1993, 226 - Sandler mwN). Das Rekursgericht hat die einstweilige Verfügung daher zu Recht erlassen.

Der Revisionsrekurs mußte erfolglos bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 40, 50, 52 Abs 1 ZPO.

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