OGH 11Os192/96

OGH11Os192/964.3.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 4.März 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ebner, Dr.Schmucker, Dr.Habl und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Sprinzel als Schriftführer, in der Strafsache gegen Maximilian R***** wegen des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83 Abs 1, 86 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 8.Oktober 1996, GZ 26 Vr 1022/96-40, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß gefaßt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugemittelt.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Maximilian Adolf R***** des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83 Abs 1, 86 StGB schuldig erkannt, weil er in der Zeit von Ende April bis 2. Mai 1996 in Linz Monika S***** durch Versetzen von Faustschlägen ins Gesicht sowie von Stößen, wodurch diese mit dem Kopf gegen den Türstock prallte, in Form eines Nasenbeinbruches, eines doppelten Unterkieferbruches, eines isolierten Bruches der achten Rippe ohne Verschiebung sowie kleinere Hämatome im Bereich der linken Scheitelregion und Hinterhauptgegend sowie einer linearen Prellmarke an der Stirn vorsätzlich am Körper verletzt hat, wobei die Tat am 13. Mai 1996 den Tod der Monika S***** zur Folge hatte.

Den Feststellungen des Schöffengerichtes zufolge hat der Angeklagte entweder "in der zweiten Aprilhälfte (eher gegen Ende April)" oder am 2. Mai des Jahres 1996 Monika S***** mit Verletzungswillen unter anderem derart heftige Faustschläge in das Gesicht versetzt, daß sie einen doppelten Unterkieferbruch mit Luxation erlitt (US 4 f, 6 unten; vgl S 177, 209, 251). Sie konnte wegen der völligen Instabilität des gebrochenen und verrenkten Unterkiefers weder feste Speisen noch Flüssigkeiten aufnehmen und geriet nach einer verletzungsbedingten Bewußlosigkeit infolge der erzwungenen Alkoholkarenz in ein "delirantes Zustandsbild". Durch die fehlende Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr verschlechterte sich ihr Zustand, bis am 13.Mai 1996 infolge Exsikkose (Austrocknung) ihr Tod eintrat (US 6 f, 9).

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5, 5 a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; indes zu Unrecht.

Sämtliche im Rahmen der Mängel- (Z 5) und Tatsachenrüge (Z 5 a) erhobenen - der Sache nach eine Subsumtion der Tat als schwere Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB anstrebenden - Beschwerdeeinwände betreffen keine entscheidenden Umstände, stellen sie doch auf eine Bewegungs- und Kommunikationsunfähigkeit des schwer verletzten Opfers sowie die daraus abgeleitete Behauptung ab, daß der Angeklagte damals - nach Zufügung der Verletzungen - den tödlichen Verlauf nicht vorhersehen konnte. Damit wird eine für die Tatbeurteilung unerhebliche Phase des Gesamtgeschehens herangezogen, weshalb alle Reklamationen ins Leere gehen müssen.

Entscheidende Tatsache in der Bedeutung der herangezogenen Nichtigkeitsgründe nach Z 5 und 5 a des § 281 Abs 1 StPO für die Qualifikation der Körperverletzung nach § 86 StGB ist nämlich die Vorhersehbarkeit des tödlichen Erfolges im Zeitpunkt der gewaltsamen Einwirkung auf das Opfer, somit die Erkennbarkeit der von der Tathandlung des Grunddelikts ausgehenden Lebensgefahr. Spätere Eindrücke des Täters oder sein nachträgliches, nicht mehr vom Verletzungs- oder Mißhandlungsvorsatz getragenes, auf einer fahrlässigen Fehleinschätzung der Gefährlichkeit der bereits eingetretenen Verletzungen beruhendes Verhalten sind hingegen für die Zurechnung der Tatfolge im Sinne des § 7 Abs 2 StGB ohne Bedeutung (JBl 1989, 395). Daher bleibt für die Qualifikation der Körperverletzung allein die fahrlässige Herbeiführung der Todesfolge durch die Verletzungstat und nicht etwa durch eine nachträglich unterlassene Hilfeleistung maßgeblich. Insofern wird vom Beschwerdeführer aber gar nicht bestritten, daß die festgestellte, durch die Art des bewirkten Knochenbruches als besonders massiv ausgewiesene Gewaltanwendung gegen den Kopf der Frau auch die Vorhersehbarkeit der Verletzung lebenswichtiger Körperbereiche und der Möglichkeit eines tödlichen Verlaufes begründete. Am Rande sei erwähnt, daß das in der Nichtigkeitsbeschwerde als Erklärung für die unterbliebene Erfassung der Situation der Verletzten ins Treffen geführte Sonderwissen des Angeklagten um die Alkoholabhängigkeit des Tatopfers (US 3 f; 6; S 250, 255) die vorangegangene Sorgfaltswidrigkeit nur noch vertieft haben kann, weil daraus auch die Vorhersehbarkeit einer erhöhten Belastung durch eine schwere Verletzung resultierte (SSt 57/28).

Aus der dargelegten Sicht ist es für die rechtliche Beurteilung der Tat nicht bedeutsam, ob die vom Angeklagten schwer verletzte Monika S***** nach den Attacken aus der Wohnung gegangen ist, ob sie damals telefoniert hat und ob vom Angeklagten naheliegende Hilfeleistungsmaßnahmen unterlassen worden sind. Auf die in dieser Beziehung geltend gemachten Begründungsmängel und das entsprechende Vorbringen der Tatsachenrüge, insbesondere die gegensätzlichen Urteilsfeststellungen, ob Monika S***** am 3.Mai 1996 - also nach Zufügen der todesursächlichen Verletzung durch den Angeklagten - dessen Wohnung kurzzeitig verließ oder nicht (US 5, 6), braucht daher mangels Bedeutung für die Schuldfrage nicht eingegangen werden. Demgemäß erübrigt sich auch die Befassung mit den weiteren Beschwerdeeinwänden, soweit sie darauf abstellen, der Angeklagte habe weitere Hilfeleistung im Glauben daran unterlassen, sein Opfer sei nicht so schwer verletzt, daß es einer Unterstützung bedürfe.

Mit seiner - lediglich die Qualifikation der Tat nach § 84 Abs 1 StGB anstrebenden - Subsumstionsrüge (Z 10) verfehlt der Beschwerdeführer eine gesetzmäßige Ausführung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes, indem er sich darin ausschließlich auf sein Verhalten nach der Tat bezieht. Damit vernachlässigt er wesentliche Teile des Urteilssachverhaltes, nämlich die festgestellte (vom Rechtsmittelwerber ignorierte) Begehungsweise der Tat, welche (wie schon erörtert) für die angefochtene Zurechnung der Todesfolge entscheidungswesentlich ist (US 6 f, 9). Die Beschwerde läßt solcherart den prozeßordnungsgemäßen Vergleich zwischen der gesamten Tatsachengrundlage und dem darauf angewendeten Strafgesetz vermissen (Mayerhofer StPO4 § 281 E 26, 30). Gleiches gilt für den Einwand, auch eine Subsumtion unter § 82 StGB habe nicht zu erfolgen; weicht doch die Beschwerde - die Unterstellung der Tat unter § 84 Abs 1 StGB voraussetzend - von der ausdrücklichen Konstatierung US 9 ab, "wonach bei Haftung des Täters für den Tod im Sinn des § 86 StGB § 82 StGB verdrängt wird".

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher teils als offenbar unbegründet gemäß § 285 d Abs 1 Z 2 StPO, teils als nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt gemäß der Z 1 der soeben zitierten Gesetzesstelle iVm § 285 a Z 2 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Über die Berufung wird der hiefür gemäß § 285 i StPO zuständige Gerichtshof zweiter Instanz zu befinden haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.

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