OGH 7Ob2091/96t

OGH7Ob2091/96t26.2.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Schalich und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag.Erich G*****, vertreten durch Dr.Hermann Holzmann, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Bank A***** AG, ***** vertreten durch Dr.Peter Schulyok und Dr.Georg Unger, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 71.445,-- sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 28.Februar 1996, GZ 4 R 37/96m-17, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 6.November 1995, GZ 26 C 2766/94f-11, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten erster Instanz.

Text

Begründung

Die Rechtsvorgängerin der beklagten Partei, die L***** AG, hat 1988 die Emission von jungen Aktien im Nominale von insgesamt S 40 Mill. zur Erhöhung des Grundkapitals der T***** AG von S 80 Mill. auf S 120 Mill. durchgeführt. Sie hat dafür gemeinsam mit der T***** AG einen dem Ersturteil angeschlossenen Prospekt aufgelegt. In diesem Emissionsprospekt und einem dem Ersturteil ebenfalls angeschlossenen Farbprospekt "Gut angelegt" wird die T***** AG als durch und durch seriöse, qualitätsbewußte und aufstrebende Firma charakterisiert. Die Ertragslage wird in der Form beschrieben, daß auf eine überaus günstige Geschäftsentwicklung für die Jahre 1987/88 und 1988/89 geschlossen werden könne. Der Kläger erstand am 25.11.1988 aufgrund des Prospektes der Beklagten und eines Beratungsgespräches bei der T***** L*****bank bei letzterer Aktien der T***** AG in Höhe des Klagsbetrages.

Im Zuge der Prüfung des Jahresberichtes im Dezember 1988 und der Folgemonate stellte sich jedoch heraus, daß die geschätzten Zahlen der T***** AG für das Geschäftsjahr 1987/88 nicht dem tatsächlichen Betriebsgang entsprachen, sondern der Gewinn wesentlich niedriger ausfiel. Ob die beklagte Partei bewußt beschönigende Zahlen in den Emissionsprospekt aufgenommen hat, konnte nicht festgestellt werden. Der Aktionärsbrief vom 20.4.1989 informierte über das zu erwartende negative Ergebnis. Am 2.5.1989 war in der Zeitschrift "Profil" von einem "Börsenskandal" der T***** AG die Rede. Im Juni 1989 berichtete der Kurier von einer neuen Krise bei der T***** AG sowie davon, daß mehrere Kapitalanleger Klagen angekündigt hätten. Die "Tiroler Tageszeitung", die vom Kläger regelmäßig gelesen wird, erläuterte am 27.6.1989 die "Talfahrt" der T***** AG. Ein ähnlicher Bericht findet sich im "Wiener Börsenkurier" vom 6.7.1989. Ein durchwegs positiver Bericht findet sich nur in der von der Beklagten herausgegebenen Zeitschrift "Börse aktuell" vom 20.10.1988. Berichte in den Medien - sowohl in Zeitungen wie auch in Rundfunk und Fernsehen - machten den Kläger auf diese Situation aufmerksam. Nach Erhalt der jeweiligen Depotauszüge stellte der Kläger fest, daß der Kurswert der Aktien der T***** AG stetig im Sinken begriffen war. Mit Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 17.7.1991 wurde über das Vermögen der T***** AG das Konkursverfahren eröffnet. Zum 31.12.1992 wurde kein Kurs mehr für deren Aktien ausgewiesen.

Spätestens zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung hatte der Kläger Kenntnis davon, daß die Aktionäre der T***** AG keine Zahlung zu erwarten hätten und ihm somit ein Schaden in Höhe des Klagsbetrages entstanden ist.

Mit der am 27.12.1994 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrte der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von S 71.445,-- sA und machte deren Prospekthaftung geltend. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe in ihrem Emissionsprospekt die Vermögenssituation der T***** AG grob fahrlässig unrichtig dargelegt. Die Klagsforderung sei nicht verjährt, da die dreijährige ab Kenntnis des Schadens und Schädigers beginnende Frist noch nicht abgelaufen sei. Die Aktien des Klägers seien aufgrund der Liquidierung und Löschung der T***** AG erst am 24.6.1994 ausgebucht worden, weshalb die Verjährungsfrist erst mit 1994 zu laufen begonnen habe. Im Zeitpunkt der Konkurseröffnung habe der Kläger noch nicht ahnen können, daß der Emissionsprospekt unrichtige Angaben enthalten habe; es sei ihm auch der Schädiger zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt gewesen. Vom entsprechenden Kausalzusammenhang habe er erst nach Erstattung der Gutachten im Strafverfahren Ende 1992 Kenntnis erlangt.

Die beklagte Partei beantragte die Klagsabweisung und wendete vorerst die Verjährung der Klagsforderung ein. Die vom Kläger erhobenen Vorwürfe seien diesem schon im Frühjahr 1989 bekannt gewesen. Spätestens im Zeitpunkt der Konkurseröffnung habe er Kenntnis von der Wertlosigkeit seiner Aktien haben müssen. Die hier erhobenen Vorwürfe seien vom Klagevertreter im Namen anderer Kläger bereits in der Hauptverhandlung vom 26.6.1989 erhoben worden. Jene Kläger, die diese Hauptverhandlung nicht besucht hätten, hätten sich dies selbst zuzuschreiben.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, weil seiner Ansicht die Klagsforderung gemäß § 1489 ABGB verjährt sei. Der Kläger hätte zumindestens ab der Konkurseröffnung über das Vermögen der T***** AG die Wertlosigkeit seiner Aktien erkennen müssen. Er habe gewußt, daß die Beklagte den Emissionsprospekt herausgegeben habe; zumindestens hätte ihm bewußt sein müssen, daß es bei Richtigkeit der geschätzten Zahlen im Prospekt niemals zu einem Insolvenzverfahren hätte kommen können. Der Kläger könne sich auch nicht auf seine Unwissenheit hinsichtlich des Schadens und des Schädigers berufen, da das Konkursedikt am 17.7.1991 öffentlich bekanntgemacht worden sei.

Das Berufungsgericht bestätigte mit der angefochtenen Entscheidung dieses Urteil. Es erklärte die Erhebung der ordentlichen Revision für unzulässig. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und teilte dessen Rechtsansicht. Dem Kläger sei im Zeitpunkt der Konkurseröffnung über das Vermögen der T***** AG am 17.7.1991 sowohl sein eingetretener Schaden als auch der von ihm belangte Schädiger in der Person der Beklagten bekannt gewesen. Zu diesem Zeitpunkt sei der Schaden schon sicher festgestanden. Der Widerspruch zwischen den im Prospekt enthaltenen Angaben und der ca. ein halbes Jahr später bekanntgewordenen tatsächlichen äußerst schlechten wirtschaftlichen Situation der T***** AG erweise sich als so eklatant, daß die konkrete Möglichkeit eines von der Beklagten sorgfaltswidrig erstellten Emissionsprospektes dem Kläger offenkundig geworden sein müsse.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung erhobene Revision ist zulässig und im Sinne des Aufhebungsantrages berechtigt.

Den Revisionsausführungen, daß bei einer Konkurseröffnung niemand vorhersehen könne, ob es zu einer Liquidierung der Gesellschaft oder zu einem Ausgleichsverfahren kommen werde, dem Kläger seien die erforderlichen Unternehmensdaten in diesem Zeitpunkt nicht zur Verfügung gestanden, er hätte sich dazu eines Sachverständigengutachtens bedienen müssen, weiters, daß die Verjährungsfrist erst mit dem tatsächlichen Schadenseintritt beginne, dies sei erst im Zeitpunkt der feststehenden Wertlosigkeit der Aktien der T***** AG für den Kläger eingetreten, weiters daß die bloße Möglichkeit der Ermittlung einschlägiger Tatsachen ihr Bekanntsein nicht zu ersetzen vermöge, Kennenmüssen reiche nicht aus, ist entgegenzuhalten, daß nach der vom Berufungsgericht übernommenen Feststellung des Erstgerichtes, wonach der Kläger spätestens im Zeitpunkt der Konkurseröffnung wußte, daß die Aktionäre der T*****-AG keine Zahlung erhalten werden und ihm sohin ein Schaden in Höhe des Klagsbetrages entstanden ist, sich die angestellten Überlegungen erübrigen. Bei dieser Ausführung des Erstgerichtes handelt es sich nicht um eine rechtliche Beurteilung, sondern um eine Tatsachenfeststellung.

Berechtigung kommt jedoch dem letzten in der Revision erhobenen Einwand zu. Nach dem derzeitigen Verfahrensstand kann nicht mit der für eine abschließende Beurteilung notwendigen Sicherheit gesagt werden, ab wann dem Kläger die Beklagte als potentielle Schädigerin bekannt war oder bekannt sein mußte. Wie bei der Frage der Kenntnis des eingetretenen Schadens ist nach § 1489 ABGB zu fordern, daß dem Geschädigten die Person des Schädigers so weit bekannt ist, daß er gegen ihn eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erheben kann, d.h. daß ihm der Ursachenzusammenhang zwischen dem Schaden und dem dazu führenden schuldhaften Verhalten des Schädigers bekannt war (vgl. Schubert in Rummel ABGB2 § 1489 Rz 4 mwN). Der Geschädigte darf sich nicht passiv verhalten und es darauf ankommen lassen, ob und wann er von den maßgeblichen Tatsachen einmal zufällig Kenntnis erlangen wird, sodaß die bloße Behauptung des Schädigers, er habe erst jetzt vom Ursachenzusammenhang Kenntnis erlangt, nicht ausreicht, wenn nicht gleichzeitig stichhaltige Gründe dafür angegeben werden, weshalb diese Kenntnis nicht schon früher bestand (vgl. 6 Ob 559/80). Allerdings darf die Erkundigungspflicht des Geschädigten nicht überspannt werden. Die Beurteilung der Vorinstanzen, eine derartige Kenntnis sei dem Kläger allein schon aus dem Widerspruch der im Prospekt der Rechtsvorgängerin der Beklagten enthaltenen Angaben und der ca. ein halbes Jahr später bekanntgewordenen schlechten wirtschaftlichen Situation der T***** AG, zuzumuten, mag zwar nicht unrealistisch sein, ersetzt aber nicht die erforderlichen Tatsachenfeststellungen, die andere Geschehensabläufe, so zB daß die Ursachen für die Insolvenz der T***** AG erst nach der Prospektausgabe eingetreten sind oder daß die Rechtsvorgängerin der beklagten Partei trotz der erforderlichen Erkundigungspflicht selbst getäuscht wurde, ausschließen. Im vorliegenden Fall gründet der Kläger seinen Haftungsvorwurf gegenüber der beklagten Partei auf die Prospekthaftung. Prospekthaftungsansprüche bestehen, wenn der Anleger durch falsche, unvollständige oder irreführende Prospektangaben zur Zeichnung einer Kapitalanlage bewegt wird. Es handelt sich dabei um eine typisierte Vertrauenshaftung aus Verschulden bei Vertragsabschluß. Dabei wird davon ausgegangen, daß die Kapitalanleger im allgemeinen keine eigenen Informationsmöglichkeiten haben und weitgehendst darauf angewiesen sind, sich an Hand des Emissionsprospektes über das zu finanzierende Vorhaben zu informieren. Der Prospekt bildet demgemäß im Regelfall die Grundlage für den wirtschaftlich bedeutsamen und mit Risken verbundenen Beteiligungsbeschluß. Aus diesem Grund muß sich der potentielle Kapitalanleger grundsätzlich auf die sachliche Richtigkeit und Vollständigkeit der im Prospekt enthaltenen Angaben verlassen dürfen. Aus der Bedeutung, die dem Emissionsprospekt zukommt, folgt, daß auch alle jene Personen für eine sachlich richtige und vollständige Information einzustehen haben, die durch ihr nach außen in Erscheinung tretendes Mitwirken an der Prospektgestaltung einen besonderen - zusätzlichen - Vertrauenstatbestand schaffen. Dazu gehören insbesondere auch solche Personen und Unternehmen, die mit Rücksicht auf ihre allgemein anerkannte herausgehobene berufliche und wirtschaftliche Stellung oder ihre Eigenschaft als berufsmäßige Sachkenner eine Garantenstellung einnehmen. Aufgrund ihrer Stellung und Eigenschaft wird persönliche Zuverlässigkeit erwartet. Die angesprochenen Interessenten dürfen daher davon ausgehen, daß die für den Prospekt Verantwortlichen diesen mit der erforderlichen Sorgfalt geprüft haben und daß dieser sie über alle Umstände aufklärte, die für den Entschluß, sich als Anleger zu beteiligen, von wesentlicher Bedeutung sind (vgl. ecolex 1990, 688 mwN sowie Werner/Machunsky, Rechte und Ansprüche geschädigter Kapitalanleger3, 178 ff [181 mwN unter FN 97]).

Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren daher Beweise darüber aufzunehmen haben, ob dem Beklagten ein Ursachenzusammenhang mit einer schuldhaft unrichtigen Prospektherausgabe durch die Rechtsvorgängerin der beklagten Partei bereits im Zeitpunkt der Konkurseröffnung (oder sogar schon vor dieser) oder erst im Zuge der Gutachtenserstellung in einem gegen die Organe der T***** AG geführten Strafverfahren bekannt geworden ist oder bekannt werden mußte und im Falle der letzteren Fallkonstellation, wann diese Kenntnis eintrat. Die Urteile der Vorinstanzen waren daher aufzuheben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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