OGH 5Ob51/97d

OGH5Ob51/97d25.2.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Baumann und Dr.Hradil als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Walter B*****, 2) Karl F*****, 3) Beatrix W*****, 4) Leopoldine P*****, 5) Anna S*****, 6) Helga S*****, 7) Klaus K*****,

8) Ing.Rudolf L*****, 9) Werner W*****, 10) Mag.Florence W*****, 11) Hans Jörg L*****, sämtliche vertreten durch Proksch & Partner OEG, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Anton F*****, Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Johannes Patzak, Dr.Johannes Krauss, Rechtsanwälte in Wien, wegen Ausschließung eines Wohnungseigentümers, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 9.Dezember 1996, GZ 36 R 781/96m-15, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO iVm § 510 Abs 3 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Daß die mit Belästigungen der Hausbewohner verbundene Ausübung der Prostitution in einer Wohnungseigentumsanlage den Ausschließungsgrund des § 22 Abs 1 Z 2 WEG verwirklichen kann, wurde bereits judiziert (MietSlg 34.556; vgl auch die zum vergleichbaren Kündigungstatbestand des § 19 Abs 2 Z 3 MG bzw § 30 Abs 2 Z 3 MRG ergangenem Entscheidungen MietSlg 17.388; MietSlg 19.294; MietSlg 35.538; MietSlg 36.390 und EvBl 1992/134). Von wem die Belästigungen der anderen Miteigentümer herrühren, ist dabei unbeachtlich; es kommt allein darauf an, ob die Ausübung der Prostitution mit ihren Begleiterscheinungen einen die Interessen der übrigen Miteigentümer empfindlich schädigenden Gebrauch bedeutet (vgl MietSlg 34.556; Faistenberger/Barta/Call, Kommentar zum WEG 1975, Rz 30 zu § 22). Eine solche Interessenbeeinträchtigung der übrigen Mit- und Wohnungseigentümer liegt zweifellos vor, wenn die Gattin eines Hausbewohners unsittlich belästigt wurde, sich ein anderes Mal ein Exhibitionist vor einer Hausbewohnerin entblößte, Freier im Hausflur urinierten und letztlich sogar im Zuge einer Zuhälterfehde Buttersäureattentate auf das Haus verübt wurden. Einem solchen Übelstand hat der verantwortliche Wohnungseigentümer dadurch abzuhelfen, daß er sein Wohnungseigentumsobjekt nicht mehr zur Ausübung der Prostitution zur Verfügung stellt. Ob den Wohnungseigentümern bzw ihrem Hausverwalter von der Verwaltungsbehörde dazu noch die weitere Duldung der Prostitution im Haus untersagt wurde, ist nicht weiter von Bedeutung. Ob ein Ausschließungsgrund iSd § 22 Abs 1 WEG gesetzt wurde, hängt nämlich immer von den Umständen des Einzelfalls ab, sodaß nur eine gravierende - hier zu verneinende - Fehlbeurteilung durch das Instanzgericht die Anrufung des Obersten Gerichtshofes rechtfertigen könnte (vgl WoBl 1995, 180/87; 5 Ob 18/96 = EWr II/22/6).

Die berufungsgerichtliche Feststellung, daß Freier "mehrmals" im Hausflur urinierten, ist durch die Aktenlage gedeckt. Sie wird dadurch, daß nach den Beweisergebnissen nur einmal ein Mann gleichsam auf frischer Tat ertappt wurde, nicht in Frage gestellt. Daß es diesbezüglich an konkretem Vorbringen der Kläger fehlt, ist aus Anlaß eines außerordentlichen Rechtsmittels nicht als Mangel des Berufungsverfahrens aufzugreifen, weil auch überschießende Feststellungen verwertet werden können, wenn sie sich im Rahmen des geltend gemachten Klagsgrundes oder erhobener Einwendungen halten (WoBl 1992, 208/141 mwN). Selbst wenn dies im konkreten Fall nicht angenommen werden könnte, läge keine die Erheblichkeitsschwelle des § 502 Abs 1 ZPO überschreitende Verletzung von Verfahrensvorschriften vor.

Bei Beurteilung der Frage, ob auf ein Recht stillschweigend verzichtet wurde, ist besondere Vorsicht geboten (SZ 61/42; JBl 1989, 649 ua), und zwar vor allem dann, wenn aus der Nichtgeltendmachung eines Dauertatbestandes durch längere Zeit auf einen Kündigungsverzicht bzw den Verzicht auf die Geltendmachung von Ausschließungsgründen geschlossen werden soll (vgl WoBl 1992, 18 ua). Maßgeblich können auch in diesem Zusammenhang immer nur die Umstände des konkreten Falles sein (vgl 4 Ob 1516/92; WoBl 1993, 141/106). Da das Verhalten des Auszuschließenden in seiner Gesamtheit zu beurteilen ist, kann der Ausschlußkläger auch auf Vorfälle zurückgreifen, die bereits längere Zeit zurückliegen. Es ist daher unbedenklich und für den Obersten Gerichtshof auch nicht weiter überprüfbar, wenn das Berufungsgericht im mehrmonatigen Zuwarten mit der Klage seit dem letzten Buttersäureattentat (das im übrigen die Hausbewohner veranlaßte, sich um Abhilfe an den Bezirksvorsteher zu wenden) keinen Verzicht auf die Geltendmachung dieses Ausschließungsgrundes erkannte und dann noch weiter zurückliegende Fakten verwertete. Daß das vom Hausverwalter namens der "Miteigentumsgemeinschaft" erklärte Einverständnis zum Bordellbetrieb im Objekt der Beklagten unter der clausula rebus sic stantibus stand (solange sich die Tätigkeit der beschäftigen Personen und Personengruppen "im Rahmen des Zusinnbaren hält"), wird von der Rechtsmittelwerberin ohnehin nicht in Frage gestellt.

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