OGH 2Ob5/97t

OGH2Ob5/97t13.2.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ***** I***** KG, ***** vertreten durch Schuppich, Sporn & Winischhofer, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Fritz S*****, vertreten durch Dr.Ludwig Kammerlander, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 1.Oktober 1996, GZ 40 R 509/96s-24, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 30.Mai 1996, GZ 5 C 3302/94b-20, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.655,68 (darin enthalten Umsatzsteuer von S 609,28, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte mietete am 3.5.1962 das Geschäftslokal top Nr 2 im Haus *****, S***** Straße 170 zum Betrieb eines Optikergewerbes an.

Die klagende Partei kündigte dem Beklagten dieses Lokal mit der Begründung, daß die Räumlichkeiten nicht zu der im Vertrag bedungenen oder einer gleichwertigen geschäftlichen Betätigung verwendet würden. Das Bestandobjekt sei seit Jahren unbenutzt, zwischen dem aufgekündigten Bestandobjekt und anderen, vom Beklagten zu anderen, Zeitpunkten getrennt angemieteten Räumlichkeiten bestehe kein Zusammenhang.

Der Beklagte wendete ein, die aufgekündigten Räumlichkeiten seien sein "Stammlokal". Alle sukzessiv abgeschlossenen Mietverträge bildeten eine nicht einzeln aufkündbare Einheit, die sich aus der Widmung für den Zweck eines Optikerunternehmens, aus der tatsächlichen Verwendung, aus dem äußeren Anschein, aus dem baulichen Zusammenhang und aus der Zahlungsweise ergebe.

Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung für rechtswirksam und verhielt den Beklagten zur Räumung des Geschäftslokales.

Dabei wurden im wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

Das vom Beklagten gemietete Bestandobjekt besteht aus einem straßenseitig gelegenen Geschäftslokal, welches durch einen straßenseitig gelegenen Eingang zu betreten ist und einen dahinter gelegenen Raum aufweist. Im Laufe der Jahre mietete der Beklagte weitere Objekte im selben Haus, nämlich die top Nr 3, 4 und 7, darunter ein weiteres ebenerdig und straßenseitig gelegenes Geschäftslokal, das vom nunmehr aufgekündigten durch die Hauseinfahrt getrennt ist, zur Verwendung im Rahmen seines Optikerbetriebes an. Das verfahrensgegenständliche - rechts vom Hauseingang gelegene - Bestandobjekt verwendete er als Verkaufslokal. Es ist von den Bestandobjekten top Nr 3, 4 und 7 baulich getrennt. 1989 eröffnete der Beklagte an der Adresse S***** Straße 217 ein Geschäftslokal. Zuletzt betrieb der Beklagte im Gassenlokal links vom Hauseingang ein Selbstbedienungsgeschäft für Brillen, Brillenfassungen, Brillenzubehör und Kontaktlinsenzubehör. Im aufgekündigten, rechts vom Hauseingang gelegenen Bestandobjekt lagert er Brillen und andere Waren, die im linker Hand gelegenen Geschäftslokal verkauft werden, sowie Buchhaltungsunterlagen und Einrichtungsgegenstände. Die Vitrinen und Schaufenster sind mit Waren, die im linker Hand gelegenen Geschäft angeboten werden, bestückt. Für die einzelnen Bestandobjekte wurde ein gesonderter Mietzins vereinbart und vorgeschrieben.

In rechtlicher Hinsicht verneinte das Erstgericht die Einheitlichkeit des Bestandverhältnisses aller vom Beklagten in diesem Haus angemieteten Objekte. Es führte dazu aus, daß die Frage, ob die Objekte top Nr 2, 3, 4 und 7 ein einheitliches Bestandobjekt bilden, vom Parteiwillen bei Vertragsabschluß abhänge. Es komme nicht auf die objektiven Gemeinsamkeiten einer einheitlichen Bestandsache im Sinne gegenseitiger Erforderlich- oder Nützlichkeit an. Maßgeblich sei nur die ausdrückliche oder konkludente Vereinbarung einer wirtschaftlichen Einheit technisch getrennt anmietbarer Bestandobjekte. Über den in den einzelnen Bestandverträgen enthaltenen Hinweis, daß das Bestandobjekt für den Optikerbetrieb verwendet werde, hinaus seien den Verträgen keine Hinweise auf die anderen Bestandobjekte zu entnehmen. Es seien für die einzelnen Bestandobjekte jeweils neue Verträge errichtet worden, ohne ausdrücklich festzuhalten, daß die neu hinzugemieteten Bestandobjekte eine Einheit mit den bereits angemieteten bilden sollten. Weiters sei für die einzelnen Bestandobjekte ein gesonderter Mietzins vereinbart und vorgeschrieben worden.

Das Erstgericht bejahte das Vorliegen des Kündigungsgrundes des § 30 Abs 2 Z 7 MRG, weil der Beklagte dieses Objekt nicht mehr wie ursprünglich für den Verkauf, sondern nur mehr zur Lagerung und somit nicht mehr für einen als gleichwertig anzusehenden Zweck verwende.

Das vom Beklagten angerufene Berufungsgericht änderte die angefochtene Entscheidung dahin ab, daß die Aufkündigung aufgehoben und das Begehren auf Übergabe abgewiesen wurde. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei.

Das Berufungsgericht schloß sich der Rechtsansicht des Erstgerichtes, es seien die im Laufe der Jahre abgeschlossenen Mietverträge über die weiteren Bestandräumlichkeiten im selben Haus nicht als Einheit anzusehen, an. Im übrigen führte das Berufungsgericht aber aus, es sei zu berücksichtigen, daß alle Bestandobjekte dem Beklagten zum Betrieb seines Optikerunternehmens vermietet worden seien. Der Betrieb eines derartigen Unternehmens bringe es mit sich, daß außer den unmittelbaren Verkaufsräumlichkeiten auch Räumlichkeiten für die Lagerung von Waren und dergleichen benötigt werden. Habe ein Mieter mehrere Räumlichkeiten im selben Haus, wenn auch mit getrennten Verträgen, zu einem einheitlichen Verwendungszweck, nämlich dem Betrieb eines Optikerunternehmens, gemietet, so müsse es ihm im Rahmen seiner unternehmerischen Disposition überlassen bleiben, welche Räumlichkeiten er für Verkaufszwecke und welche er für die peripheren Zwecke seines Unternehmens verwende. Verwende er alle von ihm in ein- und demselben Haus gemieteten Bestandräumlichkeiten im Sinne des vereinbarten Verwendungszweckes, sei, selbst wenn es sich nicht um ein einheitliches Bestandverhältnis handle, eine Aufspaltung in die zentralen und in die peripheren Verwendungen nicht vorzunehmen und eine Verwendung auch der aufgekündigten Räumlichkeiten top Nr 2 im Hinblick auf die Einheitlichkeit des in den Bestandräumlichkeiten betriebenen Unternehmens zur Ausübung der vereinbarten geschäftlichen Tätigkeit zu bejahen.

Die ordentliche Revision wurde für zulässig angesehen, weil das Berufungsgericht in Berücksichtigung der hier gegebenen Fallgestaltung von der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen sei.

Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, es dahin abzuändern, daß das Ersturteil wiederhergestellt werde.

Die beklagte Partei hat eine Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel der klagenden Partei nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Die klagende Partei macht in ihrem Rechtsmittel geltend, es sei der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 7 MRG gegeben, weil der Beklagte den ursprünglichen Geschäftsbetrieb verlegt habe und den Mietgegenstand nur für minderwertige Zwecke verwende. Nur dann, wenn der Mietgegenstand von Anfang an nur für periphere und nicht für zentrale Zwecke des Geschäftsbetriebes verwendet werde, könne die Verwendung zu anderen peripheren Zwecken nicht schaden. Die Verwendung eines als Verkaufsraum gemieteten Gassenlokales nur mehr als Lager- und Schauraum könne jedenfalls nicht als gleichwertige Verwendung angesehen werden.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden:

Wie die der Oberste Gerichtshof zu dem von der klagenden Partei geltend gemachten Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 7 MRG in zahlreichen Fällen ausgesprochen hat, ist dieser Kündigungsgrund dann verwirklicht, wenn es an einer regelmäßigen geschäftlichen Tätigkeit entweder in der vereinbarten Form und Intensität oder wenigstens in einer gleichwertigen Form und Intensität fehlt (MietSlg 39.457/41 = RdW 1988, 87; WoBl 1993, 32 uva). Dabei hat die Rechtsprechung die Verwendung eines Gassenlokales als Magazin, Lager, Abstellraum, Schauraum udgl nicht als gleichwertig gewertet (vgl MietSlg 37.441, 37.442; SZ 61/42 = MietSlg 40.465; MietSlg 46.398; 4 Ob 520/95).

Der Oberste Gerichtshof hat auch bereits mehrfach ausgeführt, daß die Frage, ob mehrere in einem Vertrag in Bestand gegebene Sachen eine einheitliche Bestandssache bilden, vom Parteiwillen abhängt. Es komme nicht auf die objektive Gemeinsamkeit im Sinne gegenseitigen Erfordlich- oder Nützlichseins an, sondern es sei daraus nur ein Schluß auf die Parteienabsicht zulässig (MietSlg 45.438 = WoBl 1993, 186 ua). Dies muß auch dann gelten, wenn mehrere Sachen in mehreren Verträgen in Bestand gegeben werden (Würth in Rummel**2, Rz 15 zu §§ 1092 bis 1094). Im vorliegenden Fall indiziert nun wohl der gemeinsame Verwendungszweck der Bestandobjekte das Vorliegen einer einheitlichen Bestandsache, dem steht aber gegenüber, daß die Mietverträge zu verschiedenen Zeitpunkten sukzessive abgeschlossen wurden, daß für die einzelnen Bestandobjekte ein gesonderter Mietzins vereinbart und vorgeschrieben wurde und daß in den Verträgen nicht festgehalten wurde, daß die neu hinzugemieteten Bestandobjekte eine Einheit mit den bereits angemieteten Teilen bilden sollen. Es kann daher, da auch ein diesbezüglich übereinstimmender subjektiver Parteiwille nicht festgestellt wurde, nicht von einem einheitlichen Bestandobjekt ausgegangen werden.

Wenn aber - wie im vorliegenden Fall - in einem Haus ein zweites Geschäftslokal zugemietet wird, ist es mangels gegenteiliger Hinweise vom schlüssigen Parteiwillen umfaßt, daß der Bestandnehmer innerhalb der gemieteten Geschäftslokale umorganisieren kann, zumal das gegenständliche Bestandobjekt "zum Betriebe eins Optikergewerbes" vermietet und im Rahmen dieses Betriebes auch verwendet wurde. Wie sich aus den vorgelegten Lichtbildern, deren Richtigkeit nicht bestritten wurde, ergibt, besteht auch der optische Eindruck eines einheitlichen Lokals.

Es ist daher, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 7 MRG nicht gegeben, weshalb der Revision der klagenden Partei keine Folge zu geben war.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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