OGH 4Ob2383/96m

OGH4Ob2383/96m11.2.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek und Dr.Niederreiter und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hugo BOSS AG, Metzingen, Dieselstraße 12, vertreten durch Dr.Gerhard Engin-Deniz und Mag.Dr.Christian Reimitz, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei B***** AG, ***** vertreten durch Dr.Christian Kuhn und Dr.Wolfgang Vanis, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung, Rechnungslegung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 460.000,--), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 6.November 1996, GZ 15 R 147/96i-10, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 30. Juli 1996, GZ 24 Cg 119/96z-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung zur Gänze wie folgt zu lauten hat:

Der beklagten Partei wird ab sofort bis zur Rechtswirksamkeit des über die Klage ergehenden Urteils verboten, Strümpfe und Strumpfwaren unter Verwendung des Firmenschlagwortes und der Standardmarke der klagenden Partei "BOSS" zu verkaufen.

Die klagende Partei hat die Kosten des Provisorialverfahrens aller drei Instanzen vorläufig selbst zu tragen, die beklagte Partei hingegen endgültig.

Text

Begründung

Die Klägerin ist seit 9.12.1980 Inhaberin der internationalen Wortmarke Nr 456.092 "BOSS" für die Warenklassen Bekleidung, Strümpfe, Accessoires für Bekleidung udgl. Der Schutzbereich dieser Marke erstreckt sich ua auf Österreich. Weiters erwarb sie die seit 1963 unter der Register Nr. 49.817 eingetragene österreichische Wortmarke "BOSS" für die Warenklasse Oberbekleidungsstücke. Für dieses Kennzeichen genießt die Klägerin einen Bekanntheitsgrad von 68 %. Die Klägerin vertreibt unter diesem Kennzeichen hochwertige Herrenbekleidung, ua Herrensocken.

Die Beklagte vertreibt in ihren Supermärkten auch Textilwaren der

unteren Preisklasse, insbesondere Herrensocken unter der seit 1983

eingetragenen Marke "Stanford". Herrensocken unterschiedlicher Preis-

und Ausstattungskategorien werden unter den Bezeichnungen "Stanford

boss", "Stanford business" und "Stanford classic" angeboten. Auf den

Preisstreifen der Verkaufsregale verwendete die Beklagte neben den

(kleiner geschriebenen) Angaben "Stanford", "Größe......" und

"Farbe......" in größerem Druck die Worte "BOSS SOCKEN".

Vorübergehend preiste die Beklagte auf ihren Kassabons "Stanford boss" - Socken als "BOSS-SOCKEN" aus.

Nach der Zustellung der Klage bot die Beklagte der Klägerin den Abschluß folgenden Unterlassungsvergleichs und die Veröffentlichung des Vergleichs an:

Die beklagte Partei verpflichtet sich, es ab sofort bei sonstiger Exekution zu unterlassen, Strumpfwaren, insbesondere Socken unter der Bezeichnung "BOSS" anzubieten oder zu verkaufen; dem Vertrieb von "Stanford boss Socken" steht diese Unterlassungsverpflichtung nicht entgegen. Insbesondere verpflichtet sich die beklagte Partei, beim Vertrieb von "Stanford boss"-Socken diese Produktbezeichnung vollständig anzuführen und das Wort "BOSS" nicht hervorzuheben und diese Produkte auf Kassabons nicht als "BOSS SOCKEN" zu bezeichnen.

Die Klägerin lehnte den Abschluß dieses Vergleichs als ungenügend ab.

Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs beantragt die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, Strümpfe und Strumpfwaren unter Verwendung des Firmenschlagwortes und der Standardmarke der Klägerin "BOSS" zu verkaufen. Die Klägerin sei auf dem Gebiet des Bekleidungssektors unter ihrem Firmenschlagwort allgemein bekannt. Ihre Erzeugnisse genössen aufgrund ihrer ausgezeichneten Qualität und ihres ansprechenden Designs höchstes Ansehen. Darüber hinaus sei die Klägerin Inhaberin gleichlautender Wortmarken. Durch die Verwendung des Zeichens BOSS und den Verkauf von Socken mit der Bezeichnung "Stanford boss" verstoße die Beklagte gegen die Kennzeichenrechte der Klägerin.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsantrages. In der Artikelbezeichnung "Stanford boss" liege kein kennzeichnungsmäßiger Gebrauch der Marke der Klägerin, weil die Artikelbezeichnung "boss" in "Stanford Boss" gegenüber der bekannten Marke "Stanford" zurücktrete. Die Marke der Klägerin enthalte nur eine beschreibende Angabe und sei gar nicht schutzfähig. Überdies gebe es am Wort "BOSS" ein allgemeines Freihaltebedürfnis. Schließlich sei auch die Verwechslungsgefahr nicht gegeben. Das Wort BOSS sei nur ein schwaches Zeichen. Durch die Verwendung der Marke "Stanford" im Zusammenhang mit dem Wort BOSS halte die Beklagte vom Kennzeichen der Klägerin ausreichenden Abstand. Außerdem verhindere das unterschiedliche Preisgefüge der Waren der Streitteile die Gefahr von Verwechslungen. Aufgrund des von der Beklagten angebotenen Vergleichs fehle der Klägerin aber auch das Rechtschutzbedürfnis an der Erlangung eines Unterlassungstitels. Dieses Vergleichsanbot beseitige aber auch die Wiederholungsgefahr.

Das Erstgericht wies den Sicherungantrag ab. Das Wort "BOSS" sei als Kennzeichen für Textilprodukte insoweit beschreibend, als es indirekt auf die Verwendung durch höherrangige Personen hinweise. Im Hinblick auf die erwiesene Verkehrsgeltung habe der beschreibende Charakter keinen Einfluß auf die Schutzfähigkeit des Kennzeichens der Klägerin, doch sei die Verwechslungsgefahr mit schwachen Kennzeichen zu verneinen, wenn sie mit Zusätzen verwendet würden. Das sei bei der Verwendung der Bezeichnung "Stanfort boss" der Fall. Soweit die Beklagte das Wort "BOSS" allein beim Vertrieb von Herrensocken verwendet habe, habe das von der Klägerin abgelehnte Vergleichsanbot die Wiederholungsgefahr beseitigt. Aber auch Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne sei nicht gegeben, weil die Waren der Streitteile unterschiedlichen Preisklassen angehörten.

Das Rekursgericht bestätigte den Beschluß des Erstgerichts und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die Firma der Klägerin laute Hugo Boss, ihre Standardmarke hingegen nur BOSS. Das Wort "BOSS" gehöre dem allgemeinen Sprachgebrauch an und umschreibe Führungspersonen in Wirtschaft, Gewerkschaft, Kriminalität und Jugendgruppen. Da jedermann zum Kreis der Führenden gehören möchte, sei die Verwendung dieses Wortes in Marken für Herrenbekleidung naheliegend. Somit liege lediglich ein schwaches Kennzeichen vor. Daß die an sich schwache Kennzeichnungskraft ihrer Marke durch Erlangung von Verkehrsgeltung beseitigt worden sei, habe die Klägerin nicht näher begründet. Der Schutz schwacher Kennzeichen sei einschränkend zu beurteilen. Schon geringe Abweichungen könnten die Gefahr von Verwechslungen beseitigen. Der Klägerin würden damit nicht ihre Marke und ihr Firmenschlagwort entzogen, es werde vielmehr lediglich verhindert, daß ein der Gemeinsprache angehörendes Wort auf dem Sektor der Herrenbekleidung von einem Unternehmen monopolisiert werde. Damit stehe es Mitbewerbern auch nicht frei, das Zeichen "BOSS" zu verwenden, wenn die Angabe neben einem beliebigen anderen Firmenschlagwort verwendet werde; entscheidend sei vielmehr die Verwechslungsgefahr. Im vorliegenden Fall bezeichne die Beklagte mit dem Wort "BOSS" nur eine Teilgruppe ihrer "Stanford"-Socken. Das in gelber Farbe gedruckte Kennzeichen "Stanford" trete gegenüber den bordeauxroten Schriftzeichen des Wortes "BOSS" in den Vordergrund. Außerdem gehörten die Herrensocken der Streitteile unterschiedlichen Preisklassen an. Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr dürfe nicht von jeder konkreten Prüfung abgesehen und lediglich darauf abgestellt werden, für welche Waren die Marke der Klägerin registriert sei. Das würde im Ergebnis nur darauf hinauslaufen, daß ein Wort der Gemeinsprache für den gesamten Bereich der Herrenbekleidung monopolisiert werden könnte.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen von der Klägerin erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist zulässig im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO und berechtigt, weil das Rekursgericht bei der Beurteilung der Kennzeichnungskraft des Zeichens der Klägerin von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist.

Gemäß § 4 Abs 1 Z 2 MSchG sind Zeichen von der Registrierung

ausgeschlossen, die bloß aus Worten bestehen, die ausschließlich

Angaben über Ort, Zeit oder Art der Herstellung, über die

Beschaffenheit, über die Bestimmung, über Preis-, Mengen- oder

Gewichtsverhältnisse der Ware oder über Ort, Zeit oder Art der

Erbringung, über die Beschaffenheit, über die Bestimmung, über

Preisverhältnisse oder Umfang der Dienstleistung enthalten; die

Registrierung solcher Zeichen wird jedoch zugelassen, wenn das

Zeichen in den beteiligten Verkehrskreisen als Kennzeichen der Waren

oder Dienstleistungen des Unternehmens des Anmelders gilt (§ 4 Abs 2

MSchG). Schlechthin von der Registrierung sind Zeichen

ausgeschlossen, die zur Bezeichnung bestimmter Gattungen von Waren

oder Dienstleistungen im Verkehr allgemein gebräuchlich sind (§ 4 Abs

1 Z 3 MSchG). Ein allgemeines Freihaltebedürfnis am Kennzeichen

"BOSS" für Herrenbekleidung und Strumpfwaren besteht nicht, weil dieses Wort zur Bezeichnung solcher Waren im Verkehr nicht allgemein gebräuchlich ist. Ob ein Zeichen beschreibend ist, muß immer in bezug auf jene Waren geprüft werden, für die es registriert werden soll. Unterscheidungskräftig sind daher nicht nur frei erfundene, einer Sprache angehörende Fantasiewörter ieS, sondern auch solche Wörter, die zwar dem allgemeinen Sprachgebrauch angehören, mit der Ware (Dienstleistung), für die sie bestimmt sind, aber in keinem Zusammenhang stehen (Fantasiewörter iwS); entscheidend ist dabei, ob die Wörter im Verkehr als Fantasiewörter aufgefaßt werden (ÖBl 1990, 165 - Kombucha; ÖBl 1992, 218 - Resch und frisch; ÖBl 1992, 221 Profi; ÖBl 1993, 167 Teleshop).

Das Markenwort "BOSS" enthält keine beschreibenden Angaben im Sinne des § 4 Abs 1 Z 2 MSchG. Daß dieses Kennzeichen eine Assoziation zu gehobenen Bedürfnissen erweckt, macht es noch nicht zu einer beschreibenden Angabe. Bei bloßen Andeutungen einer bestimmten Beschaffenheit des zu kennzeichnenden Gegenstandes liegt noch keine beschreibende Angabe vor. Von einer solchen ist erst dann zu sprechen, wenn der ausschließlich beschreibende Charakter des Zeichenwortes für die angesprochenen Verkehrskreise allgemein, zwanglos und ohne besondere Gedankenoperationen erkennbar ist (OPM PBl 1990, 111 - Thermo-Ski; PBl 1991, 168 - top-cat; ÖBl 1993, 99 SMASH; ÖBl 1996, 143 - Plus). Worte, die eine gedankliche Schlußfolgerung verlangen oder lediglich im übertragenen Sinn auf Merkmale der Ware hinweisen, können vielmehr zur Kennzeichnungskraft beitragen (OPM PBL 1993, 25 - Hundeglück und Katzenglück; ÖBl 1996, 143 - Plus). Zur Kennzeichnung von Herrensocken hat das Wort "BOSS" daher normale Kennzeichnungskraft. Daß es nur ein Fantasiewort im weiteren Sinn ist, weil es der Umgangssprache angehört, worauf eine geringere Kennzeichnungskraft eines Zeichens beruhen kann (4 Ob 37/93; vgl ÖBl 1966, 42), fällt hier nicht ins Gewicht. Eine besondere Verkehrsgeltung ist somit nicht mehr zu untersuchen. Aus dem festgestellten Bekanntheitsgrad könnte allerdings noch nicht auf eine besondere Verkehrsgeltung geschlossen werden, weil dieser darüber allein nichts aussagt; entscheidend ist vielmehr der Kennzeichnungsgrad, mangels eines ausreichenden Ergebnisses desselben der Zuordnungsgrad (Fitz-Gamerith, Wettbewerbsrecht 36; SZ 59/157 = ÖBl 1987, 24 - Ganz ohne Kratzer; ÖBl 1989, 162 - Jolly Kinderfest; ÖBl 1992, 221 - Profi; ÖBl 1993, 92 - Pickfein).

Liegt aber eine Marke mit normaler Kennzeichnungskraft vor, dann ist auch die Verwechslungsgefahr zu bejahen, weil die Marke der Klägerin in das Warenzeichen der Beklagten zur Gänze aufgenommen wurde; die gänzliche Aufnahme einer Marke in ein anderes Zeichen begründet in der Regel Verwechslungsgefahr, sofern nicht die ältere Marke innerhalb des jüngeren Zeichens nur eine untergeordnete Rolle spielt und gegenüber den Bestandteilen, die den Gesamteindruck des jüngeren Zeichens prägen, ganz in den Hintergrund tritt (ÖBl 1987, 102 - Sportland; ÖBl 1996, 93 - Miss Fitness Austria). In der Bezeichnung "Stanford boss" spielt das Kennzeichen der Klägerin "BOSS" aber weder bildlich, klanglich oder im Sinngehalt eine untergeordnete Rolle, noch wird der Gesamteindruck dieses jüngeren Zeichens allein vom Wort "Stanford" geprägt.

Das Vergleichsanbot der Beklagten, das nicht die Unterlassung der Bezeichnung von Herrensocken unter der Bezeichnung "Stanford boss" umfaßt, beseitigte nicht die Wiederholungsgefahr (vgl dazu SZ 51/87 = ÖBl 1978, 127 - Umsatzbonus II; ÖBl 1984, 123 - Fertigpackungen uva).

In Stattgebung des außerordentlichen Revisionsrekurses war daher die Entscheidung im Sinne der Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung abzuändern.

Die Entscheidung über die Kosten des Provisiorialverfahrens aller drei Instanzen gründet sich in Ansehung der Klägerin auf § 393 Abs 1 EO, in Ansehung der Beklagten auf §§ 78, 402 EO, §§ 40, 50, 52 Abs 1 ZPO.

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