OGH 10ObS17/97s

OGH10ObS17/97s4.2.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer und Dr.Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Gabriele Griehsel (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Ulrike Legner (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Maria R*****, vertreten durch Dr.Jürgen Zwerger, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Roßauer Lände 3, 1092 Wien, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15.Oktober 1996, GZ 12 Rs 195/96z-35, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 13. Mai 1996, GZ 17 Cgs 174/93a-28, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die Unterlassung der Erörterung des augenfachärztlichen Gutachtens, der Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fach der Neurologie und Psychiatrie sowie der Parteienvernehmung der Klägerin waren bereits Gegenstand der Mängelrüge der Berufung. Das Berufungsgericht hat sich mit diesen Ausführungen auseinandergesetzt und ist zum Ergebnis gelangt, daß ein Verfahrensmangel nicht vorliege. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senates, daß auch in Sozialrechtssachen angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, deren Vorliegen vom Berufungsgericht verneint wurde, im Revisionsverfahren nicht neuerlich mit Erfolg geltend gemacht werden können (SSV-NF 7/74 mwH uva). Mit ausführlicher Begründung wurde in kritischer Auseinandersetzung mit gegenteiligen Stellungnahmen im Schrifttum die Ausdehnung der von der Rechtsprechung für bestimmte familienrechtliche Verfahren entwickelten Ausnahmen von diesem Grundsatz auf Sozialrechtssachen abgelehnt. Der Grund für diese Ausnahmen liege vor allem darin, daß in diesen (familienrechtlichen) Verfahren die Erforschung der materiellen Wahrheit absoluten Vorrang genieße; dieser Grundsatz gelte jedoch in Sozialrechtssachen nicht (SSV-NF 3/115). Der in den in der Revision zitierten familienrechtlichen Entscheidungen für diese Verfahren ausgesprochene Grundsatz, wurde daher in der bisherigen Judikatur bereits berücksichtigt; für das vorliegende Sozialrechtsverfahren kann hieraus für den Standpunkt der Klägerin nichts abgeleitet werden. Dem Obersten Gerichtshof ist daher das Eingehen auf die Ausführungen der Mängelrüge der Revision verwehrt.

Da die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes zutreffend ist, genügt es auf diese Ausführungen zu verweisen (§ 48 ASGG).

Soweit die Revisionswerberin rügt, daß durch die Unterlassung der von ihr beantragten Beweise ungeprüft geblieben sei, ob sie durch das Tragen einer Brille mit einem undurchsichtigen Glas die durch die Mißbildung eines Auges bei Nichttragen der Prothese bedingte Entstellung in akzeptabler Weise verdecken könne, bzw ob ihr zumutbar sei, sich vor anderen Personen in dieser Weise zu präsentieren, macht sie Feststellungsmängel geltend und bekämpft damit die rechtliche Beurteilung; die Feststellungsgrundlage reiche für eine abschließende Entscheidung nicht aus.

Daß das Tragen einer Brille mit einem undurchsichtigen Glas in der Öffentlichkeit keineswegs Abscheu oder Abneigung erweckt, ist notorisch. Zahlreiche Menschen mit Leidenszuständen oder Verletzungen an einem Auge sind auf solche Hilfsmittel angewiesen und nehmen am öffentlichen Leben teil, ohne daß dadurch ein abweisliches Verhalten der Mitmenschen veranlaßt würde oder sie sonst Nachteile im gesellschaftlichen Leben in Kauf nehmen müßten.

Zu Unrecht macht die Klägerin geltend, daß bei der Frage, ob ihr die Benützung des erwähnten Hilfsmittels zumutbar sei, auf ihre persönlichen Gefühle abzustellen und zu prüfen sei, ob sie im Hinblick auf ihren psychischen Zustand in der Lage sei, eine solche Brille zu benützen. Dafür, daß die Klägerin an krankhaften Zuständen im psychischen Bereich leide, ergaben sich im Verfahren keine Anhaltspunkte; solches wurde auch nichtvorgebracht. Bestehen aber Leidenszustände in diesem Bereich nicht, so ist die Klägerin im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht verhalten, alle zumutbaren Maßnahmen zu unternehmen, um einen Zustand herbeizuführen, der sie in die Lage versetzt, sonst zumutbare Arbeiten zu verrichten (zur Mitwirkungspflicht siehe insbes SSV-NF 4/23). Die Frage der Zumutbarkeit ist aber objektiv zu prüfen. In diesem Sinne ist die Klägerin jedenfalls gehalten, eine Brille mit einem undurchsichtigen Glas zu benützen, um in der Zeit, in der das Tragen der Augenprothese nicht möglich ist, ihr Erscheinungsbild so zu verändern, daß sie ihrer Beschäftigung nachgehen kann. Weiterer Feststellungen hiezu bedurfte es nicht.

Im weiteren macht die Klägerin geltend, daß nicht gesichert sei, daß sie bei einer Tätigkeit als Parkgaragenkassierin Pausen einhalten könne, die ihr die notwendigen gymnastischen Übungen ermöglichen. Damit entfernt sie sich jedoch von den Feststellungen. Die Vorinstanzen haben ihren Entscheidungen zugrundegelegt, daß sich bei der herangezogenen Verweisungstätigkeit durchaus immer wieder Zeiten ohne Kundenandrang ergeben, die die Klägerin für die Ausführung der notwendigen Gymnastik nützen kann. Dem Einwand, daß eine genaue zeitliche Eingrenzung dieser Pausen von vornherein nicht möglich sei, ist entgegenzuhalten, daß die Notwendigkeit der gymnastischen Übungen nicht an fixe Zeitpunkte gebunden ist; nach den Feststellungen sind solche Übungen zweimal am Vormittag, einmal zu Mittag und zweimal am Nachmittag erforderlich, davon je eine fünfminütige am Vormittag bzw am Nachmittag, während der die Klägerin nur kurz aufstehen, die Wirbelsäule hin- und herbewegen oder das Bein entlastend bewegen muß. Aufgrund der Feststellungen kann aber davon ausgegangen werden, daß innerhalb dieser Zeiträume Pausen im Kundenverkehr im notwendigen Umfang auftreten. Zu Recht sind die Voinstanzen daher zum Ergebnis gelangt, daß die Klägerin auf den Beruf einer Parkgaragenkassierin verweisbar ist, so daß die Voraussetzungen für die begehrte Leistung nicht erfüllt sind.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe, die einen Kostenzuspruch aus Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden weder geltend gemacht, noch ergeben sich Anhaltspunkte für solche Gründe aus der Aktenlage.

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