OGH 7Ob2361/96y

OGH7Ob2361/96y29.1.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elisabeth U*****, vertreten durch Dr.Josef Dengg und Dr.Milan Vavrousek, Rechtsanwälte in St.Johann i.P., wider die beklagte Partei B***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Adolf Ingenhaeff-Berenkamp, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 99.999,-- sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgericht vom 16.September 1996, GZ 53 R 214/96v-24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes St.Johann i.P. vom 17.April 1996, GZ 3 C 437/95y-16, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Das Urteil des Gerichtes zweiter Instanz wird dahin abgeändert, daß das Ersturteil zur Gänze wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit insgesamt S 17.777,12 (darin enthalten S 1.859,52 USt. und S 6.620,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit ihrer am 5.4.1995 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin von der beklagten Partei zunächst S 85.920,--, in der Folge ausgedehnt auf S 99.999,-- sA mit der Behauptung, die beklagte Partei habe ihr am 22.6.1987 Spaltplatten samt Verfliesungsmaterial geliefert, wobei die Verlegungsarbeiten im Außenbereich durchgeführt werden sollten und 100 %ige Frostbeständigkeit zugesichert worden sei. Erstmals 1993 seien Frostschäden an den Platten aufgetreten, die vorerst mit kostenlos gelieferten Platten der beklagten Partei ausgebessert worden seien. Die Schäden seien jedoch in der Folge massiver geworden und durch eine Reparatur nicht mehr zu beheben gewesen. Es müsse der gesamte Klinkerbelag entfernt und mit frostsicherem Material neu hergestellt werden. Der Klagsanspruch werde sowohl auf Gewährleistung als auch auf Schadenersatz gestützt, außerdem auf ein Anerkenntnis der beklagten Partei.

Die beklagte Partei bestritt das Vorbringen. Sie habe die Platten ihrerseits vom Erzeuger bezogen, der zugesichert habe, daß es sich um Fliesen absolut erster Qualität handle. Die Schäden seien nicht auf Materialfehler, sondern auf Verlegungsfehler zurückzuführen. Eine Einigung dahin, daß sich die beklagte Partei einem von der Klägerin beizubringenden Sachverständigengutachten unterwerfe, sei nicht erfolgt. Weiters werde Verjährung eingewendet.

In der Tagsatzung vom 23.5.1995 brachte die Klägerin noch vor, daß die beklagte Partei die gelieferten Fliesen trotz ausdrücklicher Zusicherung der Frostsicherheit nicht ausreichend für Wetter- und Temperaturverhältnisse im Raum Pongau getestet habe, weshalb die beklagte Partei ein Verschulden am Eintritt des Schadens treffe. Dieses Vorbringen wurde von der beklagten Partei bestritten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf im wesentlichen folgende Feststellungen:

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Hauses in S*****, in dem sie gemeinsam mit ihrem Mann Johann U***** einen Appartementbetrieb führt. Johann U***** wollte imBereich der Sonnenterrasse und des Schwimmbeckens Verfliesungsarbeiten durchführen lassen. Am 12.6.1987 bestellte er in der B*****filiale der beklagten Partei in S***** 180 m2 Spaltplatten samt 328 Stück Schenkelplatten derselben Type und diverses Verlegematerial um den Gesamtpreis von S 80.000,--. Johann U***** brachte gegenüber dem damaligen Filialleiter des B***** Johann P***** sowie gegenüber dem Verkaufsbetreuer wiederholt zum Ausdruck, daß er frostsicheres Material benötige, weil die Verfliesung des Außenbereiches vorgesehen sei. Der Filialleiter verschaffte sich seinerseits durch einen Anruf bei Gerald L*****, dem Sachbearbeiter für Fliesen in der Niederlassung der beklagten Partei in Salzburg, Sicherheit dahin, daß die Fliesen frostbeständig seien. Johann U***** wurde Frostsicherheit der Fliesen zugesagt. Die Verfliesungsarbeiten wurden im Juni 1987 von einem mit derartigen Arbeiten vertrauten Unternehmen durchgeführt.

Gerald L***** kauft für die beklagte Partei Fliesen und Platten ein, die für sämtliche Niederlassungen der beklagten Partei in Österreich bestimmt sind. Vermutlich 1987 bezog die beklagte Partei einen größeren Posten Platten und Fliesen von der Firma S***** in Italien. Sie kauft von dieser Firma jährlich etwa 2.000 bis 3.000 m2 Fliesen und Platten der an Johann U***** gelieferten Type. Wie lange die Geschäftsbeziehung zwischen der beklagten Partei und der Produzentin bereits besteht, kann nicht festgestellt werden. Die Firma S***** produziert Ware dieser Type seit etwa 25 Jahren. Seit jeher werden die Spaltplatten tagtäglich darauf geprüft, ob sie den jeweils geltenden Normen entsprechen. Derzeit ist dies die EN 202, die die entsprechende Ö-Norm bzw. DIN-Norm abgelöst hat. Die Prüfung besteht darin, daß die Spaltplatten in 50 Zyklen von minus 15 Grad bis plus 15 Grad Celsius in einem bestimmten Zeitraum getestet werden. Wird zB Plattenmaterial einer bestimmten Type in einer bestimmten Farbe produziert, dann wird dieses Material stichprobenartig auf Frostbeständigkeit geprüft. Bricht keine Platte, dann gilt das Material als frostsicher und der derzeit geltenden Norm EN 202 entsprechend. Darüber hinaus werden Produkte der Firma S***** in regelmäßigen Abständen in unabhängigen Prüfanstalten oder Zentrallabors einer Prüfung unterzogen. Diese zusätzliche Überprüfung dient einer weiteren Kontrolle. Sie wurde auch bereits 1987 durchgeführt. Den Abnehmern, so auch der beklagten Partei, wurde und wird die Frostbeständigkeit der Waren garantiert. Diese Garantieerklärung ist in den Firmenunterlagen, wie etwa den Preislisten und Prospekten, enthalten. Andere Unterlagen über die Frostbeständigkeit der Ware wurden den Importeuren und auch der beklagten Partei nicht zur Verfügung gestellt. Als Gerald L***** für die beklagte Partei 1987 einen größeren Posten Platten und Fliesen, darunter auch die von Johann U***** erworbenen Fliesen, bei der Firma S***** einkaufte, lagen ihm die Preisliste, die Kataloge und Prospekte, die die Frostbeständigkeitsgarantie enthielten, vor. Weitere Unterlagen über die Frostbeständigkeit wurden von Gerald L***** nicht angefordert.

Erstmals im Frühjahr 1990 bemerkten die Klägerin und Johann U***** kleine muschelförmige Aussplitterungen an den Fliesen, die sie aber nicht für gravierend hielten. In den Jahren 1991, 1992 und 1993 wurden die immer wieder auftretenden, nach der Schneeschmelze sichtbaren Schäden an den Platten dadurch beseitigt, daß die schadhaften Fliesen durch noch vorhandene Reservefliesen ersetzt wurden, wobei 1993 die Klägerin selbst keine Reservefliesen mehr zur Verfügung hatte, sodaß ihr von Rudolf P***** kostenlos die letzten im Raum Salzburg noch auffindbaren Restfliesen geliefert wurden. Nach der Schneeschmelze im Frühjahr 1994 war der Schaden aber wiederum erheblich. Vor allem die Absplitterungen an den Schenkelplattenrändern waren ausgiebiger als 1993. Als Rudolf P***** und Gerald L***** die Schäden im Mai oder Juni 1994 besichtigten, äußerte sich Gerald L***** gegenüber Johann U***** sinngemäß dahin, daß die beklagte Partei nach Rücksprache mit dem Produzenten in Italien den Schaden zu ersetzen hätte, sollte der Sachverständige die Frostunbeständigkeit feststellen, daß er dies selbst aber nicht entscheiden könne. Am 1.6.1994 erfolgte die Begutachtung seitens eines von der Klägerin bestellten Gutachters, der die vorgefundenen Schäden auf die mangelnde Frostsicherheit des verlegten Materials zurückführte. Im folgenden Schriftverkehr lehnte die beklagte Partei die Übernahme jeglicher Haftung ab.

Die muschelförmigen Aussplitterungen an den Platten sind Frostschäden und nicht auf Verlegungsfehler zurückzuführen. Die Platten haben dem Frost-Tauwechsel nicht standgehalten. Eine Sanierung kann nur durch gänzliches Abtragen des Plattenbelages und durch Neuverlegung mit frostsicherem Material erfolgen. Die Sanierungskosten betragen mindestens S 170.000,-- incl. Umsatzsteuer.

Das Erstgericht verneinte das Vorliegen eines konstitutiven Anerkenntnisses. Der Gewährleistungsanspruch sei verfristet, nicht aber das Schadenersatzbegehren. Die beklagte Partei treffe jedoch kein Verschulden dahin, daß sie die Platten nicht ausreichend auf Frostbeständigkeit im Hinblick auf die Witterungs- und Temperaturverhältnisse im Raum Pongau getestet habe. Sie habe keinen Grund gehabt, an der Richtigkeit der Frostbeständigkeitsgarantie seitens des Produzenten zu zweifeln.

Das Gericht zweiter Instanz änderte das Urteil dahin ab, daß es die beklagte Partei zur Zahlung von S 99.999,-- samt 4 % stufenweisen Zinsen verpflichtete und (bloß) ein Zinsenmehrbegehren abwies. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es gelte die Beweislastumkehr des § 1298 ABGB, wenn ein Schaden auf ein objektiv vertragswidriges Verhalten des Veräußerers zurückzuführen sei. Falle daher dem Veräußerer eine Vertragsverletzung durch Schlechterfüllung - hier infolge des Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft der Ware - zur Last, müsse er für den Schaden des Erwerbers einstehen, sofern er nicht seine Schuldlosigkeit beweise. Die beklagte Partei habe diesen Entlastungsbeweis im Verfahren erster Instanz nicht angetreten. Sie habe nicht behauptet, daß sie ihre Vertragspflicht schuldlos schlecht erfüllt habe. Die vom Erstgericht in dieser Richtung durchgeführte Beweisaufnahme sei daher entbehrlich gewesen. Die hiezu getroffenen Feststellungen seien als überschießend unbeachtlich.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision der beklagten Partei ist zulässig und berechtigt.

Die Ansicht des Gerichtes zweiter Instanz, daß der festgestellte Sachverhalt, soweit er für die Frage des Verschuldens der beklagten Partei an dem durch mangelnde Frostbeständigkeit der Fliesen eingetretenen Schaden relevant ist, im Vorbringen der beklagten Partei keine Deckung finde und daher der rechtlichen Beurteilung nicht hätte zugrundegelegt werden dürfen, trifft nicht zu. "Überschießende Feststellungen" der ersten Instanz sind Sachverhaltsfeststellungen, die durch ein entsprechendes Prozeßvorbringen nicht gedeckt sind. Sie können nach ständiger Rechtsprechung bei der rechtlichen Beurteilung zumindest dann nicht unberücksichtigt bleiben, wenn sie in den Rahmen eines geltend gemachten Klagegrundes oder einer bestimmten Einwendung fallen (JBl 1986, 121; ÖBA 1987/61; WoBl 1992/141 je mwN), mögen sie auch nachträglich nicht durch entsprechende Behauptungen ausdrücklich gedeckt erscheinen (SZ 61/135).

Die Klägerin hat ihr Begehren ausdrücklich auf Schadenersatz gestützt. Sie hat zudem konkret dargelegt, worin sie das Verschulden der beklagten Partei erblickt, nämlich daß die beklagte Partei trotz ausdrücklicher Zusicherung der Frostbeständigkeit die gelieferten, nicht frostbeständigen Fliesen nicht ausreichend für die Wetter- und Temperaturverhältnisse im Raum Pongau getestet habe. Die beklagte Partei hat diesen Vorwurf bestritten (AS 17). Auch bei Zuweisung der Beweislast hinsichtlich des mangelnden Verschuldens an die beklagte Partei (vgl. Koziol-Welser I10 269 f mwN in FN 10, 11) fällt daher die Prüfung der Frage, ob die beklagte Partei ein Verschulden an der Mangelhaftigkeit der Ware trifft und ob sie zur - eigenen - Überprüfung der Fliesen auf Frostbeständigkeit durch entsprechende, von ihr selbst durchzuführende Tests unter den gegebenen Umständen verpflichtet war, in den Rahmen eines (unter anderem) geltend gemachten Klagegrundes. Die dargelegte Bestreitung durch die beklagte Partei kann, obgleich sie nicht weiter ausgeführt wird, sinnvoll nur dahin verstanden werden, daß die beklagte Partei ihrerseits behauptet, keine Frostbeständigkeit zugesichert zu haben, frostbeständige Ware geliefert zu haben und nicht zur eigenen Prüfung der Fliesen auf ihre Frostbeständigkeit verpflichtet gewesen zu sein. Das von den Parteien vorgegebene Prozeßthema umfaßte zumindest sinngemäß auch die für oder gegen eine eigene Prüfpflicht seitens der beklagten Partei sprechende Umstände.

Der vom Erstgericht festgestellte Sachverhalt über die Art und Weise der Prüfung der Platten durch die Erzeugerfirma und durch unabhängige Prüfanstalten oder Zentrallabors und die Zusicherung der Erzeugerfirma gegenüber ihren Abnehmern, insbesondere auch gegenüber der beklagten Partei, daß die Waren geprüft und frostbeständig seien, weicht daher vom widerstreitenden Vorbringen der Parteien nicht so weit ab, daß seine Berücksichtigung einen Verstoß gegen § 405 ZPO bedeuten würde. Er ist daher entgegen der Ansicht des Gerichtes zweiter Instanz der rechtlichen Beurteilung zugrundezulegen.

Damit ist aber dem Erstgericht dahin beizupflichten, daß die beklagte Partei kein Verschulden am Schaden durch die nicht frostbeständige Ware trifft. Es hieße die Sorgfaltspflicht des Händlers überspannen, würde ihm die Verpflichtung auferlegt, die vom Erzeuger zugesicherten bestimmten Eigenschaften der vom Händler bloß vertriebenen Warenduch eigene Tests überprüfen zu müssen. Der Händler muß sich mangels besonderer Umstände oder konkreter Verdachtsmomente insbesondere bei einer Massenware wie der vorliegenden auf die Auskünfte des Produzenten verlassen dürfen, zumal dem Händler - anders als dem Produzenten - meist gar nicht entsprechende Prüfvorrichtungen und auch nicht das notwendige "know how" zur Verfügung stehen.

Es war daher die zur Gänze klagsabweisende Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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