Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß der Antrag der zweit- und der viertklagenden und -gefährdeten Partei, der beklagten Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei zu verbieten, aufgrund der mit der ehemaligen Nationalbank der früheren Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien abgeschlossenen Verträge und der bei ihr bestehenden Konten, Guthaben, Depots, Mietverträge oder sonstigen Vermögenswerte an die Bundesrepublik Jugoslawien bzw die Nationalbank der Bundesrepublik Jugoslawien oder an einen der Nachfolgestaaten oder deren Nationalbanken Zahlungen zu leisten, Vermögenswerte auszufolgen, bei der Eröffnung von Banksafes mitzuwirken oder sonstige Verfügungen zu treffen und Handlungen zu setzen, die den gegenwärtigen Zustand verändern, ohne daß die Zustimmung aller Nachfolgestaaten oder deren Nationalbanken vorliegt, abgewiesen wird.
Im übrigen Umfang (Bestätigung des erstinstanzlichen Beschlusses, soweit damit dem Antrag der erst- und der drittklagenden und -gefährdeten Partei stattgegeben wurde) wird die rekursgerichtliche Entscheidung bestätigt.
Die erst- und die drittklagende und -gefährdete Partei haben die Kosten des Rechtsmittelsverfahrens vorläufig, die zweit- und viertklagende und -gefährdete Partei haben die Kosten des Rechtsmittelsverfahrens entgültig selbst zu tragen.
Die zweit- und die viertklagende und -gefährdete Partei haben der beklagten Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei die mit S 25.039,44 anteilig bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 4.210,74 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Begründung
Die Nationalbank der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (in der Folge SFRJ) hatte mit der beklagten Partei und Gegnerin der gefährdeten Parteien (in der Folge kurz beklagte Partei) Bankverträge geschlossen, mit welchen Guthaben in Österreich verzinslich angelegt und Vermögenswerte deponiert wurden.
Die SFRJ wurde durch "dismembratio" aufgelöst. Die Nachfolgestaaten Bosnien-Herzegowina, Bundesrepublik Jugoslawien, Kroatien, Mazedonien und Slowenien haben bisher keine Vereinbarung über eine Aufteilung des Vermögens und der Verbindlichkeiten der SFRJ getroffen. Nach Auffassung der 1993 errichteten Nationalbank der Bundesrepublik Jugoslawien ist diese alleinige rechtmäßige Nachfolgerin der ehemaligen Nationalbank der SFRJ.
In dem mit der beklagten Partei vor Klagseinbringung geführten Schriftwechsel erhoben die klagenden und gefährdeten Parteien (ab nun bloß klagende Parteien) Ansprüche auf das bei jener erliegende Vermögen; sie stellten sich auf den Standpunkt, weder die Organe der früheren Nationalbank der SFRJ noch jene der neu errichteten Nationalbank der Bundesrepublik Jugoslawien seien darüber verfügungsberechtigt. Dem hielt die beklagte Partei entgegen, sie sei nicht in der Lage den klagenden Parteien gegenüber eine verbindliche Erklärung dahin abzugeben, daß sie alle Depots und Guthaben der früheren Nationalbank der SFRJ weiterhin gesperrt halte und keine Auszahlungen an die oder sonstige vermögensrechtliche Verfügungen zugunsten der Bundesrepublik Jugoslawien oder deren Nationalbank vornehmen werde.
Zur Sicherung ihrer gleichzeitig erhobenen Ansprüche auf Unterlassung und Rechnungslegung beantragten die klagenden Parteien die Erlassung einer einstweiligen Verfügung des im Spruch wiedergegebenen Inhalts. Die SFRJ sei 1991 durch "dissolutio" bzw "dismembratio" untergegangen. An ihre Stelle seien die Nachfolgestaaten Bosnien-Herzegowina, Bundesrepublik Jugoslawien, Kroatien, Mazedonien und Slowenien getreten. Infolge der Auflösung der SFRJ habe auch die frühere Nationalbank dieses Staats, der keine Rechtspersönlichkeit zugekommen und die bloß eine staatliche Teilorganisation gewesen sei, zu bestehen aufgehört. Die Nachfolgestaaten bzw deren Nationalbanken als zu deren Vertretung berechtigte staatliche Teilorganisationen seien in die Rechtsstellung der früheren Nationalbank eingerückt und somit auch in die mit der beklagten Partei geschlossenen Verträge eingetreten. Sie bildeten eine Forderungsgemeinschaft im Sinn des § 890 zweiter Satz ABGB. Da weder die Höhe des aufzuteilenden Vermögens bekannt sei noch der Zeitpunkt der Aufteilung, die Aufteilungsgrundsätze und die Höhe der Anteile des zwischen den Nachfolgestaaten aufzuteilenden Vermögens feststünden, könne keiner der Nachfolgestaaten über seinen Forderungsanteil allein verfügen. Die Ansprüche der klagenden Parteien seien gefährdet, weil die neu errichtete Nationalbank der Bundesrepublik Jugoslawien die Auffassung vertrete, allein Rechtsnachfolgerin der früheren Nationalbank der SFRJ oder mit dieser identisch zu sein, diese Auffassung indes verfehlt sei. Sie setze alles daran, eine Aufteilung unter allen Nachfolgestaaten zu verhindern. Dennoch weigere sich die beklagte Partei, eine verbindliche Erklärung dahin abzugeben, daß sie vor einer Einigung der Nachfolgestaaten über die Aufteilung des deponierten Vermögens keine Auszahlungen an die Bundesrepublik Jugoslawien vornehmen werde. Es bestehe deshalb die Gefahr, daß diese (nach der bereits erfolgten devisenrechtlichen Freigabe der hier maßgeblichen Konten) Zahlungen an die Nationalbank der Bundesrepublik Jugoslawien leisten werde. So habe sie denn auch schon angekündigt, Zahlungen an den Kontoinhaber, die "Nationalbank Jugoslawien", leisten zu wollen. Durch Auszahlung an die bzw durch Verfügungen über Vermögenswerte zugunsten der Nationalbank der Bundesrepublik Jugoslawiens werde in die rechtlichen und faktischen Möglichkeiten einer Auseinandersetzung unter den Nachfolgestaaten eingegriffen; es sei zu befürchten, daß die Ansprüche der Kläger vereitelt, jedenfalls aber erheblich erschwert würden. Eine Durchsetzung der Ansprüche gegen die Bundesrepublik Jugoslawien so wie deren Nationalbank sei praktisch unmöglich.
Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung ohne Anhörung der beklagten Partei. Durch den Zerfall der SFRJ sei auch deren Nationalbank untergegangen. Rechtsnachfolger der SFRJ seien deren Nachfolgestaaten, darunter auch die erst- und die drittklagende Partei. Neben anderen Völkerrechtssubjekten seien auch die klagenden Parteien in die Rechte und Pflichten der Nationalbank der SFRJ eingetreten. Die Nachfolgestaaten bzw deren Nationalbanken seien über die Vermögenswerte nicht allein verfügungsberechtigt. Ohne die beantragte Sicherung bestehe die Gefahr, daß die beklagte Partei Verfügungen zugunsten eines der Nachfolgestaaten treffen werde, womit die Durchsetzung des Klagsanspruchs gefährdet wäre.
Das Gericht zweiter Instanz bestätigte diesen Beschluß und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands S 50.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es führte aus, auf die den hier maßgeblichen Bankgeschäften entspringenden Rechte und Pflichten sei österreichisches Recht anzuwenden. Unter den Aufgaben, die Nationalbanken regelmäßig übertragen würden, komme der Funktion als Notenbank grundlegende Bedeutung zu, die auch die Agenden der Währungsreservenpolitik umfasse. Sie habe währungspolitische Aufträge und die Devisenpolitik wahrzunehmen; ihr komme auch die Aufsicht über den inländischen Kreditapparat zu. Diese Aufgaben seien der Hoheitsverwaltung zuzurechnen. Die Nationalbank nehme Anteil an der staatlichen Wirtschaftsverwaltung. Organisatorisch komme diese Sonderstellung darin zum Ausdruck, daß der Nationalbank hoheitliche Gewalt übertragen sei. Als einer durch Gesetz eigens eingerichteten juristischen Person des öffentlichen Rechts komme ihr auch im Privatrechtsverkehr Rechtspersönlichkeit zu. Stets werde sie als Organ der staatlichen Wirtschaftsverwaltung tätig, weil ihre Vorkehrungen Maßnahmen der Wirtschafts- und Währungspolitik seien. Ihre Rechtshandlungen seien zumindest mittelbar dem Staat zuzurechnen. Daraus folge, daß ein die Nationalbank der SFRJ "einer gewöhnlichen Kommerzbank gleichsetzender Lösungsansatz zu keinem zutreffenden Ergebnis führen" könne. Die Anlage von Vermögenswerten eines Staats im Ausland diene währungspolitischen Interessen, sei somit eine Maßnahme der staatlichen Wirtschaftsverwaltung. Die Nationalbank der SFRJ habe zwar formell als Trägerin eigener Rechte, jedoch ohne eigene wirtschaftliche Interessen, sondern in Bindung an die währungspolitischen Interessen der SFRJ gehandelt. Sie habe dabei eine der fremdnützigen Treuhand entsprechende Funktion wahrgenommen, sodaß es sachgerecht sei, die dazu entwickelten Regeln anzuwenden. Die Stellung des Treugebers als wirtschaftlichen Eigentümers des Treuguts sei allgemein anerkannt. Die Rechte an dem von der SFRJ durch deren Nationalbank bei der beklagten Partei angelegten Vermögen seien demnach "wirtschaftlicher" Teil des Vermögens dieses Staats. Völkerrechtlich sei dieses Auslandsvermögen bei gänzlicher Aufteilung des Vorgängerstaats unter mehrere Nachfolgestaaten auf diese aufzuteilen. Damit stehe jener gesetzgeberischer Akt der Bundesrepublik Jugoslawien, der deren Nationalbank als Rechtsnachfolgerin der Nationalbank der SFRJ dekretiere, mit den Rechten der Nachfolgestaaten in klarem Widerspruch. Die Anerkennung der von der Nationalbank der Bundesrepublik Jugoslawien in Anspruch genommenen Verfügungsberechtigung käme einer entschädigungslosen Enteignung der übrigen Nachfolgestaaten gleich, zumal kein geeignetes "überstaatliches Instrumentarium" zur Durchsetzung des dem Völkerrecht entsprechenden Aufteilungsanspruchs zur Verfügung stehe. Der Anerkennung einer solchen konfiskutorischen Maßnahme stehe schon Art 1 des 1. ZProtMRK entgegen. Die begehrte Sicherung solle den völkerrechtlichen Anspruch der Nachfolgestaaten auf die Aufteilung von Staatsvermögen sichern. Diesem Aufteilungsanspruch komme in gleichem Ausmaß wie absoluten Rechten Schutz vor Eingriffen Dritter zu; er könne nach den Vorschriften der §§ 381 ff, insbesondere des § 382 Abs 1 Z 5 EO gesichert werden. Mit der Ausfolgung von Vermögenswerten an die Bundesrepublik Jugoslawien oder deren Nationalbank würden die Aussichten der Nachfolgestaaten auf Befriedigung ihrer Ansprüche erheblich verschlechtert.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der beklagten Partei ist zulässig, aber nur, soweit der Sicherungsantrag von der zweit- und der viertklagenden Partei gestellt wurde, auch berechtigt.
Die Frage, ob und inwieweit die von der Nationalbank der SFRJ mit der beklagten Partei geschlossenen Bankgeschäfte der SFRJ selbst zuzurechnen sind, ist nach dem (damals geltenden) Recht dieses Staats zu beurteilen. Für die Beurteilung der aus Bankgeschäften selbst entspringenden Rechte und Pflichten ist dagegen das Recht der Niederlassung des Kreditunternehmens bzw des beauftragten Kreditunternehmens, in deren Rahmen der Vertrag geschlossen wurde (§ 38 Abs 1 iVm § 36 zweiter Satz IPRG), somit österreichisches Recht maßgebend. Die Frage, ob das von der Nationalbank der SFRJ in Österreich angelegte bewegliche Vermögen dieser Nationalbank als selbständigem Rechtsträger zuzuordnen oder aber als Staatsvermögen (= "State property" im völkerrechtlichen Sinn) anzusehen ist, muß hinwiederum nach dem (seinerzeit maßgeblichen) Recht der SFRJ beurteilt werden. In diesem Sinn definiert Art 8 der von der International Law Commission (ILC) erarbeiteten "Wiener Konvention über Staatennachfolge in Staatsvermögen, -archive und -schulden 1983" Staatsvermögen des Vorgängerstaats ("State property of the predecessor State") als Vermögen und Rechte, die am Tag der Staatennachfolge entsprechend dem innerstaatlichen Recht des Vorgängerstaats Eigentum dieses Staats waren. Aufgabe dieser Kodifikation war es, bestehendes Völkergewohnheitsrecht zu formulieren (Reinisch/Hafner, Staatensukzession und Schuldenübernahme beim "Zerfall" der Sowjetunion, Schriftenreihe FOWI [1995], 44).
Dem danach insoweit maßgeblichen Nationalbankgesetz der SFRJ (kundgemacht im Amtsblatt der SFRJ Nr. 512/89) ist zu entnehmen, daß die Nationalbank dieses Staats die ureigensten Aufgaben einer Nationalbank zu erfüllen hatte (vgl dazu auch das Gutachten Nr. 15/1993 der Schiedskommission der EU unter dem Vorsitz von Badinter). Zum Hauptziel der Tätigkeit der Nationalbank der SFRJ wurde (auch) vom Nationalbankgesetz 1989 die Sicherung der Geldwertstabilität und die Aufrechterhaltung der Liquidität gegenüber dem Ausland erklärt (so auch Liliana Djekovi'c-Sachs, Währungsunion und Notenbankpolitik in Jugoslawien, Schriftenreihe Wirtschaft und Gesellschaft in Südosteuropa, 4, 5, 75, zum Nationalbankgesetz der SFRJ 1965).
Nach Art 4 des Nationalbankgesetzes 1989 haftete die Föderation für Verpflichtungen der Nationalbank als Bürgin. Gemäß Art 17 dieses Gesetzes hatte die Nationalbank beim Ankauf und Verkauf von Devisen auf dem allgemeinen Devisenmarkt im Einklang mit den Bundesgesetzen und der festgelegten Währungs- und Devisenpolitik des Staats zu handeln. Gemäß Art 31 hatte sie für die Erhaltung der Liquidität (der Volkswirtschaft) zu sorgen; sie konnte im Rahmen und auf Rechnung der Föderation Verpflichtungen eingehen (Art 38). Art 42 zufolge gab sie Banknoten und Münzen aus, legte deren Geldeinheiten fest und setzte sie in Umlauf oder außer Verkehr. Sie wickelte für Rechnung der Förderation alle Geschäfte im Zusammenhang mit der Aufnahme und der Rückzahlung von Darlehen der Föderation auch im Ausland ab (Art 74). Die von der Nationalbank erzielten Gewinne wurden im Ausland deponiert (Art 99) und dienten dazu, Zinsen und andere Auslagen für Auslandskredite zu decken (Art 100). Verbleibende Gewinne wurden verschiedenen Fonds zugeführt (Art 101) und verblieben somit nicht in der Verfügungsmacht der Nationalbank.
Die Rechtspersönlichkeit der Nationalbank der SFRJ wurde in Art 91 dahin umschrieben, daß sie die Eigenschaft einer "vergesellschafteten" juristischen Person habe (die im Gegensatz zur juristischen Person des Privatrechts zu sehen ist). Ihre Organe wurden vom Bundesparlament ernannt und waren diesem verantwortlich. Das Parlament genehmigte auch die Satzung der Nationalbank als Organisationsgrundlage (Art 93 und 96). Die Nationalbank übte ihre Tätigkeit stets in politischer Abhängigkeit aus, eine politische Autonomie war zu keinem Zeitpunkt gegeben; sie war vielmehr unmittelbarer politischer Einflußnahme ausgesetzt (Djekovi'c-Sachs aaO 249).
Diese Bestimmungen machen es in ihrer Gesamtheit deutlich, daß das Vermögen der Nationalbank der SFRJ - wenn sie auch als vergesellschaftetes Unternehmen eigene Rechtspersönlichkeit genoß - dem Staatsvermögen der SFRJ zuzurechnen und somit im völkerrechtlichen Sinn "State property" ist, daß im Fall einer "dismembratio" unter den Nachfolgestaaten aufzuteilen ist.
In diesem Sinn rechnen auch Reinisch/Hafner (aaO 62) finanzielle Verpflichtungen, die im allgemeinen Budget eine Zentralstaats oder der Gliedstaaten einer Föderation aufscheinen, als Staatsschulden dem Völkerrechtssubjekt Staat direkt zu. Sie halten es auch für möglich (aaO 26), durch selbständige Rechtssubjekte im Ausland vorgenommene Vermögensveranlagungen als hoheitliches Handeln zu beurteilen, wenn - der sozialistischen Völkerrechtslehre folgend - ein weiter Begriff der hoheitlichen Tätigkeit (der zB auch den gesamten Außenhandel einschließt) unterstellt wird.
Während die Bundesrepublik Jugoslawien die Auffassung vertritt, sie allein sei Nachfolgestaat der SFRJ und mit dieser identisch, beurteilt die Staatengemeinschaft den Zerfall der SFRJ einhellig als "dismembratio" (Zergliederung). Darunter versteht das Völkerrecht die völlige Auflösung des Vorgängerstaats in mehrere Nachfolgestaaten (Reinisch/Hafner aaO 33; Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht8 Rz 1389). Der Auffassung der Staatengemeinschaft wird in nachstehenden Dokumenten Ausdruck verliehen:
1.) Die Resolution des Sicherheitsrats 757 (1992) stellt ausdrücklich fest, daß der Anspruch der Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien und Montenegro), die Mitgliedschaft der früheren SFRJ in den Vereinten Nationen automatisch fortzusetzen, nicht allgemein anerkannt sei.
2.) In der Resolution 777 (1992) vertritt der Sicherheitsrat die Ansicht, die SFRJ habe zu existieren aufgehört, die aus Serbien und Montenegro bestehende Bundesrepublik Jugoslawien könne deren UN-Mitgliedschaft nicht automatisch fortsetzen, sie werde vielmehr an der Generalversammlung der Vereinten Nationen nicht teilnehmen können, sondern müsse erst um die Mitgliedschaft ansuchen.
3.) Einer entsprechenden Anregung des Sicherheitsrats folgend beschloß die Generalversammlung der Vereinten Nationen mit der Resolution vom 22.9.1992, daß die Bundesrepublik Jugoslawien um die Mitgliedschaft ansuchen müsse und an der Tätigkeit der Generalversammlung nicht teilnehmen könne.
4.) Die von den Mitgliedern der Europäischen Gemeinschaft ins Leben gerufene Schiedskommission unter dem Vorsitz von Badinter beschäftigte sich gleichfalls mit der Frage der Staatennachfolge und vertrat in den Punkten 1, 8 und 10 der Zusammenfassung ihres Gutachtens vom 4.7.1992 die Auffassung, die SFRJ sei aufgelöst und habe zu bestehen aufgehört, die Bundesrepublik Jugoslawien sei einer deren Nachfolgestaaten, jedoch keineswegs alleinige Rechtsnachfolgerin.
5.) Auf dieser Grundlage anerkannte Österreich die Bundesrepublik Jugoslawien als einen Nachfolgestaat der SFRJ und als unabhängiges und souveränes Mitglied der Staatengemeinschaft (Schreiben des Bundesministers für auswertige Angelegenheiten der Republik Österreich vom 17.4.1996, das der Bundesrepublik Jugoslawien am 25.4.1996 überreicht wurde [Österreichische außenpolitische Dokumentation Nr. 4/1996, Dokument 39]).
In völkerrechtlicher Hinsicht ist der Zerfall der SFRJ somit als "dismembratio" zu beurteilen. Das Völkerrechtssubjekt SFRJ ist dabei untergegangen; sein Staatsgebiet ist auf fünf von Österreich mittlerweile auch anerkannte Nachfolgestaaten aufgeteilt worden.
Nach Völkergewohnheitsrecht ist Staatsvermögen im Fall einer "dismembratio" nach dem völkerrechtlichen Prinzip der "equity" aufzuteilen (Reinisch/Hafner aaO 41). Art 18 der von der International Law Commission erarbeiteten "Wiener Konvention über die Staatennachfolge in Staatsvermögen, -archive und -schulden 1983" sieht in diesem Fall den Übergang beweglichen Staatsvermögens auf die Nachfolgestaaten in "equitable proportions" vor. Den Nachfolgestaaten kommt somit ein von der Staatengemeinschaft bejahter völkerrechtlicher Aufteilungsanspruch zu.
Die Resolution 1022 der Generalversammlung der Vereinten Nationen, die es den Mitgliedstaaten freistellt, die aufgrund der Resolutionen des Sicherheitsrats 757 und 820 eingefrorenen Guthaben freizugeben, weist in Punkt 6 ausdrücklich darauf hin, daß die Freigabe dieser Guthaben ohne Präjudiz für die Ansprüche der Nachfolgestaaten auf diese Vermögensmassen zu erfolgen habe. Punkt 5 sieht überdies (für die Mitglieder bindend) vor, Vermögensmassen, die unter anderem Gegenstand von Klagen sind, sollten solange eingefroren bleiben, bis über sie in Übereinstimmung mit dem anzuwendenden Recht verfügt werden könne.
Auch die Schiedskommission der EU unter dem Vorsitz von Badinter geht in Punkt 9 der Zusammenfassung ihres Gutachtens davon aus, daß das im Ausland befindliche Staatsvermögen der SFRJ unter den Nachfolgestaaten entsprechend der zwischen diesen noch zu treffenden Vereinbarung in billiger Weise ("equitably") aufgeteilt werden müsse.
Das Erfordernis einer Vereinbarung der Nachfolgestaaten über die Aufteilung ist auch der Deklaration der EU vom 9.4.1996 zu entnehmen.
Ob dieser völkerrechtliche Aufteilungsanspruch der Nachfolgestaaten vor österreichischen Gerichten durch einstweilige Verfügung im Sinne des § 381 Z 1 EO gesichert werden kann, kann deshalb ungeprüft bleiben, weil die privatrechtichen Ansprüche der erst- und der drittklagenden Partei als Teilhaber der an dem von der (ehemaligen) Nationalbank der SFRJ veranlagten Vermögen im Gefolge der "dismembratio" der SFRJ entstandenen Rechtsgemeinschaft jedenfalls sicherbar sind. So ist vor allem die vom Obersten Gerichtshof für den Fall des Erlöschens der Rechtspersönlichkeit einer ausländischen Kapitalgesellschaft bejahte Zufallsgemeinschaft ("communio incidens") (SZ 26/145; SZ 28/1; JBl 1969, 339 [Hoyer]; JBl 1987, 588 [Haidl] = ZfRV 1986, 44 [Seidl-Hohenveldern] ua; Gamerith in Rummel, ABGB**2 § 825 Rz 10) auch auf den hier zur Beurteilung stehenden Sachverhalt anzuwenden.
Durch die Auflösung der SFRJ infolge "dismembratio" ist die Rechtspersönlichkeit dieses Staats und seiner Notenbank erloschen. Das der SFRJ zurechenbare Vermögen ist nach Maßgabe von völkerrechtlichen Verträgen, die zwischen den Nachfolgestaaten erst zu schließen sein werden, unter diesen aufzuteilen. Soweit davon die bei österreichischen Banken angelegten Vermögenswerte betroffen sind, käme eine Ausfolgung des gemeinsamen Vermögens - unter Außerachtlassung der Ansprüche der übrigen Nachfolgestaaten - an bloß einen von ihnen umsomehr einer Anerkennung konfiskatorischer Maßnahmen im Staat des tatsächlichen Hauptverwaltungssitzes gleich, als die Bundesrepublik Jugoslawien auf dem Standpunkt steht, sie sei alleiniger Nachfolgestaat der SFRJ, wenn nicht gar mit dieser überhaupt identisch. Da sich der Vermögensentzug durch Konfiskation wegen order-public-Widrigkeit nicht auf das in Österreich gelegene Vermögen der gemäß § 12 IPRG auch für Österreich als erloschen anzusehenden juristischen Person erstreckt, bildet dieses eine "communio incidens", also eine Anteilsgemeinschaft aller Nachfolgestaaten der SFRJ (vgl zur Frage der Zufallsgemeinschaft Schwimann, Grundriß des IPR 83, und in Rummel aaO § 12 IPRG Rz 8 jeweils mwN). Den Mitgliedern dieser Rechtsgemeinschaft steht demnach der beklagten Partei gegenüber nur ein gemeinsames Forderungsrecht zu, sodaß Verfügungen einzelner von ihnen als rechtswidriger Eingriff in dieses zu beurteilen wären. Jedem einzelnen Mitglied dieser Rechtsgemeinschaft steht deshalb ein nach Privatrecht zu beurteilender Anspruch auf Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Zustands und damit auch ein Anspruch gegen die beklagte Partei auf Unterlassung jeder Verfügung über dieses Vermögen solange zu, bis nicht alle Nachfolgestaaten der SFRJ über diese Vermögensmassen gemeinsam verfügen.
Dieser Anspruch kann durch eine einstweilige Verfügung gemäß § 381 Z 1 iVm § 382 Abs 1 Z 5 EO gesichert werden. Da die Nationalbank der Bundesrepublik Jugoslawien ebensowie diese den Standpunkt einnimmt, sie sei alleinige Rechtsnachfolgerin der Nationalbank der SFRJ und damit allein zu Verfügungen über die Konten der beklagten Partei berechtigt, und da durch die eidesstättige Erklärung vom 11.1.1996 bescheinigt ist, daß sich die Bundesrepublik Jugoslawien bemüht, europaweit an die Vermögenswerte der früheren SFRJ heranzukommen, sowie mit Rücksicht auf den Inhalt des von den klagenden Parteien mit der beklagten Partei geführten Schriftwechsels hat das Rekursgericht zu Recht eine konkrete Gefährdung der Ansprüche der erst- und der drittklagenden Partei als Mitglieder der "communio incidens" angenommen. Die beklagte Partei hat die von den klagenden Parteien angestrebte (weitere) Sperre der Guthaben verweigert und damit Zahlungen an die Bundesrepublik Jugoslawien keineswegs als ausgeschlossen hingestellt, obwohl diese Ansprüche aus den von der ehemaligen Nationalbank der SFRJ mit der beklagten Partei geschlossenen Bankverträgen geltend macht. Soweit diese im Revisionsrekurs ins Treffen führt, die Gefährdung sei schon deshalb ausgeschlossen, weil den Nachfolgestaaten ohnehin Gesamthandforderungen zustünden, sodaß einzelne von ihnen ohne Zustimmung durch die übrigen hierüber nicht wirksam verfügen könnten, übersieht sie, daß den klagenden Parteien unter diesem Gesichtspunkt schon dann kein Schutz mehr zuteil wird, wenn die beklagte Bank die Nationalbank der Bundesrepublik Jugoslawien oder diese selbst als (allein) berechtigte Kontoinhaber ansehe.
Als Mitglieder der "communio incidens" kommen allerdings nur die erst- und die drittklagende Partei als berechtigte Nachfolgestaaten der SFRJ in Betracht. Die klagenden Parteien haben zur Antragslegitimation der zweit- und der viertklagenden Partei zwar vorgebracht, diese seien aufgrund der nationalen Rechtsordnung Kroatiens und Mazedoniens berechtigt, die Forderung gegen die beklagte Partei geltend zu machen, sie haben dieses Vorbringen indessen nicht bescheinigt. Punkt 15 der Zusammenfassung des Gutachtens der Schiedskommission der Europäischen Union unter dem Vorsitz von Badinter ist zur Bescheinigung eines Unterlassungsanspruchs der zweit- und der viertklagenden Partei nicht geeignet: Dieses Gutachten stellt zwar ausdrücklich fest, daß die jeweiligen Nachfolgestaaten zu bestimmen haben, ob die von ihnen zu übernehmenden Rechte und Verpflichtungen vom Staat selbst oder seiner Nationalbank geltend gemacht werden. Ein Bescheinigungsmittel dafür, daß die Nationalbanken Kroatiens und Mazedoniens berechtigt seien, die Rechte an den hinterlegten Vermögenswerten geltend zu machen, haben die klagenden Parteien indessen nicht bezeichnet.
Deshalb ist der Sicherungsantrag, soweit er von der zweit- und der viertklagenden Partei erhoben wurde, in Stattgebung des Revisionsrekurses abzuweisen; im übrigen Umfang ist dagegen dem Rechtsmittel ein Erfolg zu versagen.
Der Ausspruch über die Kosten der erst- und der drittklagenden Parteien beruht auf § 393 Abs 1 EO, jener über die Kosten der beklagten Partei auf § 78 und § 402 Abs 4 EO iVm § 43, § 50 und § 52 Abs 1 ZPO. Die erst- und die drittklagende Partei haben zur Gänze obsiegt, die zweit- und die viertklagende Partei sind dagegen zur Gänze unterlegen. Die beklagte Partei hat im Rechtsmittelverfahren gegen die zweit- und die viertklagende Partei obsiegt und ist der erst- und der drittklagenden Partei unterlegen, sodaß ihr gegen die ersteren ein Anspruch auf Ersatz der halben Kosten des Rechtsmittelverfahrens zusteht. Der beklagten Partei unterlief bei Summierung ihrer Rekurskosten ein geringfügiger Additionsfehler.
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