OGH 4Ob2356/96s

OGH4Ob2356/96s28.1.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek und Dr.Niederreiter und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hubert H*****, vertreten durch Dr.Herbert Gschöpf, Rechtsanwalt in Velden, wider die beklagte Partei Bergbahnen S***** GmbH & Co KG, S*****, vertreten durch Dr.Peter Sparer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 461.749,88 sA und Feststellung (Gesamtstreitwert S 471.749,88), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 29.August 1996, GZ 2 R 123/96x-62, mit dem das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 21.Februar 1996, GZ 41 Cg 1161/92i-52, teilweise aufgehoben wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 6.086,40 (darin S 1.014,40 USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 13.1.1991 kam der Kläger auf der zum Schigebiet der Beklagten gehörigen Aualmpiste zu Sturz und wurde schwer verletzt. Das Gelände wird im Unfallsbereich durch einen in Hangfallinie verlaufenden Erosionsgraben unterbrochen, der aufgrund seiner Lage inmitten der Piste und der damals gegebenen geringen Schneelage als atypische Gefahrenquelle von der Beklagten hätte abgesichert werden müssen.

Hätte der Kläger allerdings seine Fahrgeschwindigkeit und Fahrweise den gegebenen Verhältnissen angepaßt (es herrschte Nebel und Schneefall) wäre es ihm möglich gewesen, den Graben rechtzeitig zu erkennen und unfallverhütend zu reagieren.

Der Kläger erlitt durch den Unfall eine dorso-kraniale Hüftgelenksfraktur links mit Quetschung des Ischiasnervs, Rippenfrakturen und Prellungen des Brustkorps und der linken Hand. Nach einem mehrere Wochen dauernden stationären Krankenhausaufenthalt wurde er bis Ende 1991 physikotherapeutisch betreut. Es verblieben eine Restlähmung des Ischiasnervs links mit kleinem peripheren Ausfall der Motorik, ein Sensibilitätsausfall im Beinbereich und eine Schwäche im Adduktoren-Bereich. Der Kläger ist sowohl bei belastenden Tätigkeiten wie auch bei sportlicher Betätigung beeinträchtigt. Die Invalidität bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt, aber auch auf gemischte Tätigkeiten eines Meisters im Betrieb - der Kläger ist selbständiger Elektrounternehmer - beträgt 30 %. Spätfolgen können nicht ausgeschlossen werden.

Der Kläger begehrte zunächst Schmerzengeld (S 250.000,--) und Verdienstentgang (S 92.664,--). Er sei als selbständiger Elektromeister tätig. Die verletzungsbedingte Arbeitsunfähigkeit habe er durch erhöhte Personalkosten nur zum Teil wettmachen können. Gleichzeitig stellte er den Feststellungsantrag, wonach die Beklagte auch für alle künftigen Schäden aus dem Schiunfall zur Gänze hafte und brachte hiezu vor, Dauerschäden seien nicht ausgeschlossen. Er habe somit ein rechtliches Interesse an dieser Feststellung. Das Feststellungsbegehren bewertete der Kläger mit S 15.000,--.

Nach Ausdehnung der Schmerzengeldforderung auf S 460.000,-- und darauffolgender Einschränkung des Klagebegehrens zufolge eines vom Kläger zugestandenen Mitverschuldens von einem Drittel dehnte der Kläger sein Leistungsbegehren schließlich mit Schriftsatz vom 8.11.1995 um S 93.307,21 aus. Er habe in den Jahren 1991 und 1992 ein neues Wohnhaus errichtet. Aufgrund seiner Fähigkeiten wäre er im Stand gewesen, den gesamten Innenausbau selbst zu machen, die unfallskausalen Verletzungen hätten ihn jedoch daran gehindert. Er habe daher Fremdleistungen in Höhe von (ungekürzt) DM 19.574,94 in Anspruch nehmen müssen. Die Arbeiten am Haus seien erst November/Anfang Dezember 1992 fertiggestellt worden. Die Höhe des ihm daraus entstandenen Schadens habe sich frühestens am 31.12.1992, dem Zeitpunkt der Rechnungslegung durch die Professionisten, ergeben.

Die Beklagte bestritt ihre Verpflichtung, die Geländefurche abzusichern, der Unfall sei auf das Alleinverschulden des Klägers zurückzuführen. Das geltend gemachte Schmerzengeld sei überhöht, ein Verdienstentgang dem Kläger nie entstanden, die Forderung betreffend Mehrkosten von Professionisten bei Errichtung des Hauses verjährt.

Das Erstgericht ging von einem gleichteiligen Verschulden der Streitteile aus. Die Beklagte habe ihre Verpflichtung zur Absicherung der Piste vor atypischen Gefahren - um eine solche handle es sich beim gegenständlichen Graben - verletzt. Der Kläger habe gegen das Verbot des Fahrens auf Sicht verstoßen. Für die vom Kläger erlittenen Verletzungen sei ein Schmerzengeld in Höhe von (ungekürzt) S 325.000,-- angemessen. Das Erstgericht sprach 50 % des berechtigten Schmerzengeldes und des als Mehraufwand für die Beschäftigung von Professionisten beim Hausbau geltend gemachten Betrages, insgesamt S 232.480,41 sA zu. Es stellte fest, daß die Beklagte dem Kläger zur Hälfte für alle künftigen Schäden aus dem gegenständlichen Unfall hafte. Die auf den Mitverschuldensanteil des Klägers anfallenden Teilbeträge und den eingeklagten Verdienstentgang wies das Erstgericht ab.

Das Erstgericht stellte, soweit für den Rekurs noch von Bedeutung, ergänzend fest, der Kläger habe in den Jahren 1991 und 1992 ein neues Wohnhaus errichtet. Der Bau sei 1991 begonnen, der Rohbau Ende Oktober 1991 fertiggestellt worden. Mit den Innenausbauarbeiten sei noch im Herbst 1991 begonnen und die Arbeiten seien im Frühjahr 1992 weitergeführt worden. Der Kläger sei im August 1992 eingezogen. Im Zusammenhang mit den Innenausbauarbeiten dieses Hauses seien Kosten in Höhe von DM 19.574,94 aus der Tätigkeit nachstehender Professionisten entstanden:

1.) Firma Fruhstorfer DM 14.250,--. Der Kläger habe die Firma Fruhstorfer mit der Durchführung der Heizung und Sanitärinstallation frühestens im Herbst 1991 betraut, ein Kostenvorschuß sei nicht eingeholt, die Arbeiten seien in Regie geleistet worden. Die Endabrechnung sei in vier Teilrechnungen datiert vom 31.12.1992 erfolgt und habe Tätigkeiten im Zuge der Erstellung des Rohbaues wie auch die nachfolgende Heizungs- und Sanitärinstallation umfaßt. Der Kläger hätte die von Fruhstorfer durchgeführten Tätigkeiten, mit Ausnahme des Brenneranschlusses bei der Heizanlage, selbst durchführen können.

2.) Firma Arnold Mietservice DM 2.474,94 für Leistungen im Zusammenhang mit Pflasterarbeiten. Die Bautätigkeit sei mit den Terrassen- und Gartengestaltungsarbeiten im Herbst 1992 abgeschlossen worden. Der Kläger hätte auch diese Arbeiten selbst durchführen können.

3.) Im Frühjahr 1992 seien in den im Haus des Klägers befindlichen Mietwohnungen wie auch in der eigenen Wohnung des Klägers Kosten durch das Aufstellen von Rigipswänden in Höhe von DM 2.850,-- entstanden. Die Arbeiten seien im Frühjahr 1992 durchgeführt worden.

In seiner Berufung begehrte der Kläger die Abänderung der erstgerichtlichen Entscheidung und den Zuspruch von Schmerzengeld und Mehraufwand für Bautätigkeit im Ausmaß von zwei Dritteln.

Die Berufung der Beklagten strebte die vollständige Klagsabweisung an.

Das Berufungsgericht gab beiden Berufungen teilweise Folge. Es ging von einer Verschuldensteilung 1:2 zugunsten des Klägers aus und sprach mit Teilurteil Schmerzengeld in Höhe von S 216.666,67 sA zu (das sind zwei Drittel des berechtigten, ungekürzten Schmerzengeldanspruches von S 325.000,--). Es stellte fest, daß die Beklagte dem Kläger für alle künftigen Schäden aus dem Schiunfall vom 13.1.1991 zu zwei Dritteln haftet. Im Umfang des Zuspruches eines Teilbetrages von S 69.980,41 sowie der Abweisung eines Teilbetrages von S 23.326,80 (beide betreffen den Mehraufwand für Professionistenleistungen) hob das Berufungsgericht das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtsache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Die Verjährungsfrist könne nicht vor Schadenseintritt beginnen. Der Schade sei mit Eintritt der Fälligkeit des den Professionisten zustehenden Entgelts eingetreten. Das Erstgericht habe daher ergänzend zu ermitteln, wann die einzelnen Rechnungen fällig geworden seien, bzw, sollte der Kläger vor Fälligkeit bezahlt haben, wann er die Zahlungen geleistet hat.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision gegen den bestätigenden und abändernden Teil der Entscheidung (das Teilurteil) nicht zulässig sei. Gegen den aufhebenden Teil der Entscheidung sei hingegen der Rekurs an den Obersten Gerichtshof deshalb zulässig, weil zur hier entscheidenden Frage, ob die Verjährungsfrist mit konkretem Eintritt des Schadens im Vermögen des Geschädigten beginnt oder bereits zu dem Zeitpunkt, zu dem für den Geschädigten mit Sicherheit vorhersehbar ist, daß in seinem Vermögen ein Schaden eintreten werde, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege.

Das Teilurteil blieb unangefochten.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Beklagten richtet sich gegen den Aufhebungsbeschluß. Die Beklagte macht Verjährung des Teilanspruches auf Mehraufwand für Professionistenleistungen beim Hausbau geltend. Sämtliche der dieser Forderung zugrunde liegenden Arbeiten seien lange vor dem 8.11.1992, dem Tag der Verfassung der gegenständlichen Klage, abgeschlossen worden und dem Kläger schon im Zeitpunkt der Auftragsvergabe (1991 spätestens Frühjahr 1992) bekannt gewesen. Er habe somit auch Kenntnis des konkret eingetretenen Schadens gehabt, dessen Höhe er angesichts der schon vor Klagseinbringung abgeschlossenen Arbeiten auch ohne Schlußrechnungslegung leicht hätte ermitteln können.

Der Rekurs der Beklagten ist zulässig aber nicht berechtigt.

Der erkennende Senat hat jüngst unter Hinweis auf die Entscheidung

eines verstärkten Senates (1 Ob 621/95 = JBl 1996, 311 [Apathy] =

EvBl 1996/11 = ecolex 1996, 91 [Wilhelm] = RdW 1996, 11), die davor

ergangene Entscheidung 1 Ob 41, 42/94 = JBl 1996, 315 und die zu

Verjährungsfragen jüngst veröffentlichten Lehrmeinungen Apathy (Anmerkung zum verstärkten Senat JBl 1996, 311; Riedler, ecolex 1996, 87 ff und Anmerkung zur Entscheidung JBl 1996, 315 [320 f]; Wilhelm zum verstärkten Senat in ecolex 1996, 92 f und F Bydlinski, FS Steffen 72 ff), ausgesprochen, daß auch für die bei Kenntnis des eingetretenen Erstschadens vorhersehbaren späteren Folgeschäden die Verjährung ab Kenntnis des eingetretenen Erstschadens läuft. Dies gelte jedenfalls dann, wenn der Verletzte sich durch die Erhebung einer Leistungsklage um den Ersatz des Erstschadens bemüht (4 Ob 2197/96h = ecolex 1996, 907).

Der Wortlaut des § 1489 ABGB, der nur von "dem Schaden" spricht, regelt den Fall der zeitlich gedehnt entstehenden Teilschäden nicht klar und deutlich. Für die Frage, ob sich die Frist für die Verjährung des Anspruches auf Ersatz eines eingetretenen Schadens auch auf die bei dessen Kenntnis gut voraussehbaren weiteren Schäden erstreckt, oder ob man jeden zeitlich getrennt entstehenden Teilschaden verjährungsrechtlich als selbständigen Schaden behandelt, ist entscheidend, welcher dieser mit dem Wortlaut des § 1489 ABGB jeweils vereinbaren Lösungen den allgemeinen Zielsetzungen des Verjährungsrechts besser entspricht. Unter Berücksichtigung des Zwecks des Verjährungsrechts, Vermeidung größer werdender Beweisschwierigkeiten und der damit verbundenen Mehrbelastungen für Gerichte und Parteien, ist bei objektiv-teleologischer Interpretation des Gesetzes der Auffassung der Vorzug zu geben, daß jedenfalls dann, wenn der Geschädigte zu einer Leistungsklage genötigt ist, er gleichzeitig auch alle vorhersehbarer künftigen Schäden mit Feststellungsklage geltend machen muß (4 Ob 2197/96h = ecolex 1996, 907).

Diese auch in 1 Ob 1004/96 und 2 Ob 2019/96t vertretene Ansicht wird aufrecht erhalten.

Dem Kläger war im Zeitpunkt seiner Klagseinbringung (13.10.1992) unzweifelhaft bekannt, daß er aus dem erforderlichen Einsatz von Professionisten zur Fertigstellung seines Hauses einen - wenngleich der Höhe nach noch nicht exakt bezifferbaren - Schaden erleidet, wurden doch die entsprechenden Arbeiten bereits 1991 begonnen und spätestens November bzw Dezember 1992 fertiggestellt. Es war ihm daher im Sinne der zitierten Judikatur zumutbar, anläßlich der Geltendmachung seines Schmerzengeldanspruches auch eine Feststellungsklage hinsichtlich der zu diesem Zeitpunkt bereits vorhersehbaren Folgeschäden an Mehraufwand zur Vermeidung ihrer Verjährung zu erheben.

Nach diesen Grundsätzen wäre der am 8.11.1995 erhobene Anspruch auf Ersatz des Mehraufwandes für Professionistenleistungen verjährt, hätte der Kläger nicht anläßlich der Klagseinbringung (13.10.1992) auch ein Feststellungsbgeheren erhoben, wonach die Beklagte auch für alle künftigen Schäden aus dem Schiunfall vom 13.1.1991 in S***** hafte. Dieses Feststellungsbegehren umfaßt auch den Folgeschaden durch Einsatz von Professionisten. Eine Verjährung ist insoweit nicht eingetreten, als das Leistungsbegehren noch innerhalb von drei Jahren ab dem tatsächlichen Eintritt des Schadens erhoben wurde.

Den bisherigen Verfahrensergebnissen ist allerdings nicht zu entnehmen, zu welchem Zeitpunkt der Schade im Vermögen des Klägers eingetreten ist, sodaß es der vom Berufungsgericht aufgetragenen Verfahrensergänzung bedarf.

Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren festzustellen haben, zu welchen Zeitpunkten die einzelnen Professionistenrechnungen vereinbarungsgemäß fällig wurden, und - sollte der Kläger aufgrund von Vereinbarungen mit seinen Auftragnehmer Teile des Entgelts vor Fälligkeit bezahlt haben - wann diese Zahlungen erfolgten.

Dem Rekurs der Beklagten war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO.

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