OGH 11Os173/96 (11Os174/96)

OGH11Os173/96 (11Os174/96)14.1.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 14.Jänner 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ebner, Dr.Schmucker, Dr.Habl und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Huber als Schriftführerin, in der Medienrechtssache des Antragstellers Gerhard Sm***** gegen den Antragsgegner St***** wegen Anträgen nach §§ 7 a, 7 b und 8 a Abs 5 und 6 MedienG, AZ 17 E Vr 2027/95 des Landesgerichtes Klagenfurt, über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Beschlüsse des Landesgerichtes Klagenfurt vom 4.Jänner 1996, GZ 17 E Vr 2027/95-4, und des Oberlandesgerichtes Graz vom 29.Februar 1996, AZ 11 Bs 49/96, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Tiegs, jedoch in Abwesenheit des Antragstellers, des Antragstellervertreters und des Antragsgegners zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Beschlüsse des Landesgerichtes Klagenfurt vom 4.Jänner 1996, GZ 17 E Vr 2027/95-4, und des Oberlandesgerichtes Graz als Beschwerdegericht vom 29.Februar 1996, AZ 11 Bs 49/96 (= ON 7 des Vr-Aktes), verletzen - ersterer insoweit der Anspruch des Antragstellers Gerhard Sm***** auf Anordnung der Veröffentlichung von Mitteilungen über das eingeleitete Verfahren nach dem MedienG teilweise abgelehnt wurde - das Gesetz in der Bestimmung des § 7 a Abs 1 Z 2 MedienG.

Text

Gründe:

In der Ausgabe der "Kleinen Zeitung" vom 31.Oktober 1995 erschien auf Seite 16 ein Artikel mit der Überschrift "Lehrerin geschlagen? Der Direktor 'weiß von nichts'", in dem über die Anzeige und die Ermittlungen gegen den Direktor der Volksschule Dölsach (Osttirol) Gerhard Sm*****, wegen Körperverletzung einer ihm unterstellten Lehrerin berichtet und dabei der volle Name des Schulleiters genannt wurde.

Am 1.November 1995 wurde in der genannten Zeitung auf Seite 12 ein mit der Überschrift "In der Volksschule Dölsach: Übergriffe auch auf Schüler" und mit einer Fotografie der Volksschule und des Schulleiters versehener (weiterer) Artikel veröffentlicht, in dem - wieder mit namentlicher Nennung des Volksschuldirektors - von gegen diesen laufenden Gendarmerieerhebungen wegen Nötigung und Körperverletzung einer Lehrerin sowie ua darüber berichtet wurde, daß "Sm***** auch Schüler seit Jahren nicht ungeschoren ließ" und "das gesamte Dorf unter dem Psychoterror und den Mißhandlungen des Schuldirektors leidet".

Den von Gerhard Sm***** gegen den Medieninhaber St***** am 12. Dezember 1995 eingebrachten Anträgen auf Leistung eines angemessenen Entschädigungsbetrages, auf Urteilsveröffentlichung und auf Anordnung einer Mitteilung über das eingeleitete Verfahren (wegen Verletzung des Identitätsschutzes nach § 7 a MedienG durch beide Artikel und wegen Verstoßes auch gegen die Unschuldsvermutung iSd § 7 b MedienG durch den zweiten Artikel) gab das Landesgericht Klagenfurt mit dem Beschluß vom 4.Jänner 1996, GZ 17 E Vr 2027/95-4, nur insofern Folge, als es gemäß § 8 a Abs 5 MedienG die Veröffentlichung der Mitteilung darüber anordnete, daß der Antragsteller in dem am 1. November 1995 erschienenen Artikel eine Verletzung der für ihn geltenden Unschuldsvermutung erblicke und hierüber ein strafgerichtliches Verfahren nach dem MedienG anhängig sei. Das Begehren auf Anordnung der Veröffentlichung weiterer Mitteilungen über das eingeleitete Verfahren wurde abgewiesen.

Den abweisenden Teil seiner Entscheidung begründete das Erstgericht damit, daß (zwar in beiden Fällen schutzwürdige Interessen des Antragstellers verletzt wurden, aber) wegen des aufgrund seiner Stellung als Direktor einer öffentlichen Schule vorliegenden Zusammenhanges mit dem öffentlichen Leben ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Bekanntgabe der Identität des Betroffenen bestehe. Bei Fällen mit Öffentlichkeitsbezug, insbesondere zur öffentlichen Verwaltung, sei eine "freie (auch identifizierende)" Berichterstattung die Regel, wovon nach den Intentionen des Gesetzgebers nur in besonderen Fällen abgegangen werden könne.

Der dagegen erhobenen Beschwerde des Gerhard Sm***** gab das Oberlandesgericht Graz mit Beschluß vom 29.Februar 1996, AZ 11 Bs 49/96 (= ON 7 des Vr-Aktes), nicht Folge.

Das Beschwerdegericht war zwar gleichfalls der Ansicht, daß durch die Namensnennung und die Bildnisveröffentlichung bei der Berichterstattung schutzwürdige Interessen des (lediglich) eines Vergehens verdächtigen Antragstellers verletzt wurden, und bejahte die Eignung der Veröffentlichung, daß dadurch einem nicht unmittelbar informierten größeren Personenkreis die Identität des Antragstellers bekannt werden könne. Es teilte aber die Ansicht des Erstgerichtes, daß wegen des sonstigen Zusammenhanges mit dem öffentlichen Leben ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung dieser Angaben bestanden habe. Das Oberlandesgericht begründete dies (gleichfalls) mit der Stellung des Betroffenen als Leiter einer öffentlichen Schule, der strafrechtlichen Relevanz von Mißständen in einer öffentlichen Einrichtung und damit, daß es vor allem um die Information der Öffentlichkeit über Körperverletzungen und Mißhandlungen seitens eines Schulleiters und die (allfälligen) Reaktionen der öffentlichen Verwaltung auf solche Vorwürfe gehe.

Mit dem am 31.Mai 1996 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz (ON 8) zog der Antragsteller "die medienrechtlichen Anträge auf Grund außergerichtlicher Vereinbarung" zurück.

Rechtliche Beurteilung

Die Entscheidungen des Landesgerichtes Klagenfurt und das Oberlandesgerichtes Graz stehen - wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt - mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Beide Gerichte übersehen, daß bei der Preisgabe der Identität der im § 7 a Abs 1 (hier Z 2) MedienG genannten Personen (abgesehen von Kapitalverbrechen; vgl Hager/ Walenta Persönlichkeitsschutz im Straf- und Medienrecht3 S 53) ein strenger Maßstab anzulegen, bei Abwägung der Interessen der Betroffenen und dem (behaupteten) Veröffentlichungsinteresse jedoch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten ist; auch ein Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit an der Identität bzw am Bildnis eines Betroffenen darf jedenfalls nur insoweit berücksichtigt werden, als dies unbedingt notwendig ist (vgl MR 1994, 194; 1995, 226).

Nach Lage des Falls wurden durch die Namensnennung schutzwürdige Interessen des Antragstellers verletzt, weil der Vorfall von Disziplinarmaßnahmen bis zum Verlust des Arbeitsplatzes führen kann; demgegenüber tritt das Interesse der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung des Namens des Antragstellers in den Hintergrund, zumal dieser keineswegs im Blickpunkt des öffentlichen Lebens steht. Es überwiegt daher das Interesse des Antragstellers an der Wahrung seiner Anonymität dem Interesse der Öffentlichkeit an seiner Identität, zumal der Antragsteller weder eine relative, noch eine absolute Person der Zeitgeschichte iS von Hager/Walenta, aaO, S 52 ist.

Im übrigen waren auch die Handlungen, deren er verdächtigt wurde, als (bloße) Vergehen nicht dermaßen gravierend, daß die Veröffentlichung des Namens bzw des Bildnisses allein mit einer besonderen Informations- bzw Warnfunktion gerechtfertigt werden könnte (vgl auch MR 1996, 32). Vielmehr hätte - unbeschadet der vom Oberlandesgericht Graz mit Recht hervorgehobenen besonderen Sensibilität des Themas körperlicher Züchtigung - ein Bericht über Mißstände in der Schulverwaltung bzw über hiezu erfolgte Reaktionen der Behörden den gleichen sachlichen Informationswert für die Bevölkerung gehabt, wenn weder das Bildnis des Betroffenen noch dessen Name veröffentlicht worden wären.

Aus den angeführten Erwägungen war die von der Generalprokuratur aufgezeigte Gesetzesverletzung festzustellen und wie im Spruch zu erkennen.

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