OGH 4Ob2397/96w

OGH4Ob2397/96w14.1.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek und Dr.Niederreiter sowie durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Peter Posch, Rechtsanwalt, Wels, Eisenhowerstraße 40, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der G*****gesellschaft mbH, ***** wider die beklagte Partei G*****- & T***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Puttinger, Vogl & Partner, Rechtsanwälte in Ried im Innkreis, infolge von Rekursen der Beklagten und der G*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Michael Metzler, Rechtsanwalt in Linz, gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 12. November 1996, GZ 1 R 248/96p-13, mit dem der Beschluß des Landesgerichtes Wels vom 7.Oktober 1996, GZ 4 Cg 147/96a-10, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

1. Die Rekursbeantwortung der Gemeinschuldnerin wird zurückgewiesen.

2. Dem Rekurs der Gemeinschuldnerin wird nicht Folge gegeben; dem Rekurs der Beklagten wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die Gemeinschuldnerin ist schuldig, der Beklagten die mit S 13.725,-- bestimmten Rekurskosten (darin S 2.287,50 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger verkaufte als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der G*****gesellschaft mbH die Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** N***** mit Kaufvertrag vom 2.2.1995 der Beklagten. Die Gläubigerversammlung genehmigte den Kaufvertrag; der Vertrag wurde grundbücherlich durchgeführt. Über Rekurs der Gemeinschuldnerin untersagte das Oberlandesgericht Linz mit Beschluß vom 26.4.1996, GZ 2 R 18/96x, nachträglich die Durchführung des Kaufvertrages. Der Oberste Gerichtshof wies die außerordentlichen Revisionsrekurse des Masseverwalters und von Mitgliedern des Gläubigerausschusses mit Beschluß vom 11.7.1996, GZ 8 Ob 2116/96a, zurück.

Der Kläger begehrt, die grundbücherliche Eintragung, wonach die Beklagte Eigentümerin der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** N***** ist, für unwirksam zu erklären und im Grundbuch zu löschen, dies mit der Maßgabe, daß die Klägerin im Eigentumsblatt der EZ **** Grundbuch ***** N*****, Bezirksgericht H*****, neuerlich aufscheint.

Der Kaufvertrag sei aufschiebend bedingt durch die konkursbehördliche Genehmigung abgeschlossen worden. Da die Durchführung des Kaufvertrages rechtskräftig untersagt worden sei, habe die Beklagte das Eigentum rückzuübertragen. Das inzwischen weiterverkaufte Grundstück habe sie dem Kläger zu verschaffen.

Die Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen.

Ihr Eigentum sei aufgrund einer Bestätigung des Konkursgerichtes einverleibt worden, daß die Eintragung erfolgen könne. Die Beklagte habe daher gutgläubig Eigentum erworben; der Kläger könne die Löschung nicht begehren. Die Rückabwicklung sei auch unmöglich, weil die Beklagte einen Teil der Liegenschaft bereits weiterverkauft habe.

Die Gemeinschuldnerin erklärte, dem Verfahren auf Seiten des Klägers als Nebenintervenientin beitreten zu wollen. Sie habe ein rechtliches Interesse am Obsiegen des Masseverwalters, weil die Rückabwicklung auch die Zeit nach der Konkursaufhebung betreffe. Zwischen Masseverwalter und Gemeinschuldner bestehe keine Parteienidentität.

Die Beklagte beantragt, die Nebenintervention zurückzuweisen. Die Gemeinschuldnerin sei weder prozeßfähig noch verfügungsfähig. Ihr rechtliches Interesse am Obsiegen nehme der Masseverwalter wahr.

Das Erstgericht wies die Nebenintervention der Gemeinschuldnerin zurück.

Der Nebenintervenient könne nur einem Rechtsstreit zwischen anderen Personen beitreten. Es sei ausgeschlossen, einem Rechtsstreit beizutreten, den ein anderer als Vertreter des Nebenintervenienten führe. Der Masseverwalter wahre die gemeinsamen Interessen aller Beteiligten.

Das Rekursgericht hob den Beschluß des Erstgerichtes auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Der Gemeinschuldner behalte zwar die Sachlegitimation, er sei aber nicht verfügungsberechtigt. Daraus folge, daß der Prozeß "zwischen anderen Personen" geführt werde. Der Gemeinschuldner sei daher grundsätzlich berechtigt, einem vom Masseverwalter geführten Rechtsstreit auf dessen Seite beizutreten. Das Interesse des Gemeinschuldners werde im allgemeinen durch den Masseverwalter wahrgenommen. Der Gemeinschuldner müsse daher sein rechtliches Interesse gesondert darlegen. Die Gemeinschuldnerin habe behauptet, die Rückabwicklung des Kaufvertrages betreffe auch den Zeitraum nach der Konkursaufhebung. Das sei an sich schwer vorstellbar und könne nur dann zum Tragen kommen, wenn die Liegenschaft nicht im Konkurs verwertet werde. Werde die Liegenschaft für die Gläubigerbefriedigung benötigt, so würden die Interessen der Gemeinschuldnerin durch den Masseverwalter gewahrt. Eine Aufhebung des Konkurses vor Verwertung der Liegenschaft sei nicht denkbar. Das Erstgericht werde der Gemeinschuldnerin Gelegenheit zu geben haben, ihr Interesse näher darzulegen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diese Entscheidung richten sich die Rekurse der Beklagten und der Gemeinschuldnerin. Der Rekurs der Beklagten ist berechtigt; jener der Gemeinschuldnerin ist nicht berechtigt. Die Rekursbeantwortung der Gemeinschuldnerin war zurückzuweisen, weil kein Ausnahmefall des § 521a ZPO vorliegt und das Rekursverfahren daher einseitig ist.

Die Beklagte ist der Auffassung, daß die Gemeinschuldnerin nicht Nebenintervenientin sein könne, weil sie nicht prozeßfähig und nicht verfügungsberechtigt sei. Die Gemeinschuldnerin sei Partei des Verfahrens; als Partei könne sie nicht ihr eigener Nebenintervenient sein. Ihr rechtliches Interesse sei gar nicht zu prüfen; jedenfalls sei es aber allein Sache der Nebenintervenientin, ihr rechtliches Interesse nachvollziehbar zu behaupten.

Die Gemeinschuldnerin behauptet, zwischen dem Masseverwalter und ihr bestehe eine Interessenkollision. Der Masseverwalter habe den Kaufvertrag trotz ihrer begründeten Bedenken abgeschlossen. Der Prozeßausgang beeinflusse auch die Rechte, die ihr gegen Organe des Konkursverfahrens zuständen. Es sei auch durchaus denkbar, daß die Liegenschaften aus dem Konkursverfahren ausgeschieden werden. Im Konkursverfahren sei rechtskräftig anerkannt worden, daß die Gemeinschuldnerin eigenständige rechtliche und wirtschaftliche Interessen an derartigen elementaren Bestandteilen der Konkursmasse habe. Dies müsse zur Zulassung der Nebenintervention führen.

Gemäß § 17 Abs 1 ZPO kann einer Partei im Rechtsstreit beitreten, wer ein rechtliches Interesse daran hat, daß in einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit diese Partei obsiegt. Nebenintervention ist demnach der Beitritt eines Dritten in einem zwischen anderen Personen anhängigen Prozeß zur Unterstützung einer Partei, an deren Obsiegen er ein rechtliches Interesse hat (Fucik in Rechberger, ZPO § 17 Rz 1).

Die Nebenintervention setzt voraus, daß der Nebenintervenient partei- und prozeßfähig ist und daß zwischen anderen Personen ein Rechtsstreit anhängig ist. Rechtliches Interesse ist gegeben, wenn die Entscheidung unmittelbar oder mittelbar auf die privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Interessen des Nebenintervenienten günstig oder ungünstig einwirkt (Fucik aaO § 17 Rz 2 ff mwN).

Der Gemeinschuldner verliert mit der Konkurseröffnung die Verfügungsbefugnis über sein der Exekution unterworfenes Vermögen (§ 1 Abs 1 KO). Gegen den Gemeinschuldner können daher nach der Konkurseröffnung in bezug auf das zur Konkursmasse gehörige Vermögen keine Rechtsstreitigkeiten mehr anhängig gemacht oder fortgesetzt werden; anhängige Rechtsstreitigkeiten werden durch die Konkurseröffnung unterbrochen (§§ 6, 7 KO).

Der Gemeinschuldner bleibt parteifähig, er behält die Sachlegitimation und er bleibt auch prozeßfähig, nur über die Masse kann er nicht verfügen, weil seine Rechtshandlungen insoweit den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam sind (Bartsch/Pollak, Konkursordnung I Anm 6 zu § 6 KO). Aus dem Auseinanderfallen von Sachlegitimation und Prozeßführungsbefugnis schließt die neuere Lehre, daß der Prozeß "zwischen anderen Personen" geführt wird und der Sachlegitimierte dem Rechtsstreit auf Seiten seines Vertreters als Nebenintervenient beitreten kann (Deixler-Hübner, Die Nebenintervention im Zivilprozeß 33 f). Deixler-Hübner (aaO) verweist auf die Zulässigkeit der Nebenintervention in den Fällen des § 234 ZPO und § 310 Abs 1 EO. In beiden Fällen kann der Sachlegitimierte (§ 234 ZPO: Rechtsnachfolger [Rechberger in Rechberger, ZPO § 234 Rz 4 mwN]; § 310 Abs 1 EO:Verpflichteter) auf Seiten des Verfügungsbefugten (§ 234 ZPO: Rechtsvorgänger; § 310 Abs 1 EO:

betreibender Gläubiger) dem Rechtsstreit als Nebenintervenient beitreten. Auch der Gemeinschuldner ist sachlegitimiert; der Masseverwalter ist verfügungsbefugt. Ob der Masseverwalter die Prozesse kraft Amtes, als Organ oder als gesetzlicher Vertreter führt (zum Theorienstreit s Fasching, Lehrbuch**2 Rz 340 f mwN; s auch Hess, Kommentar zur Konkursordnung5 § 6 dKO Rz 13 ff mwN), spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Der Gemeinschuldner ist nicht Partei (Fasching aaO; anders noch AnwZ 1935, 466, wonach der Gemeinschuldner auf Seiten des Masseverwalters nicht als Nebenintervenient beitreten könne, weil er Partei bleibe); daß der Nebenintervenient nur einem Verfahren zwischen anderen Personen beitreten kann, vermag die Nebenintervention des Gemeinschuldners auf Seiten des Masseverwalters daher nicht zu hindern (aM Fasching II 211, wonach es ausgeschlossen sei, daß der Vertretene auf Seiten seines Vertreters oder Bevollmächtigten als Nebenintervenient beitrete; s aber ders., Lehrbuch**2 Rz 396, wonach der gesetzliche Vertreter einem Rechtsstreit des von ihm Vertretenen kraft eigenen rechtlichen Interesses beitreten könne; vgl auch König, Die Anfechtung der Konkursordnung**2, Rz 439, wonach - ohne nähere Begründung - der Gemeinschuldner sich dem Anfechtungsprozeß nicht auf Seite der Konkursmasse oder des Masseverwalters als Nebenintervenient anschließen könne; JBl 1991, 659).

Auch nach der in Deutschland herrschenden Auffassung kann der Gemeinschuldner Rechtsstreitigkeiten auf Seiten des Konkursverwalters als Nebenintervenient beitreten (Kuhn/Uhlenbruck, Konkursordnung11 § 6 Rz 11; Hess aaO § 6 Rz 10; Jaeger, Konkursordnung8 § 6 Rz 18). Der Beitritt setzt aber voraus, daß der Gemeinschuldner ein eigenes rechtliches Interesse am Obsiegen des Konkursverwalters hat (Kuhn/Uhlenbruck aaO; s auch Jaeger aaO).

Zu prüfen ist daher, ob der Gemeinschuldner ein eigenes rechtliches Interesse am Obsiegen des Masseverwalters in einem Verfahren hat, in dem der Masseverwalter die Rückabwicklung eines Kaufvertrages anstrebt, den er über Massevermögen abgeschlossen hat. Im vorliegenden Fall will der Masseverwalter erreichen, daß die verkaufte Liegenschaft rückübereignet wird. Nur darüber wird das Verfahren geführt; ob die Liegenschaft in der Folge verwertet oder allenfalls ausgeschieden wird, ist für das vorliegende Verfahren ohne Bedeutung. Soweit aber die Rückübereignung der Liegenschaft angestrebt wird, decken sich die Interessen des Masseverwalters und die der Gemeinschuldnerin zur Gänze. Da die Gemeinschuldnerin insoweit nicht verfügungsbefugt ist, bleibt für ein eigenes rechtliches Interesse der Gemeinschuldnerin kein Raum (s Petschek/Reimer/Schiemer, Das österreichische Insolvenzrecht 414; vgl aber Deixler/Hübner, die ein rechtliches Interesse des Gemeinschuldners ganz allgemein bejaht, dabei aber außer acht läßt, daß der Gemeinschuldner seine Verfügungsbefugnis verliert und der Masseverwalter [auch] die Interessen des Gemeinschuldners zu wahren hat).

Der Masseverwalter ist nach § 81 Abs 2 KO verpflichtet, gegenüber den Sonderinteressen einzelner Beteiligter die gemeinsamen Interessen zu wahren. Er ist allen Beteiligten für Vermögensnachteile, die er ihnen durch pflichtwidrige Führung seines Amtes verursacht, verantwortlich (§ 81 Abs 3 KO). Auch wenn der Masseverwalter der Auffassung war, der Verkauf liege im Interesse der Konkursmasse, hat er im vorliegenden Verfahren alles daranzusetzen, um die Rückübereignung zu erreichen.

Aus der Rekurslegitimation des Gemeinschuldners im Konkursverfahren folgt nicht sein rechtliches Interesse, einem Verfahren des Masseverwalters als Nebenintervenient beizutreten, das aufgrund seines erfolgreichen Rekurses geführt wird. Im Rekursverfahren ist der Gemeinschuldner Partei und macht Interessen geltend, die denen des Masseverwalters widersprechen; im Verfahren auf Rückübereignung hat der Masseverwalter die als berechtigt erkannten Interessen des Gemeinschuldners zu wahren. Wenn er sie nicht wahrt, ist er dem Gemeinschuldner verantwortlich. Die allfällige Befürchtung, der Masseverwalter werde die Interessen des Gemeinschuldners nicht bestmöglich wahren, kann nicht ein eigenes rechtliches Interesse des Gemeinschuldners begründen, wie es die Nebenintervention voraussetzt.

Es ist demnach auszuschließen, daß die Gemeinschuldnerin im vorliegenden Fall ein eigenes rechtliches Interesse am Obsiegen des Masseverwalters hat. Das Erstgericht hat ihre Nebenintervention im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.

Dem Rekurs der Beklagten war Folge zu geben; der Rekurs der Gemeinschuldnerin mußte erfolglos bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Zwischenstreites beruht auf §§ 41, 52 Abs 1 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte