OGH 13Os189/96

OGH13Os189/968.1.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.Jänner 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Rouschal, Dr.Habl und Dr.Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Heißenberger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Nikolaus W***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 17. September 1996, GZ 36 Vr 3450/95-46, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Jerabek, des Angeklagten und des Verteidigers Dr.Bibiza zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Nikolaus W***** wurde des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB schuldig erkannt. Er hat in der Nacht zum 11.November 1994 in Salzburg Kinga K***** durch die Äußerung: "Wenn du nicht spurst, gehts dir schlecht" bzw durch die wiederholte Äußerung, sie solle ja keinen Fehler machen, sonst gehe die Sache nicht gut aus sowie dadurch, daß er sie wiederholt von ihrer Wohnungstür wegstieß, am Verlassen der Wohnung und Durchführung eines Telefonates hinderte, in der Folge ihren Kopf erfaßte und an sein Glied drückte und mit ihr sodann einen Oral- und Geschlechtsverkehr durchführte, mit Drohung und Gewalt bzw durch Entziehung der persönlichen Freiheit zur Vornahme eines Beischlafs genötigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Nicht stichhältig ist zunächst der die Urteilsannahme des auch gewaltsam abgenötigten Oralverkehrs betreffende Vorwurf (Z 5) unerörtert gebliebener "Widersprüchlichkeiten" in den Angaben der Zeugin K*****, die (angeblich) zunächst vor der Polizei eine gewaltsame Vorgangsweise des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit dem Oralverkehr überhaupt verschwiegen und später vor Gericht diesbezüglich divergierende Angaben gemacht habe. Hat doch Kinga K***** schon bei ihrer niederschriftlichen Vernehmung vor der Bundespolizeidirektion Salzburg - in Übereinstimmung mit ihren - allerdings nur oberflächlich in Berichtsform festgehaltenen - Angaben anläßlich der Sachverhaltsaufnahme durch die Funkstreife, ausdrücklich auf das während des gesamten Tatgeschehens aggressive Verhalten des Beschwerdeführers hingewiesen, wobei sie über die näheren zum Oralverkehr führenden Umstände gar nicht befragt wurde (S 47, 49). Erst vor dem Untersuchungsrichter konkretisierte die Genannte (auf Befragen) den diesbezüglichen Geschehensablauf dahin, daß der Beschwerdeführer sie dadurch zum Oralverkehr gezwungen habe, daß er "ihren Kopf genommen und in Position gebracht habe" (S 108). Inhaltsgleich ist auch ihre Darstellung in der Hauptverhandlung, wonach sie vom Beschwerdeführer "am Nacken genommen und (zum Glied) hingezogen wurde" (S 380).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) versagt ebenfalls.

Bei der Prüfung, ob den als erwiesen angenommenen Äußerungen des Beschwerdeführers die Eignung als Nötigungsmittel der Drohung im Sinn des § 201 Abs 2 StGB zukommt, ist das Erstgericht keinesfalls, wie der Beschwerdeführer vermeint, einem "rechtsirrigen Mißverständnis" unterlegen, sondern rechtsrichtig davon ausgegangen, daß eine Drohung nur mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben dem Tatbestandserfordernis gerecht wird (siehe insbesondere US 11). Den Urteilsfeststellungen gemäß kündigte der Beschwerdeführer Kinga K***** an, daß es ihr "schlecht ergehen" bzw die Sache für sie "nicht gut ausgehen werde", sollte sie seinem auf die Duldung des Geschlechtsverkehrs bzw auf orale Befriedigung abzielenden Wunsch nicht entsprechen. Diese Äußerungen können (bei der gebotenen Beurteilung nach einem objektiv-individuellen Maßstab, siehe Leukauf/Steininger Komm3 § 74 RN 21) nur als Ankündigung der sofortigen Zufügung eines Übels in Form der Beeinträchtigung der Gesundheit oder der körperlichen Sicherheit verstanden werden, wie dies dem Urteilssachverhalt zufolge auch vom (dem Beschwerdeführer nach den konkreten Gegebenheiten schutzlos ausgelieferten) Tatopfer geschah, welches aus Angst davor, daß ihm der Beschwerdeführer "im Fall von Weigerungen körperliche Gewalt antun würde" (US 6), den für zwecklos und gefährlich erachteten Widerstand aufgab. Die essentiellen Merkmale einer im Sinn des § 201 Abs 2 StGB tatbildlichen Drohung, nämlich die mit dem angestrebten sexuellen Mißbrauch verknüpfte Ankündigung eines unmittelbar zu verwirklichenden Übels für die körperliche Integrität (das im übrigen keine erhebliche Intensität aufweisen muß, Leukauf/Steininger aaO ebenfalls RN 21), sind den dem Schuldspruch zugrundeliegenden Feststellungen zu entnehmen; der behauptete Rechtsirrtum ist dem Erstgericht sohin nicht unterlaufen.

Das übrige Vorbringen der Rechtsrüge wendet sich dagegen, daß im Schuldspruch - neben der Drohung - auch noch der beiden anderen rechtlich gleichwertigen im § 201 Abs 2 StGB angeführten Nötigungsmittel genannt werden, was aber von vornherein keinen Nachteil für den Beschwerdeführer bedeuten würde, weil der Schuldspruch auch ohne diese bestehen bliebe (vgl 13 Os 35/90).

Dennoch sei der Vollständigkeit halber aufgezeigt:

Gewalt im Sinn des § 201 Abs 2 StGB liegt vor, wenn eine nicht ganz unerhebliche physische Kraft zur Überwindung eines wirklichen oder nur vermuteten Widerstandes eingesetzt wird, wobei es einer besonderen Intensität der Kraftanwendung nicht bedarf (Leukauf/Steininger aaO RN 19); das dem Beschwerdeführer angelastete Zurechtrücken des widerstrebenden Tatopfers in eine zur Durchführung des Oralverkehres geeignete Position genügt diesem Erheblichkeitsanspruch, zumal Kinga K***** infolge des Krafteinsatzes des Beschwerdeführers dessen Wunsch nach oraler Befriedigung auch tatsächlich nachkommen mußte.

Mit dem Einwand, Kinga K***** hätte sich der Freiheitsbeschränkung allenfalls schon zu einem früheren Zeitpunkt (jedenfalls aber nicht vor Beendigung der Tat) entziehen können, releviert der Beschwerdeführer einen in rechtlicher Sicht unbeachtlichen Aspekt. Die Voraussetzungen einer im strafrechtlichen Sinn relevanten Freiheitsentziehung waren zur Tatzeit jedenfalls schon erfüllt (vgl 12 Os 135/82 ua).

Der zur Gänze unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerde war sohin ein Erfolg zu versagen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 201 Abs 2 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren, von welcher es gemäß § 43 a StGB einen Teil von achtzehn Monaten unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachsah.

Es wertete als erschwerend zwar nominell keinen Umstand, berücksichtigte jedoch (§ 32 StGB), daß das Tatopfer derzeit noch andauernde schwere psychische Störungen erlitten hat, und erachtete als mildernd die vom Angeklagten selbst erlittene schwere Verletzung sowie dessen "praktische Unbescholtenheit".

Die Berufung des Angeklagten, mit welcher er die Reduzierung des Strafausmaßes und die gänzliche bedingte Strafnachsicht anstrebt, ist nicht berechtigt.

Keineswegs hat das Erstgericht mildernde Umstände übersehen (vielmehr ist ein Milderungsgrund der "praktischen Unbescholtenheit" dem Gesetz fremd) oder einen erschwerenden Umstand zu Unrecht angenommen. Wenn auch kurz, so doch zutreffend wurde auch dargelegt, daß aus spezial- und generalpräventiven Gründen vorliegend der Vollzug zumindest eines Teiles der Freiheitsstrafe erforderlich ist.

Der Berufung konnte daher kein Erfolg beschieden sein.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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