OGH 7Ob2395/96y

OGH7Ob2395/96y18.12.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Klaus S*****, und 2. Elisabeth S*****, beide vertreten durch Dr.Roland Gabl ua Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei V***** Versicherungs-AG, ***** vertreten durch Dr.Wolfgang Dartmann und Dr.Haymo Modelhart, Rechtsanwälte in Linz, wegen "Gewährung von Versicherungsschutz" (Feststellungsinteresse S 51.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 21.August 1996, GZ 14 R 154/96g-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom 6.April 1996, GZ 13 C 1870/95s-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 5.358,12 (darin S 893,-- USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der vom Erstkläger am 23.5.1991 auf 10 Jahre mit der beklagten Partei abgeschlossenen Rechtsschutzversicherung liegen die ARB 1988 sowie die Besonderen Bedingungen für die Advokard Verkehrs-Rechtsschutz (Nr.474) bei einer Versicherungssumme von S 320.000,-- zugrunde. Die Versicherung umfaßt nur den Privatrechtsschutz gemäß Art.19 ARB 1988 und nicht den Allgemeinen Vertragsrechtsschutz nach Art.23 der ARB 1988. Die Zweitklägerin ist mitversichert.

Die ARB 1988 haben unter anderem folgenden Inhalt:

"Artikel 2

Was gilt als Versicherungsfall?

1) Im Schadenersatz-Rechtsschutz (Artikel 17 Pkt.21, Artikel 18 Pkt.2.1. und Artikel 19 Pkt.2.1.) gilt als Versicherungsfall der Eintritt des dem Anspruch zugrunde liegenden Schadensereignisses.

Artikel 19

Schadenersatz- und Strafrechtsschutz für den Privat-, Berufs- und Betriebsbereich.

Der Versicherungsschutz erstreckt sich je nach Vereinbarung auf den Privat-, Berufs- und/oder Betriebsbereich. ...

2) Was ist versichert?

Der Versicherungsschutz umfaßt

2.1. Schadenersatz-Rechtsschutz

für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts wegen eines erlittenen Personen-, Sach- oder Vermögensschadens, soweit diese Ansprüche nicht auschließlich auf der Verletzung einer vertraglichen Verpflichtung beruhen.

Artikel 23

Allgemeiner Vertrags-Rechtsschutz

Der Versicherungsschutz erstreckt sich je nach Vereinbarung auf den Privat- und/oder Betriebsbereich. ...

3) Was ist nicht versichert?

Im Allgemeinen Vertrags-Rechtsschutz besteht - neben den in Artikel 7 genannten Fällen - kein Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen.

3.1. die im Zusammenhang mit der Planung, Errichtung oder baubehördlich genehmigungspflichtigen baulichen Veränderung eines im Eigentum oder Besitz des Versicherungsnehmers befindlichen oder von diesem zu erwerbenden Grundstückes, Gebäudes oder Gebäudeteiles (Wohnung) stehen; ...

4) Wartefrist für Versicherungsfälle, die vor Ablauf von 3 Monaten ab dem vereinbarten Versicherungsbeginn eintreten, beteht kein Versicherungsschutz".

Am 10.2.1992 beauftragten die Kläger die Firma S***** Fertighäuser Baustoff- und Fertigteilwerke GesmbH (im folgenden Fa. S*****) mit der Planung und Errichtung eines Einfamilienhauses auf dem Grundstück EZ ***** KG E***** und leisteten am 23.9.1992 die vereinbarte Anzahlung von S 400.000,--. Zur Bauausführung kam es jedoch nicht mehr, weil über das Vermögen der Firma S***** im April 1993 das Konkursverfahren eröffnet wurde. Bereits Ende des Wirtschaftsjahres 1991/92 war die Firma S***** zahlungsunfähig, das Eigenkapital aufgrund von Verlustvorträgen negativ. Bis April 1993 waren Ewald und Leopold S***** Geschäftsführer der Firma S*****.

Die Kläger stellen das Begehren, die beklagte Partei sei schuldig, ihnen aus der Rechtsschutzversicherung zur Polizze Nr. ***** bis zur Höhe der Versicherungssumme Versicherungsschutz für das Zivilverfahren erster Instanz gegen Ewald und Leopold S***** ... über S 400.000,-- sA für die in der Anlage angeschlossene Klage, die einen integrierenden Teil des Urteilsbegehrens darstelle, dergestalt zu gewähren, daß die Kostenhaftung übernommen wird. Ewald und Leopold S*****, den Geschäftsführern der Gesellschaft, sei bei Vertragsabschluß mit den Klägern sowohl die Insolvenz der von ihnen geführten Gesellschaft als auch der Umstand, daß der von den Klägern erteilte Auftrag nicht mehr zur Ausführung kommen werde, bekannt gewesen. Die beiden hätten fahrlässig die Insolvenz der Gesellschaft herbeigeführt, indem sie übermäßig Fremdkapital in Anspruch genommen und übermäßigen Aufwand getrieben hätten; sie seien laufend neue Verbindlichkeiten eingegangen, sodaß die Erfüllung der bestehenden dadurch erschwert bzw. verhindert worden sei. Bei gehöriger Erfüllung ihrer Geschäftsführerverpflichtungen hätten sie längst vor Beginn des Jahres 1992 die Einleitung des Konkursverfahrens beantragen müssen, sodaß sie den Klägern die am 23.9.1992 an die Firma S***** als Anzahlung für die Planung und Errichtung eines Einfamilienhauses geleisteten S 400.000,-- zu ersetzen hätten, weil infolge Konkurseröffnung über das Vermögen der Firma S***** im April 1993 die Bauausführung unterblieben sei.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage und wendete ein, daß keine Rechtsschutzdeckung bestehe, weil die Kläger einen vertraglichen Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Anzahlung geltend machen wollten.

Das Erstgericht gab dem Deckungsbegehren statt. Der von den Klägern gegen die Geschäftsführer der Firma S***** erhobene auf die Verletzung des § 69 KO und des § 159 Abs 1 Z 1 und 2 StGB gestützte Schadenersatzanspruch sei deliktischer Natur und daher vom Versicherungsschutz mitumfaßt.

Das Berufungsgericht bestätigte mit der angefochtenen Entscheidung dieses Urteil. Es erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Zu Art 19 der ARB 1988 werde der Schadenersatz-Rechtsschutz vom Vertragsrechtsschutz nach Art 23 unterschieden. Der Schadenersatzrechtsschutz solle als Spiegelbild der Haftpflichtversicherung nur Deckung für Ansprüche geben, die auf Deliktsrecht gestützt werden könnten. Die seit Jahrzehnten in österreichischen und deutschen Haftpflicht- und Rechtsschutzbedingungen verwendeten Formulierungen "Schadenersatzansprüche aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhaltes" grenzten sich aber gegenüber vertraglichen Schadenersatzrechtssansprüchen nicht ausreichend ab. Der Schadenersatz-Rechtsschutz der ARB 1988 decke Schadenersatz aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhaltes, die nicht ausschließlich auf Verletzung einer vertraglichen Verpflichtung beruhten. Neben rein deliktischen Ansprüchen fielen daher auch solche Schadenersatzansprüche unter den Versicherungsschutz, die sowohl auf die Verletzung einer vertraglichen Verpflichtung als auch auf ein Delikt gestützt werden könnten. Der von den Klägern gegen die vormaligen Geschäftsführer der Firma S***** geltend gemachte Schadenersatzanspruch beruhe nicht ausschließlich auf der Verletzung einer vertraglichen Verpflichtung, weil das deliktische Verhalten der beiden Geschäftsführer durch Verletzung eines Schutzgesetzes zugunsten aller Gesellschaftsgläubiger Voraussetzung für die Geltendmachung des vorliegenden Anspruches sei. Die Rechtsprechung habe aus allgemeinen schadenersatzrechtlichen Grundsätzen eine persönliche Haftung der Geschäftsführer unmittelbar gegenüber den Gesellschaftsgläubigern bei Verletzung eines Schutzgesetzes entwickelt, insoweit der geschädigte Gläubiger im Rahmen seines Ersatzanspruches gegen die GesmbH nicht voll befriedigt werden könne. So hafte der Geschäftsführer, der das Delikt der fahrlässigen Krida begehe, ex delicto unmittelbar den Gesellschaftsgläubigern für einen Schaden, den er durch dieses rechtswidrige Verhalten verursacht habe. § 69 KO und § 159 Abs 1 Z 1 und 2 StGB seien Schutzgesetze zugunsten aller Gesellschaftsgläubiger, die durch die nicht rechtzeitige Konkurseröffnung geschädigt worden seien. Auch wenn sich der Anspruch gegen die beiden Geschäftsführer aus einem Vertrag mit der Firma S***** ableite, basiere der geltend gemachte Anspruch doch auf einem Delikt und sei sohin nicht ausschließlich auf die Verletzung einer vertraglichen Verpflichtung zurückzuführen. Wenn auch das vorliegende Klagebegehren jenem einer Leistungsklage angepaßt sei, handle es sich doch in Wahrheit um ein Feststellungsbegehren, weil die Leistung des Versicherers in der Rechtsschutzversicherung in der Übernahme der Kosten für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers bestehe; diese Kosten seien in der Klage aber betraglich nicht angeführt worden.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung erhobene Revision der beklagten Partei ist nicht berechtigt.

Die beklagte Partei releviert in ihrem Rechtsmittel nur mehr die Frage der Deckung des vorliegenden Anspruches in der allgemeinen Schadenersatz-Rechtsschutzversicherung sowie das ihrer Ansicht nach verfehlt als Leistungsbegehren gefaßtes Urteilsbegehren.

Die Allgemeinen Rechtsschutzbedingungen decken wegen der schweren Überschaubarkeit und Kalkulierbarkeit sowie der Größe des Rechtskostenrisikos im gesamten Bereich des privaten wie auch öffentlichen Rechtes nur Teilgebiete ab (vgl. Harbauer, Rechtsschutzversicherung5, 457 ff insbes 464, sowie Kronsteiner in VR 1994, 172 ff [176 f]).

Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung 7 Ob 47/86 (= VR

1987, 165 = RdW 1987, 407) den Begriff des Schadenersatzanspruches im

Sinne des Art.1 Abs.1 lit.a ARB 1965 weit interpretiert und die Deckungspflicht des Versicherers gegenüber einem Versicherungsnehmer, der seinen Vertragspartner wegen Verletzung des Handelsvertretergesetzes klagen wollte, im Rahmen einer Berufsrechtsschutzversicherung bejaht und hat dies damit begründet, daß die Berufsrechtsschutzversicherung einen wesentlichen Teil ihres Sinnes verlieren würde, wenn gerade Haftpflichtansprüche gegen Vertragspartner des Versicherungsnehmers nicht zu decken wären. Diese Entscheidung ist von Fenyves in der Festschrift für Ostheim, 559 ff kritisiert worden. Zu 7 Ob 3/93 (= VR 1993, 277) hat sich der erkennende Senat, allerdings aufgrund eines mit dem hier vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbaren Sachverhaltes, der Kritik Fenyves' angeschlossen. In der Entscheidung 7 Ob 2043/96h, dieser Entscheidung lagen die ARB 1965/82 und die ERB 1965/82 zugrunde, hat der erkennende Senat keine abschließende Feststellung zur Kritik Fenyves' getroffen. Fenyves führt in der genannten Abhandlung aus, daß die Rechtsschutzversicherung ihren Ausgangspunkt historisch bei den Kraftfahrzeugunfällen hatte und dem Versicherungsnehmer als "contre assurance" die Waffengleichheit gegenüber dem übermächtigten Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer gewährleisten sollte. Der "allgemeine Rechtsschutz" stelle aus dieser Sicht nur eine Fortsetzung des Kraftfahrzeugrechtsschutzes in weitere Risikobereiche dar, die aber unbestrittenermaßen am Vorliegen eines Unfalls des Versicherungsnehmers angesetzt hätten. Dementsprechend sei davon auszugehen, daß Schadenersatzansprüche des Versicherungsnehmers, die er im Rahmen der allgemeinen Rechtsschutzversicherung geltend machen will, aus Unfällen entstanden sind. Die Formulierung der Schadenersatzrechtsschutzversicherung gleiche daher im wesentlichen spiegelbildlich der Risikoumschreibung des Deckungsumfanges der AKHB. Dementsprechend sei zusätzlich die Vertragsrechtsschutzversicherung eingeführt worden, die die Verfolgung oder die Abwehr von Ansprüchen aus Verträgen über Kauf, Tausch, Finanzierung, über Miete, Leihe und Verwahrung von Fahrzeugen decke. Darüber hinaus decke die Allgemeine Vertragsrechtsschutzversicherung auch die Verfolgung oder Abwehr von Ansprüchen aus sonstigen schuldrechtlichen Verträgen des Versicherungsnehmers, bewegliche Sachen betreffend. Bei der Vertragsrechtsschutzversicherung könne es neben anderen Ansprüchen aus den dort genannten Verträgen auch um Schadenersatzansprüche gehen, die aber dort nur insoweit gedeckt seien, als sie zur Erreichung des unmittelbaren Leistungsinteresses dienten. Dementsprechend werde im Rahmen der Vertragsrechtsschutzversicherung im Bereich des Schadenersatzrechtes Deckung "über den Versicherungsschutz des Art.1 Abs.1 lit.a ARB 1965 hinaus" gewährt. Aus dieser Wendung sei der Rückschluß zulässig, daß im Bereich des "normalen" Schadenersatzrechtsschutzes Ansprüche aus deliktischem Unrecht, vertragliche Schadenersatzansprüche aber nur insoweit gedeckt sind, als sie jenseits des unmittelbaren Vertragsinteresses liegen (Fenyves aaO, 563 ff, insbesondere 566). Auch im vorliegenden Fall kann wegen der andersgelagerten Bedingungslage eine abschließende Stellungnahme zur Lehrmeinung Fenyves's und den von ihm gebrauchten Argumenten unterbleiben, weil der vorliegende Deckunganspruch nicht "ausschließlich" auf die Verletzung einer vertraglichen Verpflichtung zurückzuführen ist. Gesetzliche Schadenersatzansprüche aus einer Vertragsverletzung können mit außervertraglichen Schadenersatzansprüchen, so zB aus einer Schutzgesetzverletzung abgeleiteten konkurrieren. Im vorliegenden Fall liegt aber nur scheinbar eine solche Konkurrenz vor. Ohne das den Geschäftsführern der Firma S***** vorgeworfene strafrechtlich verpönte Verhalten wäre es gar nicht zu einem Vertragsabschluß samt Leistung einer Anzahlung durch die Kläger gekommen, weil sie bei Kenntnis von der Insolvenz ihres Vertragspartners zweifellos davon Abstand genommen hätten. Keinesfalls basiert deshalb der gegen die Geschäftsführer gerichtete Schadenersatzanspruch ausschließlich auf der Verletzung einer vertraglichen Verpflichtung. Der Rechtsgrund des Anspruchs der Kläger liegt nur in einem äußeren Zusammenhang mit einem schuldrechtlichen Vertrag, hat aber selbst seine Rechtsgrundlage nicht in diesem Vertrag. Mit Recht haben deshalb die Vorinstanzen die Ansicht vertreten, daß die Verfolgung des von den Klägern angestrengten, auf dem Gesetz beruhenden Schadenersatzanspruches unter den Schadenersatzrechtsschutz für den Privatbereich fällt (§ 510 Abs 3, 2.Satz ZPO).

Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie dies der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer verstehen muß, wobei Unklarheiten zu Lasten des Versicherers gehen. Zu berücksichtigen ist aber in allen Fällen der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung (vgl. VR 1994/355 mwN). Dem Wort "ausschließlich" ist nach dem allgemeinen Sprachverständnis zu entnehmen, daß keinerlei andere Haftungsgrundlage für den geltend zu machenden Anspruch heranzuziehen wäre. Zutreffend hat daher das Berufungsgericht den geltend gemachten Anspruch als nicht ausschließlich aus der Verletzung einer Vertragsverpflichtung herrührend beurteilt.

Im übrigen schließt sich der erkennende Senat der Auffassung des Berufungsgerichtes an, daß das vorliegende Begehren als Feststellungsbegehren zu qualifizieren ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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