OGH 9ObA2287/96f

OGH9ObA2287/96f18.12.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dipl.Ing.Walter Holzer und Walter Darmstädter als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Brigitte M*****, Lagerarbeiterin,***** vertreten durch Dr.Peter Kaltschmid, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei S***** GmbH, ***** vertreten durch Univ.Doz.Dr.Bernd A. Oberhofer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Feststellung, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17. September 1996, GZ 15 Ra 124/96-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 2.Mai 1996, GZ 47 Cga 21/95p-11, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin war ab 1.9.1994 bei der beklagten Partei als Lagerarbeiterin beschäftigt und arbeitete nie mehr als 36 Stunden im Monat; ihr Bezug überschritt nie die Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs 2 lit c ASVG). Im Betrieb der beklagten Partei sind etwas über 100 Beschäftigte tätig. Die Klägerin wurde unter Einhaltung der Kündigungsfrist zum 30.11.1995 (und neuerlich am 31.10.1995 zum 15.11.1995) gekündigt. Neben der Klägerin wurden gleichzeitig etwa 30 geringfügig Beschäftigte gekündigt. Eine Anzeige an die Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice im Sinne des § 45 a AMFG erfolgte nicht.

Am 29.3.1995 sprach die beklagte Partei neuerlich eine Kündigung der Klägerin zum nächstmöglichen Kündigungstermin aus.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, daß ihr Dienstverhältnis über den 30.11.1995 aufrecht und die vor diesem Tag ausgesprochene Kündigung rechtsunwirksam sei; die beklagte Partei habe die Bestimmungen über das "Frühwarnsystem" mißachtet; die Kündigung habe daher nicht wirksam erfolgen können.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung dieses Klagebegehrens. Die Klägerin sei als geringfügig Beschäftigte nicht der Pflichtversicherung in der Arbeitslosenversicherung unterlegen und habe daher keinen Anspruch auf Arbeitslosengeldbezug gehabt; das Kündigungsfrühwarnsystem nach § 45 a AMFG gelte daher für sie nicht.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach den Gesetzesmaterialien bestehe die Meldepflicht nur hinsichtlich arbeitsmarktpolitisch relevanter Auflösungen von Dienstverhältnissen. Von der Anzeigepflicht sei auch die Kündigung von Arbeitnehmern ausgenommen, die zufolge Teilzeitbeschäftigung nicht arbeitslosenversicherungspflichtig seien. Die gegenständliche Kündigung sei nicht rechtsunwirksam, so daß das Arbeitsverhältnis per 30.11.1995 beendet worden sei.

Das Berufungsgericht hob über Berufung der Klägerin dieses Urteil auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück. Die vom Erstgericht angenommene Ausnahme geringfügig Beschäftigter vom Geltungsbereich des § 45 a AMFG finde im Gesetzeswortlaut keine Deckung. Für die in der Literatur vertretene dementsprechende Meinung fehle eine Grundlage. Auch wenn man unterstelle, daß das Schutzbedürfnis geringfügig Beschäftigter nicht so sehr ins Gewicht falle wie bei vollzeitig Beschäftigten, handle es sich nur um rechtspolitische Überlegungen, die als Argument für eine entsprechende Gesetzesänderung ins Treffen geführt werden könnten. Der geltend gemachte Gesetzestext lasse es jedoch nicht zu, geringfügig Beschäftigte vom Geltungsbereich des § 45 a AMFG auszunehmen. Die zum 30.11.1995 ausgesprochene Kündigung sei daher rechtsunwirksam gewesen. Die Klägerin habe ungeachtet der am 29.3.1996 erfolgten neuerlichen Kündigung ihr Begehren auf Feststellung des aufrechten Bestandes ihres Arbeitsverhältnisses weiterverfolgt. Zu prüfen werde daher sein, ob diese letztgenannte Kündigung rechtswirksam erfolgt sei (§ 45 a AMFG). Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Rekurs gegen die Aufhebungsentscheidung zulässig sei.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und in der Sache selbst dahin zu entscheiden, daß das Ersturteil wieder hergestellt werde.

Die Klägerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Da die Begründung des Berufungsgerichtes zutreffend ist, genügt es, auf diese Ausführungen zu verweisen (§ 48 ASGG).

Die Bestimmung des § 45 a AMFG wurde (in einer zwischenzeitig geänderten Fassung) durch die 4.Novelle zum AMFG, BGBl 1976/388, in das Gesetz eingefügt. Die Regierungsvorlage (149 BlgNR 14. GP, 10 f) führt dazu aus, daß im Hinblick auf die Lage auf dem Arbeitsmarkt deutlich gemacht werde, daß eine bessere Abstimmung der personalpolitischen Maßnahmen der Betriebe auf die arbeitsmarktpolitischen Möglichkeiten nötig sei. Zielsetzung der unter der Rubrik "Mitwirkung der Dienstgeber" zusammengefaßten neuen Bestimmungen sei es, vor allem durch die Erfüllung der in den §§ 45 a bis c auferlegten Verpflichtungen die Voraussetzungen für einen optimalen Einsatz des Instrumentariums nach dem AMFG zu schaffen. Im Bericht des Ausschusses für soziale Verwaltung (274 BlgNR 14. GP, 2) wird darauf hingewiesen, daß die Mitwirkungspflichten der Dienstgeber den Zweck hätten, den Dienststellen der Arbeitsmarktverwaltung die zur Erfüllung des Auftrages nach § 1 AMFG notwendigen Informationen zu sichern. Auftrag der Dienststellen der Arbeitsmarktverwaltung war es gemäß dem (zwischenzeitig aufgehobenen - BGBl 1994/314) § 1 AMFG durch die dort näher bezeichneten Maßnahmen im Sinne einer aktiven Arbeitsmarktpolitik zur Erreichung und Aufrechterhaltung der Vollbeschäftigung sowie zur Verhütung von Arbeitslosigkeit beizutragen. Im weiteren führt der Ausschußbericht aus, eine solche Meldepflicht sei jedoch nur hinsichtlich arbeitsmarktpolitisch relevanter Auflösungen beabsichtigt; erfolge die Kündigung eines Dienstnehmers zB lediglich wegen Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen für die Alterspension, so werde einer solchen Auflösung im Rahmen der zu erlassenden Verordnung keine Bedeutung beizumessen sein und sie auch bei der Feststellung der Grenzwerte außer Betracht zu bleiben haben. Unberücksichtigt hätte in diesem Zusammenhang selbstverständlich auch Kündigungen seitens der Dienstnehmer zu bleiben, da die Verordnungsermächtigung nur auf den Fall der Verringerung des Beschäftigtenstandes durch den Dienstgeber abstelle.

Beigetreten kann der letzten Aussage werden, weil nach der Fassung des Gesetzes nur vom Dienstgeber veranlaßte Auflösungen des Arbeitsverhältnisses (arg: "bevor sie den Beschäftigtenstand.... verringern" - § 45a Abs 1 AMFG) von der Bestimmung umfaßt werden. Ob Arbeitgeberkündigungen, die wegen Inanspruchnahme der Alterspension durch den Arbeitnehmer erfolgen, von der Regelung ausgenommen sind, braucht nicht erörtert zu werden, weil dieser Fall nicht vorliegt. Für die Absicht, weitere Personengruppen von der Anwendung der Norm auszunehmen, findet sich in den Gesetzesmaterialien kein Anhaltspunkt. Insbesondere werden geringfügig Teilzeitbeschäftigte im Ausschußbericht in diesem Zusammenhang nicht erwähnt. Die Ansicht, daß die Bestimmungen des Kündigungsfrühwarnsystems u.a. auf diese Personengruppe nicht anzuwenden seien, findet sich vielmehr nur in einem - namentlich nicht gezeichneten - Beitrag in RdW 1986, 83 und wird dort nicht begründet. Offenbar leitet der Verfasser dieses Ergebnis aus den Ausführungen des Ausschußberichtes ab, daß sich die Bestimmungen nur auf arbeitsmarktpolitisch relevante Auflösungen beziehen sollen, und erachtet die Auflösung von Arbeitsverhältnissen Teilzeitbeschäftigter, die nicht arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt sind, als arbeitsmarktpolitisch nicht relevant. Der Gesetzeswortlaut bietet aber für eine solche Interpretation keine Grundlage. Tragender Gedanke der Regelung ist es ua, den Behörden der Arbeitsmarktverwaltung durch eine frühzeitige Verständigung von geplanten Auflösungen von Arbeitsverhältnissen in größerem Umfang die Möglichkeit zu bieten, rechtzeitig Vorsorge für die anderweitige Unterbringung der freigesetzten Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt Vorsorge zu treffen. Der Bedarf nach anderweitigenArbeitsplätzen - wenn auch nur im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung - besteht aber regelmäßig auch bei Freisetzung geringfügig Beschäftigter, so daß der Schutzzweck der Norm auch auf diese Personengruppe zu beziehen ist. Daß geringfügig Beschäftigte nicht der Arbeitslosenversicherungspflicht unterliegen, schließt sie zwar vom Bezug von Arbeitslosengeld, nicht jedoch von der Vermittlungstätigkeit im Rahmen der Arbeitsmarktverwaltung (des Arbeitsmarktservice) aus. Es bestehen daher keine Grundlagen, die es rechtfertigen könnten, die Bestimmung des § 45a AMFG teleologisch dahin zu reduzieren, daß geringfügig Beschäftigte von diesen Bestimmungen ausgenommen wären. Für ein solches Ergebnis läßt sich auch aus der Verordnung gemäß § 45a AMFG BGBl 1991/11 kein Anhaltspunkt gewinnen. Der diesbezüglich vom BMfAuS geäußerten Ansicht kann daher nicht beigetreten werden. Gerade der vorliegende Fall, in dem bei einem Beschäftigtenstand von über 100 Personen fast ein Drittel der Belegschaft geringfügig beschäftigt war und zur gleichen Zeit gekündigt wurde, zeigt im übrigen, daß auch die Freisetzung geringfügig Beschäftigter durchaus von arbeitsmarktpolitisch relevanter Bedeutung sein kann.

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes ist daher frei von Rechtsirrtum.

Der Kostenvorbehalt stützt sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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