OGH 14Os174/96

OGH14Os174/9617.12.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Dezember 1996 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer, Dr. Ebner, Dr. E.Adamovic und Dr. Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pösinger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Herwig T***** und andere Angeklagte wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida nach §§ 159 Abs 1 Z 1 und 161 Abs 1 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Landesgerichtes Leoben vom 28. März 1996, GZ 12 Vr 1.297/93-120, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Raunig, und des Verteidigers Dr. Junghuber, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten Herwig T***** und Lieselotte T***** zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Beschluß des Landesgerichtes Leoben vom 28. März 1996, GZ 12 Vr 1.297/93-120, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 120 StPO.

Dieser Beschluß wird aufgehoben und es wird dem Landesgericht Leoben die neuerliche Entscheidung über die Einwendungen der Angeklagten Herwig T***** und Lieselotte T***** gegen die Bestellung des Sachverständigen aufgetragen.

Text

Gründe:

Den Angeklagten Lieselotte T*****, Peter T***** und Mag. Erich S***** liegt unter anderem auch die Verübung eines (Subventions)Betruges mit einem Schaden von 13,270.000 S (§§ 146, 147 Abs 3 StGB) zum Nachteil des Landes Steiermark zur Last (Punkt III der seit 21. November 1995 rechtskräftigen Anklageschrift). Dieses Bundesland hat sich - vertreten durch die Rechtsabteilung 10 des Amtes der Landesregierung - mit der Erklärung vom 13. Oktober 1993 dem Strafverfahren als Privatbeteiligter angeschlossen (AS 639 ff/I).

Mit Beschluß des Untersuchungsrichters vom 18. März 1994 (S 4 des AV-Bogens) war Dr. Franz K***** zum Buchsachverständigen bestellt worden, dessen (mehrfach ergänztes) Gutachten wesentliche Grundlage der Anklage insgesamt (ON 10, 37, 43, 92) und damit auch des unter Pkt III erhobenen Betrugsvorwurfs im besonderen ist (vgl ON 43 und ON 66 S 17 ff).

Nachdem Herwig und Lieselotte T***** gegen die Bestellung Dris. K***** zunächst wegen dessen Sachverständigentätigkeit auch in Anfechtungsprozessen, die vom Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Herwig T***** KG gegen sie angestrengt worden waren, remonstriert hatten (vgl ON 98), erhoben sie mit dem als Ablehnungsantrag bezeichneten Schriftsatz vom 13. März 1996 (ON 115) gegen den Sachverständigen wegen seiner beruflichen Tätigkeit als Beamter der Rechtsabteilung 10 des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung neuerlich Einwendungen im Sinne des § 120 StPO mit der Begründung, daß sich aus dessen ihnen erst jetzt bekannt gewordener Funktion eines Beamten des Landes Steiermark, das sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligter angeschlossen hatte, zwangsläufig ein Interessenkonflikt ergebe.

In seiner Stellungnahme zu diesem Vorbringen (AS 369/V) erklärte Dr. K*****, sich nicht befangen zu fühlen, weil er als Beamter des Landes Steiermark mit der vorliegenden Angelegenheit weder befaßt gewesen sei noch eine diesbezügliche Weisung erhalten habe.

Mit Beschluß des Landesgerichtes Leoben vom 28. März 1996 (ON 120/V) wurde der Ablehnungsantrag "zurückgewiesen", weil Einwendungen im Sinn des § 120 StPO zulässigerweise nur vor Erstattung von Befund und Gutachten erhoben werden dürften, im übrigen aber eine Befangenheit des Sachverständigen im Hinblick auf den Inhalt seiner Stellungnahme zu verneinen sei.

Die von den Angeklagten Herwig und Lieselotte T***** dagegen erhobene Beschwerde wies das Oberlandesgericht Graz mit Beschluß vom 2. Mai 1996, AZ 9 Bs 157/96 (ON 125 a des Strafaktes), mit der Begründung als unzulässig zurück, daß die Strafprozeßordnung ein solches Rechtsmittel für das Gerichtshofverfahren nicht vorsehe.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschluß des Landesgerichtes Leoben vom 28. März 1996, GZ 12 Vr 1297/93-120, steht, wie der Generalprokurator in seiner deshalb zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Von den hier nicht aktuellen nichtigkeitsbedrohten Fällen des Ausschlusses eines Sachverständigen abgesehen (§ 120 ersten Satz StPO), soll das Gericht auch sonst nur unbefangene Experten zu Sachverständigen bestellen. Befangen ist ein Sachverständiger - ebenso wie ein Richter - dann, wenn er nicht mit der vollen Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit an eine Sache herantritt und somit eine Beeinträchtigung der unparteilichen Beurteilung durch sachfremde psychologische Motive zu befürchten ist. Wenn naturgemäß auch nur der jeweilige Sachverständige selbst den unmittelbaren Zugang zur Erkenntnis eines solchen inneren Zustandes besitzt, ist es nicht allein maßgeblich, ob sich der Sachverständige selbst subjektiv befangen fühlt oder nicht. Vielmehr genügt grundsätzlich schon der äußere Anschein einer Befangenheit, soweit hiefür zureichende Anhaltspunkte gegeben sind, denen die Eignung zukommt, aus objektiver Sicht, d.h. bei einem verständig wertenden objektiven Beurteiler, die volle Unbefangenheit des Sachverständigen in Zweifel zu ziehen (zur gleichgelagerten Frage nach der Befangenheit von Richtern vgl 15 Os 178,179/95; in bezug auf Sachverständige siehe 15 Os 42/92 und 15 Os 100,103/92).

Dazu kommt, daß nach der Regelung des (auch für die Hauptverhandlung geltenden - Foregger/Kodek6, Erl I zu § 248 StPO) § 120 StPO das Recht der Parteien zur Erhebung von Einwendungen gegen die Bestellung eines Sachverständigen keineswegs ausschließlich auf die Zeit vor der Erstattung von Befund und Gutachten beschränkt ist. Solche Einwendungen sind grundsätzlich auch noch später zulässig, jedenfalls dann, wenn sie - wie hier - im Zwischenverfahren, also vor Erstattung von Befund und Gutachten in der Hauptverhandlung (in welcher deren Ablehnung allenfalls unter dem Aspekt eines Verfahrensmangels nach § 281 Abs 1 Z 4 bzw § 345 Abs 1 Z 5 StPO anfechtbar wäre), erhoben werden und den Parteien die Geltendmachung derartiger Einwendungen zu einem früheren Zeitpunkt nicht möglich war (vgl hiezu insbesondere Bertel, Grundriß des österreichischen Strafprozeßrechtes4, Rz 419).

Unter Zugrundelegung dieser Beurteilungskriterien erweisen sich die Einwendungen der Angeklagten Herwig und Lieselotte T***** wider die Sachverständigenbestellung als sowohl rechtzeitig wie auch erheblich. Anders als eine die Ableitung erheblicher Einwendungen nicht zulassende Heranziehung desselben Sachverständigen auch durch Gerichte in anderen Verfahren (15 Os 42/92) stellt die Tätigkeit des Dr. Franz K***** als Sachverständiger im gegenständlichen Verfahren und seine gleichzeitige Funktion als Beamter der Rechtsabteilung 10 des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung einen Umstand dar, der aus objektiver Sicht - nicht zuletzt auch im Lichte der Bestimmung des Art 6 Abs 1 EMRK über den Anspruch eines Angeklagten auf ein faires Verfahren - die volle Unbefangenheit des Sachverständigen in Zweifel zu ziehen geeignet ist. Hat das gegenständliche Strafverfahren doch unter anderem auch den Vorwurf eines massiven Subventionsbetruges zum Nachteil des Landes Steiermark zum Gegenstand, welches im Adhäsionsverfahren von seiner gerade auch für derartige Belange zuständigen Rechtsabteilung 10 vertreten wird. Daß der Sachverständige in seiner Eigenschaft als Beamter der somit Interessen des Landes wahrnehmenden Rechtsabteilung 10 persönlich mit dem Fall nicht befaßt war und auch keine diesbezügliche Weisung erhalten hat, ist ohne Belang. Vielmehr genügt es, daß unter den vorliegenden Gegebenheiten die Ausübung der Tätigkeit eines Sachverständigen durch Dr. Franz K***** mit seiner Funktion als Landesbeamter der Steiermark schon aus objektiver Sicht als unvereinbar gewertet werden muß.

Somit hat das Erstgericht die objektiven Voraussetzungen der Befangenheit eines Sachverständigen nicht in ihrer Gesamtheit erfaßt und demzufolge den ihnen im vorliegenden Fall zukommenden Stellenwert verkannt. Aufgrund der darin gelegenen Gesetzesverletzung war daher in Stattgebung der Beschwerde wie im Spruch zu entscheiden.

Nur am Rande sei erwähnt, daß - zumal sich Dr. Franz K***** im Rahmen seiner Tätigkeit im Gerichtsverfahren stets nur als Sachverständiger deklariert hat (vgl ON 10, 37, 43 und 119) - die Aktenlage überdies keine Anhaltspunkte dafür bietet, daß den Angeklagten Herwig und Lieselotte T***** seine berufliche Stellung als Landesbeamter schon zu einem früheren Zeitpunkt bekannt gewesen wäre und sie deshalb zur Erhebung entsprechender Einwendungen schon vor der Erstattung von Befund und Gutachten im Vorverfahren in der Lage gewesen wären.

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